Amtsgericht Hannover
Urt. v. 20.08.2010, Az.: 546 C 2917/10
Unterlassungsanspruch eines Vermieters auf Lagerung von Munition und Schusswaffen sowie die Herstellung von Schusswaffenmunition in der Wohnung des Mieters aufgrund eines dadurch erfolgenden vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 20.08.2010
- Aktenzeichen
- 546 C 2917/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 36067
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2010:0820.546C2917.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 541 BGB
- § 1004 BGB
Fundstelle
- ZMR 2011, 46-47
Verfahrensgegenstand
Unterlassung
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 546 -
auf die mündliche Verhandlung vom 20.07.2010
durch
die Richterin am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten wegen der Kostenentscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110% des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.
Mit Nutzungsvertrag vom 01.04.1997 hat die Klägerin an die Beklagte zu 1) die Wohnung im 1. Obergeschoss links im Hause xxx nebst Kellerraum vermietet. Der Beklagte zu 2) ist der Ehemann der Beklagten zu 1) und wohnt zusammen mit dieser mit Zustimmung der Klägerin in der angemieteten Wohnung. In Nummer 6 der AVB heißt es:
"Zustimmungsbedürftige Handlungen des Mitglieds
Abs. 1 Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Nutzer und im Interesse einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung des Hauses und der Wohnung bedarf das Mitglied der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Genossenschaft, wenn es
...
a) die Wohnung oder einzelne Räume zu anderen als Wohnzwecken benutzt oder benutzen lässt,
...
j) Heizöl oder andere feuergefährliche Stoffe lagern will,
..."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie des Mietvertrages und der AVB Bl. 5 ff d.A. Bezug genommen. Der Beklagte zu 2) ist Sportschütze und verfügt über die waffenrechtliche Erlaubnis für die Aufbewahrung von Waffen sowie Munition und für das nichtgewerbliche Laden und Wiederladen von Patronenmunition. Er bewahrt bestimmungsgemäß die Waffen und die Munition in der Wohnung auf und stellt in dem Kellerraum unter Benutzung einer Wiederladepresse Testserien an Munition her. Die Überprüfung durch die Landeshauptstadt Hannover hat keinerlei Beanstandungen ergeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Landeshauptstadt Hannover vom 06.11.2009 (Bl. 32 d.A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 01.07.2009 forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) auf Munition, ggf. auch Gewehre, aus dem Keller, aus der Garage sowie dem Raum neben der Garage zu entfernen. Unter dem 04.07.2009 ließen die Beklagten der Klägerin mitteilen, dass weder im Keller noch in der Garage Waffen aufbewahrt würden.
Die Klägerin behauptet, durch das Bedienen der Ladepresse entstünden Geräusche, die in den anderen Wohnungen ähnlich laut wie das Zuschlagen einer nichtgedämmten Holzschranktür wahrgenommen würden. Zu solchen Belästigungen sei es am 04.07., 08.07., 18.07. und 23.07.2009 gekommen. Weiter sei das Treibmittel, das für die Geschosse in den Patronen genutzt werde, feuergefährlich. Die Klägerin meint, die Beklagten würden deshalb gegen Nr. 6 j der AVB verstoßen. Darüber hinaus sind sie der Ansicht, dass die Lagerung der Waffen und der Munition sowie die Wiederbeladung einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache darstellten. Der Beklagte zu 2) sei wegen eines sogenannten Besitzerexzesses unterlassungspflichtig.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, es zu unterlassen, in der im 1. Obergeschoss links im Hause xxx belegenen 3-Zimmerwohnung einschließlich Küche, Bad, Flur, Balkon sowie dem der Wohnung zugewiesenen Kellerraum, Schusswaffen und Munition zu lagern,
- 2.
den Beklagten zu 2) zu verurteilen, es zu unterlassen, in der im Hause im 1. Obergeschoss links gelegenen 3-Zimmerwohnung einschließlich Küche, Bad, Flur, Balkon sowie dem der Wohnung zugewiesenen Kellerraum Schusswaffenmunition herzustellen, insbesondere dabei eine sogenannte Ladepresse zu bedienen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie meinen, der Beklagte zu 2) sei nicht zur Unterlassung verpflichtet, weil er nicht Mietpartei sei, die Beklagte zu 1) sei nicht verpflichtet, weil sie selbst rechtlich nicht in der Lage sei, die Waffen und die Munition zu entfernen.
Weiter meinen sie, die Lagerung der Waffen und Munition sowie die Bedienung der Munitionsladepresse sei von dem Wohngebrauch erfasst. Sie behaupten, der Beklagte zu 2) habe weder am 04.07., noch am 18.07. und 23.07.2009 die Wiederladepresse bedient. Im Übrigen stellten die dadurch verursachten Geräusche hinnehmbare Lärmbelästigungen dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll vom 20.07.2010 sowie den Inhalt der beigezogenen Akte des Amtsgerichts Hannover - Az.: 501 C 11154/09 - verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin stehen weder gegen die Beklagte zu 1) als Mieterin noch gegen den Beklagten zu 2) als Besitzer die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu.
Diese ergeben sich weder aus § 541 BGB noch aus § 1004 BGB.
Nach § 541 BGB kann der Vermieter den Mieter auf Unterlassung in Anspruch nehmen, wenn dieser einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung fortsetzt.
Außergerichtlich sind weder die Beklagte zu 1) noch der Beklagte zu 2) aufgefordert worden, es zu unterlassen, die Wiederladepresse zu bedienen und in der Wohnung keine Schusswaffen oder Munition zu lagern. Das Schreiben vom 01.07.2009 bezog sich lediglich auf die Lagerung von Munition und Gewehren in den Mietnebenräumen. Die Klägerin ist auch nicht dem substantiierten Vortrag der Beklagten entgegengetreten, nach dem diese zu keinem Zeitpunkt im Keller oder der Garage Waffen oder Munition aufbewahrt haben.
Der Vortrag der Beklagten sowohl in dem Verfahren zu Aktenzeichen 501 C 11154/09 sowie in dem vorliegenden Rechtsstreit lässt jedoch erkennen, dass diese sich gegen die begehrte Unterlassung wenden, so dass hier eine Abmahnung nicht erforderlich wäre.
Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch jedoch nicht zu, weil weder ein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache noch ein Besitzexzess vorliegt. Als Ehegatte der Mieterin verfügt der Beklagte zu 2) über ein eigenständiges Besitzrecht an der Wohnung und darf diese ebenso wie die Beklagte zu 1) im Rahmen der mietvertraglichen Vereinbarung gebrauchen. Ein Unterlassungsanspruch besteht somit auch gegenüber dem Beklagten zu 2) nicht, wenn keine Gebrauchsüberschreitung vorliegt. Zur Bestimmung, was als vertragsmäßiger Gebrauch anzusehen ist, sind die vertraglichen Vereinbarungen heranzuziehen. Soweit diese lückenhaft sind, ist der vertragsgemäße Gebrauch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu ermitteln (vgl. Blanck-Börstinghaus, Miete, Kommentar, 3. Auflage zu § 561 Rd. 3) Die Wohnung ist zu Wohnzwecken vermietet worden. Diese beinhalten auch, dass der Mieter innerhalb der Wohnräume sein Hobby ausüben darf, soweit er nicht die Rechte Dritter beeinträchtigt oder gefährdet. Weiter ist vertraglich unter Nr. 6 j geregelt, dass der Mieter die vorherige schriftliche Zustimmung der Vermieterin benötigt, wenn er Heizöl oder andere feuergefährliche Stoffe lagern will.
Unstreitig bewahrt der Beklagte zu 2) in den Wohnräumen in extra dafür zugelassenen und gesicherten Behältnissen Waffen und Munition für die Ausübung seiner Freizeitbetätigung als Sportschütze auf. Dass dabei nicht die erforderlichen waffenrechtlichen Auflagen eingehalten werden, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Vielmehr ist aufgrund des vorgelegten Schreibens der Landeshauptstadt Hannover vom 06.11.2009 davon auszugehen, dass sämtliche Sicherheitsbestimmungen durch den Beklagten zu 2) eingehalten werden. Welche Sicherheitsbestimmungen einzuhalten sind, ergibt sich u.a. aus § 36 WaffG. Soweit diese Bestimmungen eingehalten werden, kann nicht festgestellt werden, dass eine konkrete Gefährdung der Mietsache oder anderer Mietparteien vorliegt. Eine Verletzung oder Gefährdung von Rechten Dritter kann somit nicht angenommen werden. Die für die Ausübung der Freizeitbetätigung als Sportschütze erfolgte Lagerung von Waffen und Munition ist somit vom Wohngebrauch gedeckt.
Auch die Wiederbeladung der Patronen mittels der Ladepresse in dem Kellerraum erfolgt unstreitig nicht zu Gewerbezwecken sondern ausschließlich zur Ausübung des Hobbys als Sportschütze. Die Klägerin hat substantiiert den Vortrag des Beklagten in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20.07.2010 nicht bestritten, dass dieser weder im Kellerraum noch in den sonstigen Wohnräumen jemals Treibladungsmittel gelagert hat und dieses lediglich jeweils zur Herstellung von Testserien mitbringe und unmittelbar verbrauche. Sie hat nicht dargelegt, dass der Beklagte zu 2) mehr als die von ihm angegebenen 10 bis 12 Patronen etwa zwei- bis dreimal pro Monat herstelle. Weiter ist unstreitig, dass die hergestellten Patronen lediglich von dem Beklagten zu 2) für seine Sportschützentätigkeit verwendet werden. Die Herstellung die für diese Tätigkeit benötigten Patronen dient somit ebenfalls dem Hobby des Beklagten zu 2) und ist grundsätzlich vom Wohngebrauch umfasst. Dass durch die Bedienung der Ladepresse Lärm verursacht wird, der die Mitmieter mehr als nur unerheblich belästigt, hat die Klägerin entgegen des Vortrags des Beklagten weder ausreichend vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Konkret hat die Klägerin lediglich vier Daten genannt, an denen der Beklagte die Ladepresse unter Lärm betätigt haben soll. Diese Termine liegen mehr als 1 Jahr zurück und würden für sich genommen nicht ausreichen, um eine Beeinträchtigung anderer Mitbewohner darzulegen, die über das Hinnehmbare hinausgeht. Wann durch das Bedienen der Ladepresse es zu weiteren Lärmbelästigungen gekommen sein soll, hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt.
Die Bedienung der Ladepresse und das Wiederbeladen der Munition kann auch nicht wegen Verstoßes gegen Nr. 6 j der Allgemeinen Vertragsbedingungen untersagt werden. Zwar dürfte es sich bei dem Treibmittel selbst um einen feuergefährlichen Stoff handeln. Dieser wird jedoch nicht gelagert sondern unmittelbar verbraucht. Die Patronen selbst bewahrt der Beklagte unwidersprochen in dafür gesondert vorgesehenen bestimmungsgemäßen Behältnissen auf, so dass von diesen weder eine konkrete Gefahr ausgeht, noch können diese als feuergefährliche Stoff im Sinne der Allgemeinen Vertragsbestimmung angesehen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.