Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.12.2001, Az.: 5 K 352/00
Vorliegen einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden unternehmerischen Tätigkeit bei der Übergabe einer Ferienwohnung vom Eigentümer an einen Vermarkter zwecks Vermietung der Wohnung; Anwendbarkeit der EG-rechtlichen Regelung der Leistungskommission; Richtlinienkonforme Auslegung des § 3 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG)
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.12.2001
- Aktenzeichen
- 5 K 352/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30385
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:1213.5K352.00.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 29.08.2002 - AZ: V R 8/02
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG
- § 3 Abs. 3 UStG
- § 3 Abs. 11 UStG
- § 15 Abs. 1 S. 1 UStG
- Art. 6 Abs. 4 6. RL EG
Fundstellen
- DStRE 2002, 701-704 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2002, 576-578
- UR 2002, 129-132
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz: Umsatzsteuer 1996 und 1997
Die Übergabe einer Ferienwohnung vom Eigentümer an einen Vermarkter vor Ort zwecks Vermietung der Wohnung an Feriengäste begründet für den Eigentümer keine zum Vorsteuerabzug berechtigende unternehmerische Tätigkeit.
Die EG-rechtliche Regelung der Leistungskommission (Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie) ist weder im Wege der richtlinienkonformen Auslegung noch mittels des Rechtsinstruments der unmittelbaren (Richtlinien)Wirkung in das nationale Umsatzsteuerrecht zu implementieren (gegen BFH-Urteil vom 25.05.2000 V R 66/99, DStR 2000, 346).
Tatbestand
Die Klägerin (Grundstücksgemeinschaft) hat eine Eigentumswohnung erworben und an einen örtlichen Vermarkter zur Vermietung an Feriengäste übergeben. Streitig ist, ob die Klägerin dadurch als Unternehmerin mit der Möglichkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung tätig geworden ist.
Die Klägerin erwarb am 18. Dezember 1996 das Wohnungseigentum an einer noch zu errichtenden Ferienwohnung in Bad S.. Der Kaufpreis betrug 435.576,55 DM. Die Umsatzsteuer in Höhe von 56.814,33 DM ist in der Rechnung vom 20. Dezember 1996 gesondert ausgewiesen.
Nach Fertigstellung des Objekts schloss der Ehemann im Namen der Grundstücksgemeinschaft am 21. Oktober 1997 mit der Ferienwohnungsvermietungsfirma O.-GmbH (nachfolgend: O.-GmbH) eine "Vermietungsvereinbarung", mit der die Klägerin als Eigentümerin die Vermittlung und Vermietung der Wohnung an Feriengäste auf die O.-GMBH übertrug. Der O.-GMBH wurde durch diesen Vertrag das ausschließliche und alleinige Verfügungsrecht über die Ferienwohnung eingeräumt; wegen der Einzelheiten wird auf die "Vermietungsvereinbarung" Bezug genommen. Für ihre Tätigkeit sollte die O.-GMBH eine Provision in Höhe von 15 v.H. der Mieteinnahmen (zzgl. USt) erhalten.
Die O.-GMBH schloss die Mietverträge mit den Feriengästen im eigenen Namen ab. Wegen der Einzelheiten (Zahlung der Mietkosten, Schlüsselübergabe etc.) wird auf den von der Klägerin als Anlage 2 zu dem Schriftsatz vom 24. Oktober 2000 übersandten Mustermietvertrag Bezug genommen.
Mit den Umsatzsteuererklärungen 1996 und 1997 machte die Klägerin Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Erwerb der Ferienwohnung in Höhe von 57.004,55 DM bzw. 10.228,01 DM geltend. Die Umsätze gaben sie jeweils mit 0 DM an mit der Begründung, dass Vermietungen erst ab 1998 stattgefunden hätten.
Nachdem der Beklagte den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre zunächst (unter Vorbehalt) gefolgt war, änderte er die Bescheide anschließend gem. 164 Abs. 2 AO und forderte die Vorsteuerbeträge mit dem Hinweis zurück, dass die Klägerin wegen des Geschäftsbesorgungsverhältnisses mit der O.-GMBH keine steuerbaren Leistungen erbracht hätte.
Dagegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage.
Sie trägt vor, dass die "Vermietungsvereinbarung" vom 21. Oktober 1997 zwar als Geschäftsbesorgungsverhältnis angesehen werden könne. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Klägerin gegenüber den Feriengästen als Vermieterin aufgetreten sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die O.-GMBH in den Mietverträgen mit den Feriengästen als Vermieter bezeichnet sei, da dies nicht der tatsächlichen Sach- und Rechtslage entsprochen habe. Denn die Feriengäste würden durch das Türschild bereits darauf hingewiesen, dass die Klägerin Vermieterin der Wohnung sei. Zudem befände sich in der Ferienwohnung stets ein von ihr an die Feriengäste gerichtetes "persönliches" Anschreiben. Dass die Mieter der Wohnung (Feriengäste) Kenntnis über das Mietverhältnis mit ihr gehabt hätte, zeige auch die Zusendung von Postkarten durch verschiedene Mieter nach erfolgter Nutzung der Ferienwohnung. Sie - die Klägerin - sei zudem auch selbst tätig geworden und habe eigene Vermietungsanzeigen geschaltet. So habe sie in Zeitschriften mit Anzeigen zur Vermietung der Ferienwohnung unter Angabe ihrer Telefonnummer geworben.
Während des Klageverfahrens ergänzte die Klägerin ihren Vortrag und nahm Bezug auf die Rechtsprechung des BFH zur Leistungskommission (BFH-Urteile vom 25. Mai 2000 V R 66/99 DStR 2000, 1346; vom 07.10.1999 V R 79 u. 80/98, DStR 1999, 2120). Danach seien Steuerpflichtige (hier: die O.-GMBH), die Dienstleistungen im eigenen Namen, jedoch für Rechnung Dritter erbringen, so zu behandeln, als ob sie diese Dienstleistung von ihrem Auftraggeber (hier: die Klägerin) selbst bezogen hätten. Dies bedeute, dass sie gegenüber der O.-GMBH mit der Überlassung der Eigentumswohnung zwecks Weitervermietung eine eigene Vermietungsleistung erbringe. Aufgrund dieser unternehmerischen Tätigkeit stehe ihr der Vorsteuerabzug aus den Baukosten zu.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für 1996 und 1997 vom 10. Mai 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, die Klägerin sei nicht unternehmerisch tätig geworden. Leistende bei der Vermietung sei ausschließlich die O.-GMBH gewesen, denn allein diese sei den Feriengästen gegenüber vertraglich zu dieser Leistung verpflichtet gewesen. Die Mieter (Feriengäste) hätten nur der O.-GMBH gegenüber Rechtsansprüche und träten in keinem Fall in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu der Klägerin als Wohnungseigentümerin.
Neben der Vermietung der Ferienwohnung an die Feriengäste habe die O.-GMBH noch eine weitere Leistung erbracht, die in der Durchführung der Vermietung für die Klägerin bestanden habe und mit der Mietprovision abgegolten werden sollte. Zur Erlangung dieser Geschäftsbesorgung habe die Klägerin ihre Ferienwohnung im Rahmen einer nichtsteuerbaren Leistungsbeistellung an die O.-GMBH überlassen. Da die Klägerin bei dieser Sachverhaltsgestaltung selbst keine Leistungen erbracht, sondern lediglich die Funktion eines Leistungsempfängers wahrgenommen habe, sei sie nicht als Unternehmerin anzuerkennen und somit vom Vorsteuerabzug für die bei Errichtung der Ferienwohnung gesondert in Rechnung gestellten Umsatzsteuer ausgeschlossen.
Der Beklagte folgt den vom BFH entwickelten Grundsätzen zur Leistungskommission nicht. Er verweist darauf, dass die unterschiedliche Behandlung der Liefer- und Leistungskommission im deutschen Umsatzsteuerrecht von Art. 28 Abs. 3 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie gedeckt sei. Nach dieser Vorschrift könnten die Mitgliedstaaten Regelungen, die von Art. 6 Abs. 4 der Richtlinien abwichen, während einer - noch nicht abgelaufenen - Übergangszeit weiterhin anwenden. Daher habe sich die Finanzverwaltung entschlossen, die von der Klägerin genannten Urteile des BFH nicht im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen und vorerst nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Die (zweite) Entscheidung des BFH zur Leistungskommission vom 25. Mai 2000 (V R 66/99, DStR 2000, 1346 [BFH 25.05.2000 - V R 66/99]) stehe zudem in Widerspruch zu Abschn. 32 Abs. 1 Satz 3 UStR 2000, der ausdrücklich besage, eine Besorgung liege nicht vor, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen Leistungen an einen Dritten erbringe ("Leistungsverkauf").
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG erforderliche Unternehmereigenschaft der Klägerin scheitert daran, dass diese keine steuerbaren Leistungen erbracht hat. Die steuerbaren Vermietungsumsätze aus der Ferienwohnung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG sind nicht der Klägerin sondern der O.-GMBH zuzurechnen.
1)
Die O.-GMBH hat den Mietern (Feriengästen) gegenüber Vermietungsleistungen erbracht. In dem von der Klägerin übersandten (Muster)Mietvertrag sind die O.-GMBH und der jeweilige Feriengast als Vertragsparteien genannt; einen Hinweis auf die Klägerin enthält der Vertrag nicht. Der Feriengast ist nach dem Vertrag verpflichtet, das Mietentgelt auf ein Konto der O.-GMBH zu entrichten; diese übergibt ihm auch den Schlüssel im Büro (Anschrift der O.-GMBH: B. Str., Bad S.). Für den Fall des Rücktritts vom Mietvertrag ist eine Regelung über den Einbehalt eines Teils des Mietentgelts vorgesehen. Auch daran wird deutlich, dass sich die Mieter bei eventueller Vertragsverletzung ausschließlich an die O.-GMBH als Vertragspartei und Vermieter zu halten haben.
Dass am Türschild der Name der Wohnungseigentümerin angebracht war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn für den Feriengast ist nicht entscheidend, wem die Wohnung gehört, sondern ob der als Vermieter auftretende Vermarkter der Wohnung über diese verfügen kann. Hiervon wird er regelmäßig ausgehen, wenn der Vermarkter ihm einen Mietvertrag über die Wohnung offeriert. Vorliegend bestehen insoweit auch keine Zweifel: die Klägerin hat der O.-GMBH durch die "Vermietungsvereinbarung" vom 21. Oktober 1997 nämlich ausdrücklich "die Befugnis zur ausschließlich und alleinigen Verfügung über das Objekt übertragen".
Unerheblich ist daher auch, ob - wie von der Klägerin behauptet - in der Wohnung eine schriftliche persönliche Ansprache an die Feriengäste von ihr auslag.
Der Vortrag der Klägerin, sie habe sich - neben der O.-GMBH - auch selbst um die Vermietung der Wohnung bemüht, steht in Widerspruch zu der genannten "Vermietungsvereinbarung". Danach hat die Klägerin Angebote zur Vermietung an den Vermieter (O.-GMBH) weiterzuleiten. Insofern kann sich die Tätigkeit der Klägerin allenfalls auf die Vermittlung von Mietinteressenten bezogen haben. Der jeweilige rechtsverbindliche Abschluss des Mietvertrags erfolgt jedoch ausschließlich und allein durch die O.-GMBH.
Die Überlassung der Ferienwohnung von der Klägerin an die O.-GMBH erfolgte nicht im Wege eines steuerbaren Leistungsaustauschs, sondern als (nichtsteuerbare) Leistungsbeistellung im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses i.S. von § 675 BGB. Denn nach der "Vermietungsvereinbarung" vom 21. Oktober 1997 nimmt die O.-GMBH lediglich die Vermögensinteressen der Klägerin wahr, ohne selbst ein Vermietungsrisiko zu tragen; ihr Interesse richtet sich dementsprechend allein auf den Erhalt der vereinbarten Provision. Daher scheidet die Annahme einer Zwischenvermietung aus (zur Abgrenzung zwischen Geschäftsbesorgung und Zwischenvermietung vgl. BFH-Urteil vom 8. Juni 1988 X R 65/82, BStBl II 1988, 969).
Die Überlassung der (alleinigen und ausschließlichen) Nutzungsbefugnis an die O.-GMBH ist auch nicht als sonstige Leistung zu beurteilen. Für die Beurteilung der Leistungsbeziehungen folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht (BFH-Urteil vom 25. Mai 2000 V R 66/99, BFH/NV 2000, 1318 [BFH 25.05.2000 - V R 66/99]). Bei einer Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB erbringt der Unternehmer (Besorger), der für einen anderen, also in dessen Auftrag, im eigenen Namen auf dessen Rechnung eine sonstige Leistung verkauft, an seinen Auftraggeber eine Besorgungsleistung. Der Besorger erhält also gerade keine Leistung von seinem Auftraggeber, sondern erbringt eine an diesen. Die Überlassung der Nutzungsbefugnis an der Wohnung ist in diesem Zusammenhang lediglich notwendige Voraussetzung für die Ausführung der Geschäftsbesorgung.
2)
Die EG-rechtliche Regelung der Leistungskommission ist auf den vorliegenden Fall des "Leistungsverkaufs" nicht anwendbar. Zwar ist die Leistungskommission im Gemeinschaftsrecht (Art. 6 Abs. 4 der 6. EG Richtlinie) ausdrücklich geregelt; ihr Regelungsgehalt steht jedoch im Widerspruch zum geltenden nationalen Umsatzsteuerrecht. Dieser Widerspruch lässt sich nicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auflösen.
Die richtlinienkonforme Auslegung ist kein unbeschränkt nutzbares Instrument, mit dem im Konfliktfall die Richtlinienbestimmungen an die Stelle der innerstaatlichen Regelungen gesetzt werden können. Vielmehr ist die richtlinienkonforme Auslegung beschränkt durch die nationalen Auslegungsregeln ( EuGH-Urteil vom 10.04.1984 - Rs. 79/83 Harz ./. Dt. Tradex -, EuGHE 1984, 1921 (1942, 1943); GA Mischo, Schlussanträgevom 17.03.1987 - Rs. C-80/96 Kolpinghuis Nijmegen BV -, EuGHE 1987, 3969 (3979)).
Aus dieser Beschränkung der richtlinienkonformen Auslegung ergibt sich, dass die richtlinienkonforme Auslegung einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Vorschrift keinen entgegengesetzten Sinn verleihen darf. Weiter darf sie den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen. Mit Hilfe der richtlinienkonformen Auslegung können daher im nationalen Recht keine neuen Institute geschaffen werden. Generell muss die mit Blick auf die Richtlinie gewonnene Auslegung nationalen Rechts auch dann eine nach den nationalen Auslegungsregeln vertretbare Auslegung sein, wenn man die betroffene Richtlinie außer acht lässt (so ausdrückl. GA Mischo, a.a.O.; ausführlich hierzu Leonard, Die Rechtsfolgen der Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, S. 118 m.w.N.).
Die Leistungskommission lässt sich aus den hier einschlägigen Vorschriften des § 3 Abs. 3 und/oder § 3 Abs. 11 UStG unter Anwendung der nationalen Auslegungsregeln (Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck) nicht herleiten. Eine Übertragung des Rechtsgedankens des Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie in das deutsche Recht würde ein dem deutschen Umsatzsteuerrecht fremdes Rechtsinstitut neu schaffen und damit die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung überschreiten.
Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie bestimmt, dass "Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, so behandelt werden, als ob sie diese Dienstleistung selbst erhalten und erbracht hätten". Die EG-rechtliche Vorgabe sieht damit bei der Leistungskommission - ebenso wie bei der Lieferkommission (Art. 5 Abs. 4 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie) - eine "Leistungskette" zwischen Kommittent und Kommissionär sowie zwischen Kommissionär und Drittem vor.
Demgegenüber enthält das nationale Recht keine ausdrückliche Regelung der Leistungskommission. Insbesondere fehlt eine § 3 Abs. 3 UStG entsprechende Vorschrift für die Leistungskommission. Eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 3 UStG auf die Leistungskommission wird zu Recht (nahezu) einhellig abgelehnt (BFH-Urteile vom 25.10.1990 V R 20/95, BStBl II 1991, 193 (195); vom 15.12.1983 V R 169/75, BStBl II 1984, 388 (391) [BFH 15.12.1983 - V R 169/75]; Abschnitt 32 UStR 2000, Birkenfeld, Umsatzsteuerhandbuch, I Rz. 782; Giesberts, in: Rau/ Dürrwächter, UStG, § 3 Rz. 267; Fritsch, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rz. 98; a.A. Forgách, DStZ 1987, 575, der nachzuweisen versucht, dass § 3 Abs. 3 UStG keine Spezialregelung für die Lieferkommission, sondern als Ausfluss eines allgemeinen Rechtsgedankens hinsichtlich der Besorgungsleistungen anzusehen sei).
Eine richtlinienkonforme Auslegung des Art 3 Abs. 3 UStG mit dem Ziel, den Regelungsgehalt des Art 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie in das deutsche Umsatzsteuerrecht zu übertragen, scheitert bereits am entgegenstehenden eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. § 3 Abs. 3 UStG nimmt für die Definition des Kommissionsgeschäfts auf § 383 HGB Bezug. Danach ist Kommissionär derjenige, der " ... es gewerbsmäßig unternimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen". § 383 HGB behandelt damit ausschließlich die Lieferkommission. Auch die Entstehungsgeschichte und der vom historischen Gesetzgeber verfolgte Zweck lassen keine Anhaltspunkte für eine Übertragung des Regelungsgehalts auf die Fälle der Leistungskommission erkennen (Heidner, UR 2000, 517 (521); a.A. - allerdings ohne Begründung - BFH-Urteil vom 7. Oktober 1999 V R 79/98, UR 2000, 26, wonach für Fälle nach Inkrafttreten Art. 6 Abs. 4 der 6. Richtlinie eine richtlinienkonforme Auslegung des § 3 Abs. 3 UStG geboten sein soll).
§ 3 Abs. 11 UStG ist der richtlinienkonformen Auslegung ebenso wenig zugänglich wie § 3 Abs. 3 UStG. Mit der Regelung in § 3 Abs. 11 sollte nach der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 145/78; BT-Drucks. 8/1979) eine Gleichbehandlung der Besorgungsleistung mit der besorgten Leistung herbeigeführt, insbesondere sichergestellt werden, dass die "Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 2 i.V.m. 8 UStG (Umsätze für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt) und des § 4 Nr. 3 UStG (bestimmte Beförderungsleistungen) auch für die Besorgung der dort genannten Vorschriften in Betracht kommen, ohne dass dies in den einzelnen Befreiungsvorschriften ausdrücklich erwähnt wird". Der Regelungsbereich des § 3 Abs. 11 UStG beschränkt sich daher auf Fälle, in denen ein Unternehmer im eigenen Namen aber für fremde Rechnung mit dem Ziel tätig wird, dass eine sonstige Leistung, die er selbst nicht schuldet, von einer Dritten erbracht wird (BFH-Urteil vom 08.12.1994 V R 132/93 BFH/NV 1995, 1026 [BFH 08.12.1994 - V R 132/93]; UStR 2000 Abschnitt 32; dementsprechend ist die praktische Relevanz der Vorschrift im Wesentlichen auf Leistungen der Spediteure beschränkt - ausführlich Abschn. 32 UStR 2000 mit Fallbeispielen). Die Regelung in § 3 Abs. 11 UStG ist demnach auf den Fall des Leistungseinkaufs beschränkt.
Hiergegen wird vorgebracht, dass der mögliche Wortsinn des § 3 Abs. 11 UStG einer richtlinienkonformen Auslegung nicht entgegenstehe (so ausführlich Martin, in: Sölch/Ringleb, UStG § 3 Rz. 80 u. 262; im Ergebnis ebenso - allerdings ohne nähere Begründung - BFH-Urteil vom 25.05.2000 V R 66/99, DStR 2000, 445 (448)), weil er beide Alternativen der Leistungskommission einschließe. Denn der Begriff "Besorgen einer Leistung" umfasse sowohl den Fall, dass der mit der Besorgung beauftragte Unternehmer für Rechnung seines Geschäftsherrn im eigenen Namen eine sonstige Leistung beziehe ("Leistungseinkauf") als auch den Fall, dass er für Rechnung des Geschäftsherrn im eigenen Namen eine sonstige Leistung bewirke ("Leistungsverkauf").
Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass sie die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung überschreitet. Selbst wenn man den Begriff "Besorgen einer Leistung" im oben genannten weiteren Sinne verstehen wollte, wäre damit keine Regelung der Leistungskommission verbunden. Fehlen würde nämlich die Fiktion einer Leistung (hier: Vermietungsleistung) im Verhältnis des Auftraggebers (Geschäftsherrn) zum Geschäftsbesorger unter gleichzeitiger Aufhebung der Leistung (Geschäftsbesorgung) des Geschäftsbesorgers für den Auftraggeber.
Die Fiktion einer Vermietungsleistung im Verhältnis des Geschäftsherrn zum Geschäftsbesorger lässt sich nicht richtlinienkonform in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 3 UStG dem § 3 Abs. 11 UStG "zu ergänzen" (so aber Martin a.a.O. Rz. 80 a; BFH-Urteil vom 25.05.2000 V R 66/99, DStR 2000, 445 (447). Denn die damit verbundene Umkehr des Leistungsweges (vgl. Völkel, UR 2000, 367 (379)) widerspricht dem Wortlaut und dem Wortsinn des § 3 Abs. 11 UStG. Der in § 3 Abs. 11 UStG genannte Begriff der "Besorgungsleistung" ist sprachlich besetzt für die Leistung, die der Geschäftsbesorger an den Geschäftsherrn erbringt; eine Leistung des Geschäftsherrn an den Geschäftsbesorger lässt sich darunter nicht subsumieren. Wer dies dennoch im Wege der Fiktion tut, nimmt im Ergebnis eine grundlegende Neubestimmung - und nicht lediglich eine "Zu-Ergänzung" - des normativen Regelungsgehalts des § 3 Abs. 11 UStG vor (hierauf weist Heidner, UR 2000, 517 (522) zu Recht hin). Außerdem bleibt er die (nationale) Rechtsgrundlage für die Fiktion schuldig; § 3 Abs. 3 UStG kommt wegen seiner Beschränkung auf Lieferverhältnisse jedenfalls nicht (auch nicht analog) in Betracht.
3)
Die EG-rechtliche Regelung der Leistungskommission lässt sich nicht mittels des Rechtsinstruments der "unmittelbaren (Richtlinien)Wirkung" in das nationale Umsatzsteuerrecht transformieren. Zwar ist die Regelung des Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie grundsätzlich befähigt, unmittelbare Wirkung zu erzeugen. Vorliegend ist der innerstaatliche Geltungsanspruch dieser EG-Norm jedoch durch die Sonderregelung des Art. 28 Abs. 3 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie ausgeschlossen.
Diese als Übergangsvorschrift konzipierte Sonderregelung bestimmt folgendes:
"Während der in Abs. 4 genannten Übergangszeit können die Mitgliedstaaten ...
(e)
die von Artikel 6 Abs. 4 ... abweichenden Vorschriften weiterhin anwenden".
Art. 28 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie lautet:
"Die Übergangszeit wird zunächst auf fünf Jahre, beginnend mit dem 1. Januar 1978 festgelegt. Spätestens sechs Monate vor Ende dieses Zeitraums - und später je nach Bedarf - überprüft der Rat anhand eines Berichts der Kommission die Lage, die sich durch die in Absatz 3 aufgeführten Abweichungen ergeben hat, um auf Vorschlag der Kommission einstimmig über die vollständige oder teilweise Abschaffung dieser Abweichungen zu entscheiden."
Danach wäre Art 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie nur dann unmittelbar wirkendes Recht, wenn der Rat einstimmig die Abschaffung der Abweichung in Art. 28 Abs. 3 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie beschlossen hätte. Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen (vgl. Völkel, UR 2000, 367 (368)).
Die von Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie abweichende innerstaatliche Regelung der Leistungskommission bestand bereits vor Inkrafttreten der Bestimmungen der 6. EG-Richtlinie zum 01.01.1978. Dies folgt aus dem Wortlaut und des systematischen Zusammenhangs der insoweit einschlägigen Vorschriften des § 3 Abs. 3 und 11 UStG. Der Regelungsbereich des § 3 Abs. 3 UStG ist auf die Lieferkommission beschränkt und einer analogen Anwendung auf sonstige Leistungen nicht zugänglich. Nach der seinerzeit (am 01.01.1978) noch geltenden Vorschrift des § 3 Abs. 11 Satz 1 UStG 1967/1973 galt die Besorgung von Beförderungsleistungen als im Ausland ausgeführt, wenn die besorgten Leistungen (also die Beförderungsleistungen) im Ausland bewirkt worden waren. Diese - sehr eng gefasste - Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 11 UStG 1980 regelt die Gleichstellung der Besorgungsleistung mit der besorgten Leistung nur bezüglich eines Leistungsmerkmals, nämlich dem des ausländischen Leistungsorts. Daraus, dass nur ein Teilbereich der Leistungs(eingangs)kommission, eben die Vermittlung von Beförderungsleistungen im Ausland, in § 3 Abs. 11 UStG 1967/1973 einer Spezialregelung zugeführt worden ist, lässt sich rechtssystematisch (argumentum e contrario) folgern, dass die übrigen Fallkonstellationen der Leistungskommission gerade nicht gesondert geregelt werden sollten; vielmehr sollten insoweit die allgemeinen Vorschriften Anwendung finden. Folglich bestand eine von Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie abweichende gesetzliche Regelung i.S.d. Art. 28 Abs. 3 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie.
Wenn Wagner (Stbg 2001, 56 (60)) kritisiert, dass die Bundesrepublik Deutschland damit "wohl etwas zu viel Nichtregelungskompetenz" hinsichtlich der Leistungskommission beanspruche, ist ihm entgegenzuhalten, dass die "Nichtregelung" nach dem Verständnis des erkennenden Senats nicht als Zustand der bloße Untätigkeit, sondern als bewusste gesetzgeberische Entscheidung gegen die Regelung der Leistungskommission zu bewerten ist. Als solche genießt sie den Schutz des Art. 28 Abs. 3 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Entscheidung des erkennenden Senats von der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 25. Mai 2000 V R 66/99 DStR 2000, 1346; vom 07.10.1999 V R 79 u. 80/98, DStR 1999, 2120) abweicht.