Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.07.2001, Az.: 4 U 44/01
Culpa in contrahendo; Grundstückskaufvertrag; Schadensersatz ; Eigenschaftszusicherung ; Erschließung; Anschluss an ein Regenwassernetz
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.07.2001
- Aktenzeichen
- 4 U 44/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 21566
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0716.4U44.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 3 O 255/99
Rechtsgrundlagen
- § 459 BGB
- § 463 BGB
Amtlicher Leitsatz
Die falsche Versicherung in einem Grundstückskaufvertrag, der Grundbesitz sei erschlossen, insbesondere sei von rückständigen Erschließungsbeiträgen nichts bekannt und unbezahlte Erschließungsbeitragsrechnungen lägen nicht vor, stellt keine zum Schadensersatz berechtigende Eigenschaftszusicherung gemäß §§ 459, 463 S. 1 BGB dar, gibt aber einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (cic) und erfasst - jedenfalls bei älteren Grundstücken - auch den Anschluss an das öffentliche Regenwassernetz.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 2. Februar 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer: 11. 583, 37 DM.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (cic) in Höhe des vom Landgericht zuerkannten Betrages (11. 583, 37 DM) zu, weil der Beklagte in § 3 des notariellen Kaufvertrages vom 18. März 1999 (Bl. 7 GA) falsch und daher pflichtwidrig versichert hat, dass der Grundbesitz erschlossen ist, obwohl ein Anschluss der Regenentwässerung an das öffentliche Regenwassernetz nicht vorhanden war.
I.
Zwar hat der Einzelrichter unzutreffend einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 463 Satz 1 BGB wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft angenommen, da Erklärungen der vorliegenden Art wie in § 3 des Vertrages nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Zusicherung einer Eigenschaft des Grundstücks darstellen, sondern eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Bestimmung, wer im Innenverhältnis die Erschließungskosten zu tragen hat (vgl. BGH NJW 1993, 2796; NJW-RR 1994, 76 (77) [BGH 08.10.1993 - V ZR 146/92]). Die Frage, wer Erschließungskosten zu tragen hat, betrifft weder ein physisches Merkmal des Grundstücks noch eine rechtliche Beziehung des Grundstücks zur Umwelt, die in der Beschaffenheit des Grundstücks selbst ihren Grund hat, und ist daher auch nicht zusicherungsfähig gemäß § 459 Abs. 2 BGB. Es handelt sich vielmehr um eine vertragliche Regelung der Frage, welche Leistung und Kosten mit dem Preis abgegolten sind (vgl. BGH a. a. O. , 2796).
Den Klägern steht aber ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zu, da die Versicherung des Beklagten, dass der Grundbesitz erschlossen ist, falsch war (vgl. BGH NJW-RR 1994, 76 (77) [BGH 08.10.1993 - V ZR 146/92]).
Aus dem Schreiben der Stadt .... vom 18. August 1999 an die Kläger (Bl. 12 GA) folgt, dass sie als nunmehrige Grundstückseigentümer verpflichtet sind, sämtliches Niederschlagswasser nach Maßgabe von § 3 der Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt .... (Bl. 13 f GA) der öffentlichen Abwasseranlage zuzuführen. Zwar mag die von dem Vater des Beklagten vorgenommene Handhabung der Versickerung ursprünglich rechtmäßig gewesen sein. Mit der am 15. Juni 1995 von dem Rat der Stadt .... beschlossenen Satzung über die Abwasserbeseitigung, die in § 3 einen Anschluss- und Benutzungszwang regelt, wurde indes die Versickerung rechtswidrig. Mit der Versicherung, dass der Grundbesitz erschlossen sei, hat der Beklagte mithin etwas falsches versichert (vgl. im Einzelnen zur Auslegung von § 3 des Vertrages die Darlegungen unten zu II. ), und damit seine vertraglichen Pflichten verletzt.
Mit der objektiv falschen Versicherung hat der Beklagte auch schuldhaft gehandelt, wobei für einen Anspruch aus culpa in contrahendo bereits eine fahrlässige Pflichtverletzung ausreicht (vgl. BGH a. a. O. , S. 77). Der Beklagte hat entgegen seiner Sorgfaltspflicht gemäß § 276 BGB die Erschlossenheit des Grundstücks versichert, ohne sich insoweit zuvor durch Rückfrage bei der Stadt oder/und aus den Hausunterlagen seines Vaters hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse bezüglich der Regenentwässerung kundig zu machen.
Durch die Pflichtverletzung des Beklagten ist den Klägern auch in Höhe des vom Landgericht zuerkannten Betrages ein Schaden entstanden, da sie statt eines vollständig erschlossenen Grundstücks, wie vom Beklagten vertraglich versprochen, lediglich ein Grundstück ohne vorhandene, nach der Satzung zugelassene Regenentwässerung erhalten haben. Die vertragsgemäße Herstellung erfordert nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl. -Ing. .... vom 21. September 2000 die zugesprochenen 11. 583, 37 DM, was mit der Berufung auch nicht angegriffen wird.
II.
Zu Recht hat der Einzelrichter § 3 des Kaufvertrages dahingehend ausgelegt, dass mit der Versicherung des Verkäufers, der Grundbesitz ist erschlossen, gemeint war, dass die Ver- und Entsorgung des Grundstückes auch im Hinblick auf den Anschluss an das öffentliche Regenwassernetz vorhanden ist.
Die mit der Berufungsbegründung insoweit abweichenden einschränkenden Auslegungsversuche, bezogen und beschränkt auf Erschließungsbeiträge gemäß § 127 Abs. 2 BauGB, sind weder vom Wortlaut, der dazu gar nichts enthält, noch von den Gesamtumständen zutreffend.
Die Formulierung im § 3 des Vertrages, der Verkäufer versichert, dass der Grundbesitz erschlossen ist, insbesondere, dass ihm von rückständigen Erschließungsbeiträgen nichts bekannt ist und dass unbezahlte Erschließungsbeitragsrechnungen nicht vorliegen, stellt gerade keine Einschränkung auf Erschließungsbeiträge dar, wie schon aus dem Wort insbesondere folgt. Unter einem 'erschlossenen' Grundbesitz ist jedenfalls, wenn nichts anderes ausdrücklich aufgenommen worden ist, auch zu verstehen, dass das Grundstück an das öffentliche Regenwassernetz angeschlossen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich - wie vorliegend - nicht um ein neu erschlossenes oder noch zu erschließendes Grundstück sondern um ein älteres Hausgrundstück handelt, von dem die Vertragsparteien naturgemäß davon ausgehen, dass es längst erschlossen ist, und zwar in jeder Hinsicht. Dies gilt erst recht dann, wenn - wie hier - nach § 3 der Abwasserbeseitigungssatzung in der Fassung vom 15. Juni 1995 auch noch ein entsprechender Anschluss- und Benutzungszwang geregelt ist, mithin der Beklagte bzw. sein Vater seit knapp 4 Jahren verpflichtet war, die Regenentwässerung an das öffentliche Kanalnetz anzuschließen.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt hat, eine Auskunft der Notarkammer .... darüber einzuholen, dass die vorliegende Klausel nur so zu verstehen sei, dass keine - rückständigen - öffentlichen Lasten gemeint gewesen seien, ist dieser Antrag nicht beweiserheblich. Er zielt darauf ab, die Notare im Bezirk .... über die von ihnen üblicherweise verwendeten Klauseln zu befragen. Entscheidend ist aber bei der Auslegung der Klausel der Wille der Vertragsparteien und nicht die Auffassung des Notars, geschweige denn die Auffassung aller Notare im Bezirk .....
III.
Da mithin bereits ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss gegeben ist, kann die Frage, ob alternativ auch ein Schadensersatzanspruch wegen eines Rechtsmangels gemäß §§ 434, 436, 440 Abs. 1, 326 BGB besteht, wozu der Senat neigt, dahin stehen.
IV.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Festsetzung des Wertes der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.