Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.07.2008, Az.: 12 W 132/08
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 01.07.2008
- Aktenzeichen
- 12 W 132/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 42946
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2008:0701.12W132.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - 21.04.2008 - AZ: 2 O 305/06
Fundstellen
- JurBüro 2008, 643-644 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- OLGR Oldenburg 2009, 236
In der Beschwerdesache
...
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ...und den Richter am Landgericht ...
am 1. Juli 2008
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 21.04.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich gegen die Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten im Rahmen gewährter Prozesskostenhilfe.
Mit Schriftsatz vom 23.10.2007 hat die Klägervertreterin beantragt, die ihr aufgrund bewilligter Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung auf 1 199,63 € festzusetzen. Durch Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 09.11.2007 hat die Urkundsbeamtin des Landgerichts diesem Antrag lediglich im Umfang 860,79 € entsprochen. Die Kürzung beruhte im wesentlichen darauf, dass die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG-VV um die Hälfte der außergerichtlich angefallenen Verfahrensgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV gekürzt worden war.
Auf die von der Bevollmächtigten des Klägers dagegen eingelegte Erinnerung ist die Entscheidung der Urkundsbeamtin nach Einholung der Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Aurich mit dem angegriffenen Beschluss vom 21.04.2008 geändert worden. Die aus der Landeskasse zu beanspruchende Vergütung wurde auf 838,06 € gekürzt. Zur Begründung führte der Einzelrichter aus, dass die Geschäftsgebühr noch nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO entstanden sei. Gemäß § 118 Abs. 2 S. 1 BRAGO sei diese Gebühr voll auf die gerichtliche Gebühr anzurechnen. Dadurch verringere sich der Vergütungsanspruch auf den zuerkannten Betrag.
Dagegen wendet sich die befristete Beschwerde der Klägervertreterin vom 16.06.2008, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Sie wendet ein, die BRAGO kenne eine Anrechnungsvorschrift nicht. Weiter sei der Kläger wirtschaftlich nicht in der Lage, die Geschäftsgebühr zu bezahlen. Eine Anrechnung dürfe auch aus diesem Grunde nicht erfolgen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 S. 2 RVG durch den Senat.
Die zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 RVG zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Die Zwei-Wochen-Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG wird erst durch die formgerechte Zustellung der Erinnerungsentscheidung in Gang gesetzt (Hartmann, Kostengesetzte, 36. Aufl., § 33 RVG, Rn. 23). Daran fehlt es. Zumindest findet sich ein Zustellungsnachweis nicht in der Gerichtsakte. Die Beschwerde ist damit rechtzeitig erhoben.
2.
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens als zutreffend.
Ein im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt hat Anspruch auf die gesetzliche Vergütung, soweit sich aus §§ 45 ff. RVG keine abweichende Regelung ergibt. Da Prozesskostenhilfe nur für das gerichtliche Verfahren zu bewilligen ist - für eine vorgerichtliche Tätigkeit ist ggf. Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen - kann ein Rechtsanwalt auch nur die Erstattung seiner im gerichtlichen Verfahren entstandenen Gebühren beanspruchen. Bei einer vorgeschalteten außergerichtlichen Tätigkeit vermindert sich jedoch die Verfahrensgebühr durch die Anrechnung der bereits zuvor entstandenen Geschäftsgebühr. Gemäß §§ 45 Abs. 1, 48 RVG ist dementsprechend nur die geminderte Verfahrensgebühr anzusetzen (vergl. Beschluss des OLG Oldenburg vom 12.06.2008, Az. 13 WF 111/08 ).
Hier ergibt sich allerdings die Besonderheit, dass der Anspruch der Klägervertreterin auf eine Geschäftsgebühr aus § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO folgt, während sie sich eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV verdient hat. Diese Konstellation führt jedoch nicht dazu, dass eine Anrechnung gänzlich zu unterbleiben hat. Sowohl die BRAGO wie auch das RVG sehen mit den Vorschriften des § 118 Abs. 2 BRAGO bzw. der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr vor. Damit will der Gesetzgeber den Erleichterungen Rechnung tragen, die dem Prozessbevollmächtigten bei der gerichtlichen Vertretung daraus erwachsen, dass er in derselben Angelegenheit bereits tätig war. Fraglich ist lediglich, nach welcher Vorschrift diese Anrechnung vorzunehmen ist. Insoweit schließt sich das Gericht der vom Oberlandesgericht München ( JurBüro 2006, 20 f.) und auch im Schrifttum (Gerold u.a., Madert, RVG, 17. Aufl., § 60, Rn. 43; Müller-Rabe in NJW 2005, 1609, 1612) überwiegend vertretenen Auffassung an, wonach die Anrechnung gemäß § 118 Abs. 2 BRAGO zu erfolgen hat. Der Rückgriff auf die Anrechnungsvorschrift des RVG verbietet sich angesichts ihres eindeutigen Wortlauts, der sich lediglich auf die Gebühren nach Nrn. 2400 bis 2403 RVG-VV bezieht.
Dadurch ermäßigt sich der Vergütungsanspruch der Klägervertreterin in der vom Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 28.11.2007 dargelegten Weise. Diese Berechnung ist durch das Landgericht übernommen worden.
b)
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die (vorgerichtliche) Geschäftsgebühr geltend gemacht oder gar realisiert wurde. Allein die Tatsache der Entstehung dieser Gebühr führt zu ihrer Anrechnung (BGH, Beschluss vom 22.01.2008, NJW 2008, 1332 für die Anrechnungsvorschrift gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV).
Letztlich ergibt sich hieraus auch keine unangemessene Benachteiligung der Bevollmächtigten des Klägers. Sie hätte ihren Gebührenanspruch durch einen Vorschuss und ggf. auch durch einen Beratungshilfeantrag rechtzeitig sichern können. Würde man die Geschäftsgebühr nicht anrechnen, bestünde sogar die Möglichkeit, dass sie neben dem festgesetzten Betrag des Vergütungsfestsetzungsverfahrens (inkl. voller Verfahrensgebühr) auch die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (durch einen bis dahin noch solventen Mandanten) erhält. Dies ist vom Gesetzgeber nicht gewollt.
3.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine Beschwerde an den Bundesgerichtshof findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 RVG).