Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.11.2009, Az.: 11 U 117/09

Wirksamkeit der fristlosen Kündigung eines Handelsvertretervertrags i.R.d. Geltendmachung von Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen das darin geregelte Konkurrenzverbot; Entgeltlichkeit der Zurverfügungstellung von Vertriebssoftware sowie einer Zeitschrift als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.11.2009
Aktenzeichen
11 U 117/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 30584
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:1105.11U117.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 04.06.2009 - AZ: 8 O 174/09

In dem Rechtsstreit
[...]
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht,
den Richter am Oberlandesgericht und
die Richterin am Amtsgericht
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 4. Juni 2009 verkündete Teilurteil der 8. Zivilkammer (Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Stade wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten über die Beendigung eines Handelsvertretervertrages - insbesondere über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Beklagten - sowie um eine in diesem Zusammenhang nach Ansicht der Klägerin bestehende Schadensersatzverpflichtung des Beklagten und die Verpflichtung des Beklagten, Konkurrenztätigkeit zu unterlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

2

Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil im Wesentlichen stattgegeben. Es hat die Ansicht vertreten, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 1. September 2008 das Handelsvertreterverhältnis nicht beendet habe, sondern dieses bis zum 31. Dezember 2010 - allerdings ordentlich gekündigt -fortbestehe. Der Beklagte verstoße durch seine Vermittlungstätigkeit für das Konkurrenzunternehmen F. gegen das im Handelsvertretervertrag geregelte Konkurrenzverbot. Der Klägerin stünden wegen dieser Tätigkeit des Beklagten dem Grunde nach Schadensersatzansprüche zu. Zu deren Bezifferung diene der eingeklagte Auskunftsanspruch. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten sei nicht wirksam erfolgt, weil dem Beklagten kein wichtiger Grund im Sinne von § 89 a HGB zur Seite gestanden habe. Ein derartiger wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung liege vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Vertragsfortsetzung bis zur vereinbarten Vertragsbeendigung oder bis zum Ablauf der Frist zur ordentlichen Kündigung nicht zugemutet werden könne. Die Klägerin habe zwar gegen § 86 a Abs. 1 HGB verstoßen, weil sie die A.-Vertriebssoftware dem Beklagten nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. Die Zeitschrift Finanzplaner habe dagegen nicht unentgeltlich gestellt werden müssen. Ob die Datenerhebungsbögen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müssten, erscheine fraglich. Der Beklagte habe die Möglichkeit gehabt, dem Kunden eine Kostenpauschale von bis zu 95 EUR für die "Private Finanzstrategie" in Rechnung zu stellen. Dies könne eine Kompensation darstellen. Selbst wenn man jedoch auch eine kostenfreie Bereitstellungspflicht hinsichtlich der Datenerhebungsbögen bejahen wolle, führe dies nicht dazu, dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Beklagten gegeben gewesen sei. Zu berücksichtigen sei, dass der Beklagte die Abrechnungsweise der Klägerin jahrelang akzeptiert habe. Daher könnten die in der Vergangenheit erfolgten Abrechnungen nicht als wichtiger Grund herangezogen werden. Soweit die Klägerin es abgelehnt habe, für die Zukunft ihre Abrechnungspraxis umzustellen, sei der von ihr vertretene Rechtsstandpunkt nicht als völlig abwegig zu qualifizieren. Das Vertragsverhältnis laufe noch bis zum 31. Dezember 2010, da die Parteien in der Vereinbarung vom 13. Dezember 2007 einvernehmlich vereinbart hätten, dass eine ordentliche Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses erst zu diesem Zeitpunkt zulässig sein solle. Diese Vereinbarung sei insbesondere nicht im Hinblick auf Nr. 4.3 des Zusatzvertrages, der Parteien vom 10./11. April 2006 unwirksam. Selbst wenn die Nr. 4.3 des Zusatzvertrages der Inhaltskontrolle nach den Bestimmungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht standhielte, führe dies nicht zu einer Unwirksamkeit der Vereinbarung der Kündigungsfrist. Der Beklagte habe durch seine Tätigkeit für das Konkurrenzunternehmen F. in erheblicher Weise gegen seine Pflichten aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin verstoßen. Er hätte sich auch nach der von ihm ausgesprochenen Kündigung jeden Wettbewerbs enthalten müssen.

3

Gegen dieses Urteil, auf das zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bd. I, Bl. 161 ff. d.A.), richtet sich die Berufung des Beklagten.

4

Der Beklagte wiederholt seine Ansicht, dass er berechtigt gewesen sei, das Handelsvertreterverhältnis fristlos zu kündigen. Die Klägerin habe gegen ihre Verpflichtung aus § 86 a HGB verstoßen. Ihm sei nicht zuzumuten gewesen, zunächst einen Rechtsstreit gegen die Klägerin zu führen. Es habe zu seinen Aufgaben gehört, neue Handelsvertreter anzuwerben. Diese Handelsvertreter hätte er über die aus seiner Sicht rechtswidrige Handhabung der Klägerin informieren müssen. Jedenfalls sei die Vereinbarung der Parteien vom 13. Dezember 2007 im Hinblick auf die Nr. 4.3 des Zusatzvertrages unwirksam.

5

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stade vom 4. Juni 2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

7

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt ihre Ansicht, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, die Software dem Beklagten kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Entsprechendes gelte für die Zeitschrift Finanzplaner. Sie hält die Vereinbarung der Parteien vom 13. Dezember 2007 für wirksam.

8

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen und Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

9

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

10

1.

Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, dass die Kündigung des Beklagten vom 1. September 2008 das Handelsvertreterverhältnis der Parteien nicht beendet hat, weil die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 89 a Abs. 1 HGB nicht vorliegen. Der Handelsvertretervertrag besteht ordentlich gekündigt bis zum 31. Dezember 2010 fort.

11

Die Wirksamkeit der von dem Beklagten erklärten fristlosen Kündigung beurteilt sich nach § 89 a Abs. 1 HGB. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Vertragsfortsetzung bis zur vereinbarten Vertragsbeendigung oder bis zum Ablauf der Frist zur ordentlichen Kündigung nicht zugemutet werden kann, weil es trotz der Beachtung des Gebotes der Vertragstreue im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls Treu und Glauben sowie der Billigkeit widerspricht, den Kündigenden am Vertrag festzuhalten. Es muss ein objektiver Umstand vorliegen, welcher aus der Sicht des Kündigenden im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Notwendigkeit einer sofortigen Vertragsbeendigung begründet. Dieser Umstand wird in der Regel in einem Verhalten des Kündigungsempfängers, insbesondere in einer groben Verletzung vertraglicher Pflichten seinerseits liegen. Ob der geltend gemachte Grund im Einzelfall bei objektiver Würdigung eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, bedarf einer umfassenden Würdigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wie sie nochmals bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu seiner frühestmöglichen vertragsmäßigen Beendigung anzustellen ist. Ergibt die mit einer Gesamtabwägung verbundene Prüfung, dass der geltend gemachte Anlass eine sofortige Vertragsauflösung objektiv nicht rechtfertigen kann, fehlt es an einem wichtigen Grund (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. BGH NJW-RR 2006, 615; vgl. auch Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 89 a Rn. 6 m.w.N.; MünchKom./ von Hoyningen-Huenen, HGB, 2. Aufl., § 89 a Rn. 12 ff.).

12

Selbst wenn man die Ansicht des Beklagten als richtig unterstellt, dass die Klägerin zu Unrecht für die zur Verfügungsstellung der Software monatliche Kostenpauschalen in Höhe von 80 EUR und 20 EUR verlangt hat und dass die Datenerhebungsbögen sowie die Kundenzeitschrift Finanzplaner dem Beklagten von der Klägerin kostenlos im Hinblick auf § 86 a Abs. 1 HGB zur Verfügung gestellt werden mussten, ergibt sich hieraus kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung durch den Beklagten. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Beklagte die Praxis der Klägerin seit Beginn seiner Handelsvertretertätigkeit im Herbst 2004 akzeptiert hat. Er hat die Datenerhebungsbögen und die Zeitschrift Finanzplaner bei der Klägerin in Kenntnis, dass ihm hierfür Beträge berechnet werden würden, bestellt. In Kenntnis der Abrechnungspraxis der Klägerin hat der Beklagte sogar noch unter dem 13. Dezember 2007 mit der Klägerin vereinbart, dass das Vertragsverhältnis mindestens bis zum 31. Dezember 2010 fortzusetzen sei.

13

Es wäre dem Beklagten zuzumuten gewesen, die strittige Rechtsfrage der Auslegung des § 86 a Abs. 1 HGB durch die zuständigen Gerichte klären zu lassen. Dies ist in einer ganzen Reihe von Fällen - wie dem Beklagten auch auf Grund seiner Tätigkeit für F. bekannt ist - geschehen. Dabei ergibt sich aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung kein einheitliches Meinungsbild, ob die Rechtsansicht des Beklagten überhaupt zutrifft. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Verhalten der Klägerin um eine grobe Verletzung vertraglicher Pflichten handelte. Dies gilt umso mehr, als es sich um relativ geringe Beträge handelt, die dem Beklagten berechnet worden sind.

14

Hinsichtlich der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ist der frühestmögliche Zeitpunkt einer vertragsmäßigen Beendigung zu berücksichtigen. Ebenso wie das Landgericht hält der Senat die Vereinbarung der Parteien vom 13. Dezember 2007, wonach das Handelsvertreterverhältnis bis zum 31. Dezember 2010 nicht ordentlich gekündigt werden kann, für wirksam. Grundsätzlich sieht § 89 Abs. 2 HGB die Möglichkeit vor, dass der Unternehmer und der Handelsvertreter die Frist für eine ordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages verlängern. Die Kündigungsfrist ist für beide Parteien auch gleich lang. Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, dass die Vereinbarung im Hinblick auf die Nr. 4.3 des Zusatzvertrages vom 10./11. April 2006 unwirksam sei, trifft dies nicht zu. Nach der Nr. 4.3 hat die Klägerin das Recht, den Handelsvertreter aus wichtigem Grund unter Wahrung der Vergütungsstufe von Aufgaben, die ihm im Rahmen des Zusatzvertrages übertragen wurden, zu entbinden. Diese Bestimmung entfaltet im Hinblick auf die Vereinbarung der Parteien vom 13. Dezember 2007 keine Wirkung. Die Parteien haben nämlich in dieser späteren Vereinbarung geregelt, dass in Abänderung des Zusatzvertrages für Führungskräfte die bestehenden Vertragsverhältnisse frühestens zum 31. Dezember 2010 gekündigt werden können. Die Nr. 4.3 des Zusatzvertrages steht unter der Überschrift "4 Teilkündigung". Somit ist auch die gesamte Nr. 4 des Zusatzvertrages abbedungen. Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgen wollte, so verbleibt jedoch dem Handelsvertreter, wenn die Klägerin von ihrer Befugnis nach Nr. 4.3 der Zusatzvereinbarung Gebrauch machen sollte, seine Vergütungsstufe. Nach dem Zusatzvertrag war es Aufgabe des Beklagten, sich um die Anwerbung, Einarbeitung und Betreuung von neuen Handelsvertretern zu kümmern und die ihm zugeordneten Handelsvertreter bei deren Verkaufstätigkeit zu unterstützen. Er hatte weiter die ihm zugeordneten Handelsvertreter bei Verwaltungs- und Bestandsarbeiten zu betreuen. Der Klägerin musste die Möglichkeit eingeräumt werden, den Beklagten von diesen Führungsaufgaben zu entbinden, wenn hierfür ein "wichtiger Grund" vorliegen sollte.

15

Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände widerspricht es im vorliegenden Fall nicht der Billigkeit, den Beklagten am Vertrag festzuhalten.

16

Der Beklagte hat durch seine Tätigkeit für das Konkurrenzunternehmen F. in erheblicher Weise gegen seine Vertragspflichten aus dem Vertragsverhältnis verstoßen. Er hätte sich bis zur rechtswirksamen Beendigung des Vertrages jeden Wettbewerbs enthalten müssen, der geeignet war, die Interessen der Klägerin zu beeinträchtigen. Sowohl aufgrund von Nr. 7.2 des bestehenden Handelsvertretervertrages vom 5. Oktober 2004 als auch angesichts der Regelung in § 86 HGB durfte der Beklagte nicht für ein Konkurrenzunternehmen der Klägerin tätig werden. Daher hat das Landgericht zu Recht dem Unterlassungsanspruch der Klägerin stattgegeben.

17

3.

Im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch, der der Klägerin im Hinblick auf die vertragswidrige Konkurrenztätigkeit des Beklagten zusteht, kann die Klägerin auch die begehrte Auskunft verlangen.

18

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

19

4.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 27. September 2009 gab dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen.

20

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

21

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Parteien haben insoweit auch keine Anhaltspunkte, die zu einer anderen Entscheidung Anlass geben könnten, aufgezeigt.