Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.06.2006, Az.: 4 W 103/06
Antragserfordernis für die Zwangsmittelfestsetzung nach § 888 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung); Schutzwürdiges Interesse an einer wiederholten Zwangsgeldfestsetzung nach erfolgter Vollstreckung eines zuvor angeordneten Zwangsgeldes; Anforderung an eine lediglich auf den Ausgangsbescheid Bezug nehmende Nichtabhilfeentscheidung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.06.2006
- Aktenzeichen
- 4 W 103/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 19072
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:0626.4W103.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 02.05.2006 - AZ: 12 O 147/05
Rechtsgrundlagen
- § 3 ZPO
- § 91 Abs. 1 ZPO
- § 793 Abs. 1 ZPO
- § 567 Abs. 1 ZPO
- § 569 ZPO
- § 574 ZPO
- § 888 Abs. 1 ZPO
- § 891 ZPO
- § 133 BGB
- § 157 BGB
- § 242 BGB
- § 21 GKG
Fundstellen
- FamRZ 2006, 1689-1690 (Volltext mit amtl. LS)
- InVo 2006, 438-439 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2006, 848-849
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Gem. § 888 Abs. 1 ZPO ist eine Zwangsmittelfestsetzung nur auf Antrag des Gläubigers vorzunehmen, die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Amts wegen ist in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen.
- 2.
Ein schutzwürdiges Interesse an einer wiederholten Zwangsmittelfestsetzung ist nur dann gegeben, wenn das zuvor angeordnete Zwangsgeld vollstreckt ist.
- 3.
Eine Nichtabhilfeentscheidung, die lediglich auf die Ausgangsentscheidung Bezug nimmt, kann nur dann ihrem Sinn und Zweck gerecht werden, wenn die Beschwerde keine neue Begründung enthält oder in der angefochtenen Entscheidung schon auf sämtliche tragenden Gesichtspunkte eingegangen worden ist, mit denen das Rechtsmittel anschließend begründet wird.
In der Beschwerdesache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Richter am Oberlandesgericht P. als Einzelrichter
auf die am 31. Mai 2006 eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 30.
Mai 2006
gegen den am 26. Mai 2006 zugestellten Beschluss des Einzelrichters der 12. Zivilkammer
des Landgerichts Hannover vom 2. Mai 2006
am 26. Juni 2006
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird zu Ziffern 1 und 2 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Gläubiger.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 300 EUR.
Gründe
Die gemäß §§ 793 Abs. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat auch in der Sache Erfolg.
Das Landgericht hat zu Unrecht mit Beschluss vom 2. Mai 2006 Zwangsmittel gegen die Schuldnerin festgesetzt. Die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen lagen nicht vor. Der Gläubiger hat keine - weitere - Zwangsmittelfestsetzung beantragt.
Gem. § 888 Abs. 1 ZPO ist eine Zwangsmittelfestsetzung nur auf Antrag des Gläubigers vorzunehmen. Eine Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Amts wegen ist in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen, weil die Zwangsvollstreckung allein der Durchsetzung von Gläubigerinteressen dient.
Der ursprüngliche Antrag des Gläubigers auf Zwangsgeldfestsetzung vom 1. August 2005 ist durch Beschluss des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. November 2005 erledigt worden, in dem ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR und ersatzweise Zwangshaft gegen die Schuldnerin festgesetzt worden sind, um diese zur Erfüllung der titulierten Auskunftsverpflichtung anzuhalten. Das Landgericht hat dem Gläubiger unter dem 8. Dezember 2005 eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses erteilt. Eine nochmalige Zwangsgeldfestsetzung aufgrund dieses Antrags scheidet aus.
Zwangsgeld kann zwar auch wiederholt festgesetzt werden (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 888 Rz. 8). Für eine wiederholte Zwangsgeldfestsetzung ist aber in jedem Fall ein neuer Antrag erforderlich (Steiner/Theede, Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen, 8. Aufl., 6. Kap. Rz. 35 und 65). Einer solcher Antrag fehlt vorliegend.
Zwar hat der Gläubiger im weiteren Verlauf des Verfahrens auf Nachfrage des Einzelrichters vom 14. Februar 2006 mit Schriftsatz vom 2. März 2006 mitgeteilt, dass nach seiner Ansicht die Auskunft noch nicht vollständig erteilt sei. Einen weiteren Antrag auf erneute Zwangsgeldfestsetzung hat der Gläubiger jedoch weder ausdrücklich noch konkludent gestellt.
Insbesondere kann ein solcher Antrag dem Schriftsatz des Gläubigers vom 2. März 2006 auch nicht im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157, 242 BGB entnommen werden. Dies folgt bereits aus der Tatsache, dass dem Antrag auf erneute Festsetzung eines Zwangsgeldes das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Ein schutzwürdiges Interesse an einer wiederholten Zwangsmittelfestsetzung ist nämlich nur dann gegeben, wenn das zuvor angeordnete Zwangsgeld vollstreckt ist (OLG Celle MDR 2005, 768f. [OLG Celle 25.02.2005 - 10 WF 58/05]; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 180 [OLG Brandenburg 13.06.1997 - 10 WF 37/96]; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 1274 [OLG Karlsruhe 11.08.1993 - 16 WF 24/93]; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 888 Rz. 8; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 888 Rz. 12; Heidelberger Kommentar zur ZPO-Pukall, 1. Aufl., § 888 Rz. 13; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, Bd. 8, 22. Aufl., § 888 Rz. 23). Dies ergibt aus dem Charakter des Zwangsgeldes als Beugemittel.
Zur Vollstreckung des Zwangsgeldes fehlt im Schriftsatz vom 2. März 2006 jeglicher Vortrag, so dass nicht anzunehmen ist, dass dieser Schriftsatz einen Antrag auf Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes enthalten sollte. Es ist nicht einmal festzustellen, dass das früher festgesetzte Zwangsgeld überhaupt schon vollstreckt worden ist. Einen von vorn herein erfolglosen Antrag zu stellen, kann nicht dem mutmaßlichen Willen des Gläubigers entsprochen haben.
Der Gläubiger wollte in dem Schriftsatz ersichtlich auch nur die Anfrage des Gerichts vom 14. Februar 2006 beantworten, welche Auskünfte ihm noch fehlten. Sein Begehren war nicht auf die Einleitung einer weiteren Vollstreckungsmaßnahme gerichtet.
Auf den im Schriftsatz vom 9. Januar 2006 und der Beschwerdeschrift vom 31. Mai 2006 geltend gemachten Erfüllungseinwand des Schuldners, mit dem sich das Landgericht weder in dem angefochtenen Beschluss noch in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 1. Juni 2006 auseinandergesetzt hat, kommt es wegen anderweitiger Rechtswidrigkeit der Zwangsvollstreckungsmaßnahme für dieses Verfahren deshalb letztlich nicht an. Der Senat weist aber vorsorglich darauf hin, dass der Beschluss vom2. Mai 2006, der praktisch keine Begründung enthält auch aufzuheben gewesen wäre, weil der Einzelrichter sich mit dem Einwand der Schuldnerin, die geforderten Auskünfte gegeben zu haben, nicht auseinander gesetzt hat. Obwohl die Schuldnerin in der Beschwerde vom 30. Mai 2006 ausdrücklich auf ihre schon am 9. Januar 2006 erteilte Auskunft (Bl. 75 d. A.) Bezug genommen hat, ist der Einzelrichter hierauf auch in dem Nichtabhilfebeschluss vom 1. Juni 2006. der lediglich die floskelhafte Begründung enthält, die Gründe des Beschlusses vom 2. Mai 2006, der allerdings gar keine Begründung enthält, träfen auch gegenüber dem Beschwerdevorbringen zu, nicht eingegangen. Auch dies hätte zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts führen müssen, da eine Nichtabhilfeentscheidung, die lediglich auf die Ausgangsentscheidung Bezug nimmt, nur dann ihrem Sinn und Zweck gerecht wird, wenn die Beschwerde keine neue Begründung enthält oder in der angefochtenen Entscheidung schon auf sämtliche tragenden Gesichtspunkte eingegangen worden ist, mit denen das Rechtsmittel begründet ist. Beides ist hier nicht der Fall. Der Einzelrichter hat neben dem Nichteingehen auf die Erforderlichkeit eines Antrags für die Zwangsgeldfestsetzung und die Vollstreckung des bereits festgesetzten Zwangsgeldes - an keiner Stelle zu erkennen gegeben, warum er trotz der bereits erteilten Auskunft weiter die Verhängung eines - erneuten - Zwangsgeldes für erforderlich hält.
Der Beschluss war nur zu Ziffer 3 (Gegenstandswert für das Vollstreckungsverfahren) nicht aufzuheben.
Die Auslegung der Beschwerdeschrift vom 30. Mai 2006 ergibt, dass die landgerichtliche Festsetzung des Gegenstandswertes nicht angefochten werden soll. Diesbezüglich wurden Einwände gegen die Entscheidung nicht vorgebracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten waren nach dem formellen Erfolgsprinzip dem unterlegenen Gläubiger aufzuerlegen. Die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nach § 21 GKG kommt nicht mehr in Betracht, nachdem der Gläubiger sich mit Schriftsatz vom 6. Juni 2006 hinter die Entscheidung des Landgerichts gestellt und deren Aufrechterhaltung begehrt hat.
Die Sache war weder gemäß § 568 Satz 2 ZPO dem Senat in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zu übertragen noch war die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Der Beschwerdewert war gemäß § 3 ZPO zu schätzen, wobei das Interesse der Schuldnerin und Beschwerdeführerin die Handlung nicht ausführen zu müssen maßgeblich ist (Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Bd. I, 3. Aufl., § 888 ZPO Rz. 50). Auf die Höhe des verhängten Zwangsgeldes kommt es indessen nicht an, weil es weder dem Gläubiger noch der Schuldnerin darum geht, dass das Zwangsgeld gezahlt wird, sondern allein darum, ob die geforderte Maßnahme durchzusetzen ist. Das Zwangsgeld ist lediglich Mittel zum Zweck (OLG Braunschweig JurBüro 1977, 1148). Aufgrund des mit der Auskunftserteilung verbundenen Zeit und Kostenaufwands bemisst der Senat den Streitwert des Beschwerdeverfahrens auf 300 EUR.
Streitwertbeschluss:
Wert des Beschwerdeverfahrens: 300 EUR.