Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.11.2009, Az.: 6 U 96/09

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.11.2009
Aktenzeichen
6 U 96/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 41683
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:1119.6U96.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 29.05.2009 - AZ: 4 O 464/04
nachfolgend
BGH - 02.09.2010 - AZ: VII ZA 8/09

Fundstelle

  • BauR 2011, 1015-1016

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piekenbrock, den Richter am Oberlandesgericht Volkmer und die Richterin am Landgericht Natho für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Mai 2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise abgeändert und die Klage, soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt erklärt haben, insgesamt abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Stade zu 4 OH 24/01 trägt die Klägerin.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

  6. Die Festsetzung im angefochtenen Urteil für den Streitwert erster Instanz wird in 80 472, 52 € geändert.

Gründe

1

A.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz, gestützt auf Werkmängel sowie Verletzung der Hinweispflicht.

2

Sie und ihr Ehemann, der ihr "sämtliche Ansprüche, welche gegen die Beklagte aufgrund deren mangelhaften Leistungen bestehen, abgetreten" hat (Bl. 4 d. A.), schlossen mit der in Insolvenz geratenen W. S. Fertighausbau GmbH (im folgenden: S. GmbH) am 24. November 2000 den Vertrag über die Errichtung eines Niedrigenergiehauses in L. (Bl. 9 d. Beiakten 4 OH 24/01 LG Stade). Die S. GmbH errichtete das Haus nicht entsprechend den Anforderungen an ein Niedrigenergiehaus. Es erhielt keine lückenlose Luftdichtigkeitsschicht und ist daher nicht winddicht.

3

Aufgrund Angebotes der Beklagten vom 6. Dezember 2000 (Bl. 24 bis 32 d. A.) beauftragten die Klägerin und ihr Ehemann diese am 3. Januar 2001 mit der Sanitär-, Elektro- und Heizungsinstallation "einschließlich Lüftungsanlage mit WRG". Die Beklagte klebte Rohrdurchführungen in den Decken des Dachgeschosses und eine Kabeldurchführung im Erdgeschoss nicht ordnungsgemäß ab, wodurch Nachbesserungskosten von 232,05 € und 51,23 € entstanden. Am 27. Juli 2001 erteilte die Beklagte Schlussrechnung, die einen noch offenen Restwerklohn von 6 990 DM (= 3 573,93 €) ausweist (Anlage K 3, Bl. 100 bis 104 d. A.).

4

Nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung der Parteien hinsichtlich des zunächst geltend gemachten Vorschussanspruchs (Bl. 636, 645 d. A.) hat die Klägerin zuletzt verlangt

  1. 1.

    Schadensersatz in Höhe von 6 153,20 € für Mängelbeseitigung an der Luftdichtigkeitsschicht,

  2. 2.

    Schadensersatz in Höhe von 13 000 € für Heizmehrkosten,

  3. 3.

    Feststellung der Pflicht zum Ersatz allen weiteren Schadens wegen Luftundichtigkeit des Hauses und

  4. 4.

    Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für die Gerichtskosten infolge Bauteilöffnung im Rahmen der Beweisaufnahme erster Instanz in Höhe von 28 899,15 €, soweit die Klägerin darauf in Anspruch genommen wird.

5

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Restwerklohn gezahlt, und gemeint, die Beklagte hafte, weil ihre Heizung den Zweck der Ersparnis von Energiekosten in dem Hause, so wie es errichtet sei, nicht erfüllen könne und die Beklagte auf den Mangel des Hauses nicht hingewiesen habe.

6

Nach Begutachtung des Hauses durch den vom Landgericht beauftragten Sachverständigen G., worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 2 559,77 € nebst Zinsen verurteilt sowie hinsichtlich der Heizmehrkosten und der Kosten der Bauteilöffnung die begehrten Feststellungen getroffen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Bl. 654 - 668 d. A.). Den zuerkannten Betrag hat es wie folgt errechnet:

Sanierungsanteil Dachgeschoss gemäß S. 19 des Gutachtens vom 21. Febuar 2007 (mittig: Seite 20)

232,05 €

Sanierungsanteil Erdgeschoss gemäß S. 7 des Gutachtens vom 4. Juli 2007

51,23 €

Summe

283,28 €

Kosten der Küchenmontage (Bl. 664 d.A.)

357,00 €

Fahrtkosten 1 704 km × 0,30 €/km

511,20 €

Heizmehrkosten für 8 Jahre von 05/01 - 05/09 8 × 216,66 € jährlich

1 733,28 €

Summe

2 884,76 €

berechtigte Aufrechnung mit restlichem Werklohn von

3 537,93 €

1,5 Heizperioden × 216,66 € =

- 324,99 €

verbleibende Differenz

2 559,77 €

7

Gegen dieses Urteil wendet die Beklagte sich mit der Berufung, mit welcher sie vollständige Abweisung der Klage erstrebt.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

9

Die Akten 4 OH 24/01 LG Stade lagen vor und waren Gegenstand der Verhandlung.

10

Die Berufung ist begründet.

11

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz.

12

I.

Ein solcher ergibt sich nicht als Schadensersatz wegen Nichterfüllung aufgrund von Mängeln des Werkes der Beklagten (§ 635 BGB a. F.). Diese Mängel haben zu keinem Schaden der Klägerin geführt.

13

1. Sie bestehen darin, dass das Werk der Beklagten nicht funktionstauglich ist, Rohrdurchführungen in den Decken des Dachgeschosses nicht abgeklebt sind (Gutachten G. vom 21. Februar 2007) und eine Kabeldurchführung an der rückwärtigen Außenwand des Wohnzimmers im Erdgeschoss nicht ordnungsgemäß abgeklebt ist (Seite 3 des Gutachtens G. vom 4. Juli 2007). Die Funktionsuntauglichkeit des Werkes der Beklagten beruht darauf, dass die von ihr in das Haus der Klägerin und deren Ehemannes eingebaute Heizungsanlage ihre Aufgabe, Heizkosten zu sparen, nicht erfüllen kann. Unerheblich ist, dass dieses an der allein von der S. GmbH zu verantwortenden Luftdurchlässigkeit der Hülle des von dieser errichteten Niedrigenergiehauses liegt. Ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es die vereinbarte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Besteller zur Verfügung gestellten Leistungen von Vorunternehmern, von denen die Funktionsfähigkeit des Werkes des Nachunternehmers abhängt, unzureichend sind (vgl. BGH Urt. v. 8. Nov. 2007 , VII ZR 183/05, zit. nach juris: Rn. 19).

14

2. Das Fehlen eines Schadens infolge der Mängel zeigt sich an folgender Berechnung:

Kosten der Herstellung der Luftdichtigkeit des Hauses

0,- €

Heizmehrkosten

0,- €

Kosten der Bauteilöffnung im Rahmen der Beweisaufnahme

0,- €

Nachbesserung unterbliebener und nicht ordnungsgemäßer Abklebung: Dach 232,05 € + 51,23 € Erdgeschoss

283,28 €

Kosten der Küchendemontage

357,00 €

Fahrtkosten

511,20 €

Summe

1 151,48 €

Verrechnung Restwerklohn der Beklagten

3 573,93 €

Ergebnis

- 2 422,45 €.

15

a) Den Kosten der Herstellung der Luftdichtigkeit des Hauses stehen Aufwendungen in gleicher Höhe gegenüber, welche die Klägerin erspart hat, indem sie, als das Haus mit mangelhafter Hülle bereits stand und die Beklagte ihr Werk erstellte, der Beklagten keine mangelfreie Vorleistung zur Verfügung gestellt hat, und die sie der Beklagten im Wege der Vorteilsausgleichung gut bringen muss. Denn die Klägerin war der Beklagten zur Mitwirkung verpflichtet (§ 642 Abs. 1 BGB), dieser für ihr Werk ein mangelfreies Vorgewerk zur Verfügung zu stellen (s. BGH a.a.O.).

16

b) Die Klägerin hat das Entstehen der Heizmehrkosten in so hohem Maße mitverschuldet (§ 254 Abs. 1 BGB), dass kein von der Beklagten zu tragender Schadensanteil übrigbleibt. Sie hat bis heute schuldhaft ihrer Obliegenheit im Verhältnis zur Beklagten nicht genügt, die Hülle des Hauses mangelfrei herzustellen. Finanzielle Unmöglichkeit entlastet sie nicht. Diese ist unabhängig vom Verschulden immer zu vertreten (s. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 275 Rn. 28).

17

c) Die Kosten der Bauteilöffnung sind kein nach materiellem Recht ersatzfähiger Schaden. Es handelt sich um Gerichtskosten, hinsichtlich derer die Pflicht, sie zu tragen, sich ausschließlich nach der Kostenentscheidung des Rechtsstreits richtet, welche der Quote des Obsiegens und Verlierens in der Hauptsache folgt.

18

d) Der verbleibende Schaden ist infolge Verrechnung mit dem Restwerklohn der Beklagten, dessen Erfüllung durch Zahlung die Klägerin nicht belegt hat, nicht ersatzfähig. Die Frage der Verjährung stellt sich nicht. Der Restwerklohn ist nicht Gegenstand einer Aufrechnung, sondern ohne eine solche zu berücksichtigender Rechnungsposten im Rahmen der Schadensberechnung.

19

II.

Der Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich nicht aus positiver Forderungsverletzung seitens der Beklagten.

20

1. Das Unterlassen des Hinweises auf die nicht fachgerechte Ausführung der Luftdichtigkeitsschicht des Hauses ist nicht ursächlich geworden für die Kosten der Herstellung der Luftdichtigkeit und des erhöhten Energiebedarfs. Diese wären bei Erteilen des Hinweises genauso angefallen wie ohne den Hinweis. Als die Beklagte bei Aufnahme ihrer Arbeiten den Hinweis frühestens erteilen musste, stand das Haus bereits in mangelhaftem Zustand.

21

2. Auch soweit die Erstellung der Außenhülle des Hauses durch die S. GmbH bei Aufnahme der Arbeiten durch die Beklagte noch nicht vollständig beendet war, wie von der Klägerin nach dem Hinweis des Senatvorsitzenden vom 9. Oktober 2009 eingewandt, ist das Unterlassen des Hinweises für die Kosten der Herstellung der Luftdichtigkeit und des erhöhten Energiebedarfs nicht ursächlich geworden. Der Einwand der Klägerin, aufgrund eines rechtzeitigen Hinweises hätte sie die S. GmbH noch vor deren Insolvenz dazu gebracht, den Mangel zu beheben, ist unerheblich.

22

Zum einen erschöpft der Zweck der Hinweispflicht sich darin, den Besteller des Werkes davor zu schützen, dass Mängel des Vorgewerks auf das Nachfolgegewerk durchschlagen, geht jedoch nicht so weit, den Werkbesteller vor der Leistungsunfähigkeit eines Vorunternehmers zu schützen, den er durch die Auftragserteilung ausgewählt hat. Die Klägerin kann ihr Insolvenzrisiko bezüglich der S. GmbH, die allein die mangelfreie Hülle des Hauses zu erbringen hatte, nicht auf die Beklagte abwälzen, die weder Planung noch Herstellung dieser Hülle, sondern nur Installation und Lieferung der in ihrem Angebot vom 6. Dezember 2000 (Bl. 24 bis 32 d. A.) genannten Gewerke schuldete, welches allein Vertragsgrundlage geworden ist und insoweit keine Gesamtschuldnerschaft der Beklagten und der S. GmbH begründet.

23

Zum anderen kann nicht festgestellt werden, dass ein rechtzeitiger Hinweis der Beklagten zur Folge gehabt hätte, dass der Vorunternehmer vor Eintritt seiner Insolvenz eine luftdichte Hülle hergestellt hätte oder die Klägerin die hierfür erforderlichen Kosten beim Vorunternehmer hätte beitreiben können.

24

Ferner bestehen Sinn und Schutzzweck der Prüf- und Hinweispflicht nicht darin, den Besteller vor Mehrkosten im Gewerk des Vorunternehmers zu schützen, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Beseitigungskosten bei rechtzeitigem Hinweis geringer ausgefallen wären.

25

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, § 91a Abs. 1 Satz 1, § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1, 2 ZPO.

26

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

27

Die im angefochtenen Urteil erfolgte Festsetzung des Streitwerts erster Instanz war aufgrund der Klaganträge zu 1 - 4 aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 30. April 2009 von Amts wegen abzuändern:

1.

6 153,20 €

2. (80 % von 13 000 € =)

10 400,00 €

3. (80 % von 51 000 € [= 35 000 € + 7 000 € + 9 000 €] =)

40 800,00 €

4. (80 % von 28 899,15 € =)

23 119,32 €

Summe

80 472,52 €.

Piekenbrock
Volkmer
Natho