Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 19.12.1995, Az.: 5 U 127/95

Überwachungspflichten nach einer Lokalanästhesie zur Vorbereitung eines Trommelfellschnittes; Narkosemittel als Ursache für einen eingetretenen Kreislaufkollaps

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.12.1995
Aktenzeichen
5 U 127/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 29098
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:1219.5U127.95.0A

Amtlicher Leitsatz

Zu den Überwachungspflichten nach einer Lokalanästhesie zur Vorbereitung eines Trommelfellschnittes.

Gründe

1

Die Klägerin hat den Beweis nicht erbringen können, dass dem Beklagten Unzulänglichkeiten bei der Vorbereitung des beabsichtigten Trommelfellschnittes einschließlich der gebotenen Überwachung und Aufklärung unterlaufen sind. Das geht zu ihren Lasten; insoweit ist die Patientenseite beweisbelastet.

2

Der Sachverständige Prof. Dr. hat bei seiner mündlichen Anhörung sachkundig und überzeugend noch einmal die Grundlagen und Ergebnisse seines schriftlichen Gutachtens bestätigt. Danach bildet das verwandte Narkosemittel "mit Sicherheit" keine Ursache für den eingetretenen Kreislaufkollaps. Das gilt auch unter Berücksichtigung der vorgetragenen Vorerkrankungen und der Art und Weise seiner Anwendung. Dem entsprechend schuldet ein Arzt insoweit auch keine besondere Lagerung oder Aufklärung. Das Vorgehen des Beklagten entspricht dem, wie in der Regel in HNO-Praxen verfahren wird, und hält damit den geschuldeten fachärztlichen Behandlungsstandard ein.

3

Das gilt auch für den Vorwurf der Klägerin, der Beklagte habe in ihrem Fall gebotene besondere Überwachungspflichten verletzt. Der Sachverständige hat hierzu zwar dargelegt, dass jede Berührung im Gehörgang - also auch die beim Auftragen eines Oberflächenanästhetikums mittels eines Wattebausches - in ganz seltenen Fällen zu einer Vagusreizung mit anschließendem Kreislaufkollaps führen kann, was bei geschwächten Patienten mit angegriffenem Kreislauf ggfls. eher eintreten kann. Ein dadurch bedingtes Kollabieren kommt - wenn es denn einmal stattfindet - grundsätzlich im unmittelbaren Anschluss an die Reizung vor, nicht aber - wie bei der Klägerin - 5 Minuten später. Dass der Beklagte Anzeichen für die Möglichkeit eines Kreislaufkollapses - wie Blasswerden, Verlangsamen der Pulsfrequenz und ähnl. - übersehen hätten, die Anlass zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen und intensiverer Überwachung gegeben hätte, ist nicht dargetan. Auch hat die Klägerin keinen Beweis für ihre Behauptung antreten können, der Beklagte habe sofort nach der Verabreichung des Narkotikums den Behandlungsraum verlassen. Muss aber eine Verweildauer von ein bis zwei Minuten zugrunde gelegt werden, können dem Beklagten sicher keinerlei Überwachungsdefizite zur Last gelegt werden, zumal er durch die Tür die Klägerin jederzeit hätte hören können.

4

Nach alledem ist der Unfall auf die Verkettung äußerst seltener Umstände zurückzuführen, die außerhalb der Verantwortung des behandelnden Arztes liegen.