Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.10.2000, Az.: 14 V 311/98
Hinzuschätzungen bei einem Gastwirt; doppelte Steuerverkürzung durch zweifache Rechnungsausstellung des Fleischlieferanten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.10.2000
- Aktenzeichen
- 14 V 311/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 35735
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:1027.14V311.98.0A
Rechtsgrundlagen
- AO § 141 Abs. 1
- AO § 143
- AO § 146
- AO § 162
- FGO § 69 Abs. 3
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ist ein Stpfl. gem. § 141 Abs. 1 AO buchführungspflichtig, erfasst aber seine Warenkäufe nicht vollständig, so beinhaltet das einen Verstoß gegen die §§ 143 ff. i.V.m. § 146 Abs. 1 AO . Übersteigt der Umfang der nicht gebuchten Wareneinkäufe ein bestimmtes Maß und hat der Wareneinkauf für den Betrieb des Stpfl. eine nicht unerhebliche Bedeutung, so berührt dieser Mangel das Wesen einer ordnungsgemäßen Buchführung, so dass sich hieraus die Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung ergibt.
- 2.
Aus dem Umstand, dass der Stpfl. einen erheblichen Teil seiner Wareneinkäufe nicht gebucht hat, kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auch ein Teil der Betriebseinnahmen nicht in seiner Buchführung erfasst war.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1993 und 1994 sowie Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1995.
Der Antragsteller (Ast.) wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er betreibt seit Juni 1993 das Restaurant A.. Er bietet in seinem Gastronomiebetrieb neben griechischen Spezialitäten, Pizzen und Getränken auch Imbisswaren, Eis und Süßigkeiten an. Seine Ehefrau ist nicht erwerbstätig. In der Zeit vor seiner Selbständigkeit war der Kläger als Arbeitnehmer bei einem griechischen Restaurantbesitzer beschäftigt.
In der Zeit vom 27.03.1996 bis 24.10.1997 fand beim Ast. eine allgemeine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1993 und 1994 sowie eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Januar 1995 bis Januar 1996 statt. In den Gewinnermittlungen für die Jahre 1993 und 1994 erklärte er folgende Umsätze, Wareneinkäufe und Gewinne:
1993 | 1994 | |
---|---|---|
wirtschaftlicher Umsatz | 149.464,00 DM | 515.216,00 DM |
wirtschaftlicher Wareneinsatz | 64.883,00 DM | 205.960,00 DM |
Rohgewinn | 84.581,00 DM | 309.256,00 DM |
Rohgewinnaufschlagsatz | 130,36 % | 150,15 % |
Reingewinn | ./. 18.408,00 DM | 31.240,00 DM |
Hierbei stellte der Prüfer fest, dass der Ast. in den Streitjahren u.a. in Geschäftsbeziehung zu der Einzelfirma S. Fleischwaren in V. stand, von der er seine Fleischeinkäufe bezog. Gegen den Inhaber der Firma war in 1995 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung seiner Kunden eingeleitet worden. Im Zuge dieser Ermittlungen stellte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FAFuSt) fest, dass S. dem Ast. wie der ganz überwiegenden Zahl seiner Kunden für die meisten Fleischlieferungen jeweils zwei datumsgleiche Rechnungen, eine offizielle (weiße) Rechnung und eine inoffizielle (schwarze) Rechnung erteilt hatte. Dabei war die gelieferte Fleischmenge und der vom Ast. geschuldete Gesamtbetrag jeweils genau hälftig auf die beiden Rechnungen aufgeteilt worden. Diese unterschieden sich von einander ansonsten nur durch eine abweichende Kunden- und Rechnungsnummer sowie die Empfängerbezeichnung im Anschriftenfeld. Die weiße Rechnung trug jeweils die offizielle Kundennummer des Ast. ... und war mit vollständigem Namen und Anschrift versehen. Die entsprechende schwarze Rechnung lautete dagegen auf die Kundennummer ... (in 1993) bzw. ... bis ... (ab 1994) und war im nicht ausgedruckten Adressfeld mit der handschriftlichen Bezeichnung A. versehen. Die Rechnungsnummern von weißer und schwarzer Rechnung waren jeweils fortlaufend.
Die vom FAFuSt als Zeugen vernommenen, bei S. beschäftigten Auslieferungsfahrer haben unabhängig voneinander übereinstimmend ausgesagt, das Restaurant A. mit dem vom Ast. bestellten Fleisch beliefert zu haben. Den von ihnen zuvor selbst im Betrieb zusammengestellten Lieferungen hätten zum Großteil jeweils zwei betragsgleiche, auch als Lieferschein dienende Rechnungen beigelegen, eine mit gedruckter, voller Anschrift und eine mit lediglich handschriftlichem Hinweis. In der Regel seien auch beide Rechnungen bei Übergabe der Ware im Restaurant bar kassiert worden. Ein weiterer vom FAFuSt vernommener Gastwirt hat diese Vorgehensweise in seiner Vernehmung bestätigt. Wegen der Aussagen im einzelnen wird auf die in der Bp.-Arbeitsakte unter Zeugenaussagen befindlichen Vermerke und Vernehmungsprotokolle verwiesen.
Der Betriebsprüfer stellte aufgrund des ihm vorliegenden Kontrollmaterials fest, dass der Ast. nur die auf den offiziellen Rechnungen ausgewiesenen Fleischmengen mit wenigen Ausnahmen als Wareneinkäufe gebucht hatte und die schwarzen Rechnungen vom Ast. hingegen nicht verbucht worden waren. Wegen der Ergebnisse im einzelnen wird auf die Feststellungen des Betriebsprüfers (Kalkulation 1993 und 1994, Bd. .. Bp.-Arbeitsakte) verwiesen. Auf diese Weise sind Fleischeinkäufe in den Streitjahren in folgender Höhe unberücksichtigt geblieben:
1993 | 1994 | |
---|---|---|
Kundenkonto (weiß) | 1.554,59 DM | 429,57 DM |
Kundenkonto ... bzw. ...(schwarz) | 9.555,11 DM | 35.582,59 DM |
Summe, brutto | 11.109,70 DM | 36.012,16 DM |
= netto | 10.382,90 DM | 33.656,22 DM |
Darüber hinaus ermittelte der Betriebsprüfer, dass der Ast. in 1993 Wareneinkäufe bei der Firma X. (Eis, Tiefkühlwaren) in Höhe von insgesamt 442,22 DM (brutto) getätigt hatte, die ebenfalls keinen Eingang in seine Buchführung gefunden hatten. Aufgrund dieser Feststellungen und der branchenunüblich niedrigen Höhe der erklärten Rohgewinnaufschlagsätze führte der Prüfer für die Jahre 1993 und 1994 eine Nachkalkulation der Umsatzerlöse durch.
Unter Berücksichtigung der sich aus den Speisekarten und den Angaben des Ast. ergebenen Verkaufspreisen und "mengen und unter Berücksichtigung der vom Ast. im Verlauf der Prüfung geltend gemachten Erlösminderungen durch unentgeltliche Personalverpflegung, Freirunden, Schank-, Parier- und Bratverluste sowie Bruch, Verderb und sonstigen Schwund ermittelte der Prüfer Rohgewinnaufschlagsätze von 230 % für 1993 und 270 % für 1994. Für das Jahr 1995 (für das im Zeitpunkt der Prüfung noch keine Steuererklärungen vorlagen), übernahm er den Aufschlagsatz aus 1994 von 270 %. Die Anwendung dieser Rohgewinnaufschläge auf die verbuchten und die bisher nicht erfassten Wareneinkäufe führte zu folgenden Ergebnissen:
1993 | 1994 | |
---|---|---|
Wareneinsatz lt. Erklärung/Buchführung | 67.424,00 DM | 210.326, 00 DM |
+ nicht gebuchter Einkauf, netto | 10.796,00 DM | 33.254,00 DM |
Wareneinsatz lt. Bp | 78.220,00 DM | 243.570,00 DM |
./. Warenentnahme (wie bisher) | 2.541,00 DM | 4.356,00 DM |
./. Sachbezüge (Personalbeköstigung) | 2.777,00 DM | 11.377,00 DM |
wirtschaftlicher Wareneinsatz lt. Bp | 72.902,00 DM | 227.837,00 DM |
x Rohgewinnaufschlagsatz | 230 % | 270 % |
= Rohgewinn lt. Bp | 167.674,60 DM | 615.161,95 DM |
wirtschaftlicher Umsatz lt. Bp | 240.576,60 DM | 842.998,95 DM |
./. wirtschaftl. Umsatz bisher | 149.464,00 DM | 515.216,00 DM |
= kalkulierte Umsatzdifferenz | 91.112,60 DM | 327.782,95 DM |
./. pauschaler Abschlag zur Abgeltung verbleibender Unsicherheiten | 11.112,60 DM | 7.782,95 DM |
= Hinzuschätzung | 80.000,00 DM | 320.000,00 DM |
Auf der Basis dieser Zahlen gelangte der Prüfer zu folgenden Erhöhungen der vom Ast. erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Umsätze aus Lieferungen und Leistungen:
Gewinn aus Gewerbetrieb | 1993 | 1994 |
---|---|---|
bisher | ./. 18.408,20 DM | 31.240,06 DM |
+ Einnahmen-Hinzuschätzung | 80.000,00 DM | 320.000,00 DM |
./. nicht gebuchter Wareneinkauf | 10.796,19 DM | 36.012,16 DM |
./ Umsatzsteuer auf Personalverpflegung | 416,55 DM | 1.706,55 DM |
./. Erhöhung GewSt-Rückstellung | 71,00 DM | 29.186,00 DM |
= lt. Bp | 50.308,06 DM | 284.335,35 DM |
Umsätze
Bei der Umsatzermittlung ging der Prüfer zu Gunsten des Ast. davon aus, dass die hinzugeschätzten Erlöse zum Teil auf Außer-Haus-Verkäufe entfielen, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Er teilte die Hinzuschätzungen daher im Verhältnis der erklärten Umsätze zu 7 % und zu 15 % auf.
1993 | 1994 | 1995 | |
---|---|---|---|
Umsätze zu 15 % bisher | 106.699,00 DM | 369.911,00 DM | 345.396,00 DM |
+ Hinzuschätzung | 56.000,00 DM(70 % ) | 208.000,00 DM(65 %) | 52.000,00 DM(65 %) |
+ Personalbeköstigung | ___ | ___ | 18.528,00 DM |
= Umsatz zu 15 %, lt. Bp | 162.699,00 DM | 577.911,00 DM | 415.924,00 DM |
Umsatzsteuer zu 7 %, bisher | 44.656,00 DM | 180.276,00 DM | 189.552,00 DM |
+ Hinzuschätzung | 24.000,00 DM(30 %) | 112.000,00 DM(35 %) | 28.000,00 DM(35 %) |
= Umsätze zu 7 %, lt. Bp | 68.656,00 DM | 292.276,00 DM | 217.552,00 DM |
Einen Vorsteuerabzug aus den nicht gebuchten Wareneinkäufen ließ er nicht zu, da der Ast. hierfür keine Rechnungen vorlegen konnte.
Der Antragsgegner (Ag) erließ daraufhin am 22.12.1997 auf der Basis dieser Prüfungsfeststellungen geänderte Einkommensteuerbescheide 1993 und 1994 sowie Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1995. Hiergegen erhob der Ast. Einspruch und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf Bl. .. und .. der Rechtsbehelfsheftung verwiesen. Mit Verfügung vom 24.02.1998 gewährte der Ag. eine Teilaussetzung der festgesetzten Einkommen- und Umsatzsteuer sowie der Zinsen für die Streitjahre. Wegen der Höhe der Beträge im einzelnen wird auf Bl. .. der Rechtsbehelfsheftung verwiesen. Mit Einspruchsbescheiden vom 08.07.1998 setzte der Ag. die Einkommensteuer 1994 von ..."DM auf ... DM herauf. Die Umsatzsteuer 1993 wurde von ... DM auf ... DM sowie die Umsatzsteuer 1994 von ... DM auf ... DM festgesetzt. Im Übrigen wies der Ag. den Einspruch als unbegründet zurück. Zugleich hob er die bisher gewährte Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide auf. Wegen der Höhe der Beträge wird auf die Anlagen zu den Einspruchsbescheiden (vgl. Bl. .. und .. der Rechtsbehelfsheftung) verwiesen.
Der Ag. wies in den Einspruchsbescheiden darauf hin, dass er aufgrund der nicht ordnungsmäßigen Buchführung des Ast. zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit § 158 AO befugt gewesen sei. Die vom Prüfer vorgenommene Nachkalkulation entspreche den von der Rechtsprechung des BFH aufgestellten Grundsätzen. Er habe insbesondere die Aufschlagsätze für die einzelnen von dem Ast. angebotenen Getränke und Gerichte jeweils individuell ermittelt und die dabei zugrunde gelegten Verkaufspreise den vom Ast. verwendeten Preislisten bzw. den von ihm selbst gemachten Angaben entnommen. Darüber hinaus habe der Prüfer die vom Ast. geltend gemachten Erlösminderungen hinreichend berücksichtigt, indem er die Wareneinsätze je nach Warengruppe um verschiedene pauschale Abschläge gekürzt habe. Weitere Einwendungen gegen die Höhe der kalkulierten Rohgewinnaufschläge von 230 bzw. 270 % habe der Ast. nicht erhoben.
Darüber hinaus habe sich die Schätzungsbefugnis des Ag. auch daraus ergeben, dass der Ast. ausweislich des vorliegenden Kontrollmaterials seinen Wareneinkauf nicht vollständig verbucht, sondern in erheblichem Umfang Fleisch schwarz eingekauft habe. Diese Schwarz-Einkäufe habe der Betriebsprüfer zu Recht bei der Ermittlung der Einnahmen-/Umsatz-Hinzuschätzungen berücksichtigt.
Das ungewöhnliche Prozedere der Rechnungserteilung durch den Fleischlieferanten S. sowie die Tatsache, dass der Ast. jeweils nur die offizielle Rechnung als Wareneinkauf verbucht habe, lasse keinen anderen Schluss zu, als dass S. und der Ast. in dieser Weise zusammengewirkt hätten, um den tatsächlichen Umfang der Wareneinkäufe des Ast. zu verschleiern und hierdurch geringere Umsatzerlöse plausibel zu machen. Dies sei durch die als Zeugen vernommenen Auslieferungsfahrer des S. ausdrücklich bestätigt worden. Die Einlassung des Ast., er habe von den Schwarz-Einkäufen nichts gewusst, sei in Anbetracht der vom Ast. bzw. dessen Ehefrau unterschriebenen Rechnungen offensichtlich unzutreffend. Soweit der Ast. einwende, von seinem Personal bestohlen worden zu sein, sei dieser Vortrag nicht glaubhaft. Denn es sei schlichtweg nicht vorstellbar, dass dem Ast. auf diese Weise in den Jahren 1993 und 1994 Einnahmen von insgesamt 400.000,00 DM netto, mithin mehr als ein Drittel des tatsächlichen Umsatzes, vorenthalten worden sein sollten. Auch sei nicht glaubhaft, dass der Ast. die behaupteten Diebstahlsverluste übersehen habe. Insoweit spreche gegen den Ast., dass er es unterlassen habe, gegen sein Personal arbeits- bzw. strafrechtlich vorzugehen.
Der Ast. hat gegen die Einspruchsbescheide Klagen erhoben, die unter den Az. ... (Einkommensteuer 1993 und 1994) und ... (Umsatzsteuer 1993 bis 1995) anhängig sind. Zugleich hat er mit Schriftsatz vom 20.10.1998 beantragt, die angefochtenen Steuerbescheide von der Vollziehung auszusetzen. Zur Begründung trägt er folgendes vor: Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, da er die vom Ag. behaupteten Schwarz-Geschäfte nicht getätigt habe. Die Lieferungen, die er geordert und dann auch geliefert bekommen habe, stimmten mit denen überein, die auch buchhalterisch erfasst worden seien. Die Aussagen der vom FAFuSt vernommenen Fahrer des Lieferanten S. würden bestritten. Er habe selbst die Fleischlieferungen höchst selten entgegengenommen. Vielmehr seien diese jeweils von den anwesenden Mitarbeitern seines Lokals entgegengenommen und beim Auswiegen der Ware von diesen auch bar bezahlt worden. Hätte er tatsächlich die Absicht gehabt, Lieferungen zu verschleiern, so hätte es nahe gelegen, die Lieferungen selbst in Empfang zu nehmen und die entsprechenden Zahlungen selbst zu tätigen. Die auf den vom Ag. vorgelegten Rechnungen befindlichen Unterschriften stammten nicht von ihm und müssten gefälscht worden seien. Insoweit hat der Ast. entsprechende Proben seiner Unterschrift eingereicht (vgl. Bl. .. FG-Akte).
Soweit der Ag. behaupte, seine Ehefrau habe Rechnungen unterschrieben, sei auch diese Behauptung falsch. Denn diese habe sich in keiner Weise um die geschäftlichen Angelegenheiten gekümmert und sich zudem höchst selten im Lokal aufgehalten. Allerdings könne nicht ganz ausgeschlossen werden, dass sie, wenn sie denn einmal zufällig bei einer Fleischlieferung anwesend gewesen sein sollte, ihre Unterschrift unter ein ihr vorgelegtes Schriftstück gesetzt habe. Es sei aber ausgeschlossen, dass ihr jeweils zwei Rechnungen vorgelegt wurden und sie beide Rechnungen unterschrieben habe.
Der Ag. hat während des gerichtlichen Verfahrens am 04.09.2000 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 1995 erlassen, den der Ast. gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.
Der Ag. beantragt,
die Einkommensteuer 1993 in Höhe von ... DM, die Einkommensteuer 1994 in Höhe von ... DM, die Umsatzsteuer 1993 in Höhe von ... DM, die Umsatzsteuer 1994 in Höhe von ... DM und die Umsatzsteuer 1995 in Höhe von ... DM sowie Zinsen zur Einkommensteuer 1993 in Höhe von ... DM, zur Einkommensteuer 1994 in Höhe von "DM, zur Umsatzsteuer 1993 in Höhe von "DM, zur Umsatzsteuer 1994 in Höhe von "DM und zur Umsatzsteuer 1995 in Höhe von "DM von der Vollziehung auszusetzen.
Der Ag. beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzuweisen.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide seien nicht erkennbar. Die Behauptung des Ast., die fraglichen Unterschriften seien gefälscht, könne nur als bloße Schutzbehauptung gewertet werden. Denn es stelle sich insoweit die Frauge, warum die einzig in Betracht kommenden Mitarbeiter des Ast. die Warenlieferungen nicht mit ihrem eigenen Namen unterschrieben hätten. Außerdem sei nicht plausibel, warum sich diese angeblichen Fälschungen auch auf den offiziellen Rechnungen befänden, die in die Buchführung des Ast. eingeflossen seien. Auch seien keine Gründe erkennbar, warum vom Seiten des Lieferanten mit einem Dritten, dem die Schwarzware fiktiv zugegangen sei, auf diese Art und Weise hätte abgerechnet werden sollen. Vielmehr lasse die praktizierte Verfahrensweise nur den Schluss zu, dass diese zwischen dem Lieferanten und dem Ast. einvernehmlich abgesprochen und durchgeführt worden sei. Wegen des weiteren Vorbringens verweist der Ag. auf seine Klagebegründung in der Hauptsache (vgl. Bl. 26 bis 29 FG-Akte).
Gründe
II.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat in dem erkannten geringen Umfang Erfolg. Im Übrigen war er abzuweisen.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 69 Abs. 2 bis 6 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechts- und Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10.02.1984 III B 40/83 , BStBl. II 1984, 454 m.w.N.).
2. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen überwiegend keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide. Insbesondere war der Ag. zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO befugt.
a) Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Nach § 162 Abs. 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder Anlass besteht, an der sachlichen Richtigkeit seiner Angaben zu zweifeln. Das gleiche gilt gemäß Satz 2 der Vorschrift, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 zugrundegelegt werden.
Im Streitfall war der Ast. gemäß § 141 Abs. 1 AO zu Buchführung verpflichtet. Die nicht vollständige Erfassung der Wareneinkäufe stellt einen Verstoß gegen die §§ 143 i.V.m. § 146 Abs. 1 AO dar. Wegen des Umfangs der nicht gebuchten Wareneinkäufe und der Bedeutung des Wareneinkaufs für den Betrieb des Ast. berührt dieser Mangel das Wesen einer ordnungsgemäßen Buchführung, sodass sich hieraus die Schätzungsbefugnis für die Besteuerungsgrundlagen durch den Ag. ergibt.
b) Die vom Prüfer gewählte Schätzungsmethode ist bei summarischer Prüfung seitens des Gerichts nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte der Ag. aus der Tatsache, dass der Ast. einen erheblichen Teil seiner Wareneinkäufe nicht gebucht hatte, die zulässige Schlussfolgerung ziehen, dass auch ein Teil der Betriebseinnahmen nicht in seiner Buchführung erfasst war. Die vom Prüfer vorgenommene Nachkalkulation genügt den von der Rechtsprechung des BFH aufgestellten Grundsätzen (vgl. BFH-Urteile vom 31.07.1974 I R 216/72 , BStBl. II 1975, 96 ; vom 17.11.1981 VIII R 174/77, BStBl. II 1982, 430). Insbesondere hat der Prüfer die Aufschlagsätze für die Getränke und Speise jeweils individuell ermittelt und hierbei die sich aus den vom Ast. verwendeten Preislisten ergebenden Verkaufspreise zugrunde gelegt.
aa) Die vom Ast. geltend gemachten Minderungen der Erlöse (unentgeltliche Personalverpflegung, Freirunden, Schank- und Bratverluste, Bruch, Verderb und sonstiger Schwund) hat der Prüfer gebührend berücksichtigt, indem er bei den verschiedenen Warengruppen die Wareneinsätze um unterschiedliche pauschale Abschläge gekürzt hat. Soweit er bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Wareneinsatzes den nicht gebuchten Wareneinkauf in die Schätzung einbezogen hat, bestehen hiergegen bei summarischer Prüfung keine Bedenken. Nach Aktenlage ist nicht erkennbar, dass diese Lieferungen nicht dem Ast. zuzurechnen wären. Die Höhe der zugunsten des Ast. berücksichtigte Personalbeköstigung ist seitens des Ast. nicht beanstandet worden. Die Beträge sind rechnerisch nachvollziehbar und berücksichtigen die Werte für festangestellte Arbeitnehmer und Aushilfen (vgl. insoweit die handschriftliche Berechnung des Prüfers in der Bp.-Arbeitsakte Band .. unter Personalbeköstigung).
bb) Auch die auf dieser Basis ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze des Prüfers von 230 % für 1993 und 270 % für 1994 begegnen bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Zwar bewegt sich insbesondere der Aufschlagsatz für die Streitjahre 1994 und 1995 im oberen Bereich der Richtsatzsammlung; hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Ag. angesichts der gravierenden Buchführungsmängel zu einem groben Schätzungsverfahren befugt war und in Anbetracht der Abweichung der durch Nachkalkulation ermittelten von den tatsächlich erklärten Erlösen zum Ansatz eines Aufschlagsatzes, der nur im unteren oder mittleren Bereich der Richtsatzsammlung liegt, nicht verpflichtet war. Soweit der Prüfer Minderungen zum Ausgleich allgemeiner Unsicherheiten vorgenommen hat, handelt es sich hierbei um frei geschätzte Rundungsbeträge, die nicht auf einem bestimmten prozentualen Verhältnis zu den zuvor berechneten Umsätzen oder anderen rechnerischen Bezugsgrößen basieren. In Anbetracht der mit jeder Schätzung verbundenen Unschärfe ist der so ermittelte pauschale Abschlag bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
c) Die vom Ast. hiergegen erhobenen Einwendungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der vom Ag. vorgenommenen Schätzung der Umsätze und der Gewinne zu begründen. Soweit der Ast. generell bestreitet, dass das System der doppelten Rechnungserstellung seitens des Fleischlieferanten S. bei ihm nicht praktiziert worden sei, kommt dieser pauschalen Aussage kein Beweiswert zu. Angesichts der übereinstimmenden Aussagen der Verkaufsfahrer der Firma S. anlässlich ihrer Vernehmung durch das FAFuSt sprechen gewichtige Gründe für die Annahme des Ag., dass der Fleischlieferant S. und der Ast. im Streitfall insoweit bewusst und gewollt zusammen gewirkt haben, um dem Ast. insoweit eine sog. Doppelverkürzung zu erleichtern. Auch die schriftliche Aussage eines anderen Gastwirts bestätigt, dass dieses Abrechnungsverfahren seitens des Fleischlieferanten des Ast. über Jahre hinweg praktiziert wurde. Nicht zuletzt stellt der Ast. selbst zwischenzeitlich nicht mehr in Abrede, dass ihm bzw. seiner Ehefrau zuweilen von Fahrern Rechnungen oder Lieferscheine in Duplikaten vorgelegt wurden, um diese abzuzeichnen.
aa) Soweit der Ast. vorträgt, die auf den Rechnungen sich befindlichen Unterschriften stammten weder von ihm noch von seiner Ehefrau, vermag auch diese Einlassung im summarischen Verfahren nicht zu überzeugen. Hiergegen spricht zum einen, dass sich die Namenszeichen auch auf den sog. offiziellen (weißen) Rechnungen befinden, die in die Buchführung des Ast. eingeflossen sind. Insoweit sind für den Senat keine Gründe erkennbar, warum Mitarbeiter des Ast., die zur Entgegennahme von Warenlieferungen bevollmächtigt waren, die Unterschrift des Ast. oder dessen Ehefrau gefälscht haben sollten. Denn es hätte bei dem vom Ast. vorgetragenen Sachverhalt näher gelegen, dass diese insoweit mit ihrem eigenen Namen unterschrieben hätten. Geringfügige Abweichungen in den Unterschriften sind für den Senat nachvollziehbar, da davon auszugehen ist, dass die Warenlieferungen nicht stets am Schreibtisch quittiert wurden, sondern häufig auch stehend oder auf einer anderen Unterlage. Entscheidend ist, dass die Grundzüge aller Zeichen auf weißen und schwarzen Rechnungen insoweit übereinstimmen und auf eine Unterzeichnung durch den Ast. schließen lassen. Dies ergibt im übrigen auch ein Vergleich seiner Unterschrift auf dem von ihm unterzeichneten Protokoll über die Schlussbesprechung vom 02.09.1996 (vgl. Bl. .. FG-Akte). Demgegenüber lassen die vom Ast. im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterschriftsproben keinen Vergleich mit den vom Betriebsprüfer bzw. des FAFuSt vorgefundenen Unterschriften auf den Rechnungen zu. Die vom Ast. benannten Zeugen konnte der Senat nicht vernehmen, da im Aussetzungsverfahren lediglich präsente Beweismittel zugelassen sind. Eine Vernehmung muss demzufolge dem Verfahren in der Hauptsache vorbehalten bleiben.
bb) Soweit der Ast. einen Missbrauch der zweiten Rechnung durch den Fleischlieferanten S. oder dessen Auslieferungsfahrer in Erwägung zieht, gibt es hierfür nach Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte. So ist insbesondere für den Senat nicht erkennbar und auch nicht nachvollziehbar, warum der Lieferant über eine Lieferung zwei Ausgangsrechnungen erstellen sollte, für die er nur einmal bezahlt wurde. Auch ist kein Interesse des Fleischlieferanten erkennbar, nicht erzielte Umsätze und Gewinne auf diese Weise steuererhöhend aufzublähen. Die vom Ag. vorgelegten Rechnungen, die vom Ast. während dessen nichtselbständiger Tätigkeit bei einem Restaurantbesitzer in der vorangegangenen Zeit abgezeichnet wurden, belegen überdies, dass der Ast. das auch dort seinerzeit praktizierte Abrechnungssystem und dessen Hintergrund bereits kannte. Bei dieser Sachlage liegt es nahe, dass er gewillt war, es auch in seinem Betrieb fortzusetzen.
cc) Auch die weitere Einlassung des Ast., die bei ihm angestellten Bediensteten hätten jahrelang Geld entwendet, vermag den Senat im summarischen Verfahren nicht zu überzeugen. Es erscheint ihm schlicht unvorstellbar, dass dem Ast. Beträge in einer Höhe, die den dem Ast. verbliebenen Überschuss um ein Mehrfaches überstieg, über Jahre hinweg hätten unbemerkt bleiben können. Es handelt sich insoweit um eine bloße Mutmaßung des Ast., die von ihm in keiner Weise konkretisiert worden ist und daher vom Senat als eine Schutzbehauptung gewertet wird.
3. Ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ergeben sich jedoch in Bezug auf die Einkommensteuerbescheide 1993 und 1994. Zwar hat der Ag. die nicht gebuchten Wareneinkäufe gewinnmindernd berücksichtigt, er hat hierbei jedoch nicht die Bruttobeträge, sondern nur die Nettobeträge als Gewinnminderung angesetzt, obwohl aus dem Einspruchsbescheid in der Umsatzsteuersache sich ergibt, dass ein Vorsteuerabzug für die nicht gebuchten Wareneinkäufe im Rahmen der Umsatzsteuerberechnung nicht anerkannt wurde. Damit musste sich die in den Bruttobeträgen enthaltene Umsatzsteuer voll als Gewinnminderung auswirken. Die sich aus diesem Fehler ergebene Gewinnminderung beträgt für das Kalenderjahr 1993 "DM und für das Streitjahr 1994 "DM .
Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ist daher wie folgt neu zu berechnen:
1993 | 1994 | |
---|---|---|
Gewinn aus Gewerbebetrieb bisher | ||
./. zusätzliche Gewinnminderung | ||
+ Gewinnerhöhung wg . Minderung der GewSt.-Rückstellung | ||
Gewinn im AdV-Verfahren |
4. Der Senat hält es für angebracht, dem Ag. die Berechnung der auszusetzenden Beträge (Einkommensteuer 1993 und 1994 einschl. Zinsen) zu übertragen ( § 100 Abs. 2 S. 2 FGO).
5. Eine weitergehende Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte möglich ( § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Nach Aktenlage ist nicht erkennbar, dass dem Ast. wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind (B FH-Beschluss vom 01.08.1986 V B 79/84 , BFH/NV 1988, 335338). Hierfür hat der ASt. auch keinerlei Gründe vorgetragen.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO .