Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.12.2001, Az.: 2 K (XII) 589/97
Eigenständige Ermittlung der Größenmerkmale für die Bildung einer Ansparabschreibung nach den Verhältnissen des Betriebes zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.12.2001
- Aktenzeichen
- 2 K (XII) 589/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 34513
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:1219.2K.XII589.97.0A
Rechtsgrundlagen
- EStG § 7g Abs. 2
- EStG § 7g Abs. 3
Fundstelle
- EFG 2002, 747-748 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
1. Zur Inanspruchnahme der Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG müssen die "Größenmerkmale" des § 7g Abs. 2 EStG am Schluss des Wirtschaftsjahres erfüllt sein, das dem Wirtschaftsjahr der Bildung der Rücklage vorangeht.
2. Dazu sind die Verhältnisse des Betriebes für den maßgebenden Zeitpunkt eigenständig zu ermitteln.
3. Entscheidend ist nicht der verfahrensrechtlich am Stichtag gültige Einheitswertbescheid, sondern der nach bewertungsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelte Wert für den Betrieb.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger für seinen Betrieb im Jahre 1995 eine so genannte Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3 EStG in seiner Gewinnermittlung berücksichtigen durfte und dies sodann im Streitjahr 1993 zusätzlich über einen Verlustrücktrag zu berücksichtigen ist.
Der Kläger betrieb eine Spedition und berücksichtigte in seiner Bilanz auf den 31. Dezember 1995 Sonderabschreibungen nach § 7 g Abs. 2 EStG ("Mittelstands-AfA") und eine Ansparabschreibung (als "Sonderposten mit Rücklagenanteil") nach § 7 g Abs. 3 EStG i.H.v. 298. 000 DM für zwei anzuschaffende Sattelzugmaschinen.
Den Einheitswert des Betriebsvermögens stellte das FA später wie folgt fest:
Einheitswertbescheid auf den 01.01... | 1994 | 1995 |
---|---|---|
Einheitswert des Betriebsvermögens | 759.000 | 223.000 |
Das für den Betrieb zu ermittelnde Gewerbekapital überstieg einerseits unstreitig - bei einer Einbeziehung des festgestellten Einheitswerts auf den 01.01.1994 das Größenmerkmal nach § 7 g Abs. 2 Nr. 1 b EStG bzw. blieb andererseits unstreitig - unter diesem Wert, wenn der auf den 01.01.1995 festgestellte Einheitswert in die Berechnung einzubeziehen ist.
Das FA erkannte die vom Kläger berücksichtigte Sonderabschreibung nach § 7 g Abs. 2 EStG an. Zugleich lehnte das FA aber die Berücksichtigung der Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3 EStG ab. Für die Ansparabschreibung seien die Verhältnisse am Schluss des der Bildung der Rücklage vorangegangenen Wirtschaftsjahres - also des 31.12.1994 - maßgebend. Heranzuziehen sei dazu der zu diesem Zeitpunkt wirksame Einheitswertbescheid auf den 01.01.1994. Danach übersteige der "Einheitswert" mit 759. 000 DM den gesetzlichen Höchstwert von 240. 000 DM. Ebenso übersteige auch das Größenmerkmal "Gewerbekapital" den gesetzlichen Höchstwert. Das FA kürzte den von den Klägern begehrten Verlustrücktrag von 1995 nach 1993 um den Betrag der bilanzierten Ansparabschreibung i.H.v. 298. 000 DM.
Dagegen richtet sich die gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 vom 7. Juli 1997 erhobene Sprungklage, zu der das FA fristgerecht seine Zustimmung erteilt hat.
Die Kläger sind der Ansicht, es sei geradezu sinnwidrig, einerseits die Mittelstands-AfA nach § 7 g Abs. 2 EStG im Jahre 1995 zu gewähren und zugleich die Ansparabschreibung nach Abs. 3 im gleichen Jahr zu verwehren. Eine solche Auslegung des Gesetzes finde weder im Wortlaut der Vorschrift eine Stütze noch entspreche eine solche Interpretation der Zielsetzung des Gesetzgebers.
Die betrieblichen Größenmerkmale am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (31.12.1994) seien daher stets für die Zwecke der Ansparabschreibung eigenständig zu berechnen. Dabei könne es nicht auf den im letzten Einheitswertbescheid festgestellten Wert ankommen, da dieser immer mindestens knapp ein Jahr veraltet sei, da Einheitswertbescheide nur auf den 1. Januar eines Jahres erlassen würden. Das Gesetz beziehe sich in § 7 g Abs. 3 EStG auch nicht auf Einheitswertbescheide. Vielmehr sehe das Gesetz nur eine Verweisung auf "Größenmerkmale" vor, die der Betrieb erfüllen müsse. Nicht heranzuziehen sei daher der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar des Vorjahres. Diese Rechtsansicht werde teilweise sowohl von der Verwaltung (nämlich OFD Cottbus) als auch der Literatur und inzident von der Rechtsprechung geteilt. Die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage stelle sich nicht ernsthaft.
Der Wert des Betriebes am Schluss des vorangegangnen Wirtschaftsjahres (31.12.1994) entspreche im Streitfall dem rechnerischen Wert des Einheitswertbescheides auf den 01.01.1995. Bereits am Schluss des Wirtschaftsjahres 1994 sei nämlich der Einheitswert des Betriebes gegenüber dem Vorjahr gemindert gewesen. Dies habe schließlich rechnerisch auch Niederschlag im Einheitswertbescheid auf den 01.01.1995 gefunden.
Ausgehend von einem am 31.12.1994 vorhandenen tatsächlichen Einheitswert des Betriebsvermögens von 223. 000 DM sei auch das Größenmerkmal "Gewerbekapital" durch seinen Betrieb erfüllt.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1993 dahingehend zu ändern, dass ein weiterer Verlustrücktrag aus 1995 i.H.v. 298. 000 DM berücksichtigt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA ist weiterhin der Ansicht, für die Bestimmung der "Größenmerkmale" nach § 7 g EStG sei der letzte dem 31.12.1994 vorangegangene Einheitswertbescheid - hier auf den 01.01.199 - heranzuziehen. Diese Auffassung werde auch in der Literatur geteilt (Hottmann, StLex 3, 7 g, 7 [11] im dortigen Beispiel 3).
Das FA räumt zugleich ein, dass bei entsprechender Berücksichtigung des später auf den 01.01.1995 festgestellten Einheitswerts bzw. des dahinstehenden Rechenwerks, die Größenmerkmale für den Betrieb des Klägers erfüllt wären, der Kläger die Ansparabschreibung beanspruchen könnte und der Verlustrücktrag nach 1993 wie beantragt erfolgen müsste.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger durfte in der Bilanz seines Betriebes auf den 31.12.1995 eine Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3 EStG als "Sonderposten mit Rücklagenanteil" i.H.v. 298. 000 DM bilden.
Der Betrieb des Klägers erfüllt die "Größenmerkmale" des § 7 g Abs. 2 EStG , auf die in § 7 g Abs. 3 EStG (in der für das Jahr 1995 maßgebenden Fassung) verwiesen ist, denn der Einheitswert des Betriebsvermögens und das Gewerbekapital auf den 31.12.1994 überstiegen nicht die gesetzlichen Grenzen von 240. 000 DM bzw. 500. 000 DM.
Zur Inanspruchnahme der Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3 EStG müssen die erwähnten Größenmerkmale am Schluss des Wirtschaftsjahres, das dem Wirtschaftsjahr der Bildung der Rücklage vorangeht, erfüllt sein (§ 7 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EStG). Dazu sind die Verhältnisse des Betriebes für den maßgebenden Zeitpunkt - nämlich hier den 31.12.1994 - eigenständig zu ermitteln (ebenso FG Düsseldorf, Beschluss vom 30. November 1998 , 7 V 7026/98 A, juris). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, da Einheitswerte bekanntermaßen niemals auf den Schluss eines Kalenderjahres festgestellt werden und es daher keinen Einheitswertbescheid auf diesen Stichtag geben kann. Sowohl Hauptfeststellungen (alle 3 Jahre) als auch Wertfortschreibungen erfolgen jeweils auf den 01.01. eines Jahres. Anderenfalls liefe die Formulierung des Gesetzes - nämlich "am Schluss des Wirtschaftsjahres, das dem Wirtschaftsjahr der Bildung der Rücklage vorangeht" - praktisch leer (ebenso Herrmann/Heuer/Raupach-Meyer, EStG , § 7 g Anm. 104). Zudem nimmt § 7 g Abs. 3 EStG ausdrücklich nur Bezug auf "Größenmerkmale" und "Einheitswert" nach Abs. 2, ohne etwa auf den (letzten) "Einheitswertbescheid" zu verweisen. Entscheidend ist daher nicht der verfahrensrechtlich am Stichtag gültige Einheitswertbescheid, sondern der nach bewertungsrechtlichen Gesichtpunkten ermittelte Wert für den Betrieb. Da der Einheitswert eines Betriebes zum 31.12.1994 aber notwendig mit dem Wert des Einheitswertbescheides auf den 01.01.1995 identisch ist, kann - außer bei Neugründungen - dieser Wert herangezogen werden (ebenso H/H/R, a.a.O.).
Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Förderzweck. Der Gesetzgeber wollte kleinere und mittlere Betriebe, die nach den Maßstäben des Schlusses des vorangegangenen Wirtschaftsjahres als solche einzustufen waren, fördern. Dementsprechend hat auch der BFH bei Neugründungen stets angenommen, dass solche Betriebe notwendig die Voraussetzungen nach § 7 g Abs. 2, Abs. 3 EStG erfüllen (B FH-Urteil vom 21. Juli 1999, I R 57/98 , BFH/NV 2000, 273), da bei solchen Betrieben in der Anlaufphase regelmäßig ein besonderer Liquiditäts- und damit Förderbedarf bestehe (a.a.O., unter 3 b). Eine vergleichbare Situation besteht bei Betrieben, deren wirtschaftliche Entwicklung angegriffen und rückläufig ist und dessen Einheitswert unter die Höchstgrenze zurück fällt. Gerade solche Betriebe benötigen - im Sinne des Förderzwecks - eine Stärkung ihrer Liquidität z.B. durch die Ansparabschreibung.
Dies zeigt sich deutlich auch im Streitfall. Nach den Werten der Bilanz auf den 31.12.1994 übersteigt der Einheitswert und das Gewerbekapital unstreitig nicht mehr die Größenverhältnisse nach § 7 g Abs. 2 EStG . Unter solchen Umständen wäre es sachfremd, wie das FA eine länger (max. drei Jahre) zurückliegende Hauptfeststellung des Einheitswertes heranziehen zu wollen.
Die Rechtsansicht des FA zur Auslegung des § 7 g EStG zeigt zudem einen Wertungswiderspruch auf, den das FA selbst nicht aufzuklären vermochte. Das FA hat nämlich die Sonderabschreibungen nach § 7 g Abs. 2 EStG für das Wirtschaftsjahr 1995 gewährt bzw. belassen, weil unstreitig die Voraussetzungen zur Höhe des Einheitswerts und zum Wert des Gewerbekapitals nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 vorlagen. Wenn diese Voraussetzungen nach Abs. 2 bei der direkten Anwendung der Vorschrift für die Zwecke der Sonderabschreibung vorliegen, ist schwerlich erklärbar, warum die gleichen Voraussetzungen, auf die in Abs. 3 nur verwiesen wird, zum Nachteil des Betriebes für die Ansparabschreibung nicht erfüllt sein sollen. Vielmehr ist einer Auslegung des Gesetzes Vorrang zu geben, die einen Betrieb entweder ganz als förderungswürdig einstuft oder dies ganz ausschließt.
Soweit sich das FA für seine gegenteilige Rechtsansicht auf eine Stimme in der Literatur (Hottmann, StLex 3, 7 g, 7 dort im Beispiel [11]) stützt, vermag diese schon deshalb nicht zu überzeugen, da sie weder vom Autor noch vom FA begründet wird. Auch das von dem Autor gewählte Beispiel, aus dem allein die Rechtsansicht des Autors abzuleiten ist, entspricht nicht dem hier zu entscheidenden Streitfall. Statt eines Betriebes mit steigenden Werten des Einheitswertes - wie im dortigen Beispiel - handelt es sich im Streitfall um einen Betrieb mit sinkenden Werten. Daher erscheint schon zweifelhaft, ob die Aussage Hottmanns überhaupt übertragbar ist. Dort will der Autor einen Betrieb noch fördern, obwohl die Voraussetzungen später wegfallen. Hier zu entscheiden ist jedoch, ab wann ein Betrieb, der die Größenmerkmale wieder erfüllt, gefördert werden kann. Dazu verhält sich Hottmann aber gerade nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (Z PO).
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.