Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 14.11.2000, Az.: 4 A 154/00

Eingliederungshilfe; Schulbesuch; Zivildienstleistender

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
14.11.2000
Aktenzeichen
4 A 154/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41268
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt von dem Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe die volle Übernahme der Kosten für eine Begleitperson während seines Schulbesuchs.

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Der am 4. April 1985 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an einer Muskelatrophie (Werding Hoffmann Typ II). Er kann weder stehen noch selbständig sitzen und ist in seiner Feinmotorik eingeschränkt. Er kann sich lediglich mit Hilfe eines elektrischen Rollstuhls selbständig fortbewegen. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit darüber, dass der Kläger aufgrund seiner Körperbehinderung nicht in der Lage ist, selbständig eine Regelschule zu besuchen.

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Mit Bescheid vom 1. Juli 1992 bewilligte der Beklagte erstmalig für die im Zusammenhang mit dem Schulbesuch stehende Betreuung des Klägers durch eine von den Eltern einzustellende Hilfskraft Leistungen in Höhe von 953,--DM monatlich auch während der Schulferien. Diese Beihilfe wurde ab 1. Juli 1993 auf monatlich 997,--DM und mit Bescheid vom 13. September 1994 auf 1.031,--DM erhöht.

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Mit Schreiben vom 12. Juli 1996 beantragte der Kläger aufgrund des Wechsels in die

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Orientierungsstufe der H. Schule ab 1. August 1996 für das Schuljahr 1996/97 die Weitergewährung der Eingliederungshilfe. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 22. Juli 1996 vom 1. August 1996 bis zum 30. Juni 1997 Eingliederungshilfe und setzte die monatliche Beihilfe auf 655,--DM fest. Zur Begründung gab er an, dass die Festsetzung erstmals in Anlehnung an die Sätze des Jugendamtes für Tagespflege erfolgt sei. Diese seien ausreichend, da die Pflegekasse zusätzlich 800,--DM im Monat zahle. Außerdem werde pauschal ein Monat für die Sommerferien berücksichtigt, in denen keine Hilfe notwendig sei.

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Der Kläger legte mit Schreiben vom 1. August 1996 gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, soweit darin eine Kürzung auf 655,--DM vorgenommen und der Bewilligungszeitraum auf 11 Monate beschränkt worden war. Zur Begründung führte er aus, dass die bewilligte Beihilfe nicht ausreiche, um eine Betreuungskraft zu bezahlen. Die bisherige Betreuungskraft habe die Betreuung auch wegen der geringen Bezahlung und des steigenden Bedarfs nicht fortgeführt. Für die jetzige Betreuung durch einen Zivildienstleistenden des Paritätischen U. fielen monatliche Kosten in Höhe von 1.500,--DM an. Die Leistungen der Pflegeversicherung seien auf die Eingliederungshilfe nicht anrechenbar. Insofern beantrage er, dass der Beklagte ihm eine Betreuungskraft stelle, sofern er die Kosten nicht übernehmen wolle. Nach dem zwischen dem Vater des Klägers und dem Paritätischen U.  geschlossenen Vertrag vom Juni 1996 verpflichtet sich der Paritätische U.  ab dem 1. August 1996, die Betreuung des Klägers durch Zivildienstleistende für 38,5 Stunden in der Woche gegen monatliche Kosten in Höhe von 1.500,--DM zu übernehmen.

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Mit Bescheid vom 15. November 1996 hob der Beklagte seinen Bescheid vom 22. Juli 1996 auf und bewilligte für den Kläger vorläufig eine monatliche Beihilfe in Höhe von 884,25 DM als Pauschale, wobei während ferien- oder krankheitsbedingter Ausfallzeiten von vollen Monaten die Leistung nicht zu zahlen sei. Mit den Leistungen der Pflegekasse seien alle pflegerischen Aufwendungen abgegolten. Der Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe reduziere sich daher auf eine Betreuung. Bei einer Betreuungszeit von mindestens acht Stunden seien 75 % des Vollzeitpflegegeldes nach den Sätzen der Tagespflege zu zahlen, so dass sich der bewilligte Betrag in Höhe von 884,25 DM ergebe. Mit Schreiben vom 6. Dezember 1996 legte der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 15. November 1996 Widerspruch ein, da der Betrag von 884,25 DM nicht ausreichend sei. Am 23. Mai 1997 erhob der Kläger Untätigkeitsklage (4 A 82/97).

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Mit Bescheid vom 19. Juni 1997 gab der Beklagte bekannt, dass er nach der Vereinbarung mit der Barmer Ersatzkasse auch deren Leistungen übernehmen werde. Er sei bereit, den gegenwärtigen Zustand festzuschreiben und Pauschalleistungen von beiden Leistungsträgern in Höhe von insgesamt 2.184,25 DM monatlich zu gewähren. Der Antrag auf vollständige Übernahme der Sachleistungen gegen das Sozialamt bleibe weiterhin abgelehnt. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 30. Juni 1997 Widerspruch ein, über den bisher nicht entschieden worden ist. Ab Juli 1997 zahlte der Beklagte dem Kläger auch das Pflegegeld der Pflegekasse in Höhe von 1.300,--DM aus. Mit Schreiben vom 13. Januar 1998 teilte der Beklagte mit, dass er die Beihilfe für den Kläger in Anpassung an die Sätze des Jugendamtes für Hilfe zur Erziehung ab dem 1. Januar 1998 auf monatlich 910,50 DM erhöhen werde.

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Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 5. Februar 1999 die dem Kläger gewährte Beihilfe ab dem 1. Januar 1999 auf monatlich 918,-- DM und ab April 1999 bis einschließlich Juli 1999 auf monatlich 1.057,50 DM fest. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 12. Februar 1999 Widerspruch ein, soweit lediglich 75 % des monatlichen Pauschalbetrages für Vollzeitpflege bewilligt worden waren und für den Ferienmonat August 1999 keine Hilfegewährung erfolgt war. Der Kläger beantragte gleichzeitig unter Hinweis auf das anhängige Klageverfahren, die monatliche Eingliederungshilfe ab dem 1. Januar 1999 auf 1.224,-- DM und ab dem 1. April 1999 auf 1.410,-- DM festzusetzen. Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 3. März 1999 mit, dass aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens eine Entscheidung über den Widerspruch zunächst zurückgestellt werde.

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Mit weiterem Schreiben vom 12. Februar 1999 beantragte der Kläger, ihm für das Schuljahr 1999/2000 ab dem 1. August 1999 eine monatliche Beihilfe in Höhe von 1.410,-- DM zu gewähren. Mit Bescheid vom 25. August 1999 bewilligte der Beklagte dem Kläger Eingliederungshilfe für die Zeit vom 1. September 1999 bis zum 31. Juli 2000 und setzte die Beihilfe wiederum auf monatlich 1.057,50 DM fest. Für August 1999 und 2000 wurde wegen der Sommerferien jeweils keine Beihilfe gewährt. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid hinsichtlich der Höhe der Beihilfe und des Bewilligungszeitraums ebenfalls Widerspruch ein. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 30. September 1999 wiederum mit, dass aufgrund des anhängigen Gerichtsverfahrens eine Widerspruchsentscheidung vorerst nicht ergehen werde.

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Auf die nach Klageänderung gegen den Bescheid des Beklagten vom 15. November 1996 gerichtete Untätigkeitsklage verpflichtete die Kammer den Beklagten mit Urteil vom 29. Mai 2000, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. August 1996 bis 31. Juli 1997 eine monatliche Beihilfe für die vom Kläger selbst organisierte Betreuungsperson in Höhe von

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1.500,-- DM als Eingliederungshilfe zu bewilligen (4 A 82/97).

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Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2000 hob der Beklagte seine Bescheide vom 5. Februar 1999 und 25. August 1999 insoweit auf, als der Bewilligungszeitraum lediglich elf Monate umfasste, und gewährte auch für die Monate August 1999 und 2000 die bewilligte Beihilfe. Im übrigen wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. Zur Begründung gab er an, dass die grundsätzliche Zugrundelegung der Richtlinien/Pauschalbeträge nicht mehr Gegenstand der Widerspruchsverfahren, sondern nur noch die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages streitig sei. Dies ergebe sich aus den eingelegten Widersprüchen, mit denen der Kläger die Bewilligung des vollen Pauschalbetrages gefordert habe. In dem Verfahren 4 A 82/97 habe der Kläger dagegen ein anderes Antragsziel verfolgt. Die Gewährung des vollen Pauschalbetrages käme nur in Betracht, wenn die Begleitung über einen Zeitraum von 24 Stunden erfolge. Bei dem Kläger sei es angemessen, acht Zeitstunden täglich als Maßstab für die Dauer des Unterrichtsbesuchs zugrunde zu legen.

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Der Kläger hat am 7. August 2000 Klage erhoben.

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Zur Begründung verweist er auf das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 29. Mai 2000 und trägt ergänzend vor, dass sich sein Begehren, wie er schon im Verfahren 4 A 82/97 vorgetragen habe, nicht geändert habe. Mit Schriftsatz vom 24. August 1999 habe er bereits klargestellt, dass er selbstverständlich nicht von seinem Antrag auf volle Kostenübernahme der von ihm aufzuwendenden 1.500,-- DM abrücke, sondern eine Einschränkung und Verweisung auf die Festsetzung monatlicher Pauschalbeträge nur dann akzeptiert hätte, wenn der volle Satz gezahlt worden wäre.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 5. Februar 1999 und vom 25. August 1999 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2000 zu verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. August 1997 bis zum 31. August 2000 eine monatliche Beihilfe für die vom Kläger selbst organisierte Betreuungsperson in Höhe von 1.500,--DM monatlich als Eingliederungshilfe zu bewilligen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, dass der Kläger mit seinem Widerspruch vom 12. Februar 1999 nicht mehr eine Beihilfe in Höhe von 1.500,-- DM monatlich, sondern nur eine Beihilfe in Höhe des vollen Pauschalsatzes begehrt habe. Auch der Widerspruch vom 3. September 1999 richte sich nicht gegen die grundsätzliche Gewährung der Beihilfe in Anlehnung an die Pauschalsätze der Vollzeitpflege.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren und zu dem Verfahren 4 A 82/97 sowie auf die jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Soweit der Kläger die Übernahme der Betreuungskosten für den Zeitraum vom 1. August 1997 bis zum 31. Dezember 1998 begehrt, ist die Klage als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Denn der Beklagte hat über den gegen seinen Bescheid vom 19. Juni 1997 mit Schreiben vom 30. Juni 1997 eingelegten Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden. Dass der Bescheid vom 19. Juni 1997 die Übernahme der Betreuungskosten für den genannten Zeitraum regelt, ergibt sich daraus, dass das Schuljahr 1996/97 und damit der Zeitraum bis zum 31. Juli 1997 noch Streitgegenstand des Klageverfahrens 4 A 82/97 war und daher mit dem Bescheid vom 19. Juni 1997 nur der Folgezeitraum geregelt werden konnte. Mit den im vorliegenden Verfahren ebenfalls angefochtenen Bescheiden vom 5. Februar 1999 und vom 25. August 1999, gegen die Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sind, sind ab dem 1. Januar 1999 die weiteren Folgezeiträume geregelt worden.

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Die Bescheide des Beklagten vom 19. Juni 1997 sowie vom 5. Februar 1999 und vom 25. August 1999 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2000 sind rechtswidrig, soweit dem Kläger darin als Eingliederungshilfe lediglich eine monatliche Beihilfe in Höhe von 884,25 DM bzw. ab Januar 1999 in Höhe von 918,-- DM und ab April 1999 in Höhe von 1.057,50 DM bewilligt worden ist. Denn dem Kläger steht für den im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Entscheidungszeitraum vom 1. August 1997 bis zum 31. August 2000 ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlich entstandenen Kosten für die von ihm beauftragte Begleitperson in Höhe von 1.500,--DM monatlich zu.

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Soweit der Beklagte geltend macht, der Kläger habe nach dem Inhalt seiner Widersprüche die Zugrundelegung der Pauschalbeträge nach den Sätzen des Jugendamtes für Hilfe zur Erziehung akzeptiert, so dass nur noch die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages streitig sei und er nicht mehr die Übernahme der tatsächlich entstandenen Betreuungskosten verlangen könne, ist dem nicht zu folgen. Zwar hat der Kläger in seinem Widerspruch vom 12. Februar 1999 und seinem Antrag vom 12. Februar 1999 für das Schuljahr 1999/2000 die Festsetzung der auch von dem Beklagten herangezogenen Pauschalbeträge allerdings in voller Höhe, d.h. von 1.224,-- DM bzw. ab April 1999 von 1.410,-- DM, beantragt. Daraus könnte aber allenfalls hergeleitet werden, dass der Kläger seinen Anspruch gegenüber ursprünglich 1.500,-- DM nunmehr in der Höhe beschränkt hat. Dass auch dies nicht der Fall ist, ergibt sich jedoch aus dem im Verfahren 4 A 82/97 zu dieser Frage gewechselten Schriftverkehr. So hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24. August 1999 ausdrücklich klargestellt, dass er nicht von seinem Antrag auf volle Kostenübernahme der von ihm aufzuwendenden 1.500,-- DM abrücke, sondern eine Einschränkung und Verweisung auf die Festsetzung monatlicher Pauschalbeträge nur dann akzeptiere, wenn der volle Satz gezahlt werde. Auch der Widerspruch vom 30. Juni 1997 gegen den Bescheid vom 19. Juni 1997 lässt keine Einschränkung des Begehrens erkennen.

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Die Kammer hat in ihrem Urteil vom 29. Mai 2000 (4 A 82/97) zu dem Anspruch des Klägers Folgendes ausgeführt:

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"Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG erhalten Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind, Eingliederungshilfe. Dass der Kläger aufgrund seiner schweren Körperbehinderung zu diesem Personenkreis gehört, ist unstreitig. Unter die Maßnahmen der Eingliederungshilfe fällt gem. § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG auch die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Nach § 12 Nr. 1 EingliederungshilfeVO umfasst die Eingliederungshilfe alle Maßnahmen zur Ermöglichung und Erleichterung eines jetzigen oder künftigen Schulbesuchs, so dass die von dem Kläger beanspruchte Hilfe den Maßnahmen der Eingliederungshilfe zuzurechnen ist.

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Der Kläger erhält neben der von dem Beklagten gewährten Eingliederungshilfe Pflegegeld von der Pflegekasse, wobei beide Leistungen seit Juli 1997 von dem Beklagten ausgezahlt werden. Dies beruht auf dem in § 13 SGB XI geregelten Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung zu anderen Sozialleistungen. Nach § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB XI bleiben Leistungen der Eingliederungshilfe - anders als Hilfeleistungen zur Pflege nach dem BSHG - unberührt und sind im Verhältnis zu Leistungen der Pflegeversicherung nicht nachrangig. Nach § 13 Abs. 4 SGB XI sollen, sofern Pflegeleistungen mit Leistungen der Eingliederungshilfe zusammentreffen, die Pflegekassen und der Träger der Sozialhilfe vereinbaren, dass im Verhältnis zum Pflegebedürftigen nur eine Stelle die Leistungen übernimmt und die andere Stelle die Kosten der von ihr zu tragenden Leistungen erstattet. Die Regelung in § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB XI bedeutet gleichzeitig, dass der Nachranggrundsatz gem. § 2 BSHG im Verhältnis von Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflegeversicherung nicht gilt.

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Der Beklagte begründet die Höhe der von ihm in Anlehnung an die Sätze der Tagespflege pauschal gewährten Eingliederungshilfe damit, dass der Pflegebedarf des Klägers während des gesamten Tages durch das ihm von der Pflegekasse gewährte Pflegegeld abgegolten sei, so dass im Rahmen der Eingliederungshilfe nur noch der schulische Betreuungsbedarf zu decken sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Maßnahme, für die der Kläger Eingliederungshilfe begehrt, d. h. die Begleitung und Betreuung durch einen Zivildienstleistenden im Zusammenhang mit dem Schulbesuch, der Eingliederungshilfe oder den Leistungen der Pflegeversicherung zuzuordnen ist. Die Zuordnung hängt davon ab, welchem Ziel die konkrete Hilfe dient (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.9.1997 - 6 S 1709/97 -, FEVS 48, 305 m. w. N.; siehe auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.1.1996 - 6 S 494/93 -, NVWZ - RR 1997, 362).

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Die Begleitung und Betreuung durch einen Zivildienstleistenden ist für den Kläger notwendig gewesen, um die Schule besuchen zu können. Im Vordergrund der Maßnahme steht daher die Förderung der Teilnahme des Klägers am Schulunterricht, so dass der Einsatz der Hilfskraft der Eingliederungshilfe zuzurechnen ist. Dass in diesem Zusammenhang auch pflegerische Maßnahmen wie z. B. Hilfe bei Toilettenbesuchen oder beim An- und Ausziehen erbracht worden sind, tritt gegenüber dem umfassenderen Eingliederungszweck in den Hintergrund, so dass die Hilfestellung insgesamt dem Bereich der Eingliederungshilfe zuzurechnen ist. Der Kläger kann daher auch nicht darauf verwiesen werden, für die während der Eingliederungsmaßnahme anfallenden pflegerischen Leistungen die Pflegegeldkasse in Anspruch zu nehmen. Im übrigen dürfte ein Anspruch gegen die Pflegeversicherung auch daran scheitern, dass die Betreuung des Klägers während des Schulbesuchs nicht als häusliche, teilstationäre oder stationäre Pflege anzusehen sein dürfte. Für andere Arten der Pflege kennt das SGB XI keine Leistungen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Die Barmer Ersatzkasse hat dem Kläger in diesem Zusammenhang bereits mit Schreiben vom 17. September 1997 mitgeteilt, dass für Maßnahmen im Bereich der schulischen Betreuung keine Leistung gewährt werden könne. Das ausgezahlte Pflegegeld werde als pauschale Abgeltung für die eigene Sicherstellung der häuslichen Pflege gezahlt.

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Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der dem Kläger im Rahmen der Eingliederungshilfe zustehende Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Betreuungsperson nicht mit Hinweis auf das von der Pflegekasse gewährte Pflegegeld gekürzt werden darf. Denn da das Pflegegeld nur dazu dient, die häusliche Pflege zu gewährleisten, die von der Betreuungsperson während des Schulbesuchs geleisteten Maßnahmen aber insgesamt der Eingliederungshilfe zuzuordnen sind, ist der Kläger nicht dazu verpflichtet, die Kosten für die Betreuung teilweise durch das Pflegegeld zu begleichen. Eine Kürzung der tatsächlich entstandenen Kosten im Hinblick auf das dem Kläger gewährte Pflegegeld könnte nur dann erfolgen, wenn der Zivildienstleistende neben den Hilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem Schulbesuch auch häusliche Pflegeleistungen getätigt hätte. Dafür liegen aber keine Anhaltspunkte vor. Auch der Beklagte hat dies nicht behauptet.

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Hinsichtlich der Höhe der mit dem Paritätischen U.  vereinbarten Vergütung für die Betreuung des Klägers bestehen keine Bedenken. Nach dem Bescheid vom 1. Juli 1992, mit dem dem Kläger erstmalig Eingliederungshilfe bewilligt wurde, übernahm der Beklagte die Kosten für die von den Eltern des Klägers einzustellende Betreuungskraft in Höhe von damals 953,-- DM monatlich. Der Beklagte hat auf dieser Grundlage auch in den Folgejahren davon abgesehen, eine eigene Betreuung des Klägers zu organisieren bzw. auf den Abschluss des Betreuungsvertrages Einfluss zu nehmen, sondern dies den Eltern des Klägers gegen pauschale Übernahme der Betreuungskosten überlassen. Während der Kläger die Grundschule besuchte, reichte die von dem Beklagten bewilligte Eingliederungshilfe dazu aus, die Kosten für die Betreuung des Klägers zu tragen. Dies änderte sich allerdings durch den mit dem Wechsel des Klägers zur Orientierungsschule verbundenen, sowohl in zeitlicher als auch in fachlicher Hinsicht gestiegenen Betreuungsbedarf, so dass die bisherige Betreuungskraft nicht mehr zur Verfügung stand und die Betreuung durch Zivildienstleistende über den Paritätischen U.  erfolgte. Dem hätte der Beklagte im Rahmen der von ihm gewährten Eingliederungshilfe Rechnung tragen müssen. Wenn der Beklagte wie im vorliegenden Fall Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für die Betreuung gewährt, muss die bewilligte Leistung ihrer Höhe nach ausreichen, die erforderliche Betreuung sicherzustellen. Dass nach dem Vertrag mit dem Paritätischen U.  ein Zivildienstleistender für 38,5 Stunden in der Woche bereitgestellt wird, steht mit dem Ansatz des Beklagten in Einklang, der bei seiner anhand der Sätze für Tagespflege vorgenommenen Berechnung sogar von einem Betreuungsbedarf von mindestens acht Stunden täglich ausgegangen ist. Im übrigen wäre, selbst wenn die wöchentliche Betreuungszeit von 38,5 Stunden gelegentlich unterschritten worden sein sollte, eine stundenweise Abrechnung wesentlich teurer gewesen als die vereinbarte Pauschale von 1.500,--DM im Monat. Der Kammer erscheint angesichts der erforderlichen intensiven Betreuung des Klägers die vereinbarte Vergütung von 1.500,--DM im Monat, d.h. unter 10,--DM pro Stunde, jedenfalls nicht als zu hoch. Auch der Beklagte hat nicht dargelegt, dass allein mit der von ihm bewilligten Beihilfe in Höhe von 884,25 DM eine Betreuungskraft hätte bezahlt werden können."

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An dieser Rechtsauffassung hält die Kammer auch im vorliegenden Verfahren fest. Da der Beklagte auch hier nicht dargelegt hat, dass die zwischenzeitlich auf monatlich 918,-- DM und ab April 1999 auf 1.057,50 DM erhöhte Beihilfe ausreicht, die für den Kläger erforderliche Betreuung sicherzustellen, steht dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum ein Anspruch auf Übernahme der von ihm für die Betreuungskraft aufgewendeten 1.500,-- DM zu.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.