Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.09.2011, Az.: 14 U 60/11
Auslegung des Begriffs der Entscheidung i.S.v. § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.09.2011
- Aktenzeichen
- 14 U 60/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 37018
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0907.14U60.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 24.02.2011
Rechtsgrundlage
- § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.
Fundstelle
- VRR 2011, 425
Amtlicher Leitsatz
Für eine Entscheidung im Sinne des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a.F. genügt eine anspruchsbejahende, für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers, mit der er sich in Schriftform eindeutig und endgültig zu den geltend gemachten Ansprüchen erklärt.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 24. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Das klagende Land (folgend: Kläger) begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus übergegangenem Recht gemäß § 95 NBG a. F. Wegen der Einzelheiten des Streitstands wird zunächst Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 95 f. d. A.), mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Im Wesentlichen streiten die Parteien darum, ob der klagweise geltend gemachte Anspruch verjährt - worauf sich die Beklagte beruft - oder verwirkt ist, wie das Landgericht im angefochtenen Urteil angenommen hat.
Zugrunde liegt ein Verkehrsunfall eines Bediensteten des Klägers vom 17. April 1989, infolgedessen der Kläger Versorgungsbezüge gewährt. Im Jahr 1991 meldete das für die Regressansprüche der Versorgungsbezüge zuständige ... Landesverwaltungsamt Schadensersatzansprüche bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten an (Anlage K 1, Bl. 10 d. A.), die die Versorgungsleistungen ab dem Jahr 1992 vorbehaltlos ausglich. Mit Schreiben vom 24. Juli 2000 und 21. Juli 2003 (Anlagen K 2 und K 3, Bl. 12 f. d. A.) versandte der Kläger, nunmehr vertreten durch das ... Landesamt für Bezüge und Versorgung als Nachfolgerin des Landesverwaltungsamts, Abrechnungsschreiben an die Beklagte, die die geltend gemachten Ansprüche entsprechend beglich.
Die Korrespondenz zwischen den Parteien endete vorläufig mit dem Schreiben des ... Landesamts für Bezüge und Versorgung vom 21. Juli 2003 (Bl. 14 f. d. A.). In diesem heißt es wörtlich:
"Für das Jahr 2003 stehen die geänderten Zahlen für die Besoldungs- und Versorgungszahlen in ... wegen der Öffnungsklauseln noch nicht fest. Die Berechnung bis 10.2003 folgt später."
Nach diesem Schreiben geschah in der Sache nahezu 7 Jahre nichts weiter. Mit Schreiben vom 23. Juni 2010 (Bl. 16 d. A.) knüpfte dann die Oberfinanzdirektion ... für den Kläger "an mein letztes Schreiben vom 21. Juli 2003" an (Bl. 16 d. A.).
Nunmehr machte das Land gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten übergegangene Leistungen von 22.921,55 € als Schadensersatz für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Oktober 2003 geltend (vgl. dazu die Berechnung auf Bl. 16 d. A.). Dies ist die Klageforderung. Die Beklagte beruft sich demgegenüber auf Verjährung (Bl. 20, 37 und 161 d. A.).
Der Kläger meint, die Verjährung sei nach dem Anspruchsschreiben vom 28. Februar 1991 (Bl. 10 d. A.) gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a. F. gehemmt gewesen; im Nachhinein habe es keine verbindliche schriftliche Entscheidung zur Haftung seitens der Beklagten gegeben.
Demgegenüber hat die Beklagte darauf verwiesen, dass nach der Korrespondenz im Anschluss an den Verkehrsunfall vom 17. April 1989 bis Anfang 1992 mit dem Anerkenntnis vom 19. März 1992 (Bl. 48 d. A.) alle wesentlichen Streitfragen über den Anspruch auch der Höhe nach und schließlich mit Schreiben vom 15. Januar 1993 sämtliche Streitpunkte ausgeräumt gewesen seien (Bl. 50 d. A.), weshalb im Folgenden - unstreitig - entsprechend gezahlt wurde. Vorbehalte seitens der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerin habe es nicht gegeben. Bis 1996 wurde ohne irgendwelche Beanstandungen gezahlt. Ab diesem Jahr stritten die Parteien noch über eine Kapitalisierung der verbleibenden Regressansprüche des Klägers, über die es aber nicht zu einer Einigung kam. Das Anerkenntnis im Schreiben vom 19. März 1992 sei aber niemals zurückgenommen oder angezweifelt worden. Nur hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Versorgungsleistungen für die Zeit von Januar bis Oktober 2003 sei - entgegen der Ankündigung des Landes im Juli 2003 - erst im Juni 2010 eine Abrechnung erfolgt. Von einer Hemmung der Verjährung gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a. F. könne deshalb keine Rede sein. Durch die positive Entscheidung der Beklagten über die Erstattung von Versorgungsleistungen vom 19. März 1992 habe keine Hemmung mehr vorgelegen. Auf Seiten des Klägers habe danach zweifelsfrei Klarheit darüber bestanden, dass und auch inwieweit die Beklagte die angemeldeten Schadensersatzansprüche befriedigen wollte, was entsprechend geschehen sei. Angesichts des Schreibens vom 19. März 1992 hätte vor allem in Bezug auf die streitbefangenen Versorgungsleistungen überhaupt kein Zweifel bestanden. Die Zahlungen der Beklagten seien unter keinerlei Vorbehalt erbracht worden. Denn wörtlich heißt es in dem Schreiben vom 19. März 1992:
"Weitere Abschläge werden wir quartalsgemäß - wie von Ihnen gewünscht - erbringen."
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, hat aber nicht Verjährung, sondern eine Verwirkung des Anspruchs angenommen. Das entsprechende Zeit- und Umstandsmoment läge vor (vgl. LGU 4 f.).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Es ist der Auffassung, es sei zu keinem Zeitpunkt eine schriftliche, bejahende Entscheidung der Beklagten im Sinne des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a. F. ergangen, weshalb der Hemmungstatbestand bis zum Eingang des Schreibens vom 8. Juli 2010 (Bl. 20 d. A.) fortgedauert habe. Die Ansprüche seien somit nicht verjährt. Auch eine Verwirkung liege nicht vor. Ein Zeitablauf von knapp 7 Jahren reiche dafür nicht.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.921,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 5. August 2011 (Bl. 163 d. A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 16. August 2011 (Bl. 165 f. d. A.) nebst den darin enthaltenen Hinweisen.
II. Die Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der geltend gemachte Anspruch ist verjährt.
a) Nach der Rechtsprechung des BGH genügt für eine Entscheidung im Sinne des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a. F. auch eine anspruchsbejahende, für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 30. April 1991 - VI ZR 229/90, NJW 1991, 1954, insb. juris-Rdnr. 17). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (Teilurteil vom 10. Januar 2002 - 14 U 53/01, OLGR 2002, 68, juris-Rdnr. 5): Eine solche positive Erklärung liegt vor, wenn sich der Versicherer in Schriftform eindeutig und endgültig zu den geltend gemachten Ansprüchen erklärt; der Geschädigte soll zweifelsfreie Klarheit darüber erhalten, ob der Versicherer die angemeldeten Schadensersatzansprüche zu befriedigen bereit ist oder nicht (vgl. BGH, VersR 1997, 637 f.[BGH 18.02.1997 - VI ZR 356/95]). Auch eine anspruchsbejahende, für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers kann eine Entscheidung in diesem Sinne darstellen. Jedoch können nur solche positiven Bescheide als Entscheidung i. S. d. § 3 Nr. 3 PflVG a. F. gewertet werden, die eine klare und umfassende Erklärung des Versicherers aufweisen. Dem Geschädigten muss durch die Erklärung zweifelsfreie Klarheit über die Haltung des Haftpflichtversicherers des Schädigers gegenüber seinen Forderungen als Grundlage für die sachgerechte Durchsetzung seiner Ansprüche verschafft werden. Der Geschädigte muss aufgrund dieser Entscheidung sicher sein können, dass auch künftige Forderungen aus dem Schadensfall freiwillig bezahlt werden, sofern er die entsprechenden Schadensposten der Höhe nach ausreichend belegt. Demgemäß muss die Erklärung zu den Ansprüchen erschöpfend, umfassend und endgültig sein (BGH, VersR 1996, 369 f.[BGH 05.12.1995 - VI ZR 50/95]; 1992, 604 f.; 1991, 878 f.).
b) Das Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 19. März 1992 (Bl. 48 d. A.) begründete damit ein Ende der bis dahin vorliegenden Hemmung der Verjährung. Denn es war hinreichend eindeutig und klar, um dem Kläger zu zeigen, dass der Versicherer die (Versorgungs-)Ansprüche befriedigen will. Dass Eindeutigkeit erforderlich ist, aber auch genügt, um eine Verjährungshemmung zu beenden, haben der BGH (vgl. insb. Urteil vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97, NJW 1998, 2819) wie auch die Instanzrechtsprechung und insbesondere der Senat bereits entschieden (vgl. aaO. und Senatsurteil vom 16. Juli 2008 - 14 U 64/08, Schaden-Praxis 2009, 9 mit Anmerkung Lang, jurisPR Verkehrsrecht 20/2008, dort insb. unter Buchstabe C m. w. N. aus der entsprechenden Rechtsprechung).
c) Es liegt kein Fall einer vorläufigen Abrechnung vor (wie es der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 5. Juni 1998 - 24 U 161/96, RuS 1999, 12) zugrunde lag. Tatsächlich bestand hier jedenfalls in Bezug auf die streitbefangenen Versorgungsleistungen im März 1992 keine Uneinigkeit mehr. Es war völlig klar, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Ansprüche ausgleichen wollte und demgemäß gezahlt hat.
Der Senat hat in dem erwähnten Urteil vom 16. Juli 2008 außerdem eine differenzierende Betrachtung eines entsprechenden Schreibens des Versicherers in Bezug auf die Verjährungshemmung vorgenommen nach dem jeweiligen Streitgegenstand. Wenn hier auch nach dem Schreiben im März 1992 noch in Bezug auf die Fahrtkosten eine vorübergehende Unklarheit bestand, ist das für die Klageforderung unerheblich. Die Versorgungsbezüge (vgl. dazu Anlage K 4, Bl. 16 d. A.) waren danach nicht mehr streitig. Die Entscheidung der Rechtsvorgängerin der Beklagten wirkte sich also auch unter diesem Blickwinkel "hemmungsbeendend" aus.
Die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug genommene Entscheidung des LG Braunschweig vom 13. Dezember 2007 (7 O 1014/07 - nachgehend OLG Braunschweig - 7 U 4/08) rechtfertigt keine andere Wertung. Wie dort (LG Braunschweig, LGU 6) im Einzelnen dargelegt, bestand in jenem Fall nach einem "vom Wortlaut nichtssagenden Schreiben" keine Sicherheit, dass etwaige spätere Forderungen der Geschädigten nicht doch noch abgelehnt würden. Wie dargelegt ist das aber im hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt anders gewesen. Das Schreiben vom 19. März 1992 war schon eindeutig. Darüber hinaus hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Leistungszusage auch noch mit dem weiteren Schreiben vom 15. Januar 1993 (Bl. 50 d. A.) bestätigt. An einem Zahlungswillen der Beklagten bestand kein Zweifel.
d) Damit lief die 3-Jahres-Frist (§§ 852 BGB a. F., 14 StVG, 3 Nr. 3 PflVG a. F.) wieder ab dem 20. März 1992 (§ 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a. F.). Auch wenn die Verjährung gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die Abschlagszahlungen der Beklagten jeweils neu begann, genügte allein der "Stillstand" nach der letzten Zahlung im Jahr 2003 nach dem Schreiben des Klägers vom 21. Juli 2003 bis zur erstmaligen erneuten Geltendmachung des Anspruchs mit dem Schreiben vom 23. Juni 2010, die Verjährung eintreten zu lassen.
2. Auf die vom Landgericht angenommene Verwirkung kommt es mithin nicht weiter an, weshalb auch dahinstehen kann, ob die relativ kurze Frist von 7 Jahren ausreichte, um eine Verwirkung zu begründen, und ob die nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 11. November 2002 - VII ZR 23/02, NJW 2003, 824 [BGH 14.11.2002 - VII ZR 23/02], [BGH 14.11.2002 - VII ZR 23/02] insb. juris-Rdnr. 8 m. w. N.) erforderlichen besonderen Umstände, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen könnten, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen, so dass die spätere Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt, hier vorgelegen haben.
III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) fehlt.