Amtsgericht Hannover
Urt. v. 22.09.2010, Az.: 558 C 6674/10

In der Regel besteht in Hannover kein Schadensersatzanspruch des Mieters eines Kfz-Stellplatzes gegen den Vermieter wegen einer Beschädigung des Pkw durch herabstürzende Eisplatten; Schadensersatz des Mieters eines Kfz-Stellplatzes gegen den Vermieter wegen einer Beschädigung des Pkw durch herabstürzende Eisplatten

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
22.09.2010
Aktenzeichen
558 C 6674/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 38427
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2010:0922.558C6674.10.0A

Fundstelle

  • ZMR 2011, 138-139

In dem Rechtsstreit ... hat das Amtsgericht Hannover Abt. 558 auf die mündliche Verhandlung vom 09.09.2010 durch die Richterin am Amtsgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

1

Der Kläger macht einen Anspruch auf Schadensersatz geltend aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag über einen Pkw-Stellplatz, nachdem der ihm gehörende Pkw infolge herabstürzender Eisplatten beschädigt worden ist. Der Kläger hat einen Mietvertrag hinsichtlich eines Stellplatzes auf dem Grundstück in 30851 Hannover am 23.07.2007 mit den Beklagten geschlossen. Der angemietete Stellplatz befindet sich in unmittelbarer Nähe zu dem von ihm bewohnten Wohnhaus an der Hauswand. Am 19.01.2010 früh morgens stellte der Kläger an seinem Fahrzeug mehrere Blechschäden fest, die vom Abrutschen von Eismassen auf dem Dach herrührten, die immer noch auf dem Pkw lagen. Der Pkw des Klägers stand zu diesem Zeitpunkt auf dem angemieteten Stellplatz neben dem Eingang des Hauses XXX. Neben einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.497,85 EUR gemäß einem Kostenvoranschlag vom 12.05.2010 macht der Kläger einen merkantilen Minderwert in Höhe von 400,- EUR sowie einen Anspruch auf Nutzungsausfall für 10 Tage in Höhe von 380,- EUR geltend; außerdem begehrt er den Ersatz von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 359,50 EUR.

2

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten hätten besondere Sicherungsmaßnahmen treffen müssen. So hätte das Eis gegebenenfalls abgeschlagen werden müssen oder es hätten Fanggitter auf dem Dach installiert werden müssen.

3

Der Kläger beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn gesamtschuldnerisch 3.277,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2010 zu zahlen sowie gesamtschuldnerisch als Nebenforderung einen weiteren Betrag von 359,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2010 zu zahlen.

4

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

5

Sie sind der Ansicht, keinen Sorgfaltspflichtverstoß begangen zu haben.

Entscheidunqsqründe

6

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu.

7

Ein Anspruch aus § 536a BGB scheidet aus, da eine Einwirkung von außen auf den Pkw des Klägers nicht als Mangel des gemieteten Stellplatzes verstanden werden kann.

8

Auch ein Anspruch aus § 280 BGB in Verbindung mit § 535 BGB besteht nicht. Zwar hat der geschlossene Mietvertrag grundsätzlich auch zum Inhalt, dass der Parkplatz nutzbar und das Gebäude in ordnungsgemäßem Zustand sein muss, der eine Gefährdung der Benutzer ausschließt. Damit besteht zwar eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger, die sich auch auf das Fahrzeug des Klägers erstreckte. Die Frage, ob diese Pflicht verletzt wurde, soll nach denselben Kriterien zu entscheiden sein, wie beim deliktischen Anspruch (vgl. AG Saarbrücken, Urteil vom 26.10.2005, 42 C 346/05).

9

Im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht im Deliktsrecht kann ein Hauseigentümer nur dann aus einem Unterlassen in Anspruch genommen werden, wenn er eine Rechtspflicht hatte, Vorkehrungen zu treffen, um einen durch Schnee- oder Eissturz entstehenden Schaden abzuwenden (BGH, VersR 1955, 82). Diese Verkehrssicherungspflicht besteht nur, wenn für einen vorausschauend Urteilenden die naheliegende Gefahr ersichtlich ist, dass Rechtsgüter Dritter geschädigt werden können, und nur in dem Rahmen, die der normale und übliche Verkehr erfordert und die zumutbar sind (BGH NJW 2004, 1449, 1450 [BGH 03.02.2004 - VI ZR 95/03]). Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung muss der Hauseigentümer daher nur bei besonderen Umständen Schutzmaßnahmen gegen die durch den Schnee oder Eis verursachte Gefahr treffen (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 1404 [OLG Karlsruhe 27.06.1986 - 14 U 269/84]; OLG Köln, VersR 1988, 1244). Besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, wie das Absperren der Straßenfläche vor dem Haus, die Aufstellung von Hinweisschildern oder das Abräumen des Daches, ist nur dann notwendig und zumutbar, wenn besondere Umstände vorliegen. Hierbei ist zu bedenken, dass grundsätzlich Verkehrsteilnehmer selbst verpflichtet sind, sich durch Achtsamkeit vor der Gefahr der Verletzung durch herab fallenden Schnee oder Eis zu schützen (vgl. z.B. OLG Jena, NJOZ 2007, 1245).

10

Allerdings dürften die Sorgfaltsanforderungen im Rahmen eines Mietvertrages insofern etwas anders ausgestaltet sein, als es sich gerade um eine vertragliche Sonderbeziehung handelt, die sich nicht ohne weiteres mit dem gesetzlichen Schuldverhältnis des § 823 BGB vergleichen lässt. So hat der Vermieter grundsätzlich dafür zu sorgen, dass der Parkplatz nutzbar und das Gebäude in ordnungsgemäßem Zustand sein muss, der eine Gefährdung der Benutzer ausschließt. Wenn die Haftung des Hauseigentümers im Rahmen des § 823 BGB u.a. auch mit dem Argument abgelehnt wird, dass eine besondere Wetterlage dem Passanten In gleichem Maße bekannt ist wie jedem Hauseigentümer und der Hauseigentümer daher im Fall einer solchen Wetterlage davon ausgehen darf, dass die Verkehrsteilnehmer ihrerseits der allgemein bestehenden Dachlawinengefahr aus dem Wege gehen und anderweitige Standplätze für ihr Fahrzeug suchen (vgl. AG Saarbrücken a.a.O.), so unterscheidet sich aber die Situation des Passanten von der des Mieters. Grundsätzlich darf der Mieter darauf vertrauen, dass der Vermieter eine Gefährdung ausschließt, d.h. dem Vermieter obliegt auch die Pflicht, den vermieteten Stellplatz in nutzbarem Zustand zu halten. Allerdings hat auch diese Pflicht ihre Grenzen.

11

Hinsichtlich des Anbringens von Schneegittern ist bei der Beurteilung auf die örtlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles abzustellen und hierbei insbesondere auf das Kriterium der Ortsüblichkeit (OLG Karlsruhe, NJW 1983, 2946 [OLG Karlsruhe 18.03.1983 - 15 U 280/82]; OLG Saarbrücken, VersR 1985, 299; OLG Stuttgart, MDR 1983, 316). In der Stadt Hannover kann nicht von einer Ortsüblichkeit von Schneegittern gesprochen werden. Hierbei ist auch zu bedenken, dass es sich bei den Schneeverhältnissen und Witterungsbedingungen um Winter 2009/2010 um Extreme handelte. Sollten diese in Zukunft zur Regel werden, müsste die Frage der Erforderlichkeit von Schneegittern in Zukunft möglicherweise anders entschieden werden.

12

Auch bei der Frage, ob weitere Schutzmaßnahmen hätten getroffen werden müssen, ist die extreme Wetterlage zu berücksichtigen, aufgrund derer nämlich eine tägliche oder sogar mehrmals tägliche Kontrolle des Daches erforderlich gewesen wäre, um einen effektiven Schutz bieten zu können. Dies ist aber weder dem Hauseigentümer im Rahmen des § 823 BGB noch dem Vermieter im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zumutbar. Hinzu kommt, dass auch dem Kläger aufgrund der bereits lange anhaltenden extremen Witterungsbedingungen die Gefahr von Dachlawinen in Form von Eis oder Schnee klar gewesen sein musste und er aufgrund der extremen Wetterlage eben nicht darauf vertrauen durfte, dass die Beklagten für eine ständige Kontrolle des Daches sorgen würden. Hierzu waren sie nicht verpflichtet.

13

Ein Anspruch aus § 836 BGB scheidet aus, da Schnee, der sich vom Dach eines Hauses löst, nicht Teil des Gebäudes ist (BGH, VersR 1955, 82; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 412).

14

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls nicht. Zwar hat grundsätzlich jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, Verkehrsteilnehmer vor den drohenden Gefahren zu schützen. Ein Verletzung dieser Verkehrssicherungspflicht besteht aber nach obigen Ausführungen nicht.

15

Nachdem ein Anspruch des Klägers nicht besteht, hat er auch keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Erstattung der vorgerichtlich angefallenen anwaltlichen Vergütung sowie auf Zahlung von Zinsen.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

Richterin am Amtsgericht