Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 23.04.2013, Az.: 1 A 5065/12

Beleuchtung; Erschließung; Fußweg; Radweg; Straßenbaulast; öffentliche Einrichtung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
23.04.2013
Aktenzeichen
1 A 5065/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64238
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Wenn eine Gemeinde ihre Straßenausbaubeitragssatzung auf „ihre“ Straßen beschränkt, kann sie für die Erneuerung der Beleuchtung keine Beiträge erheben, wenn kein Bestandteil der Straße in ihrer Baulast steht.

Tenor:

Der Betragsbescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2012 wird aufgehoben.

Die Gerichtskosten tragen die Beklagte und der Kläger zu 2) je zur Hälfte.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) trägt die Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt der Kläger zu 2) zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1. ist Eigentümerin des Hausgrundstücks … in … (Flurstück …, Flur … , Gemarkung …). Der Kläger zu 2. ist ihr Ehemann.

Die Straße … ist Teil einer Kreisstraße (K …). Ausgehend von der Kreuzung mit der Bundesstraße … bis ca. 200 nördlich der … Straße ist die beidseitige Bebauung von Innenbereichssatzungen erfasst. Für Teilstrecken bestehen auch Bebauungspläne. An der Ostseite der Fahrbahn verläuft – durch einen Grünstreifen getrennt - ein kombinierter Geh- und Radweg.

Die beklagte Gemeinde beschloss, die Straßenbeleuchtung bis zum … zu erneuern. Insgesamt wurden 80 Lampen in dem Grünstreifen zwischen Fahrbahn und Rad- und Gehweg mit Haupstrahlrichtung zur Fahrbahn aufgestellt. Der Aufwand wurde mit 135.167,77 € ermittelt. Nach Abzug des Gemeindeanteils von 50 % wurden die verbliebenen Kosten aufgrund der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten nach den Anteilssätzen für öffentliche Einrichtungen mit starkem innerörtlichen Verkehr auf die bevorteilten Grundstücke verteilt. Mit Bescheid vom 23. Oktober 2012 zog die Beklagte die Klägerin zu 1. zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 482,41 € heran.

Am 23. November 2012 haben die Klägerin zu 1. und ihr Ehemann, der Kläger zu 2., Klage gegen den Beitragsbescheid erhoben. Sie machen geltend, auch der Kläger zu 2. sei nach dem Inhalt des Beitragsbescheides Beitragsschuldner. Die Beitragserhebung sei rechtswidrig. Die Beklagte habe keine Beitragshoheit für die Erhebung von Ausbaubeiträgen für die Verbesserung der Beleuchtung, weil die Straße einschließlich des Geh- und Radweges eine Kreisstraße sei. Die Straßenausbaubeitragssatzung biete jedoch nur Rechtsgrundlage für die Erhebung von Ausbaumaßnahmen an Gemeindestraßen.

Die Kläger beantragen,

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihrer Ansicht nach ist die Frage der Straßenbaulast für die Errichtung und Verbesserung der Straßenbeleuchtung ohne Belang. Die Beleuchtung sei eine gemeindliche Einrichtung, deren Verbesserung Beitragspflichten auslöse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage des Klägers zu1. ist unzulässig. Trotz der unglücklich formulierten Anrede im angefochtenen Beitragsbescheid ist er nicht Adressat des Bescheides und damit auch nicht beschwert. Der Beitragsbescheid ist adressiert an „Herr/Frau …“. Damit ist eindeutig die Klägerin zu 1. bezeichnet. Auch die Anrede „Sehr geehrter Herr/Frau/Eheleute …“ kann nicht den begründeten Anschein erwecken, dass abweichend von der Namensangabe im Anschriftenfeld zusätzlich der nicht namentlich bezeichnete Kläger zu 2. Beitragsschuldner sein sollte. Die vermeidbar fehlerhafte Serienbriefverwaltung kann eine Inanspruchnahme des Klägers zu 2. als Beitragspflichtiger und damit eine zur Klage berechtigende Beschwer nicht begründen.

Die Klage der Klägerin zu 2. ist zulässig und auch begründet. Der Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin zu 2. in ihren Rechten. Die Beklagte hat keine Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Kosten für die Verbesserung der Straßenbeleuchtung an der Straße „…“.

Die Gemeinden können gem. § 6 Abs. 1 NKAG zur Deckung ihres Aufwandes für die Verbesserung ihrer öffentlichen Anlagen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung besondere wirtschaftliche Vorteile bietet. Auf dieser Rechtsgrundlage hat die Beklagte ihre Straßenausbaubeitragssatzung vom 23. Oktober 2001 – SABS - erlassen. Gegenstand der Abgabensatzung ist nach § 1 Abs. 1 die Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung „ihrer öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (öffentliche Einrichtungen)“. Mit dieser Anwendungsbestimmung, zu der die Beklagte im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung berechtigt ist, hat sie den Beitragsgegenstand einerseits über die beitragspflichtigen Verkehrsanlagen des Erschließungsbeitragsrechts hinaus ausgedehnt, indem u. a. auch die Außenbereichsstraßen in die Beitragspflicht einbezogen werden. Andererseits sind jedoch die vom Erschließungsbeitragsrecht erfassten Immissionsschutzanlagen (§ 127 Abs. 2 Nr. 5 BauGB) oder Grünanlagen (§ 127 Abs. 2 Nr. 4) nicht Gegenstand der Ausbeitragssatzung.

Beitragspflichtige Straßen, Wege und Plätze können nur die sein, die in der Baulast der Gemeinde stehen. Bei ihrem Ausbau nimmt die Gemeinde eigene Aufgaben wahr, die zur Beitragspflicht führen können, nur dann handelt es sich um „ihre“ öffentliche Einrichtung i. S. § 6 Abs. 1 NKAG (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 10.03.1998 – 9 L 2841/96 – Nds. VBl. 1998, 260; VG Oldenburg, Urt. v. 05.09.2000, 1 A 3027/99; Driehaus, Erschließungs- und Straßenausbaubeiträge, 9. Auflage, § 28 RdNr. 5).

Dass die Fahrbahn der Straße … nicht in der Baulast der beklagten Gemeinde steht und nicht Teil einer Gemeindestraße nach § 47 Nr. 1 NStrG ist, steht außer Streit. Die Straße ist Teilstrecke einer Kreisstraße. Auch innerhalb der Ortsdurchfahrt, die nicht verlässlich ermittelt wurde, besteht keine Baulastpflicht der Beklagten für die Fahrbahn. Aber auch die Nebenanlage, nämlich der Geh- und Radweg steht nicht in der Straßenbaulast der beklagten Gemeinde.

Gehwege in Ortsdurchfahren von Kreisstraßen stehen gem. § 49 NStrG in der Straßenbaulast der Gemeinde. Diese Baulast erfasst aber nicht die kombinierten Geh- und Radwege. (Sauthoff, Straße und Anlieger, Rn. 1222; VG Oldenburg, Urt. v. 05.09.2000, 1 A 3027/99). Beitragsrechtlich sind Fußwege einerseits und gemeinsame Geh- und Radwege andererseits zu unterscheiden (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9 Aufl. § 34 RdNr. 13). Auf einem zusammengefassten Geh- und Radweg sind zwei Benutzungsarten zulässig, die in erhöhter Weise eine gegenseitige Rücksichtnahme gleichermaßen von Fußgängern als auch von Radfahrern verlangen. Kombinierte Geh- und Radwege stehen Radwegen näher als Fußwegen. Regelmäßig wird der Radverkehr an größeren Durchgangsstraßen den Fußgängerverkehr überwiegen, wenn wenig Anlass zur Benutzung durch Fußgänger besteht, der durch die die gleichen Flächen benutzenden Radfahrer weiter reduziert wird (VG Oldenburg, Urt. v. 05.09.2000, 1 A 3027/99).

Auch hier wird der Radverkehr überwiegen. Weil an der Straße fast ausschließlich Wohnhäuser und nur vereinzelt Verkaufsstätten anzutreffen sind, findet Fußgängerverkehr zum Bummeln vor Auslagen oder zur Kommunikation kaum statt. Der Radverkehr überwiegt. Fußgänger werden den Weg nur zum gelegentlichen Besuch in der Nachbarschaft benutzen.

Die verschiedenen Funktionen von Fußweg und gemeinsamen Fuß- und Radweg spiegeln sich in den unterschiedlichen Verkehrszeichen Nr. 239 und 240 (§ 41 StVO v. 16.11.1970 zul. geänd. d. VO v. 01.12.2010, BGBl. I 1737) wider. Ein Fußweg wird durch das Zeichen 239, ein gemeinsamer Fuß- und Radweg durch das Zeichen Nr. 240 angeordnet.

Gesetzlicher Straßenbaulastträger der kombinierten Geh- und Radwege an den Ortsdurchfahrten der klassifizierten Straßen sind nicht die Gemeinden. Die beklagte Gemeinde erfüllt bei Arbeiten an der Fahrbahn oder am Rad- und Gehweg keine eigenen Aufgaben, weil es sich nicht um „ihre“ Straße handelt. Das gilt auch für die Verbesserung der Beleuchtung. Die Beleuchtung einer Straße ist beitragsrechtlich von Relevanz, wenn sie eine dienende Funktion für eine Gemeindestraße hat. Nur für Maßnahmen, die in Erfüllung der Straßenbaulast der Gemeinde durchgeführt werden, kann eine Ausbaubeitragspflicht entstehen. Denn die Aufwendungen müssen für „ihre“ Straßen entstanden sein. Die Gemeinde ist nicht befugt, Aufwendungen für Baumaßnahmen an Straßen oder Straßenteilen, die nicht in ihrer Straßenbaulast stehen, durch die Straßenausbaubeitragssatzung auf bevorteilten Grundstücke umzulegen.

Der Vorteil als Begründung für die Beitragserhebung liegt darin, dass die Straße von dem Grundstück aus gefahrloser und bequemer benutzt werden kann (Nds. OVG, Beschl. v. 17.02.2009,9 PA 299/08 Vnb). Wenn der Vorteil in der Benutzung der Straße liegt, muss die Beitragserhebung an die Berechtigung zur Nutzung der Straße als Möglichkeit der Inanspruchnahme anknüpfen. Bei Straßen, die nicht in der Baulast der Gemeinde stehen, kann die Gemeinde dem Grundeigentümer diesen Vorteil aber nicht verschaffen und auch nicht aufrechterhalten.

Auch wenn die Straßenbeleuchtung eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde ist, wird allein dadurch die Anwendung der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten nicht gerechtfertigt. Zwar werden in ihrem § 1 Abs.1 SABS „öffentliche Einrichtungen“ als beitragsfähige Anlagen aufgeführt. Dies führt indes nicht zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Satzung über die Aufwandsdeckung für „ihre“ Straßen, Wege und Plätze hinaus. Der Klammerzusatz dient der Legaldefinition, die durch die vorangestellten Einrichtungen – Straßen, Wege und Plätze -  bestimmt und begrenzt wird.

Der Anwendungsbereich der Straßenausbaubeitragssatzung kann nicht dahin ausgedehnt werden, dass die Beleuchtung unabhängig von der Straßenbaulast eine öffentliche Aufgabe ist, die die Gemeinde im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts erfüllt. Es ist zwar zutreffend, dass die Straßenbeleuchtung nicht Teil der Straßenbaulast, sondern eigene Aufgabe der Gemeinde ist. Zu den gesetzlich in § 2 Abs. 2 NStrG aufgezählten Straßenbestandteilen gehört die Beleuchtung nicht. Straßenleuchten sind „straßenfremde“ Einrichtungen (Sauthoff, Straße und Anlieger, § 33 Anm. 1696). Die Beleuchtung dient der Verkehrssicherheit, insbesondere des Fußgängerverkehrs. Die Beschränkung auf die Verkehrssicherungspflicht für die Straßen und Wege ist aber zu eng. Die Beleuchtung dient auch der allgemeinen Sicherheit und Ordnung. Sie kann darüber hinaus auch zur Förderung des kulturellen und wirtschaftlichen Gemeindelebens angelegt und ausgestaltet werden, oder auch ganz allgemein dem Ansehen der Gemeinde dienen. (Sauthoff, Straße und Anlieger, Rn. 1695; Kodal-Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 41, Anm. 43; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27.09.1983, 6 A 63/82, DöV 1984, 596). Daraus ist aber für die Anwendung der Straßenausbaubeitragssatzung dann nichts zu gewinnen, wenn Gegenstand der Beitragspflicht nach der Satzung nur die Gemeindestraßen sind, die Baumaßnahmen aber an einer klassifizierten Straße durchgeführt werden.

Auch der Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG zum Erschließungsbeitragsrecht führt hier nicht weiter. Das BVerwG vertrat – auch für die Beleuchtung - die Ansicht, dass die Gemeinde Erschließungsbeiträge nur erheben dürfe, soweit sie die Erschließung in Erfüllung ihrer gesetzlichen Baulast durchführe (BVerwG, Urt. v. 05.09.1975 IV C 2.73, DöV1975, 855; Urt. v. 25.11.1981, 8 C 10/81, NVwZ 1982, 435). Diese Rechtsprechung wurde in der Folgezeit für die Beleuchtung modifiziert (BVerwG, U. v. 15.09.1989, 8 C 4/88, NVwZ 1999, 375). Die Beleuchtung ist nicht Gegenstand der Straßenbaulast, aber der Erschließungslast der Gemeinde gem. § 123 Abs. 1 BauGB. Deshalb ist der zugeordnete Aufwand erschließungsbeitragspflichtig unabhängig von der Straßenbaulast für die Fahrbahn. Diese Ausdehnung der Erschließungsbeitragspflicht des Bundesrechts auch auf Anlagen außerhalb der Straßenbaulast ist jedoch nicht ohne Einschränkung auf das Straßenausbaubeitragsrecht des Landes übertragbar. Von der Erschließungslast der Gemeinden gem. § 123 BauGB sind nicht nur die Beleuchtungseinrichtungen, sondern auch Anlagen zur Ableitung von Abwässern sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser erfasst. Letztere sind auf keinen Fall Gegenstand der Straßenausbaubeitragssatzungen. Nicht alles, was bundesrechtlich zum Erschließungsaufwand gehört, wird Gegenstand gemeindlicher Verbesserungssatzungen sein, wie es z. B. bei den beitragspflichtigen Immissionsschutzmaßnahmen oder Grünanlagen nach § 127 Abs. 2 Nr. 4 und 5 BauGB auf der Hand liegt. Andererseits kann der beitragspflichtige Ausbauaufwand auch über den Erschließungsaufwand für Verkehrsanlagen hinausgehen, wenn es um Außenbereichsstraßen nach § 47 S. 1 Nr. 2 und 3 NStrG geht.

Wenn eine Gemeinde eine Ausbaubeitragssatzung für Maßnahmen an „ihren“ Straßen erlässt, dann sind von dieser Satzung nur die in ihrer Baulast stehenden Straßen oder Straßenteile erfasst. Eine analoge Anwendung über den Wortlaut hinaus scheidet aus, weil dies gegen das Prinzip der Normenklarheit und gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes verstoßen würde.

Ob die Gemeinden für den Ausbau der Beleuchtung entlang von klassifizierten Straßen Beiträge auf Grund einer dafür geschaffenen Satzung erheben könnten, ist hier nicht zu entscheiden, weil eine solche Satzung nicht existiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wird die Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.