Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 14.11.2000, Az.: 4 A 164/99

Apotheker; Arzt; Kostenübernahmeerklärung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
14.11.2000
Aktenzeichen
4 A 164/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41872
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Kosten für die Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln.

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Der Kläger ist Inhaber der H. Apotheke in U. Nach seinen unbestrittenen Angaben ist es üblich, dass er auf Rezept der behandelnden Ärzte Medikamente an Sozialhilfeempfänger herausgibt und über ein Rechenzentrum die Kosten vom Sozialamt erstattet bekommt. Die Abrechnung der Rezepte erfolgt auf die Weise, dass sie am Anfang des jeweiligen Folgemonats von dem Kläger eingereicht werden. Am 7. des Monats wird dann ein Abschlag an den Kläger und am 21. des Monats der Restbetrag überwiesen.

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Am 23. Februar 1999 gab der Kläger aufgrund von Rezepten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. G  Medikamente und Verbandmittel für Frau I. im Wert von insgesamt 855,66 DM heraus. Frau I. erhielt von dem Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Rezepte wurden am 1. März 1999 zur Verrechnung über die Verrechnungsstelle abgeholt. Am 6. März 1999 verstarb Frau I..

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Nachdem dem Kläger im Monat März 1999 zunächst die Beträge der zur Erstattung eingereichten Rezepte der Frau I.  in Höhe von 855,66 DM erstattet worden waren, wurde dieser Betrag im April 1999 von der Abrechnungsstelle wieder abgezogen. Der Kläger erhielt die Rezepte von der Verrechnungsstelle mit dem Vermerk zurück, dass der Beklagte die Kostenerstattung ablehne. Auf Nachfrage des Klägers wurde diesem von dem Beklagten mit Schreiben vom 16. September 1999 mitgeteilt, dass der Anspruch von Frau I.  auf Sozialhilfe nur von ihr persönlich habe geltend gemacht werden können und mit ihrem Tode untergegangen sei. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 121 BSHG besäßen Ärzte und Apotheker nach dem Tod des Sozialhilfeempfängers keinen direkten Leistungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger.

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Der Kläger hat am 23. September 1999 Klage erhoben.

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Zur Begründung trägt er vor, dass der Beklagte aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter zur Zahlung verpflichtet sei. Die Sozialhilfeempfängerin Frau I.  habe vor ihrem Tod am 6. März 1999 einen Rechtsanspruch auf Krankenhilfe gehabt, der auch die Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln umfasst habe. Durch seine - des Klägers - Inanspruchnahme sei zwischen ihm und dem Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zugunsten Dritter entstanden. Seine Verpflichtung habe darin bestanden, das Rezept schnellstmöglichst auszuführen und die Arzneien und Verbandmittel auszuliefern. Aufgabe des Beklagten sei es, lediglich die Leistungen der Krankenhilfe durch Übernahme der anstehenden Kosten zu gewährleisten. Die Vergütung der Leistungen sei vor dem Tod der Patientin fällig geworden und müsse daher vom Beklagten übernommen werden. Dass die Rezepte erst im Folgemonat zur Verrechnung abgeholt würden, könne nicht zu seinen Lasten gehen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 855,66 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit der Sache zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor, dass ein öffentlich-rechtlicher Anspruch ihm gegenüber nicht ersichtlich sei. Der Kläger könne allenfalls zivilrechtliche Ansprüche gegenüber den Erben der verstorbenen Hilfeempfängerin geltend machen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage hat Erfolg.

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Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet.

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In dem vorliegenden Verfahren gibt es zwischen den Beteiligten oder Organisationen, denen sie angehören, keinen (Rahmen-) Vertrag, in dem die Belieferung von Patienten mit Arzneimitteln im Rahmen der Krankenhilfe geregelt ist und dem nach der Rechtsprechung des BGH zivilrechtlicher Charakter zukäme (BGH, Urteil vom 30.9.1999 - III ZB 15/99 - NJW 2000, 872). Das Rechtsverhältnis, auf das sich der Zahlungsanspruch des Klägers stützt, wird vielmehr, wie noch ausgeführt werden wird, durch die in der Ausstellung des Behandlungsscheins liegende Kostenübernahmeerklärung des Beklagten bestimmt. Da der Beklagte die Krankenhilfe im Falle ambulanter Behandlung in Form sachlicher Hilfe, d.h. durch die Einschaltung von Ärzten, gewährt, beinhaltet die Ausstellung des Krankenbehandlungsscheins die Zusicherung der Kostenübernahme für Maßnahmen, die er zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages zu treffen hat. Dieses zwischen dem Sozialhilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger begründete öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis prägt auch das Kostenabrechnungsverhältnis zwischen dem Sozialhilfeträger und dem behandelnden Arzt bzw. dem Apotheker (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.12.1987 - 12 A 120/87 -, FEVS 38, 426; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9.7.1999 - 6 S 3239/96 -, zitiert nach juris).

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Die Klage ist auch begründet.

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Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der für die Herausgabe von ärztlich verordneten Arznei- und Verbandmitteln an die inzwischen verstorbene Sozialhilfeempfängerin Frau I.  entstandenen Kosten in Höhe von 855,66 DM.

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Dieser Anspruch folgt allerdings nicht aus § 37 BSHG. Diese Vorschrift regelt lediglich den Anspruch des Sozialhilfeberechtigten auf Krankenhilfe, begründet jedoch keinen eigenständigen Anspruch des Arztes oder Apothekers gegen den Sozialhilfeträger. Unmittelbare Ansprüche Dritter sieht das Gesetz nach § 121 BSHG nur in dem - hier nicht einschlägigen Fall - vor, in dem ein Dritter dringliche Hilfeleistungen vor Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Sozialhilfefall erbracht hat. Dies bedeutet, dass es außerhalb des Anwendungsbereichs des § 121 BSHG, wenn der Dritte den Sozialhilfeträger auf Aufwendungsersatz soll in Anspruch nehmen können, entweder entsprechender Vereinbarungen mit dem Sozialhilfeträger, einer auf vertraglicher Grundlage beruhenden Heranziehung des Dritten durch den Sozialhilfeträger zur Erfüllung der sich für diesen aus dem BSHG ergebenden Verpflichtungen oder einer auch einseitig möglichen Kostenübernahmeerklärung des Sozialhilfeträgers bedarf (BVerwG, Beschluss vom 2.2.1998 - BVerwG 5 B 99.97 -, DVBl. 1998, 485 = FEVS 48, 246 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

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Der Beklagte hat der Sozialhilfeempfängerin Frau I.  einen Krankenbehandlungsschein ausgestellt, mit dem sie gegenüber dem behandelnden Arzt ihren Anspruch auf Behandlung nachweisen konnte. In der Ausstellung und Aushändigung des Krankenscheins ist zugleich eine individuelle Kostenübernahmeerklärung des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Arzt zu sehen (vgl. VGH Mannheim, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Der Sozialhilfeträger verpflichtet sich durch die Ausgabe des Behandlungsscheins, die Kosten für die durch den Behandlungsschein gedeckten Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des § 37 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 BSHG, d.h. entsprechend den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, zu übernehmen. Da die Krankenhilfe außerdem die Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln beinhaltet, folgt daraus weiter, dass die Kostenübernahmeerklärung auch die Übernahme von Kosten für Arznei- und Verbandmittel umfasst, wenn der aufgrund des von dem Sozialhilfeträger ausgestellten Krankenscheins behandelnde Arzt derartige Mittel ärztlich verordnet. Dementsprechend hat der Kläger, der auf die von dem Frau I.  behandelnden Arzt ausgestellten Rezepte die verordneten Arznei- und Verbandmittel herausgegeben hat, gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Kostenübernahme.

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Dass Frau I.  am 6. März 1999 und damit vor der Abrechnung der Rezepte durch die Verrechnungsstelle verstorben ist, steht entgegen der Auffassung des Beklagten dem Kostenübernahmeanspruch des Klägers nicht entgegen, denn dieser ist bereits mit Aushändigung der Arznei- und Verbandmittel entstanden. Im Übrigen konnte sich der Tod der Hilfeempfängerin auch nur auf die ihr zustehenden Ansprüche auswirken. Den Frau I.  zustehenden Anspruch auf Krankenhilfe hat der Beklagte aber schon durch Ausstellung des Krankenbehandlungsscheines, d.h. vor ihrem Tod, erfüllt.

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Der Anspruch auf 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 291 BGB (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 11. Auflage, § 90 Rn. 22 m.w.N.).

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO