Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 03.07.2008, Az.: 8 U 64/08

Anforderungen an die Zulässigkeit eines Vorbehaltsurteils im Bauprozess; Anspruch auf Rückzahlung angeblich zu viel gezahlten Werklohns; Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten; Anspruch auf Zahlung von Werklohn und von gelieferten Materialien

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
03.07.2008
Aktenzeichen
8 U 64/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 20392
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2008:0703.8U64.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 11.02.2008 - AZ: 2 O 1768/07

Fundstellen

  • IBR 2008, 552 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • NJW-Spezial 2008, 556 (Kurzinformation)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zulässigkeit eines Vorbehaltsurteils im Bauprozess.

  2. 2.

    Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Abnahme von Bauleistungen.

In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Landgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
im schriftlichen Verfahren auf der Grundlage der bis einschließlich 26. Juni 2008 eingereichten Schriftsätze
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11. Februar 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hinsichtlich Ziffer 1.) und 3.) des Urteilstenors aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten über wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben in den Niederlanden.

2

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

3

Das Landgericht hat durch Teil und Vorbehaltsurteil entschieden. Es hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger und die Drittwiderbeklagte als Mitgläubiger 67.457,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen. diese Entscheidung ist unter Vorbehalt der von dem Beklagten erklärten Aufrechnungen mit Gegenforderungen in Höhe von 52.434,90 Euro, 3.288,60 Euro und 19.374,60 Euro ergangen. Weitergehende Haupt und Hilfsanträge des Klägers hat das Landgericht abgewiesen. Die von dem Beklagten erhobene Wider und Drittwiderklage hat es als unzulässig verworfen.

4

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten.

5

Der Beklagte hält eine Entscheidung durch Vorbehaltsurteil aus prozessualen Gründen für unzulässig. Weiter vertritt er die Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht einen Anspruch aus § 649 BGB verneint habe. das Landgericht habe die Beweisaufnahme fehlerhaft gewürdigt. Die Wider und Drittwiderklage habe das Landgericht nicht als unzulässig verwerfen dürfen.

6

Der Beklagte beantragt,

  1. 1.

    das angefochtene Urteil hinsichtlich Ziffer 1) des Tenors (Verurteilung zur Zahlung unter Vorbehalt der Aufrechung) zu ändern und die Klage abzuweisen,

  2. 2.

    das angefochtene Urteil hinsichtlich Ziffer 3) des Tenors (Wider und Drittwiderklage) zu ändern und den Kläger sowie die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu verurteilen, die für das Bauvorhaben des Klägers sowie der Drittwiderbeklagten in W..., R..., Niederlande, von dem Beklagten erstellten Bauarbeiten abzunehmen,

  3. 3.

    hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

7

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

8

Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigen das angefochtene Urteil. Das Verfahren des Landgerichts sei nicht zu beanstanden.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren bis einschließlich 26. Juni 2008 eingereichten vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

10

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat im Umfang der Anfechtung durch den Beklagten insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich Ziffer 1.) und 3.) des Urteilstenors und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges führt.

11

Das angefochtene Urteil leidet an wesentlichen Verfahrensmängeln. es ist eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig, die das Landgericht (vgl. den Beweisbeschluss vom 11. Februar 2008) auch bereits durchführt. Einer gleichzeitigen Aufhebung des zugrundeliegenden Verfahrens bedarf es nicht, weil die Mängel das Urteilsverfahren betreffen, die erstinstanzlich bisher getroffenen Feststellungen also weiterhin Entscheidungsgrundlage sein können (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 538 Rdnr. 57). Den gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderlichen Zurückverweisungsantrag hat der Beklagte gestellt.

12

1.

Das Landgericht hätte nicht durch Vorbehaltsurteil entscheiden dürfen.

13

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH BGHZ 165, 134 ff. BauR 2007, 2052 ff) darf ein Vorbehaltsurteil gemäß § 302 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht ergehen, wenn Unternehmer und Besteller desselben werkvertraglichen Rechtsverhältnisses im Wege von Klage und Aufrechnung um die Zahlung von Werklohn und Mängelbeseitigungs und/oder Fertigstellungskosten streiten. Das hat seinen Grund darin, dass das Vorbehaltsurteil zu einer vorübergehenden Aussetzung einer materiellrechtlich begründeten Aufrechnung führt und bei begründeter Aufrechnung zur Folge hat, dass der Kläger einen Titel über eine Forderung erhält, die tatsächlich infolge der Aufrechnung nicht besteht. Werklohn und Mängelansprüche dienen dazu, das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung herzustellen. Deren synallagmatische Verknüpfung würde aufgehoben werden, wenn eine Partei durch ein Vorbehaltsurteil die Möglichkeit erhielte, ihre Forderung ohne Erbringung der Gegenleistung durchzusetzen.

14

Diese Erwägungen treffen auf den hier zu entscheidenden Fall zu. Der Kläger verlangt die Rückzahlung angeblich zu viel gezahlten Werklohns sowie den Ersatz von Mängelbeseitigungskosten. Der Beklagte verlangt die Zahlung von Werklohn und von ihm gelieferter Materialien, er macht einen Anspruch aus § 649 S. 2 BGB geltend. Es geht um ein einheitliches Bauvorhaben des Klägers und der Drittwiderbeklagten. Der Umstand, dass die Leistungen des Beklagten Gegenstand von zwei nacheinander getroffenen vertraglichen Vereinbarungen sind, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Dadurch wird das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht berührt.

15

Ausnahmen lässt die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung nur in geringem Umfang und insbesondere dann zu, wenn die Gegenansprüche nur geringe Aussicht auf Erfolg haben und es unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der voraussichtlichen Dauer des weiteren Verfahrens angezeigt erscheint, einer Partei durch einen Titel die Möglichkeit zu eröffnen, sich sofortige Liquidität oder jedenfalls eine Sicherheit zu verschaffen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. das ergibt sich schon aus der vom Landgericht begonnenen weiteren Beweisaufnahme zu Mängeln und Werklohnansprüchen.

16

Das Vorbehaltsurteil (Ziffer 1.) des Tenors des angefochtenen Urteils) ist danach aufzuheben. das Verfahren ist an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Aufhebung des Verfahrens erübrigt sich, weil nur das Urteilsverfahren betroffen ist und die erstinstanzlich getroffenen tatsächlichen Feststellungen fehlerfrei zustandegekommen sind. Die Rügen der Berufung gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil sind vom Senat derzeit nicht zu prüfen. Ob und in welchem Umfang die mit der Klage erhobenen Ansprüche und die aufrechenbaren Gegenansprüche des Beklagten bestehen, wird das Landgericht nach Zurückverweisung der Sache umfassend - auch hinsichtlich der Ansprüche aus § 649 S. 2 BGB - zu entscheiden haben.

17

2.

Die Entscheidung zur Widerklage bzw. Drittwiderklage (Ziffer 3.) des Tenors des angefochtenen Urteils) ist ebenfalls rechts und verfahrensfehlerhaft ergangen.

18

Das Landgericht hat die auf die Verurteilung des Klägers und der Drittwiderbeklagten zur Abnahme der von dem Beklagten erstellten Bauarbeiten gerichtete Widerklage als Feststellungsklage angesehen und sie aus mehreren Gründen als unzulässig verworfen. Das ist in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft.

19

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH BauR 1981, 284, 287. vgl. weiter Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., RdNr. 1339. Siegburg ZfBR 2000, 507, 510 f) ist die Abnahme als vertragliche Hauptpflicht des Bestellers selbständig einklagbar. Daraus folgt zugleich, dass es um eine Leistungs, nicht aber um eine Feststellungsklage geht. Dass eine solche isolierte Klage auf Abnahme in den meisten Fällen - und möglicherweise auch hier - wenig sinnvoll ist und ihr häufig das Rechtsschutzbedürfnis fehlen wird (vgl. dazu Siegburg a.a.O.), ist zwar allgemein anerkannt. das Rechtsschutzbedürfnis kann aber nicht schlechthin verneint werden (vgl. MünchKommBGB/Busche, 4. Aufl., § 640 RdNr. 43). Der Beklagte wird dazu gegebenenfalls noch vorzutragen haben.

20

Nach dem derzeitigen Sach und Streitstand wäre die Klage allerdings schon deshalb als unzulässig abzuweisen, weil es an der Bestimmtheit des Klageantrages im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fehlt.

21

Jede auf Verurteilung gerichtete Klage muss Art und Umfang der begehrten Leistung so genau bezeichnen, dass hierüber keine Ungewissheit für das Gericht und die beklagte Partei besteht. weiter muss für die Zwangsvollstreckung klar sein, zu welcher Leistung der Beklagte im einzelnen verurteilt worden ist. Ein nur auf die Abnahme nicht näher bezeichneter Bauarbeiten gerichteter Klageantrag genügt diesen Anforderungen nicht. Darauf hätte das Landgericht, das dieses Problem allerdings nicht erkannt hat, hinweisen müssen. erst dann hätte die Widerklage als unzulässig abgewiesen werden können. Nach Aufhebung und Zurückverweisung hat das Landgericht deshalb Gelegenheit, gegebenenfalls nach ergänzendem Vorbringen der Parteien über diesen Antrag erneut zu entscheiden.

22

Hinsichtlich der Widerbeklagten zu 2) wird das Landgericht gegebenenfalls Art. 6 EuGVVO zu berücksichtigen haben. Einer Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 ZPO bedarf es dann nicht.

23

3.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif, wie schon aus dem Beweisbeschluss des Landgerichts vom 11. Februar 2008 folgt. Das Landgericht hat mit der Durchführung der Beweisaufnahme bereits begonnen. Unter diesen Umständen ist eine eigene Sachentscheidung durch den Senat weder geboten noch rechtlich möglich.

24

4.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.