Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.12.1999, Az.: 3 K 62/99
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.12.1999
- Aktenzeichen
- 3 K 62/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 34561
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:1208.3K62.99.0A
Rechtsgrundlagen
- EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 2a
- EStG § 10 c Abs. 3 Nr. 2
Fundstellen
- DB 2000, 1839
- DStRE 2000, 681-682
- DStRE 2000, 681-682 (Volltext mit amtl. LS)
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen für eine Kürzung des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10 c Abs. 3 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Jahr 1993 maßgeblichen Fassung erfüllt sind.
Der Kläger (Kl.) war im Streitjahr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der mit Gesellschaftsvertrag vom 14. Dezember 1992 gegründeten ... GmbH - im Folgenden: GmbH -. In dem zwischen dem Kl. und der GmbH geschlossenen Geschäftsführervertrag vom 14. Dezember 1992, geändert mit Wirkung ab 1. September 1993 durch Vertrag vom 27. August 1993, war hinsichtlich der Bezüge des Geschäftsführers folgende Regelung getroffen: "Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit:
... (3) Eine Pensionszusage nach steuerlichen Vorschriften."
Nähere Vereinbarungen hinsichtlich der Ausgestaltung und der Höhe der Pension wurden nicht getroffen; die GmbH hatte im Streitjahr keine Pensionsrückstellung gebildet.
Das beklagte Finanzamt - FA - setzte gegen den Kl. durch Bescheid vom 5. April 1995 die Einkommensteuer 1993 auf ... DM fest. Hierbei hatte das FA aufgrund der Erklärung des Kl. in der Einkommensteuererklärung 1993, dass für ihn 1993 keine gesetzliche Rentenversicherungspflicht und auch keine Anwartschaft auf Altersversorgung aus der Tätigkeit als GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer bestanden habe, keine Kürzung des Vorwegabzugs vorgenommen. Nachdem dem FA durch eine bei der GmbH durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung die dem Kl. erteilte Pensionszusage bekannt geworden war, kürzte es den bisher gewährten Vorwegabzug und setzte die Einkommensteuer 1993 durch gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid vom 28. Oktober 1998 auf DM fest. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA durch Bescheid vom 29. Januar 1999 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kl. vorträgt: Der hier geschlossene Geschäftsführervertrag vermittle ihm kein die Kürzung des Vorwegabzugs rechtfertigendes Anwartschaftsrecht auf eine Altersversorgung. Die in § 3 Abs. 3 des Geschäftsführervertrags getroffene Abrede hinsichtlich der Pensionszusage bestimme nicht, wann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er eine Pension durch die GmbH erhalten solle. Es fehlten insoweit jegliche Bestimmungen zur Pensionsaltersgrenze, zur Höhe der monatlichen und jährlichen Pensionszahlungen und der üblichen Gründe, unter welchen Voraussetzungen Pensionszahlungen eingeschränkt oder ganz ausgesetzt werden könnten. Der Regelungsgehalt des § 3 Abs. 3 des Geschäftsführervertrags entfalte eine Bindungswirkung zwischen den Vertragsparteien nur dahingehend, zu einem nicht festgesetzten späteren Zeitpunkt auf der Basis der steuerlichen Unschädlichkeit der Pensionszusage für die GmbH in Vertragsverhandlungen über eine Pension einzutreten. Die im Geschäftsführervertrag vereinbarte Klausel sei insbesondere weder einklagbar noch jederzeit durchsetzbar.
Der Kl. beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 29. Januar 1999 den Einkommensteuerbescheid vom 28. Oktober 1998 in der Weise zu ändern, dass die Einkommensteuer auf ... DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es erwidert: Aus § 3 Abs. 3 des Geschäftsführervertrags ergebe sich für den Kl. dem Grunde nach ein Anwartschaftsrecht auf eine Altersversorgung. Dieser Anspruch sei auch jederzeit zivilrechtlich durchsetzbar.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und auf die beim FA geführten Steuerakten (...) Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG in seiner für das Streitjahr 1993 maßgeblichen Fassung sind Vorsorgeaufwendungen u.a. im Rahmen eines zusätzlichen Vorwegabzugs für Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit einem Vorwegabzug von 6. 000 DM zu berücksichtigen. Gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG ist dieser Betrag bei Arbeitnehmern, die nicht der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, eine Berufstätigkeit ausgeübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben haben, um 16. v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. § 19 EStG zu kürzen.
Zweck der Kürzung des Vorwegabzugs ist es, dass insbesondere Arbeitnehmer und andere Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit Anwartschaften auf eine Altersversorgung oder Leistungen im Krankheitsfalle erlangen, ohne eigene Beiträge zu leisten, mit selbständig Tätigen gleichgestellt werden, die ihre Beiträge zur Altersvorsorge in voller Höhe aus eigenen Mitteln aufbringen müssen (vgl. BFH, Urteil vom 12. Oktober 1994 X R 260/93, BStBl II 1995 S. 119 [BFH 12.10.1994 - X R 260/93] m.w.N.). Diese Gleichstellung wird rechtstechnisch dadurch bewirkt, dass einem Steuerpflichtigen ein Vorwegabzug gewährt wird, der für bestimmte, nach sachlichen Gesichtspunkten umgrenzte Personengruppen gekürzt wird. Für die Anwendung der Kürzungsregelung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG ist hierbei allein das Bestehen einer Pensionsanwartschaft entscheidend. Ohne Bedeutung ist es, welcher Art diese Pensionsanwartschaft ist und welchen Wert sie hat (BFH-Urteil vom 29. Nov. 1989 X R 183/87, BStBl II 1990 S. 218; Kirchhof-Söhn, Kommentar zum EStG, Lose-Blatt-Ausgabe, § 10 Rz. P 50).
Nach diesen rechtlichen Maßstäben hat das FA den Vorwegabzug rechtlich zutreffend gekürzt, weil der Kl. - entgegen seiner Rechtsauffassung - aufgrund der in § 3 Abs. 3 des Geschäftsführervertrags Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung i.S.d. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG erworben hat. § 3 Abs. 3 des Geschäftsführervertrags ist als sog. Blankett-Zusage späterer Versorgungsleistungen des Arbeitgebers zu qualifizieren. Bei einer solchen Blankett-Zusage handelt es sich um eine verbindliche Versorgungszusage, bei der - lediglich - die näheren Voraussetzungen und die Höhe der späteren Versorgungsleistungen noch offen bleiben (BAG-Urteil v. 23. Nov. 1978 - 3 AZR 708/77, DB 1979 S. 364; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl. 1996 § 81 II.2 m.w.N.). Rechtliche Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen (Blankett)-Versorgungszusage ist, dass sie wirklich als Zusage und nicht lediglich als ein nur unverbindliches Angebot oder eine Ankündigung zu qualifizieren ist. In diesem Sinne ist § 3 Abs. 3 des Geschäftsführervertrags als Blankett-Zusage zu qualifizieren, weil für den Kl. nach dem klaren Wortlaut des Eingangssatzes des § 3 des Gesellschaftsvertrages ("Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit:") ein Rechtsanspruch auf eine Pension begründet werden sollte. Der Auffassung des Kl., dass § 3 Abs. 3 des Geschäftsführervertrags lediglich einen Anspruch auf spätere Vertragsverhandlungen über die Gewährung einer Pension begründen sollte, folgt der Senat mithin nicht.
Die hier gegebene Blankett-Zusage auf spätere Versorgungsleistungen erfüllt auch im Übrigen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG. Zwar ist der Blankett-Zusage auf Versorgungsleistungen zu eigen, dass der Arbeitgeber das Recht zur einseitigen Bestimmung der Einzelheiten der Versorgungsleistungen hat und dass diese Bestimmung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt; bleibt der Arbeitgber untätig, so wird die Blankett-Zusage durch Urteil ausgefüllt (vgl. Schaub, a.a.O.). Diese rechtlichen Eigenheiten der Blankett-Zusage auf Versorgungsleistungen betreffen indes lediglich die Höhe der späteren Versorgungsleistungen und damit deren wirtschaftlichen Wert. Das Bestehen des von § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG vorausgesetzten Anwartschaftsrechts auf eine Altersversorgung knüpft jedoch - wie dargelegt - eindeutig nur an rechtliche und nicht auch an wirtschaftliche Gesichtspunkte an. Daher steht der Rechtmäßigkeit der Kürzung des Vorwegabzugs nicht entgegen, wenn im jeweiligen Veranlagungsjahr die Höhe und die näheren Voraussetzungen der aufgrund der Blankett-Zusage geschuldeten Versorgungsleistungen noch gar nicht bezifferbar sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Rechtssache hat im Hinblick auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Blankett-Zusage auf Versorgungsleistungen zur Kürzung des Vorwegabzugs gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10 c Abs. 3 Nr. 2 EStG berechtigt, grundsätzliche Bedeutung.