Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.12.1999, Az.: 9 K 444/92
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.12.1999
- Aktenzeichen
- 9 K 444/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 34571
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:1221.9K444.92.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 26.03.2002 - AZ: VI R 45/00
Rechtsgrundlagen
- EStG § 9
- EStG § 3c
Fundstelle
- DStRE 2000, 505-507 (Volltext mit amtl. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Als Werbungskosten gemäß § 9 EStG sind auch Reisekosten anlässlich einer Tätigkeit im Beitrittsgebiet abzugsfähig.
- 2.
Da eine für die Tätigkeit im Beitrittsgebiet gewährte Aufwandsentschädigung mit den Reisekosten nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang steht, ist der Abzug der Reisekosten nicht nach § 3c EStG ausgeschlossen.
- 3.
Mit der Aufwandsentschädigung sollen die über die üblichen Reisekosten hinausgehenden durch den Einsatz im Beitrittsgebiet entstehenden besonderen Aufwendungen ausgeglichen werden.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Einkommensteuerfestsetzung 1991 ein sonst bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigender Werbungskostenbetrag auch dann - unter Beachtung des § 3 c Einkommensteuergesetz (EStG) - abziehbar bleibt, wenn eine mit der Einkunftsquelle verbundene einkommensteuerpflichtige Aufwandsentschädi-gung aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (rückwirkend) im Streitjahr 1991 (noch) nicht zu besteuern ist.
Der Kläger ist verheiratet und wird zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger bezieht als Steuerbeamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Kläger war im Streitjahr zunächst Bediensteter des Landes Niedersachsen und seit 10. Juni 1991 bis zu seiner Versetzung (am 11. Februar 1992) an das Finanzamt Sach-sen-Anhalt abgeordnet.
Bei der Einkommensteuerfestsetzung 1991 berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) folgende Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit:
1. Kosten für Dienstreisen innerhalb Niedersachsens: | 1. 963 DM | |||
---|---|---|---|---|
Erstattung des Arbeitgebers: | ./. 688 DM | = 1. 275 DM | ||
2. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Niedersachsen: | 1. 951 DM | |||
Erstattung des Arbeitgebers: | ./. 1. 009 DM | = + 942 DM | ||
3. Beitrag an die Steuergewerkschaft | + 191 DM | |||
4. Aufwendungen für diverse Arbeitsmittel: | + 72 DM | |||
5. Kontoführungsgebühr: | + 30 DM | |||
6. Kosten für Fachliteratur: | + 275 DM | |||
7. Aufwendungen für ein beruflich genutztes Arbeitszimmer | + 785 DM | |||
8. Reisekosten (Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen) aus Anlass einer Abordnung an das Finanzamt im Beitrittsgebiet: | 8. 369 DM. Erstattung des Arbeitgebers: | ./. 3. 407 DM | ||
Steuerfreie Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit im Beitrittsgebiet: | ./. 3. 061 DM | + 1. 901 DM | ||
Gesamtbetrag: | 5. 471 DM |
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.
Er meinte, die Kürzung der ihm durch die Tätigkeit im Beitrittsgebiet entstandenen Werbungskosten von (8. 369 DM ./. 3. 407 DM =) 4. 962 DM um die vom Land Niedersachsen gewährte Aufwandsentschädigung von 3. 061 DM sei rechtswidrig.
Die nach (§ 5 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes - NBesG - i.V. mit dem Haushaltsgesetz 1991 - HG 1991 - und) dem RdErl. d. MF v. 13. Juli 1990 - 441940 (fortan MF-Erlass 1990), Nds.MBl. S. 888, und dem Gem.RdErl. d. MI, d. MF u. d. übr. obersten Landesbehörden vom 18. Juni 1991 - 15.3-03040.30 - (fortan Gem.RdErlass 1991), Nds. MBl. S. 778 (vgl. jeweils auch Lohnsteuer - LSt-Kartei der OFD Hannover zu § 3 EStG , Fach 3 Nr. 11), gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei gezahlte pauschalierte monatliche Aufwandsentschädigung sei entsprechend dem Erlass-Wortlaut allein "wegen der mit dem Aufenthalt in der DDR verbundenen besonderen Aufwendungen..." geleistet worden. Für die Anwendung des § 3 c EStG mit der Folge der Kürzung der Werbungskosten um den vollen Betrag der Entschädigung sei daher kein Raum. Die Aufwandsentschädigung habe Anreiz für die Aufnahme einer Tätigkeit in den neuen Bundesländern sein, zusätzliche Überstunden abgelten, schlechtere Arbeitsbedingungen (Arbeitsmittel, Unterbringung, usw.), außergewöhnliche Arbeitsbelastungen, besondere Risiken (z.B. Unfallrisiko durch die 100 km lange Hin- und Rückfahrt) und den Zeitverlust durch die langen Wegstrecken ausgleichen sollen.
Dass die Aufwandsentschädigung in keinem Zusammenhang mit den entstandenen Reisekosten stünde, werde besonders dadurch deutlich, dass sie auch solchen Bediensteten zu zahlen war, denen keine Reisekosten entstanden waren. Außerdem seien die üblichen Reisekosten unabhängig von der Aufwandsentschädigung nach den Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes zu erstatten gewesen.
Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Juni 1989 VI R 154/86, BStBl II 1990, 121 [BFH 09.06.1989 - VI R 154/86] , und VI [BFH 17.03.1989 - III R 58/87] R 27/88, BStBl II 1990, 123 [BFH 09.06.1989 - VI R 27/88] (zu § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ergangen), könnten daher die - von der Aufwandsentschädigung nicht erfassten - streitigen Reisekosten zusätzlich - ungekürzt - berücksichtigt werden.
Doch selbst wenn man der Auffassung der Finanzverwaltung folgte, dürfe nach dem Wortlaut des MF-Erlasses vom 21. Mai 1991 - S 2338 - 65 - 35 1 (LSt-Kartei zu § 3 EStG , Fach 4 Nr. 8), wonach die Aufwandsentschädigung auch Reisekosten abgelten solle, nur ein Teil angerechnet werden.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Die für die im Wege der Abordnung geleistete Verwaltungshilfe in Sachsen-Anhalt gezahlte pauschalierte monatliche Aufwandsentschädigung sei nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei (vgl. vorgenannte Erlasse). Sie werde nach dem Wortlaut der Runderlasse wegen der mit dem Aufenthalt verbundenen besonderen Aufwendungen gezahlt.
Nach dem MF-Erlass vom 21. Mai 1991, a.a.O., seien derartige Aufwandsentschädigungen im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG bei der Ermittlung der als Werbungskosten abziehbaren Reisekosten anzurechnen, weil sie auch Mehraufwendungen abgelten sollten, die durch Dienstreisen in die neuen Bundesländer veranlasst seien.
Der Einwand des Klägers, die Aufwandsentschädigung sei auch zur Abgeltung geleisteter Überstunden, besonderer Arbeitsbelastungen, Zeitverlusten etc., geleistet worden, gehe fehl, weil nach dem Wortlaut der Erlasse die Aufwandsentschädigung ausdrücklich zur Abgeltung von Aufwendungen gezahlt würde.
Anders als bei den Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG gehe das EStG für die Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG unwiderlegbar davon aus, dass die gesetzgebenden Körperschaften nur solche Beträge unter der Bezeichnung Aufwandsentschädigung festsetzten, die Aufwendungen mit Werbungskosten- oder Betriebsausgabencharakter abgelten würden.
Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG habe zur Folge, dass der Kläger nur die Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen könne, die die Aufwandsentschädigung übersteigen würden. Denn nach § 3 c EStG dürften Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, nicht als Werbungskosten abgezogen werden.
Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Aufwandsentschädigung und den Reisekosten sei hier zu bejahen, denn mit der Aufwandsentschädigung sollten nach den Erlassen auch Reisekosten abgedeckt werden.
§ 3 c EStG schließe solche Werbungskosten vom Abzug aus, bei denen sich eine abgrenzbare Beziehung zu den steuerfreien Einnahmen eindeutig feststellen lasse. Dies sei hier der Fall. Denn einerseits sei dem Kläger die Aufwandsentschädigung nur für seine Tätigkeit in Sachsen-Anhalt gewährt worden und andererseits seien ihm nur wegen dieser Tätigkeit die Reisekosten entstanden. Dabei sei es unerheblich, dass die steuerfreien Einnahmen pauschal und unabhängig von dem tatsächlichen Anfall beruflicher Aufwendungen gezahlt worden seien.
Die Werbungskosten seien deshalb um die steuerfreie Aufwandsentschädigung zu kürzen.
Dem stünden auch die vom Kläger zitierten BFH-Urteile vom 9. Juni 1989 nicht entgegen, weil diese die steuerliche Behandlung von Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG betreffen würden.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Zur Begründung verweist der Kläger auf seine Darlegungen im Einspruchsverfahren und den (Vorlage-) Beschluss des BFH vom 21. Oktober 1994 VI R 15/94 , BFHE 175, 368 , BStBl II 1995, 142 [BFH 21.10.1994 - VI R 15/94] , [BFH 21.10.1994 - VI R 15/94] sowie den Beschluss des BVerfG vom 11. November 1998 2 BvL 10/95 , BStBl II 1999, 502 [BVerfG 11.11.1998 - 2 BvL 10/95] . Darin erklärte das BVerfG § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG in seiner Anwendung auf Zulagen für Besoldungsempfänger des Bundes wegen ihrer dienstlichen Tätigkeit bei einer Dienststelle in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet als Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ( GG ), weil diese Zulagen überwiegend Erwerbseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien und deshalb als solche besteuert werden müssten, die Begrenzung dieses Steuerprivilegs auf Bezüge aus einer Bundes- oder Landeskasse den Gleichheitssatz verletze, weil er die sonstigen Arbeitnehmer von dieser Steuerfreiheit ausnehme, obwohl sie unter in gleicher Weise veränderten Arbeitsbedingungen tätig seien, und weil die Belastungs- und Entlastungsgründe nicht im Steuergesetz mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet seien. Danach sei § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG verfassungswidrig und dürfe in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden. Aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit solle die Verfassungswidrigkeit der Rechtsnorm aber nur für die Zukunft gelten.
Nach Auffassung des Klägers bestätigt der vorgenannte Beschluss seine Rechtsauffassung, dass die ihm gezahlte steuerfreie Aufwandsentschädigung eine Stellenzulage darstelle und nicht tatsächlich entstandene Werbungskosten ausgleichen solle. Wie sich aus Abs. 2 Nr. 2 c des Beschlusses ergebe, komme eine Kürzung der Werbungskosten nicht in Betracht. Das ergebe sich auch und bereits aus dem (Vorlage-)Beschluss des Finanzgerichts Brandenburg vom 27. Juli 1995 2 K 178/95 E, S.olZ, EFG 1995, 977[FG Brandenburg 27.07.1995 - 2 K 178/95 E, SolZ] .
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 1. September 1992 und Änderung des Einkommensteuerbescheids 1991 vom 23. März 1992 die Einkommensteuer auf den sich nach Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von 3. 061 DM erge-benden Betrag herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich das FA auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid und den vorgenannten Beschluss des BVerfG. Da die pauschalierten monatlichen Aufwandsentschädigungen sowohl Erschwerniszuschläge darstellten als auch angefallene Kosten abgelten würden, sei die Aufwandsentschädigung auf die entstandenen Werbungskosten anzurechnen. Dies stünde im Einklang mit dem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19. Januar 1993 VII 460/92, EFG 1993, 572 (Die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde sei vom BFH durch Beschluss vom 29. September 1993 VI B 66/93 als unbegründet zurückgewiesen worden.), mit dem Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 25. Januar 1994 I 128/93, EFG 1994, 747 , und dem (Vorlage-) Beschluss des BFH vom 21. Oktober 1994 VI R 15/94 , a.a.O., 149.Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet ( § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Steuerakten (St.-Nr.: ... ) und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1991 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die streitigen Reisekosten sind Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG von den Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen. Der Abzug dieser Werbungskosten ist weder ganz noch anteilig (vgl. Urteile des BFH vom 13. August 1997 I R 65/95 , BFHE 184, 98 , BStBl II 1998, 21 [BFH 13.08.1997 - I R 65/95] , [BFH 13.08.1997 - I R 65/95] vom 11. Februar 1993 VI R 66/91, BFHE 170, 392 , BStBl II 1993, 450 [BFH 11.02.1993 - VI R 66/91] , [BFH 11.02.1993 - VI R 66/91] und vom 14. November 1986 VI R 209/82, BFHE 148, 460 , BStBl II 1989, 351 [BFH 14.11.1986 - VI R 209/82] ) nach § 3 c EStG ausgeschlossen, da die betreffenden Aufwendungen mit der - streitigen steuerfreien - Aufwandsentschädigung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
1. Die Reisekosten sind Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit.
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind nach ständiger Rechtsprechung über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind ( Urteil des BFH vom 2. April 1982 VI R 48/80 , BFHE 135, 509 , BStBl II 1982, 498 [BFH 02.04.1982 - VI R 48/80] ). Dazu zählen Kosten, die einem Arbeitnehmer durch Dienstreisen entstehen, soweit sie nicht vom Dienstherrn ersetzt werden (vgl. Urteil des BFH vom 9. Juni 1989 VI R 27/88 , BFHE 157, 535 , BStBl II 1990, 123 , 125 [BFH 09.06.1989 - VI R 27/88]). Danach sind auch die hier dem Kläger aus Anlass seiner Abordnung an das Finanzamt ... im Beitrittsgebiet entstandenen Reisekosten (Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen) in Höhe von (8. 369 DM ./. Arbeitgebererstattung von 3. 407 DM =) 4. 962 DM grundsätzlich als Werbungskosten aus aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.
2. Der Abzug obiger Werbungskosten ist auch in Höhe des vom FA bestrittenen (Aufwandsentschädigungs-) Betrags von (4. 962 DM ./. vom FA bislang berücksichtigte 1. 901 DM =) 3. 061 DM nicht nach § 3 c EStG ausgeschlossen, da die betreffenden Aufwendungen mit der nach Ansicht des BVerfG im Streitjahr noch als steuerfrei zu behandelnden Aufwandsentschädigung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammen stehen.
a) Die dem Kläger gewährte Aufwandsentschädigung von 3. 061 DM sollte gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei sein. Diese Vorschrift hat zwar das BVerfG durch Beschluss vom 11. November 1989, a.a.O., für verfassungswidrig erklärt. Die Steuerfreiheit sollte aber aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit bei allen zum Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheiden weiterhin gelten. Danach ist auch die hier streitige im Jahre 1991 geleistete Aufwandsentschädigung -faktisch noch - als steuerfrei gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG zu behandeln.
b) Mit dieser Aufwandsentschädigung stehen die dem Kläger erwachsenen Reisekosten nicht in einem im Sinne des § 3 c EStG unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang.
§ 3 c EStG bestimmt, das Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Werbungskosten abgezogen werden dürfen. Die Vorschrift des § 3 c EStG dient der Vermeidung einer doppelten Begünstigung von Steuerpflichtigen durch die steuerliche Freistellung von Bezügen einerseits und dem Abzug von Werbungskosten andererseits ( Urteil des BFH vom 9. Juni 1989 VI R 33/86 , BFHE 157, 526 , BStBl II 1990, 119 [BFH 09.06.1989 - VI R 33/86] ). Die Anwendung des § 3 c EStG setzt auch eine kon-krete Zuordnenbarkeit von Bezügen und Aufwendungen voraus, die im Einzelfall zu prüfen ist ( Urteile des BFH vom 11. Februar 1993 VI R 66/91 , BFHE 170, 392 , BStBl II 1993, 450 , 451 [BFH 11.02.1993 - VI R 66/91] m.w.N., und vom 4. März 1977 VI R 213/75, BFHE 122, 265 , BStBl II 1977, 507 [BFH 04.03.1977 - VI R 213/75] ). Ein Zusammenhang im Sinne des § 3 c EStG liegt vor, wenn Einnahmen und Ausgaben durch dasselbe Ereignis veranlasst sind ( Urteile des BFH vom 11. Oktober 1989 I R 208/85 , BFHE 158, 388 , BStBl II 1990, 88 [BFH 11.10.1989 - I R 208/85] , [BFH 11.10.1989 - I R 208/85] und vom 18. Juli 1990 I R 72/86, BFHE 161, 132 , BStBl II 1990, 926 [BFH 18.07.1990 - I R 72/86] ). Eine Veranlassung durch dasselbe Ereignis ist dann zu bejahen, wenn steuerfreie Einnahmen dazu bestimmt sind, Aufwendungen zu ersetzen, die mit Einkünften im Sinne des § 2 EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dementsprechend stellt der BFH in ständiger Rechtsprechung darauf ab, ob und inwieweit durch die Erstattung Werbungskosten ausgeglichen werden sollen (vgl. Urteil des BFH vom 27. April 1993 IX R 26/92 , BFHE 171, 443 , BStBl II 1993, 784 , 785 [BFH 27.04.1993 - IX R 26/92] m.w.N.). Die Antwort auf die Frage, wofür eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird, ist dem jeweiligen Bundes- oder Landesgesetz zu entnehmen, in welchem die Zahlung der betreffenden Aufwandsentschädigung vorgesehen ist ( Urteil des BFH vom 9. Juni 1989 VI R 33/86 , BFHE 157, 526 , BStBl II 1990, 119 , 120 [BFH 09.06.1989 - VI R 33/86]). Handelt es sich bei der die Aufwandsentschädigung regelnden Vorschrift um Landesrecht ( § 562 der Zivilprozessordnung - ZPO - in Verbindung mit § 155 FGO ), obliegt die - insoweit tatsächliche - Feststellung von Bestand und Inhalt der Regelung allein dem Finanzgericht und ist sie insoweit vom BFH nicht überprüfbar ( Urteil des BFH vom 9. Juni 1989 VI R 27/88 , BFHE 157, 535 , BStBl II 1990, 123 , 125 f. [BFH 09.06.1989 - VI R 27/88][BFH 09.06.1989 - VI R 27/88]).
Die danach - für die Zeit bis 30. Juni 1991 - auf den MF-Erlass 1990 und - für die Zeit ab 1. Juli 1991 - auf den Gem.Rd.Erlass 1991 (jeweils i.V. mit § 5 NBesG und dem HG 1991) abzustellende Prüfung ergibt keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwandsentschädigung mit den dem Kläger erwachsenen Reisekosten im Sinne des § 3 c EStG .
Der sachliche Grund für die Gewährung der steuerfreien Aufwandsentschädigung an niedersächsische Landesbedienstete wird in (Nr. 1 des MF-Erlasses 1990 und) Nr. 8.1 des Gem. RdErlass 1991 wie folgt beschrieben:
"..... Landesbedienstete, die im Wege einer Abordnung oder durch Zuweisung einer Tätigkeit nach tariflichen Vorschriften mehr als vier Wochen Verwaltungshilfe in den neuen Bundesländern leisten, erhalten wegen der mit dem Aufenthalt einstweilen noch verbundenen besonderen Aufwendungen neben ihren Bezügen eine pauschalierte monatliche Aufwandsentschädigung....".
Welche besonderen Aufwendungen mit der Pauschale abgegolten werden sollen, sagen die Erlasse nicht. In Nr. 2.3 des MF-Erlasses 1990 und Nr. 8.4 des Gem.RdErlasses. 1991 wird lediglich bestimmt, dass die reisekostenrechtlichen Leistungen, wozu auch Trennungsreisegelder gehören, unberührt bleiben. Die pauschalierte monatliche Aufwandsentscheidung wird also neben den üblichen Reisekostenvergütungen steuerfrei ( § 3 Nr. 12 EStG ) gewährt.
Für die Entscheidung, ob zwischen den dem Kläger erwachsenen Reisekosten und der ihm gezahlten pauschalierten monatlichen Aufwandsentschädigung ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 3 c EStG besteht, ist danach die Auslegung der Worte "besondere Aufwendungen" entscheidend. Nach dem Wortlaut sollte die Aufwandsentschädigung (wie bei der vom BVerfG geprüften Bundes-Regelung) wegen der mit dem Aufenthalt im Beitrittsgebiet verbundenen besonderen Aufwendungen neben der unverändert weiter zu zahlenden Besoldung oder Vergütung pauschaliert monatlich gezahlt werden. Danach sollte die Aufwandsentschädigung nicht die hier beim Kläger angefallenen üblichen Reisekosten, sondern die darüber hinausgehenden durch den Einsatz im Beitrittsgebiet entstehenden besonderen Aufwendungen ausgleichen. Dem jeweiligen Bediensteten sollten also nicht nur wirklich entstehende - übliche - Abordnungs-Aufwendungen ersetzt werden. Vielmehr sollte unabhängig davon, ob ihm tatsächlich materielle Kosten entstehen, ein zusätzlicher monatlicher Pauschal-Betrag für die beson-deren Erschwernisse im Beitrittsgebiet gezahlt werden. Nur diese Auslegung ist mit dem Wortlaut und der Zweckbestimmung der Landesregelung vereinbar. Dem Bediensteten sollte also ein finanzielles "Mehr" gezahlt und nicht nur tatsächlich entstehende Kosten ausgeglichen werden. Nur dann bestand für Bedienstete und damit auch den Kläger ein echter finanzieller Anreiz für die Tätigkeit bei Finanzamt ... im Beitrittsgebiet (vgl. BVerfG-Beschluss 2 BvL 10/95 , a.a.O., 294 - rechte Spalte oben -). Folglich kommen als besondere Aufwendungen im Sinne der vorstehenden Landesregelung auch nur die vom Kläger beispielhaft aufgeführten zusätzlichen Erschwernisse wie Überstunden, schlechteren Arbeitsbedingungen etc., in Betracht. Danach ist im Streitfall ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten und der ihm gewährten Aufwandsentschädigung von 3. 061 DM zu verneinen (Im Ergebnis ebenso: Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 22. September 1999 5 K 4228/99, EFG 2000, 6 ; anderer Ansicht vor Ergehen der BVerfG-Entscheidung 2 BvL 10/95: Urteile des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13. Januar 1993 VII 460/92, EFG 1993, 572 , des Finanzgerichts Nürnberg vom 25. Januar 1994 I 128/93, EFG 1994, 747 , und des Finanzgerichts Sachsen vom 8. Juni 1995 II 55/94, EFG 1996, 18 ).Die dem Kläger erwachsenen - üblichen - Reisekosten standen vielmehr in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erbringung der seinem Arbeitgeber - allgemein - arbeitstäglich geschuldeten Dienstleistung - hier aufgrund der Abordnung in ... - und den dafür erzielten - steuerpflichtigen regelmäßigen - monatlichen Dienstbezügen. Dieser unmittelbare Bezug zu den - allgemeinen - Dienstbezügen hat Vorrang und verdrängt hier den Zusammenhang mit der andere - zusätzliche - Erschwernisse betreffenden Aufwandsentschädigung. Im Sinne des § 3 c EStG standen also die dem Kläger erwachsenen - üblichen - Reisekosten allein in einem Ursachenverhältnis mit der gleichzeitig unverändert weiter gezahlten - steuerpflichtigen - Besoldung.
Da sich Art und Zweck einer Aufwandsentschädigung allein aus der zugrundeliegenden Regelung (zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung) - hier also letztlich aus den vorstehenden beiden Erlassen - ergeben, ist schon deshalb die in dem weiteren vom FA angeführten Erlass vom 21. Mai 1991, a.a.O., dargelegte - und wiederum nicht eindeutige - Verwaltungs-Rechtsauffassung für die Auslegung der hier entscheidenden beiden Erlasse unerheblich und für das Gericht nicht verbindlich. Hinzu tritt, dass bei der Auslegung der Regelung zur Zahlung der Aufwandsentschädigung auf den von dem davon betroffenen Bediensteten erkennbaren - objektivierten - Inhalt abzustellen ist und deshalb - auch aus Gründen des Vertrauensschutzes - nur der veröffentlichte Text maßgeblich sein kann. Im Gegensatz zu den vorstehenden beiden Erlassen ist der weitere Erlass vom 21. Mai 1991 - soweit ersichtlich - aber nur in der verwaltungsinternen LSt-Kartei der OFD Hannover und nicht wie die anderen beiden Erlasse auch im Nds. MBl. bekannt gegeben worden.
Abgesehen davon, dass nur bei vorstehender Auslegung die Regelung zur Zahlung der Aufwandsentschädigung einen wirklichen Anreiz zur Tätigkeit im Beitrittsgebiet bot, hätte das gegenteilige Ergebnis auch zu einer weiteren Ungleichbehandlung geführt. Da die Aufwandsentschädigung unstreitig unabhängig von wirklich angefallenen Aufwendungen gezahlt wurde, hätte sie bei praktizierter Verrechnung von Aufwand und Entschädigung jene Bediensteten begünstigt, denen keine oder nur geringe - übliche - Aufwendungen entstanden waren.
Danach ergibt sich ein zu versteuerndes Einkommen von (42. 380 DM ./. 3. 061 DM =) 39. 319 DM und nach der Splittingtabelle eine Einkommensteuer von 5. 740 DM.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO .
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO .