Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.09.2011, Az.: 3 U 32/11
Bindung der gerichtlichen Festsetzung des Gegenstandswerts; Rückforderung zuviel gezahlten Anwaltshonorars durch eine Versicherung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.09.2011
- Aktenzeichen
- 3 U 32/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 31886
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0914.3U32.11.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB
- § 242 BGB
- § 32 Abs. 1 RVG
- § 12 VVG a.F.
Fundstellen
- AGS 2012, 446-448
- VersR 2011, 1578-1579
Amtlicher Leitsatz
Setzt ein Gericht den Gegenstandswert abweichend von dem bei Erhebung der Klage durch den Kläger geleisteten Vorschuss fest, ist diese Festsetzung auch dann für die Höhe des anwaltlichen Honorars in diesem Verfahren bindend, wenn der Wert unzutreffend festgesetzt, jedoch nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3, § 63 Abs. 3 GKG angegriffen wurde.
§ 12 VVG a.F. kommt nur bei Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis zur Anwendung, nicht bei vom Versicherungsnehmer abgeleiteten Ansprüchen des Versicherers wie dem gegen einen Rechtsanwalt gerichteten Anspruch auf Rückzahlung von Honorar.
Ein von der Versicherung erhobener Anspruch auf Rückzahlung von Anwaltshonorar ist auch in Ansehung einer zu geringen gerichtlichen Streitwertfestsetzung jedenfalls dann nicht gem. § 242 BGB rechtmissbräuchlich, wenn es der Rechtsanwalt zuvor unterlassen hat, ein gebotenes und erfolgversprechendes Rechtsmittel einzulegen.
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt Dr. W... K..., ...,
Beklagter und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
R... RechtsschutzVersicherungsAG, ...,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2011 unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 3. Januar 2011 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise geändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Beklagten insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.246,30 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2010 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Rückzahlung von Rechtsanwaltshonorar.
Die Rechtsanwälte Dr. K... und Partner haben, beginnend im Jahr 2000, eine kardiologische Ärztepraxis in einer Abrechnungssache gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ... vor dem Sozialgericht ... vertreten. Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung war die Aufhebung eines Bescheides, mit dem gegenüber der kardiologischen Praxis eine Honorarüberzahlung in Höhe von 5.763.406,99 DM festgestellt worden war. darüber hinaus machten die Kardiologen ihrerseits Zahlungsansprüche in Höhe von 1.221.636,95 € geltend. Auf eine nach einem Streitwert von 6 Mio. DM berechnete Kostenvorschussrechnung des Beklagten hat die Klägerin als Rechtsschutzversicherer der ärztlichen Gemeinschaftspraxis Anwaltshonorar in Höhe von 12.154,12 € gezahlt. Das sozialgerichtliche Verfahren ist im weiteren Verlauf (außergerichtlich) verglichen worden. Auf Antrag des Beklagten hat das Sozialgericht ... den Streitwert durch Beschluss vom 16. Mai 2006 antragsgemäß auf 5.000,00 € festgesetzt. Rechtsmittel gegen diesen Beschluss sind nicht eingelegt worden. Einen am 6. November 2007 gestellten Antrag des Beklagten auf Berichtigung der Streitwertfestsetzung hat das Sozialgericht zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb beim Landessozialgericht erfolglos, da, so das Landessozialgericht, keine offensichtliche Unrichtigkeit des Streitwertbeschlusses vorliege.
Mit vorliegender Klage hat die Klägerin daraufhin den Beklagten auf Rückzahlung der Differenz zwischen dem gezahlten Vorschuss und der nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 € berechneten Gebührenforderung (unstreitig: 907,82 €) in Höhe von 11.246,30 € in Anspruch genommen. Zudem hat sie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 837,52 € begehrt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 11.246,30 € zzgl.
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2010 zu zahlen,
sowie
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2010 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die vom Landessozialgericht bestätigte Wertfestsetzung des Sozialgerichts ..., die offenkundig unrichtig sei, könne der Abrechnung des Anwaltshonorars nicht zugrunde gelegt werden. Die Berufung der Klägerin auf diese Streitwertfestsetzung sei treuwidrig und verstoße gegen
§ 242 BGB. Der geltend gemachte Rückforderungsanspruch sei zudem verjährt, da maßgeblich auf die zweijährige Verjährungsregelung des § 12 VVG abzustellen sei und im Übrigen zwischenzeitlich gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft Verjährung eingetreten sei, worauf er, der Beklagte selbst, sich ebenfalls berufen könne. Die von der Klägerin geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten seien nicht erstattungsfähig, da der Beklagte - unstreitig - vor der Beauftragung des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigen der Klägerin gegenüber deutlich gemacht habe, dass er zu einer Zahlung nicht bereit sei.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich dessen Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt und seinen Sach und Rechtsvortrag wiederholt und vertieft.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie hat jedoch nur in geringem Umfang Erfolg. Der Beklagte schuldet der Klägerin die Erstattung des von der Klägerin als Vorschuss gezahlten Honorarbetrages, soweit dieser den nach einem Wert von 5.000 € berechneten Gebührenanspruch des Beklagten übersteigt. Lediglich zur Erstattung der der Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Kosten ist der Beklagte nicht verpflichtet.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 11.246,30 €. Insoweit ist der Beklagte durch die als Leistung seiner Mandantin, der kardiologischen Gemeinschaftspraxis, zu bewertende Zahlung der Klägerin ungerechtfertigt bereichert, § 812 Abs. 1 Satz 2, 1. Variante BGB.
a) Die Klägerin hat dem Beklagten auf dessen Kostenvorschussrechnung aus dem Jahr 2000 einen Betrag in Höhe von 12.154,12 € gezahlt. Dieser Kostenrechnung des Beklagten lag ein Gegenstandswert in Höhe von 6 Mio. DM zugrunde.
Um den den tatsächlich bestehenden Gebührenanspruch in Höhe von 907,82 € übersteigenden Betrag ist der Beklagte durch diese Zahlung ungerechtfertigt bereichert, da ihm lediglich ein Honoraranspruch nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 € zusteht. Der Streitwert des gerichtlichen Verfahrens ist - in Abweichung von dem der Vorschussrechnung des Beklagten zugrunde gelegten Gegenstandswert, aber entsprechend seinem Antrag auf gerichtliche Streitwertfestsetzung - durch Beschluss des Sozialgerichts ... vom 16. Mai 2006 auf lediglich 5.000,00 € festgesetzt worden. Von diesem Streitwert ausgehend errechnet sich lediglich ein Honoraranspruch des Beklagten in Höhe von 907,82 €.
Der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts ... ist auch für die Bestimmung der anwaltlichen Gebührenhöhe gem. § 32 Abs. 1 RVG bindend. Der Beschluss des Sozialgerichts ... ist nicht innerhalb der Fristen der §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 GKG angefochten worden. Den Berichtigungsantrag des Beklagten vom 6. November 2007 hat das Sozialgericht ... zurückgewiesen, die sich hiergegen richtende Beschwerde des Beklagten vor dem Landessozialgericht SachsenAnhalt und auch dessen Gegenvorstellung blieben erfolglos (Beschlüsse vom 8. Juli sowie 8. Oktober 2009).
b) Soweit der Beklagte eine Bindung seines Gebührenanspruchs an die gerichtliche Streitwertentscheidung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2007 (AZB 53/06) in Zweifel zieht, überzeugt seine Argumentation nicht. Der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar. Das Bundesarbeitsgericht hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine offensichtlich unrichtige Streitwertfestsetzung das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels bindet.
2. Die Ansprüche der Klägerin richten sich - jedenfalls auch - gegen den Beklagten. Dieser haftet als Partner der Gesellschaft neben dieser mit seinem eigenen Vermögen, § 8 Abs. 1 Satz 1 Partnerschaftsgesetz.
3. Die Klägerin ist zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs aktivlegitimiert. Die von der Klägerin erbrachte Zahlung stellt im Verhältnis zum Beklagten eine Leistung seiner Mandantin dar. Deren Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten sind auf der Grundlage des zwischen der Klägerin und der ärztlichen Gemeinschaftspraxis bestehenden Versicherungsvertrages durch die Zahlung der Klägerin erfüllt worden. Der sich aus dem Leistungsverhältnis zwischen der ärztlichen Gemeinschaftspraxis und dem Beklagten ergebende Rückforderungsanspruch ist auf die Klägerin gem. § 20 Abs. 2 ARB übergegangen.
4. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Grundsätzlich gilt für Rückforderungsansprüche aus Bereicherungsrecht die dreijährige Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 BGB. Danach ist Verjährung erst nach gerichtlicher Geltendmachung Ende des Jahres 2010 eingetreten.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt § 12 VVG a. F., der eine zweijährige Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Versicherungsverhältnis vorsah, nicht zur Anwendung. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch handelt es sich um keinen Anspruch aus einem Versicherungsvertrag, sondern um die Ansprüche der Versicherungsnehmerin (der kardiologischen Gemeinschaftspraxis) gegen den beklagten Rechtsanwalt auf Rückforderung von Honorar. Dies ist kein Anspruch aus einem Versicherungsverhältnis. Ein Versicherungsvertrag zwischen der ärztlichen Gemeinschaftspraxis und dem Beklagten besteht und bestand nicht. der Versicherungsvertrag ist lediglich im Verhältnis zwischen der Klägerin und der ärztlichen Gemeinschaftspraxis Grundlage dafür, dass die Klägerin die Zahlungsverpflichtungen der ärztlichen Gemeinschaftspraxis aus dem anwaltlichen Mandatsverhältnis zwischen dieser und dem Beklagten übernimmt.
b) Der Beklagte ist im Übrigen auch daran gehindert, sich auf eine mögliche Verjährung der Ansprüche der Klägerin gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft zu berufen. Zum einen führt die erfolgte Streitverkündung gegenüber der Partnerschaftsgesellschaft zur Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB). Zum anderen kann sich ein Gesellschafter, wenn ihm gegenüber die Verjährung unterbrochen ist, nicht auf die Verjährung der Ansprüche gegenüber der Gesellschaft berufen (vgl. BGH X ZR 64/87). Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2010 (XI ZR 37/09), die - anders als hier - die Frage betrifft, ob ein Gesellschafter auch dann haftet, wenn (nur) der Anspruch gegen die Gesellschaft nicht verjährt ist.
c) Auf die Frage einer möglichen Hemmung der klägerischen Ansprüche durch die Aufnahme von Verhandlungen gem.§ 203 BGB kommt es hiernach nicht mehr an.
5. Die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs durch die Klägerin verstößt nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Grundsätzlich kann die Ausübung eines Rechts dann missbräuchlich sein, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren, schlechthin untragbaren Ergebnis führt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 242 Rn. 40 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben. Die Streitwertfestsetzung, die dem Rückforderungsanspruch der Klägerin zugrunde liegt, beruht auf dem eigenen Antrag des Beklagten auf Streitwertfestsetzung. Die antragsgemäß erfolgte Festsetzung hat der Beklagte unbeanstandet gelassen, die ihm zustehenden Rechtsbehelfe hat er nicht geltend gemacht. Die sich hieraus ergebende Folge eines geringeren Gebührenanspruchs des Beklagten ist nicht schlechterdings untragbar.
6. Begründet ist das Rechtsmittel des Beklagten allerdings, soweit sich dieser gegen die Pflicht zur Erstattung der der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten wendet. Zwar sind die Aufwendungen einer Partei, die durch die Beauftragung eines Anwalts zur außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen entstehen, grundsätzlich als Verzugsschaden erstattungsfähig, und zwar auch dann, wenn der Auftraggeber über eine eigene Rechtsabteilung verfügt (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 286 Rn. 45). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn eine erkennbare Zahlungsunwilligkeit vorliegt. In diesem Fall verstößt die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts gegen§ 254 BGB (Mitverschulden), weshalb in diesem Fall die sich aus der Beauftragung des Anwalts zur vorgerichtlichen Geltendmachung von Zahlungsansprüchen ergebenden Kosten nicht zu ersetzen sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Beklagte hat, von der Klägerin außergerichtlich auf Zahlung in Anspruch genommen, schriftlich geäußert, er werde nicht zahlen und ausgeführt, dass er einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Interesse entgegensehe. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass einer solchen Äußerung, wenn sie - wie hier - durch einen Rechtsanwalt erfolgt, besondere Bedeutung beizumessen ist, war mit einem Erfolg eines außergerichtlichen, durch einen Rechtsanwalt verfassten Aufforderungsschreibens nicht zu rechnen. Die hierdurch entstandenen Kosten waren nutzlos, vermeidbar und sind damit nicht zu erstatten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit der Beklagte im Hinblick auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten obsiegt, liegen die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 ZPO vor. Die Zuvielforderung der Klägerin, die zudem keine streitwertmäßigen Auswirkungen hat (§ 4 ZPO) ist verhältnismäßig geringfügig (unter 10 %) und hat auch keine besonderen Kosten verursacht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen wäre (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben.