Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 24.11.2000, Az.: 4 A 178/98
einmalige Beihilfe; Gardinen
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 24.11.2000
- Aktenzeichen
- 4 A 178/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 41896
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 21 BSHG
- § 21 Abs 1a Nr 6 BSHG
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage, den Beklagten zu verpflichten, ihr eine weitere Beihilfe für die Anschaffung von Gardinen zu gewähren.
Mit Schreiben vom 4. Juni 1998 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung von Gardinen, da sie umgezogen sei. Sie machte geltend für Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche Stores sowie Übergardinen zu benötigen.
Am 1. Juli 1998 führte der Beklagte zur Ermittlung des Bedarfs einen Hausbesuch bei der Klägerin durch und ermittelte in Bezug auf das Wohnzimmer, dass für eine Fensterbreite von 2,20 m Bedarf für einen Store bestehe.
Mit Bescheid vom 16. Juli 1998 gewährte der Beklagte der Klägerin einen Betrag von 55,00 DM und gab als Verwendungszweck "Stores" an. Mit einem weiteren Bescheid vom 16. Juli 1998 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Beihilfe für Gardinen ab und führte aus:
Beim Hausbesuch sei festgestellt worden, dass kein Bedarf für Übergardinen im Wohnzimmer bestehe, da das Fenster nicht einsehbar sei. In der Küche sei eine Scheibengardine vorhanden und im Schlafzimmer ein Rollo.
Die Klägerin legte gegen den Bescheid von 16. Juli 1998 Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass sie für 55,00 DM keine Gardinen gefunden habe. Der Betrag reiche nicht einmal für Gardinen für das Schlafzimmerfenster und schon gar nicht für das Wohnzimmerfenster.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 1998 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass einzig für das Wohnzimmerfenster ein Bedarf an Gardinen festgestellt worden sei. Dieser Bedarf sei durch die gewährte einmalige Leistung in Höhe von 55,00 DM zu decken. Dieses hätten Anfragen bei ortsansässigen Unternehmen bestätigt. Für die Küche sei ein Bedarf zu verneinen, da diese mit Scheibengardinen ausgestattet sei. Zudem liege sie im Hochparterre und sei nicht einsehbar. Auch für das Schlafzimmer liege ein Bedarf nicht vor, da ein rollbarer Vorhang (Rollo) vorhanden sei.
Am 13. Oktober 1998 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin trägt zur Begründung vor:
Sie habe sich vergeblich bemüht, für 55,00 DM eine Gardine für das Wohnzimmerfenster, ein Blumenfenster und eine Terrassentür, zu finden. Ein neuer Store koste etwa 120,00 DM. Meterware nütze ihr nichts, da sie nicht nähen könne und sie auch niemanden kenne, der ihr die Gardinen nähen würde. Auch für das Schlafzimmerfenster sei eine Gardine erforderlich, diese koste etwa 60,00 DM. Bei dem von Mitarbeitern des Sozialamtes durchgeführten Hausbesuch, hätten diese das Schlafzimmerfenster ausgemessen und ihr die Bewilligung einer Leistung für Gardinen zugesagt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 16. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. September 1998 zu verpflichten, ihr eine weitere Beihilfe für die Anschaffung einer Schlafzimmergardine (60,00 DM) und einer Wohnzimmergardine (65,00 DM) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt dem Begehren unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegen und fügt hinzu:
Er bestreite, dass der Klägerin die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung einer Schlafzimmergardine zugesagt worden sei. Weiter seien die gewährten 55,00 DM ausreichend, um damit Store-Meterware für das Wohnzimmerfenster zu kaufen. Das Umnähen der Seitenkanten sei auch Personen zuzutrauen, die keine Nähprofis seien.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und ist im Übrigen abzuweisen.
Der Beklagte hat es mit Bescheid vom 16. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. September 1998 zu Unrecht abgelehnt, der Klägerin für das Schlafzimmerfenster ihrer Wohnung in der Sch.-straße 60 in Winsen/Luhe eine Beihilfe für die Anschaffung eines Stores zu gewähren (1.). Weiter hat er die Beihilfe für die Anschaffung eines Stores für das Wohnzimmerfenster in der genannten Wohnung zu gering bemessen (2.).
1. Die im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG bedürftige Klägerin kann beanspruchen, dass ihr notwendiger Lebensunterhalt aus Sozialhilfemitteln sichergestellt wird (vgl. § 12 Abs. 1 BSHG). Zum notwendigen Lebensunterhalt gehört die Unterkunft und deren Ausstattung mit Einrichtungsgegenständen, die ein menschenwürdiges Wohnen ermöglichen (vgl. § 1 Abs. 2 BSHG; siehe auch LPK-BSHG, 5. Aufl. 1998, § 21 Rdnr. 49). Soweit ein Hilfesuchender den Wunsch äußert, sein Schlafzimmer mit einem Store auszustatten, ist ein Bedarf dafür nach sozialhilferechtlichen Maßstäben jedenfalls dann anzuerkennen, wenn das Schlafzimmer einsehbar ist, sei es z. B. durch Passanten von der Straße oder von Bewohnern aus umliegenden Häusern. Ein Bedarf für einen Store ist dann auch nicht mit der Erwägung zu verneinen, dass z. B. ein Rollo vorhanden sei; denn ein Rollo verdunkelt einen Raum und es erscheint unzumutbar, tagsüber auf die Benutzung eines Rollos angewiesen zu sein, um sich vor fremden Einblicken in die Privatsphäre der eigenen Wohnung abzuschirmen.
Die Klägerin, die geltend macht, dass von dem "gegenüber liegenden Block genau in ihr Schlafzimmer gesehen werden könne", kann deshalb beanspruchen, dass ihr eine einmalige Beihilfe für die Anschaffung eines Stores gewährt wird.
Die Höhe der Beihilfe richtet sich maßgeblich danach, welcher Betrag erforderlich ist, um einen Store in einfacher Ausführung und Qualität vor Ort oder im Versandhandel zu erwerben. Der Verweis eines Hilfesuchenden auf Store-Meterware ist regelmäßig nicht zulässig, es sei denn, der Hilfesuchende verfügt über eine Nähmaschine (die nicht zum sozialhilferechtlich notwendigen Bedarf gehört). Ein Fertigstore ist im Verhältnis zu der entsprechenden Store-Meterware je nach Höhe des Stores zu einem nicht wesentlichen Mehrpreis zu erhalten (der Mehrpreis liegt etwa zwischen 5,--DM - 20,--DM pro Store, wie sich aus Katalogen von großen Versandhäusern ergibt). Demgegenüber ist das Säumen von Seitenteilen eines Stores mit der Hand ein unzumutbarerer Aufwand, zumal zu erwarten ist, dass das Herstellen haltbarerer, optisch akzeptabler Nähte von Hand sich aufgrund der Stoffstruktur von Stores vielfach als problematisch erweist.
Nach den ermittelten Maßen des Schlafzimmerfensters, die sich aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten entnehmen lassen, benötigt die Klägerin einen Store von 1,80 m Höhe und 3,90 m Breite (3 x 1,30 m), der nach Auffassung des Gerichts, die sich auf die Angaben in Katalogen von großen Versandhäusern stützt, bereits für 45,00 DM erworben werden kann. 60,00 DM, wie die Klägerin meint, gehen demgegenüber über das sozialhilferechtlich anzuerkennende Maß hinaus.
2. Entsprechend vorstehender Ausführungen kann die Klägerin auch für das Wohnzimmerfenster eine Beihilfe für die Anschaffung eines Fertigstores beanspruchen. Auf der Grundlage der Angaben in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten ist von einer Storegröße von 2,30 m Höhe und 6,60 m Breite (3 x 2,20 m) auszugehen. Dass die Höhe von 2,30 m nicht durchgehend gilt, weil das vorhandene Blumenfenster möglicherweise niedriger als die anschließende Terrassentür ist, kann den in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten vorhandenen Angaben, die anlässlich eines Hausbesuches bei der Klägerin überprüft/ermittelt worden sind, nicht entnommen werden, so dass das allein vorhandene Maß zugrunde zu legen ist.
Für die Anschaffung eines Stores in der erwähnten Größe ist auf der Basis der Preisangaben in Katalogen von großen Versandhäusern mindestens ein Betrag von 110,00 DM aufzuwenden, so dass der Klägerin weitere 55,00 DM zu gewähren sind und damit 10,00 DM weniger als von ihr beantragt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO, deren vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.