Amtsgericht Hannover
Urt. v. 09.02.2010, Az.: 483 C 11244/09

Generelle Regelung über Instandsetzungslast; Fenster

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
09.02.2010
Aktenzeichen
483 C 11244/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 41450
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2010:0209.483C11244.09.0A

Fundstelle

  • ZMR 2010, 483-484

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

wegen Beschlussanfechtung

hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 483

auf die mündliche Verhandlung vom 09.02.2010

durch den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler:

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 13.08.2009 zu TOP 9 wird für ungültig erklärt

  2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft ... in ... . Die Klägerin ist Eigentümerin der Einheit Nr. 89 ... .

2

Mit Schreiben vom 14.07.2009 (Bl. 6 d.A.) lud die Hausverwaltung zur Versammlung am 13.08.2009 ein. Mit Schreiben vom 31.07.2009 (Bl. 8 d.A.) wurden weitere Tagesordnungspunkte benannt. Unter anderem ging es zu TOP 9 um den Antrag der Klägerin, dass die Kosten für die Erneuerung der Fenster der in ihrem Sondereigentum stehenden Wohnung von der Wohnungseigentümergemeinschaft getragen werden sollen. Auf der Versammlung wurde sodann zu TOP 9 folgender Beschluss gefasst (Bl. 12 d.A.).

"Da bereits die Fensterproblematik erörtert wurde, wird der TOP 9: Antrag Miteigentümerin ...: Erneuerung von Fensterelementen vorgezogen:

Die Eigentümer beschließen einstimmig, dass wie in der Vergangenheit vorgegangen werden soll: jeder Sondereigentümer ist für seine Fenster selbst zuständig. Lediglich im Sonderfall, dass das Balkonelement durch eine Undichtigkeit an der Balkonabdichtung beschädigt wurde, wird dieses Element durch die WEG ersetzt."

3

Die Klägerin hält diesen Beschluss für rechtswidrig bzw. für nichtig. Sie behauptet, es sei zu TOP 9 überhaupt keine Abstimmung erfolgt. Auch sei in der Vergangenheit anders hinsichtlich der Kostenverteilung bei Fenstererneuerungen verfahren worden, nämlich auf Kosten der Gemeinschaft. Sie sieht einen Verstoß gegen die Regelungen in der Teilungserklärung und hält den Beschluss aufgrund eines generellen Regelungsgehalts für nichtig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten übrigen Vortrag der Klägerin Bezug genommen.

4

Die Klägerin beantragt,

  1. wie erkannt.

5

Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Sie behaupten, der Beschluss sei einstimmig erfolgt. Auch stünde er im Einklang mit der Teilungserklärung, insbesondere mit Ziffer 9 Nr. 1 (Bl. 38 Rückseite d.A.). Hiernach habe u. a. jeder Wohnungseigentümer sein Sondereigentum auf seine Kosten instand zu halten, wobei diese Verpflichtung auch das Holzwerk" erfasse. Wegen des weiteren Vortrags der Beklagten wird auf den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

7

Die gemäß § 43 Nr. 4 in Verbindung mit § 46 Abs. 1 WEG zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

8

Der angefochtene Beschluss zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 13.08.2009 widerspricht nicht nur den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG, sondern ist sogar nichtig. Denn hierfür fehlte den Wohnungseigentümern die erforderliche Beschlusskompetenz.

9

1.

Zwar sieht § 16 Abs. 4 WEG n.F. vor, dass die Wohnungseigentümer durch Beschluss die Kostenverteilung u. a. für Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne von § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG durch Mehrheitsbeschluss abweichend von § 16 Abs. 2 WEG regeln können. Jedoch ist ausdrücklich normiert, dass eine solche abweichende Kostenverteilung nur im Einzelfall einer baulichen Maßnahme zulässig ist. Bei dem Merkmal Einzelfall handelt es sich sogar um ein kompetenzbegrenzendes Merkmal und dient damit dem Schutz der Wohnungseigentümer vor den nicht absehbaren finanziellen Folgen einer generellen Abänderung der Kostenverteilung über den Einzelfall hinaus. Deshalb ist den Wohnungseigentümern nicht die Beschlusskompetenz eingeräumt, den Verteilungsmaßstab für die Kosten baulicher Maßnahmen über den Einzelfall hinaus für die Zukunft abzuändern. Hierzu bedarf es vielmehr einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer. Ein Beschluss, der über den Einzelfall hinaus die Kosten baulicher Maßnahmen abweichend vom geltenden Verteilungsmaßstab regelt, ist mangels Beschlusskompetenz von Anfang an nichtig (Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., § 16 Rn. 116). Der angefochtene Beschluss enthält eine über den Einzelfall hinausgehende generelle Regelung und ist deshalb nichtig.

10

Anlass für den angefochtenen Beschluss war der Antrag der Klägerin, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Erneuerung ihrer Fenster die Kosten zu tragen hat. Der Beschluss zu TOP 9 enthält jedoch nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur eine bloße Zurückweisung des Antrages der Klägerin. Vielmehr ergibt sich aus dem Beschluss unmittelbar die Willensbildung der Beklagten dahin, dass unabhängig vom konkreten Fall zukünftig, d. h. also generell, so vorgegangen werden soll wie in der Vergangenheit, d. h. also dass jeder Wohnungseigentümer gemäß von den Beklagten so verstandener Auslegung der Teilungserklärung die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung seiner Fenster selbst zu tragen hat. Hierdurch wollten erkennbar die Beklagten endgültig zur Frage Kostentragungspflicht für die Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster eine Regelung treffen, die über den konkreten Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme seitens der Gemeinschaft hinausgehen sollte.

11

2.

Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass Bedenken bestehen, dass mit der von den Beklagten zitierten Regelung der Teilungserklärung VII Nr. 1 Holzwerk" grundsätzlich im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Fenster gemeint sind. Zwar handelt es sich bei Fenstern häufig um solche aus Holz. Jedoch ist nicht mit der genügenden Klarheit erkennbar, dass durch diese Regelung die Instandhaltungslast von der grundsätzlich zuständigen Gemeinschaft auf die jeweiligen Wohnungseigentümer delegiert werden sollte. Denn die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Teilungserklärung die Instandhaltungslast für die Fenster berücksichtigt, und zwar gemäß IX. 1. a) für den Anstrich der Fenster. Wäre mehr gemeint gewesen, d. h. also auch die Übertragung der generellen Instandhaltungslast für den Austausch der Fenster, hätte dies in der Teilungserklärung klar und deutlich vermerkt sein müssen. Im Zweifel gilt damit die Vermutung des § 1 Abs. 5 WEG i.V:m. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG. Im Übrigen sind die Beklagten darauf hinzuweisen, dass in Wohnungen durchaus weiteres Holzwerk vorhanden ist, nämlich mindestens die Innentüren samt Zargen.

12

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.