Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 23.06.2006, Az.: 12 UF 282/05

Anspruch auf Ausbildungsunterhalt für eine Ausbildung zur Kinderpflegerin; Vorliegen einer einheitlichen Ausbildung im Ausbildungsgang Realschulabschluss, Lehre, Fachoberschule und Fachhochschule

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.06.2006
Aktenzeichen
12 UF 282/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 35734
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:0623.12UF282.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bückeburg - 25.11.2005 - AZ: 51 F 124/05

Fundstellen

  • FamRB 2007, 326 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • FamRZ 2007, 929 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2007, 641-642

In der Familiensache
...
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bückeburg vom 25. November 2005 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin folgenden Unterhalt zu zahlen:

Für August 2005 286,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. September 2005,

für die Zeit von September 2005 bis Dezember 2005 monatlich 5,00 EUR und

ab Januar 2006 monatlich 238,00 EUR.

Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Klägerin 64/100 und der Beklagte 36/100 zu tragen.

Die Kosten der Berufung fallen zu 39/100 der Klägerin und zu 61/100 dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gemäß §§ 1601, 1603, 1610 Abs. 2 BGB.

2

Der Besuch der Fachoberschule Sozialwesen in ... ab August 2005 stellt sich nicht als eine Zweitausbildung dar, sondern ist vielmehr als Teil einer einheitlichen Ausbildung im Ausbildungsgang Realschulabschluss, Lehre, Fachoberschule und Fachhochschule anzusehen.

3

Der inhaltliche und zeitliche Zusammenhang der Ausbildung ist gewahrt. Zwar hat die Klägerin nach dem Realschulabschluss 2001 eine Ausbildung zur Physiotherapeutin begonnen und nach einem Jahr abgebrochen, weil sie nicht den Neigungen und Interessen der Klägerin entsprochen hat. Dies bleibt aber unterhaltsrechtlich ohne Auswirkung, weil der Klägerin eine berufliche Orientierung zuzubilligen war.

4

Im Sommer/Herbst 2002 hat die Klägerin eine Ausbildung zur Kinderpflegerin begonnen und am 7. Juli 2004 mit dem Abschluss als staatlich geprüfte Kinderpflegerin beendet. Der geplante Besuch der Fachoberschule in ... war ihr nicht sogleich möglich, weil die Bewerbungsfrist bereits im März 2004 abgelaufen war. Seit dem 25. August 2005 ist sie nun Schülerin der Fachoberschule in ..., um nach dem Abitur Sozialpädagogik zu studieren.

5

Der nach der Rechtsprechung des BGH erforderliche Wille zur einheitlichen Ausbildung (BGH FamRZ 1991, 321 [BGH 10.10.1990 - XII ZR 111/89]) war auf Seiten der Klägerin bei Beginn des ersten Ausbildungsabschnittes (Ausbildung zur Kinderpflegerin) vorhanden und ist von der Klägerin bereits im Jahre 2001 ihrer Mutter gegenüber geäußert worden.

6

Hiervon ist der Senat durch die Aussage der Mutter der Klägerin, der Zeugin ..., in der Sitzung vom 24. Mai 2006 überzeugt. Die Zeugin ... hat ausgesagt, dass die Klägerin ihr, der Zeugin, und ihrer älteren Tochter erklärt habe, dass sie auch studieren wolle. Für den Fall, dass sie das Studium nicht schaffen sollte, habe sie erst eine Lehre machen wollen, damit "sie etwas in der Hand habe".

7

Die Klägerin habe "etwas Soziales" studieren wollen und "etwas mit Kindern" machen wollen. Einer entsprechenden Willensäußerung gegenüber dem Beklagten bedurfte es nicht (vgl. BGH a.a.O.).

8

Es kann - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht festgestellt werden, dass die Klägerin für den vorgesehenen Ausbildungsgang nicht geeignet ist. Zwar befürchtet sie selbst, dass sie wegen unzureichender Leistungen das laufende Schuljahr wiederholen muss. Abgesehen davon, dass die Klägerin nach ihren Angaben durch ihre angespannte finanzielle Situation in ihrer schulischen Leistungsfähigkeit möglicherweise tatsächlich beeinträchtigt gewesen ist, würde eine einmalige Wiederholung eines Schuljahres nicht ausreichen, um die Ungeeignetheit der Klägerin für den Ausbildungsgang annehmen zu können.

9

Der Bedarf der Klägerin als volljähriges nicht bei einem Elternteil wohnendes Kind beträgt nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Senate des Oberlandesgerichts Celle 640,00 EUR. Der Bedarf ist durchgehend durch das Kindergeld in Höhe von monatlich 154,00 EUR gedeckt gewesen, so dass für August 2005 ein Restbedarf von 486,00 EUR bestanden hat.

10

In der Zeit von September 2005 bis Dezember 2005 ist der Bedarf der Klägerin weiter durch eine Bafög-Zahlung von monatlich 481,00 EUR reduziert worden, so dass sich für diesen Zeitraum ein ungedeckter Bedarf von monatlich 5,00 EUR ergibt.

11

Ab Januar 2006 bezieht die Klägerin nur noch Bafög-Leistungen von monatlich 248,00 EUR, so dass sich ihr ungedeckter Bedarf ab diesem Zeitpunkt auf monatlich 238,00 EUR beläuft (486,00 EUR - 248,00 EUR).

12

Für diesen Unterhaltsbedarf haften die Eltern grundsätzlich anteilig, § 1606 Abs. 3 BGB. Die Mutter der Klägerin ist allerdings unstreitig hierzu nicht in der Lage.

13

Der Beklagte ist hingegen leistungsfähig.

14

Nach der Verdienstabrechnung für Dezember 2005 hat der Beklagte ein Jahresnettoeinkommen von 18.150,31 EUR erzielt. Hinzuzuziehen ist das im Zeitraum vom 27. Oktober 2005 bis 21. November 2005 als Lohnersatzleistung bezogene Krankengeld in Höhe von 1.247,48 EUR. Damit ergibt sich ein Gesamteinkommen von 19.397,79 EUR bzw. monatlich durchschnittlich 1.616,48 EUR. Abzuziehen sind 11,16 EUR monatlich für Betriebskasse und Arbeitskleidung (48,00 EUR + 85,92 EUR = 133,92 EUR : 12) und Fahrtkosten von 132,00 EUR (12 km x 2 x 0,30 EUR x 220 Tage : 12 Monate). Danach bleibt ein Einkommen von 1.473,32 EUR übrig.

15

Es kann letztlich dahinstehen, ob die von dem Beklagten geleistete Schuldentilgung für Euler Hermes unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Selbst wenn die im Jahre 2005 für zehn Monate geleisteten Zahlungen von je 100,00 EUR, insgesamt also 1.000,00 EUR, mithin in Höhe eines durchschnittlichen Betrages von 83,33 EUR abgezogen werden, bleiben noch 1.389,99 EUR übrig, so dass unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 1.100,00 EUR eine Leistungsfähigkeit von monatlich 289,99 EUR besteht. Damit ist nicht nur Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Zeit ab September 2005 gegeben, sondern auch für den Monat August 2005. Insoweit ist der Beklagte zur Zahlung von 286,42 EUR verurteilt und das Urteil seitens der Klägerin nicht angegriffen worden.

16

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, zur Rückzahlung privater Schulden bei seiner Lebensgefährtin monatlich 606,00 EUR zu zahlen, kann hieraus nicht auf eine Verminderung seiner Leistungsfähigkeit geschlossen werden. Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich nicht, wann das Darlehen aufgenommen worden ist und ob der mit dem Darlehen finanzierte Kauf eines Pkw erforderlich war. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die monatliche Rate von 606,00 EUR für den angeblich geschuldeten Betrag von 7.771,27 EUR übersetzt ist. Schließlich war zu berücksichtigen, dass durch die berücksichtigten Fahrtkosten bereits der Finanzierungsaufwand für das Fahrzeug abgedeckt ist.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

18

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.