Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.12.1999, Az.: 2 K 106/99
Pflicht eines Prozessbevollmächtigten, für Fälle unvorhergesehener Abwesenheit Vorsorge zu treffen; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verschulden des Prozessbevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.12.1999
- Aktenzeichen
- 2 K 106/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 17996
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:1215.2K106.99.0A
Fundstelle
- DStRE 2000, 1001-1002 (Volltext mit amtl. LS)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerinnen Eigenheimzulage für die Errichtung einer selbst bewohnten Wohnung in Höhe von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage oder nur in Höhe von 2,5 v.H. der Bemessungsgrundlage für die Errichtung eines Anbaus beanspruchen können.
Der Beklagte gewährte nur eine Begünstigung von 2,5 v.H. mit der Begründung, die Klägerinnen hätten keine -abgeschlossene- Wohnung sondern nur einen Anbau, den sie als Wohnung nutzten, errichtet.
Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kl. durch den Prozessbevollmächtigten Klage.
Mit Verfügung des Berichterstatters vom 25.06.1999 wurde dem Prozessbevollmächtigten gemäß § 62 Abs. 3 S. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Vorlage einer (Original-) Prozessvollmacht eine Ausschlußfrist bis zum 30.Juli 1999 (Freitag) gesetzt.
Am letzten Tag der Ausschlußfrist ging zwar ein Schreiben des Sekretariats des Prozessbevollmächtigten bei Gericht ein, mit dem um Verlängerung der Frist zur Begründung der Klage gebeten wurde, weil"wegen der inzwischen mehrwöchigen, beruflich bedingten Auslandsabwesenheit des Sachbearbeiters, Rechtsanwalt T... B... (das ist der Prozessbevollmächtigte), eine Begründung nicht rechtzeitig zu den Gerichtsakten gegeben werden konnte" und nach dessen Inhalt in der Anlage die Original-Vollmachten der Klägerinnen vom 22.02.1999übersandt wurden. Indes wurde die Anlage nicht einmal durch Fax mitübermittelt und gingen die (Original-) Prozessvollmachten mit dem Originalschreiben erst nach Ablauf der Ausschlußfrist am 02. August 1999 bei Gericht ein.
Der Prozessbevollmächtigte wurde noch mit Schreiben vom 04. August 1999 unter Hinweis auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO auf den verspäteten Eingang der Prozessvollmachten hingewiesen.
Da sich der Prozessbevollmächtigte nicht weiteräußerte, wies der Berichterstatter die Klage schließlich durch Gerichtsbescheid vom 07. September 1999 ab.
Der Prozessbevollmächtigte - inzwischen in Sozietät - beantragte daraufhin mündliche Verhandlung, trug aber im Hinblick auf die Verspätung und zur Sache nichts weiter vor.
Daraufhin wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 17.11.1999 bestimmt, die Sache aber in der mündlichen Verhandlung vertagt, weil der Prozessbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis über die Ladung nicht zurückgesandt hatte.
Zur mündlichen Verhandlung am 15.12.1999 wurde er daraufhin ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde geladen.
Die Kläger haben in der Klageschrift sinngemäß beantragt,
ihnen Eigenheimzulage statt mit 2,5 v.H. mit dem Höchstsatz von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf den Inhalt des Gerichtsbescheids.
Gründe
Die Klage ist unzulässig.
Der Prozessbevollmächtigte hat die zur Vorlage der Prozessvollmacht gesetzte Ausschlussfrist nicht eingehalten. Damit ist die Klage unzulässig geworden (BFH-Urteil vom 14.Juni 1984 I R 152/81, BStBl II 1984, 841).
Den Klägerinnen kann auch nicht wegen der versäumten Frist gemäß § 62 Abs. 3 S. 4 FGO i. V. m.§ 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Ein entsprechender Antrag ist nicht gestellt worden, könnte auch nicht mehr zulässig gestellt werden, weil dies gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 FGO innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu geschehen hat. Spätestens im Zeitpunkt, als der Prozessbevollmächtigte den Antrag auf mündliche Verhandlung stellte, war ein etwaiges Hindernis weggefallen.
Zwar kann gemäß § 56 Abs. 2 S. 4 FGO auch ohne Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt ist. Dies setzt aber voraus, daß die Verspätungsgründe offenkundig sind.
Insoweit hatte das Büro zwar im Schriftsatz vom 30.07.1999 mitgeteilt, eine Begründung habe wegen einer inzwischen mehrwöchigen, beruflich bedingten Auslandsabwesenheit des Prozessbevollmächtigten nicht rechtzeitig zu den Gerichtsakten gegeben werden können. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der verspäteten Vorlage der Prozessvollmachten, welches sich die Klägerinnen zurechnen lassen müssen, ist hierdurch indes nicht ausgeschlossen. Wer von Berufs wegen mit der Bearbeitung ihm anvertrauter Sachen befaßt ist, hat für Fälle seiner Abwesenheit Vorsorge zu treffen, z.B. durch Sicherung einer Vertretung. Dies gilt selbst für Fälle plötzlicher Erkrankung oder unvorhersehbarer Geschäftsreisen (BFH-Beschluß vom 08.10.1985 IX R 111/85, BFH/NV 1986, 172). Zudem waren die Prozessvollmachten bereits am 22.02.1999 ausgestellt worden, so dass davon auszugehen ist, dass sie dem Büro vorlagen, und hätte der Prozessbevollmächtigte erst recht dafür Sorge tragen müssen, dass während seiner Abwesenheit solch einfache Dinge wie die Weiterleitung von Prozessvollmachten an das Gericht fristgerecht erfolgten.
Die Klage war nach alledem als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Kosten waren nicht etwa dem Prozessbevollmächtigten als vollmachtlosem Vertreter aufzuerlegen, da dieser gerade nicht ohne Prozessvollmacht gehandelt hat, lediglich die Bevollmächtigung nicht rechtzeitig in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nachgewiesen hat. In diesem Falle bleibt es bei der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO (BFH-Beschluss vom 19.02.1998 III B 76/97, BFH/NV 1998, 1227).