Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.10.2000, Az.: 4 K 235/96

Erhebliche Verkürzung der Fahrzeit als berufliche Veranlassung; Berufliche Veranlassung eines Umzuges aufgrund Arbeitsplatzwechsels; Steuerliche Berücksichtigung von Maklergebühren

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.10.2000
Aktenzeichen
4 K 235/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 21912
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:1027.4K235.96.0A

Fundstellen

  • EFG 2001, 634-635 (Volltext mit red. LS)
  • NWB 2001, 2171
  • NWB DokSt 2001, 789
  • StLex 2002

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Umzugskosten der Klägerin als Werbungskosten bei deren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

2

...

3

Die Klägerin wohnte bis Ende Februar 1993 in einer Mietwohnung in G (92 qm, 3 Zimmer) und suchte von dort ihre Arbeitsstelle in H auf. Ab Herbst 1992 hat sie sich über einen Makler um eine Mietwohnung in der näheren Umgebung ihrer Arbeitsstätte in H bemüht. Der Kläger wohnte in H. Ende 1992 (Silvester) haben sich die Kläger kennengelernt. Am 29.01.1993 haben sie gemeinsam eine Wohnung in H (116 qm, 4 Zimmer) gemietet, die sie seit dem 01.03.1993 gemeinsam bewohnen. Am 07.10.1993 haben die Kläger geheiratet. Aufgrund des Umzugs nach H ist die Fahrzeit der Klägerin von und zur Arbeitsstätte arbeitstäglich von mehr als einer Stunde entfallen.

4

In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1993 machte die Klägerin folgende Umzugskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten geltend:

Inseratskosten für Nachfolgemieter (2 x 52,00 DM)104,00 DM
Maklergebühren für die neue Wohnung3.657,00 DM
Möbeltransport 1.960,00 DM
5.721,00 DM
5

Die Rechnung des Maklers war an beide Kläger adressiert.

6

Das beklagte Finanzamt (der Beklagte) setzte durch Bescheid vom 14.11.1994 die Einkommensteuer auf 94.984,00 DM fest. Dabei blieben die Umzugskosten unberücksichtigt, weil der Umzug nicht beruflich veranlaßt gewesen sei. Durch den gemeinsamen Bezug der Wohnung sei vielmehr die private Lebensführung betroffen gewesen. Die werde durch die spätere Heirat der Kläger bestätigt.

7

Hiergegen richtet sich nach erfolglos gebliebenen Vorverfahren die Klage.

8

...

9

Zur Begründung der Klage wird im wesentlichen vorgetragen: Der Umzug der Klägerin nach H sei beruflich veranlaßt gewesen. Die Fahrtzeit der Klägerin zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei durch den Umzug arbeitstäglich um mehr als eine Stunde verkürzt worden. Der gemeinsame Bezug der Wohnung stehe einer Anerkennung der Umzugskosten als Werbungskosten nicht entgegenstehen. Die Wohnung in G mit der Dachterrasse, einem Kamin, einer Einbauküche und einem Tiefgarageneinstellplatz sei weit komfortabler gewesen, als die Wohnung in H. Außerdem sei bei dem gemeinsamen Bezug der Wohnung eine Heirat der Kläger noch nicht absehbar gewesen, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch in 1. Ehe verheiratet gewesen sei.

10

...

11

Der Beklagte erwidert:

12

Die Umzugskosten seien der privaten Lebensführung zuzuordnen. Die Fahrzeitverkürzung stelle lediglich ein Indiz für die berufliche Veranlassung dar. Für die Feststellung der beruflichen Veranlassung seien jedoch die Gesamtumstände entscheidend. Im Streitfall hätten private Gründe keine nur untergeordnete Rolle gespielt, weil der Umzug in die gemeinsame Wohnung im ursächlichen Zusammenhang mit der Gründung einer Lebensgemeinschaft mit anschließenden Eheschließung stehe. Daß die Lebensgemeinschaft auch in der Wohnung in G hätte gegründet werden können, sei unerheblich.

Gründe

13

Die Klage ist begründet, weil der Umzug der Klägerin nach H als beruflich veranlaßt anzusehen ist. Dementsprechend sind die Umzugskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin zu berücksichtigen.

14

Das Bewohnen einer Wohnung am Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen ist zwar grundsätzlich seinem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Aufwendungen für einen Umzug in eine solche Wohnung gehören daher grundsätzlich zu den gemäß § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG nichtabziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung. Indes stellen Umzugskosten Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) dann dar, wenn der Umzug beruflich veranlaßt ist. Die Berufsausübung muß somit den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel bilden und private Gründe dürfen nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben (ständige Rechtsprechung, s. Schmidt/Drenseck, EStG, 18. Aufl., § 19 Tz 60, Stichwort Umzugskosten m.w.N.). Eine berufliche Veranlassung ist in aller Regel gegeben, wenn der Umzug die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist. Der Umzug kann aber auch ohne Arbeitsplatzwechsel beruflich veranlaßt sein, wenn er erfolgt, um die Fahrzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheblich zu verkürzen (BFH BStBl II 1983, 16; 1987, 81; 1988, 777). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist insoweit eine arbeitstägliche Fahrzeitersparnis von mindestens einer Stunde erforderlich (BFH BFH/NV 1999, 178 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.

15

Der Umzug nach H ist zwar nicht Folge eines Arbeitsplatzwechsels. Wie sich der erkennende Senat in der mündlichen Verhandlungüberzeugen konnte, hatte die Klägerin aber beabsichtigt, ihre arbeitstägliche Fahrtzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch einen Umzug nach H erheblich zu verkürzen. Durch den durchgeführten Umzug hat sich die Fahrtzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch tatsächlich um mehr als eine Stunde verringert. Dieser Sachverhalt ist unbestritten; er wurde von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt.

16

Der Einwand des Beklagten, daß für den Umzug private Gründen nicht nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, hatte sich die Klägerin seit Herbst 1992 und damit bereits zu einem Zeitpunkt um einen Umzug nach H bemüht, als sie den Kläger noch nicht gekannt hatte. Durch den späteren Entschluß gemeinsam eine Wohnung in H zu nehmen, wurde die ursprüngliche Absicht der Klägerin, die arbeitstägliche Fahrtzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu verringern, nicht aufgegeben oder überlagert. Es kann zwar nicht in Abrede gestellt werden, daß hinsichtlich der gemeinsamen Auswahl, der gemeinsamen Mietung und des gemeinsamen Bezugs der Wohnung in H private Überlegungen zugrunde gelegen haben. Diese privaten Motive sind aber als unbeachtlich anzusehen (vgl. BFH BStBl II 1992, 494). Würden diese Motive eine Rolle spielen, könnten Umzugskosten niemals als Werbungskosten abgezogen werden. Denn die Wahl einer Wohnung und die Entscheidung, ob der Lebenspartner oder spätere Ehemann ebenfalls Mieter der Wohnung wird und in die Wohnung einzieht, beruhen stets auf privaten Überlegungen.

17

Die erhebliche Fahrtzeitverkürzung stellt ein objektives und sachgerechtes Abgrenzungskriterium dar, aufgrund dessen der innere Wille des Steuerpflichtigen, d.h. die beruflich motivierte Veranlassung für den Umzug festgestellt werden kann. Es gebietet die Rechtssicherheit, dieses Abgrenzungskriterium zwischen privat und beruflich veranlaßtem Umzug nicht wieder aufzuweichen, indem trotz Vorliegens der von der Rechtsprechung geforderten Fahrzeitverkürzung der innere Wille erforscht werden soll.

18

Der Umstand, daß die Klägerin von einer kleineren Wohnung in eine größere Wohnung umgezogen ist, steht dem Werbungskostenabzug ebenfalls nicht entgegen. Für einen Wohnungswechsel lassen sich auf dem Wohnungsmarkt nur selten gleich große Wohnungen finden. Es kann daher nicht als steuerschädlich angesehen werden, wenn sich die größere Wohnfläche der neuen Wohnung in einem vertretbaren Rahmen hält. So liegt es sich im Streitfall. Die Wohnfläche der neu bezogenen Wohnung mit 116 qm ist zwar um 20,68% größer als die der von der Klägerin verlassenen Wohnung mit 92qm. Die größere Wohnfläche der neuen Wohnung ist aber als unschädlich anzusehen, weil sie der Klägerin nicht zur alleinigen Nutzung zur Verfügung steht. Die Kläger haben daher auch zu Recht nur noch die Hälfte der Maklergebühren geltend gemacht. Daß der Zusammenzug der Kläger dem Grunde nach unschädlich ist, hat der Senat bereits ausgeführt.

19

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).