Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.12.2001, Az.: 2 K 119/98

Vertrauensschutz bei unter Verwendung eines unzutreffenden Vordrucks und unter Nachprüfungsvorbehalt ergangenem Investitionszulagenbescheid

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.12.2001
Aktenzeichen
2 K 119/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 34512
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:1219.2K119.98.0A

Fundstelle

  • EFG 2002, 1000-1001

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Antrag auf Investitionszulage ist nach amtlichen Vordruck zu stellen und vom Anspruchsberechtigten eigenhändig zu unterschreiben.

  2. 2.

    Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage sind nur dann vollständig erfüllt, wenn das amtlich vorgesehene Formular bei der Antragstellung verwendet wird. "Amtlicher Vordruck" in diesem Sinne ist nur der für das Antragsjahr vorgesehene Vordruck.

  3. 3.

    Es besteht keine Verpflichtung, Stpfl. darauf hinzuweisen, dass die zutreffenden Vordrucke zu verwenden sind.

  4. 4.

    So lange ein Investitionszulage-Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, besteht grds. kein Vertrauensschutz dahin, dass die Verwendung eines unzutreffenden Vordrucks nicht beanstandet werden.

Tatbestand

1

Streitig ist ob, der Kläger die Anträge zur Investitionszulage für die Streitjahre 1991 und 1992 rechtzeitig gestellt hat.

2

Der Kläger betrieb eine Spedition in der Rechtsform eines Einzelunternehmens. Für Investitionen im Streitjahr 1991 stellte der Kläger beim Beklagten am 27. Februar 1992 einen Antrag auf Investitionszulage. Er verwendete dabei den amtlichen Vordruck für Anlageinvestitionen gemäß Investitionszulagenverordnung IZ (90). Er änderte die vorgedruckten Jahreszahlen teilweise ab. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 20 d. InvZul-Akte verwiesen. Der Kläger beantragte für das Streitjahr 1992 am 10. September 1993 Investitionszulage. Er verwendete dabei ebenfalls den Vordruck IZ (90) und änderte diesen teilweise ab (Bl. 52 d. InvZul-Akte).

3

Der Beklagte gewährte die Investitionszulage zunächst antragsgemäß. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abgabenordnung (AO) . Im Anschluss an eine Außenprüfung hob der Beklagte die Bescheide auf und forderte die Investitionszulage zurück. Er war der Meinung, für die Wirtschaftsgüter (Lkw), für die Investitionszulage beantragt sei, stehe dem Kläger eine solche nicht zu. Die Wirtschaftsgüter seien nämlich nicht einer Betriebsstätte im Fördergebiet zuzuordnen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bp-Bericht Bl. 217 - 219 d. Bp-Arbeitsakte verwiesen.

4

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorfahren die Klage. Der Kläger ist der Auffassung, ihm sei Investitionszulage zu gewähren. Die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage seien gegeben, insbesondere seien die LKW einer Betriebsstätte im Fördergebiet zuzuordnen. Die Betriebsstätte im Fördergebiet sei sogar zunächst ein eigenständiger Betrieb gewesen. Später sei dieser Betrieb als Betriebsstätte angesehen worden, weil ein Spediteur nur einen Betrieb haben dürfe. Den Betrieb im Fördergebiet habe der Kläger vor Ort geleitet und sich zu diesem Zweck dort sogar eine Wohnung gemietet.

5

Das Gericht wies den Kläger darauf hin, dass die Klage möglicherweise schon wegen der Verwendung von nicht für das Antragsjahr vorgesehenen Vordrucken keinen Erfolg haben könnte.

6

Hierzu meint der Kläger, die Verwendung der Vordrucke IZ (90) könne nicht zu einer Versagung der Investitionszulage führen. Die Anträge auf Investitionszulage seien beim Beklagten rechtzeitig gestellt. Der Beklagte habe die Vordrucke auch ohne Beanstandungen akzeptiert. Es sei damals nicht unüblich gewesen, Vordrucke der Vorjahre zu verwenden und abzuändern. Auch während der Außenprüfung habe der Beklagte die Vordrucke nicht beanstandet. Wenn nunmehr die Verwendung unzutreffender Vordrucke gerügt würde, so liege hierin ein widersprüchliches Verhalten und ein Verstoß gegen Treu und Glauben.

7

Die Klägerin beantragt,

  1. unter Änderung des Aufhebungsbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung die Investitionszulage 1991 auf ... DM und die Investitionszulage 1992 auf ... DM festzusetzen.

8

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

9

Er hält an seiner Auffassung fest. Eine Investitionszulage stehe der Klägerin nicht zu, weil die Wirtschaftsgüter, für die Investitionszulage begehrt werde, nicht einer Betriebsstätte im Fördergebiet zuzuordnen seien.

Gründe

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Die Klage ist unbegründet. Sie kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Kläger für die Streitjahre keine wirksamen Anträge auf Investitionszulage gestellt hat.

11

Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Investitionszulagengesetz (InvZulG) ist der Antrag auf Investitionszulage nach amtlichem Vordruck zu stellen und vom Anspruchsberechtigten eigenhändig zu unterschreiben. Nach § 6 Abs. 1 InvZulG ist der Antrag bis zum 30. September des Kalenderjahrs zu stellen, das auf das Jahr folgt, in dem die Investitionen u.a. abgeschlossen worden sind.

12

Der Kläger hat zwar jeweils bis zum 30. September die Investitionszulage beim Beklagten beantragt. Für diesen Antrag verwendete er jedoch nicht den für das jeweilige Antragsjahr bestimmten Vordruck. Dies hätte er aber tun müssen. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage sind nämlich nur dann vollständig erfüllt, wenn das amtlich vorgesehene Formular bei der Antragstellung verwendet wird. Amtlicher Vordruck in diesem Sinne ist der für das Antragsjahr vorgesehene Vordruck. Insoweit kommt nämlich in § 6 Abs. 3 Satz 1 InvZulG klar zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Antragstellung nur auf dem zutreffenden Vordruck akzeptieren wollte (B FH-Urteil vom 16. Juli 1997, III R 266/94 , BStBl. II 1998, 31). Diese zugunsten der Finanzbehörden eingeführte Regelung dient der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens bei Gewährung von Investitionszulagen. Das Ausfüllen der vorgesehenen Vordrucke soll den Antragsteller dazu veranlassen, alle für die Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Erklärungen abzugeben, und die Finanzbehörde in die Lage versetzen, über die Gewährung der beantragten Zulage rasch abschließend zu entscheiden. Mit Hilfe des amtlichen Vordrucks soll die Finanzverwaltung von allen Tatsachen Kenntnis erlangen, die sie für entscheidungserheblich ansieht. Im Interesse einer zügigen Bearbeitung der Investitionszulagenanträge wird durch die Verwendung der amtlich vorgesehenen Vordrucke die Prüfung, ob im Einzelfall alle erforderlichen Angaben gemacht worden sind, erleichtert.

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Diesem Zweck der verbindlich vorgeschriebenen Verwendung amtlicher Vordrucke würde es zuwiderlaufen, wenn die Verwendung abweichender Formulare dann unschädlich sein soll, wenn das verwendete und das amtliche Formular zumindest weitgehend übereinstimmen und die Finanzbehörde trotz der inhaltlichen Abweichungen ohne Rückfrage, aber unter Zuhilfenahme anderer Angaben in der Lage wäre, den Antrag zu bearbeiten. Eine Ausnahme von der strengen Vorgabe der Verwendung amtlicher Vordrucke in § 6 Abs. 3 InvZulG ist allenfalls dann denkbar, wenn offensichtlich ist, dass zwischen dem verwendeten nicht amtlichen Vordruck, etwa wie bei einer Fotokopie von dem amtlichen Vordruck, keine Abweichungen bestehen (B FH-Urteil vom 16. Juli 1997, III R 266/94 , a.a.O.).

14

So liegen die Verhältnisse im Streitfall jedoch nicht. Der in den Streitjahren 1991 und 1992 verwendete Vordruck IZ (90) unterscheidet sich offensichtlich von den amtlich vorgeschriebenen Vordrucken IZ (91) und IZ (92). So haben sich nicht nur die Jahreszahlen in Überschrift und bei den Einzelangaben geändert. Auch fehlen dem Vordruck IZ (90) - beispielsweise - Angaben zu den im Jahr 1990 angefallenen Anzahlungen und Teilherstellungskosten, zum Investitionsbeginn bei Investitionen in Berlin (West) sowie zum Rumpfwirtschaftsjahr 1991 (vgl. BFH-Urteile vom 17. Juni 1999, III R 54/97 , BFH/NV 2000, 82 und vom 4. August 1999, III R 60/97, BStBl. II 1999, 791).

15

Die Änderung der bisherigen Festsetzungen war auch in formeller Hinsicht zulässig. Nach § 164 Abs. 2 AO kann eine Steuerfestsetzung jederzeit aufgehoben oder geändert werden, solange sie unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Die Investitionszulagenbescheide standen zum Zeitpunkt der Änderung im Jahre 1996 noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist konnten die Bescheide unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt überprüft und geändert werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte die Investitionszulage zunächst antragsgemäß festsetzte. Eine Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung begründet nämlich grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand. Eine Änderung könnte nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen sein, wenn das Finanzamt ausdrücklich zu erkennen gegeben hat, dass es nach Prüfung einen bestimmten Rechtsstandpunkt einnimmt und der Steuerpflichtige darauf vertraut (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 21. April 1999, II 528/98, EFG 2000, 1090). Im Streitfall hätte der Beklagte danach dem Kläger gegenüber erklärt haben müssen, dass er die Verwendung der unzutreffenden Vordrucke bemerkt habe und nicht beanstanden werde. Dies hat er jedoch nicht getan.

16

Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Verwendung zutreffender Vordrucke hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht besteht grundsätzlich nicht (B FH-Urteil vom 17. Juni 1999, III R 54/97 , a.a.O.). Sie ergibt sich auch nicht aus § 89 AO . Das InvZulG enthält den unmissverständlichen Hinweis, den Antrag auf Investitionszulage auf dem für das Antragsjahr vorgesehenen Vordruck zu verwenden. Die Kenntnis des Gesetzes muss von einem Antragsteller erwartet werden (B FH-Urteil vom 16. Juli 1997, III R 266/94 , a.a.O.).

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Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO ist schon wegen der Versäumung der Antragsfrist nicht möglich. Der Kläger hat bis heute die erforderliche Handlung, nämlich einen Antrag auf dem zutreffenden Vordruck zu stellen, nicht vorgenommen. Außerdem sind Wiedereinsetzungsgründe weder vorgetragen noch ersichtlich.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .