Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 09.07.2008, Az.: 4 U 66/07

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
09.07.2008
Aktenzeichen
4 U 66/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 42952
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2008:0709.4U66.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 11.05.2007 - AZ: 5 O 1824/06
nachfolgend
BGH - 26.01.2010 - AZ: X ZR 86/08

Fundstellen

  • AbfallR 2008, 262
  • MuA 2008, 483-484
  • NZBau 2008, VIII Heft 8 (Pressemitteilung)
  • VS 2008, 58

In dem Rechtsstreit

...

wegen Schadensersatzes und Vertragsanpassung.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg

auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2008

durch die Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11. Mai 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.

  2. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

  3. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der geltend gemachten Forderungen sowie über die Kosten des Berufungsverfahrens wird der Rechtsstreit an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen.

  4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten im Ausschreibungsverfahren und macht Ansprüche auf Anpassung der Vergütungsleistung wegen Änderung der Geschäftsgrundlage gem. § 242 BGB bzw. auf der Grundlage von vertraglichen Bestimmungen des zwischen den Parteien abgeschlossenen Entsorgungsvertrages geltend.

2

Der Beklagte schrieb mit Vergabebekanntmachung vom 7. Mai 2003 Abfallentsorgungsleistungen in seinem Gebiet europaweit aus, wobei der Auftrag die Sammlung u.a. von Restabfällen und Bioabfällen gesondert erfasste. Während des Vergabeverfahrens wurde den Bietern mit der Bieterinformation 3 bekannt gegeben, dass die Absicht bestehe, die gesonderte Abfuhr von Bioabfällen ab dem 1. Januar 2004 abzuschaffen. Hierzu teilte der Beklagte mit, dass aufgrund des gemeinsamen Abfahrens von Biomüll und Restmüll etwa 50 % des Biogefäßvolumens über die Restmüllgefäße zusätzlich entsorgt werden müsse, wodurch - auf der Basis der Abfallmengen des Jahres 2002 - mit einer Restabfallmenge von ca. 13 250 Mg pro Jahr im Entsorgungsgebiet gerechnet werde.

3

Unter Ziff. 7.2.1 der vorgenannten Bieterinformation wurden die Bieter aufgefordert, ihre Preise für das Einsammeln und Befördern von Restabfall pro Gefäß pro Jahr anzugeben. Die erwartete Gefäßanzahl wurde mitgeteilt. Unter Ziff. 7.2.2 und 7.2.3 hatten die Bieter darüber hinaus Gelegenheit, abweichende Preise bei Unterschreitung bzw. Überschreitung der Anzahl der Gefäße um 5 bis 10 % bzw. über 10 % und 5 bis 20 % und über 20 % anzugeben. Hiervon hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.

4

Die Klägerin, die bereits seit 1979 die Abfallentsorgung im Gebiet des Beklagten durchführt, erhielt den Zuschlag.

5

Unter dem 13. Oktober 2003 schlossen die Parteien einen Entsorgungsvertrag, dessen Bestandteile u.a. die von dem Beklagten erstellten Bieterinformationen, die Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, die VOL/A und VOL/B und das Angebot der Klägerin wurden. Die Vergabeunterlagen (Bieterinformation 3, Ziff. 7.2.7) enthalten u.a. eine Preisanpassungsklausel. Diese bezieht sich wie auch § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrages auf eine Änderung der Preise ab 2006 für den Fall, dass die Faktoren Personalkosten, Kraftstoffkosten und Technikkosten um mehr als 2 % abweichen.

6

Entgegen der vorgesehenen Restabfallmenge von ca. 13 250 Mg pro Jahr hatte die Klägerin im Jahr 2004 18 175,53 Mg und im Jahre 2005 18 174,587 Mg Restabfälle einzusammeln. Demgegenüber stieg die Gefäßanzahl nur (unwesentlich) um jedenfalls weniger als 5 %.

7

Mit Schreiben vom 26. August 2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten eine Anpassung des Entgelts auf der Grundlage des § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrages für die Zeit ab Januar 2006. Der Beklagte erkannte eine Preisanpassung in Höhe von 3,361 % nach Maßgabe seines Schreibens vom 6. Februar 2006 an.

8

Die Klägerin begehrt Schadensersatz und weitere Anpassung.

9

Sie hat behauptet, die tatsächlich angefallene Abfallmenge bedeute eine wesentliche Kostensteigerung für sie. Es entstünden Mehrkosten in Höhe von 179 669,- € pro Jahr. Insoweit nimmt sie auf ein Gutachten der X...GmbH vom 6. Juli 2006 (Anlage K 4) Bezug.

10

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Ausschreibung durch den Beklagten schuldhaft fehlerhaft gewesen sei. Die Müllmenge sei nicht hinreichend ermittelt worden, was einen Verstoß gegen § 8 Nr. 1 VOL/A darstelle. Der Beklagte hätte die prognostizierten Abfallmengen, welche Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden seien, sachverständigerseits ermitteln lassen müssen. Lediglich Mengenschwankungen von plus/minus 5 %, bezogen auf 13 250 Mg pro Jahr, hätten ausdrücklich von den Bietern in ihre Kalkulation aufgenommen werden müssen. Für darüber hinausgehende Mengenabweichungen bestünde ein Anspruch auf Vertragsanpassung.

11

Im übrigen ergebe sich ein Preisanpassungsbegehren auch aus § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags i.V.m. Ziff. 7.2.7 der Bieterinformation 3. Insoweit seien nicht die Preisindizes der Jahre 2004 und 2005, sondern der Preis des Jahres 2003 zugrundezulegen gewesen.

12

Die Klägerin hat beantragt,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, an sie 477 532,50 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

    aus 191 013,75 € seit dem 26. Dezember 2004,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.01.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.02.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.03.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.04.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.05.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.06.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.07.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.08.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.09.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.10.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.11.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.12.2005,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.01.2006,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.02.2006,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.03.2006,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.04.2006,

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.05.2006 sowie

    aus weiteren 15 917,75 € seit dem 26.06.2006

    zu zahlen,

  2. 2.

    festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, aus dem Vertrag zwischen den Parteien vom 13. Oktober 2003 ihr ab dem 1. Juli 2006

    1. a)

      31,74 € pro Gefäß pro Jahr bei einer Größe von 120 Litern,

    2. b)

      31,74 € pro Gefäß pro Jahr bei einer Größe von 240 Litern,

    3. c)

      516,96 € pro Gefäß bei einer Größe von 1 100 Litern bei wöchentlicher Leerung,

    4. d)

      258,48 € pro Gefäß pro Jahr bei einer Größe von 1 100 Litern bei zweiwöchentlicher Leerung sowie

    5. e)

      1,12 € pro Restmüllsack zu bezahlen.

13

Der Beklagte hat beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

14

Er hat die Auffassung vertreten, dass die Ausschreibungsunterlagen hinreichend genau gewesen seien und sämtliche Informationen enthalten hätten, welche die Bieter für eine mögliche Kalkulation ihrer Kosten benötigten. Die einzukalkulierende Schwankungsbreite von plus/minus 5 % beziehe sich nicht auf die Abfallmenge, sondern ausschließlich auf die Anzahl der Restmüllbehälter. Durch die Bieterinformation 3 sei deutlich gemacht worden, dass die zugrundegelegte Abfallmenge eine bloße Prognose sei und auf den Erfahrungswerten der letzten Jahre beruhte. Etwaige Schadensersatz- und Vertragsanpassungsansprüche verstießen zudem gegen Vergaberecht. Eine im Umfang der Klage verlangte Vertragsanpassung mache eine Neuausschreibung auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten notwendig. Die Klägerin hätte zudem im Ausschreibungsverfahren selbst auf etwaige Unvollständigkeiten der Vergabeunterlagen hinweisen müssen. Insoweit verweist sie darauf, dass unstreitig bereits 1995 das Restabfallvolumen bei über 18 000 Mg pro Jahr gelegen habe.

15

Eine Entgeltanpassung zum Januar 2006 auf der Grundlage des § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrages könne sich nur auf die Monate Mai 2004 und 2005 beziehen.

16

Die Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat durch Urteil vom 11. Mai 2007, auf welches wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. folgendes ausgeführt:

17

Der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten im Ausschreibungsverfahren noch auf Anpassung des Entsorgungsvertrages wegen Änderung der Geschäftsgrundlage noch gem. den §§ 15 Abs. 2, 2 Abs. 3 oder 7 Abs. 3 des Vertrages zu.

18

Eine vorvertragliche Pflichtverletzung liege auf Seiten des Beklagten nicht vor. Insbesondere verstießen die Ausschreibungsunterlagen nicht gegen § 8 Abs. 1 VOL/A.

19

Grundlage für das Preisangebot der Bieter sei ausdrücklich nicht die prognostizierte Abfallmenge, sondern die Anzahl der zu sammelnden und zu entleerenden Abfallgefäße gewesen. Deren Volumen (bis 120 Litern, 240 Liter, 1 100 Liter oder Säcke) sei den Bietern bekannt gewesen. Der Beklagte habe ebenfalls offen gelegt, dass es sich bei der zugrunde gelegten ungefähren Müllmenge um die Erfahrungswerte der vergangenen Jahre, insbesondere des Jahres 2002, gehandelt habe. Auch ein Sachverständiger hätte angesichts der bekannten Zahlen keine exakten Restabfallmengen für die kommenden Jahre voraussagen können. Der Grundsatz der Gleichbehandlung sämtlicher Anbieter sei nicht verletzt. Sämtliche Bieter hätten die tatsächliche Abfallmenge als unbekannte Größe hinnehmen und erforderlichenfalls mit der maximalen Müllmenge, bezogen auf die bekannten Behälterzahlen und -volumen, kalkulieren müssen. Ebenso wenig wie die Bieter selbst, habe der Beklagte voraussehen können, dass nicht nur 50 % der bisherigen Bioabfälle als Restmüll entsorgt würden, sondern ein erheblich höherer Anteil nicht der Eigenkompostierung zugeführt würde.

20

Den konkreten Anforderungen des § 8 Abs. 3 Ziff. 3 (2) VOL/A habe der Beklagte genügt, indem er das Abfallaufkommen des vergangenen Jahres mitgeteilt und darauf hingewiesen habe, dass die Zahlen für die Zukunft nur geschätzt werden könnten.

21

§ 2 Nr. 3 VOL/B sei nicht einschlägig. Eine Änderung in der Beschaffenheit der Leistung, welche die Grundlagen des Preises ändere, liege nicht vor. Die voraussichtliche Restmüllmenge sei von vornherein nicht als feststehende Größe Gegenstand der Preisvereinbarung der Parteien geworden. Vielmehr hätten sich die Preise ausschließlich an der zu entleerenden Anzahl der Behälter orientiert.

22

Eine Änderung der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 BGB liege nicht vor.

23

Als Geschäftsgrundlage käme hier die erwartete Restabfallmenge von 13 250 Mg pro Jahr in Betracht. Tatsächlich sei diese Abfallmenge von beiden Parteien als möglicherweise zu erwartende Größe zugrundegelegt worden, wie sich aus der Bieterinformation 3 der Ausschreibungsunterlagen ergebe. Die erwartete Abfallmenge sei - auch für den Beklagten - ersichtlich für die Klägerin nicht kalkulationsunerheblich gewesen, da die Anzahl der Entleerungsphasen der einzelnen Müllfahrzeuge unmittelbar die Kosten beeinflusse. Dennoch scheide eine Vertragsanpassung vorliegend aus. Weder ein unerträgliches Resultat des Festhaltens an den vertraglichen Leistungen für die Klägerin noch ein zumutbares Abgehen von dem Vereinbarten für den Beklagten sei vorliegend anzunehmen. Der Vertrag sehe ausdrücklich keine Anpassungsklausel dafür vor, dass die voraussichtliche Abfallmenge sich ändern würde. Für andere denkbare Änderungen bei der Preiskalkulation, insbesondere die um weniger oder mehr als 5 % abweichende Anzahl der zu entleerenden Gefäße, Änderungen bei den Faktoren Personal-, Kraftstoff- und Technikkosten oder aber allgemeine Kostensteigerungen im Umweltbereich sehe der Vertrag Preisanpassungen vor. Dass dies für Schwankungen der Abfallmenge - bei gleich bleibender Gefäßzahl - nicht berücksichtigt worden sei, zeige, dass dieses Risiko bewusst von beiden Parteien in Kauf genommen worden sei und eine Anpassung bei späteren Mengenabweichungen nicht habe stattfinden sollen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die offenkundige Unwägbarkeit der künftigen Restabfallmenge sämtlichen Bietern bekannt gewesen sei und von diesen bei ihren jeweiligen Preiskalkulationen habe berücksichtigt werden müssen. Denkbar sei daher, dass die Klägerin nur deshalb das günstigste Angebot habe abgeben können, weil sie im Gegensatz zu allen anderen Bietern nur eine maximale Abfallmenge von 13 250 Mg (plus/minus 5 %) einkalkuliert habe. Hierfür habe sie dann aber auch für die Dauer des Vertrages das alleinige Risiko zu tragen.

24

Eine Preisanpassung bei steigendem Müllvolumen, aber gleich bleibender Behälterzahl scheide mangels explizierter Vereinbarung hierüber auch deshalb aus, weil der Beklagte im Hinblick auf die künftig zu zahlenden Preise für die Abfallentsorgung in seinem Gebiet schutzwürdiges Vertrauen genieße, zumal die an den Beklagten zu entrichtenden Abfallgebühren der Verbraucher sich auch nicht an der tatsächlichen Abfallmenge je Behälter, sondern allein an der Anzahl der bereitgestellten Behälter orientiere. Ansprüche der Klägerin ließen sich daher weder auf die §§ 313, 280 BGB noch auf § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrages stützen, da letzterer lediglich eine Konkretisierung des § 313 BGB darstelle und ein Anspruch auf Vertragsanpassung einer Partei ebenfalls von den o.g. Zumutbarkeitserwägungen abhängig mache, die hier nicht zugunsten der Klägerin entschieden werden könnten.

25

Die Klägerin könne einen Anspruch auch nicht aus der angegebenen Schwankungsbreite von plus/minus 5 % (Ziff. 7.2.1 der Bieterinformation 3) herleiten, die sich - wie sie meine, eindeutig auf die einzukalkulierende Abfallmenge bezogen hätte. Zwar werde dieses Vertragsverständnis auf dem ersten Blick durch die Syntax gestützt, dass der Zusatz plus/minus 5 % unmittelbar hinter der Zahl 13 250 Mg stehe. Der Sinn der Angabe von plus/minus 5 % erschließe sich aber erst, wenn man sie im Kontext mit den nachfolgenden Ziffern 7.2.2 und 7.2.3 der Bieterinformation lese. Dann werde deutlich, dass sich die Schwankungsangabe nur auf die Gefäßanzahl beziehen könne, denn innerhalb dieser Schwankungsbreite habe eine Preisanpassung nicht stattfinden sollen. Erst ab einer entsprechenden höheren Unterschreitung oder Überschreitung der Gefäßzahlen hätten die Bieter abweichende Preise angeben können. Irgendeine Rechtsfolge bei Über- oder Unterschreiten der 13 250 Mg Abfallmenge sähen die Ausschreibungsunterlagen demgegenüber nicht vor, so dass sich den Bietern habe aufdrängen müssen, dass sich der Beklagte nicht auf eine voraussichtliche Abfallmenge von 13 250 Mg/a plus/minus 5 % habe festlegen wollen.

26

Auch ein Anspruch gem. § 7 Abs. 3 des Vertrages i.V.m. Ziff. 7.2.7 der Bieterinformation 3 auf Preisanpassung wegen geänderter Personal-/Kraftstoff-/oder Technikkosten um weitere 4,673 Prozentpunkte bestehe nicht. Der Klägerin habe, wie von dem Beklagten mit Schreiben vom 6. Februar 2006 zutreffend festgestellt, lediglich ein Preisanpassungsanspruch im Umfang von 3,361 Prozentpunkten und nicht im Umfang von 8,034 Prozentpunkten zugestanden. Die Berechnung habe sich an § 7 Abs. 3 des Vertrages zu orientieren. Dieser gehe gem. § 3 Abs. 1a des Vertrages anderen seiner Bestandteile, insbesondere der Leistungsbeschreibung nebst Bieterinformation, vor. § 7 Abs. 3 bestimme ausdrücklich, dass die Preise der Vormonate Mai 2004 und Mai 2005 zur Berechnung der Preisanpassung für 2006 zugrundezulegen seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin handele es sich bei Ziff. 7.2.7 der Bieterinformation 3 nicht um eine Sonderregelung für das Jahr 2006, für das Bezugsgröße der Preis bei Angebotsabgabe sei. Hierfür ergäben sich aus dem Vertrag keinerlei Anhaltspunkte.

27

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sowie rechtzeitig begründeten Berufung, mit der sie in erster Linie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Osnabrück und hilfsweise ihr erstinstanzliches Begehren nach Maßgabe bei dem Oberlandesgericht weiterverfolgt.

28

Das Landgericht habe zunächst die Pflichten des Beklagten nach der im Vergabeverfahren anzuwendenden Vorschrift des § 8 Nr. 1 Abs. 1 bis 3 VOL/A im wesentlichen verkannt, wobei Abs. 2 völlig unberücksichtigt geblieben sei.

29

Darauf beruhend, habe das Landgericht im Entsorgungsvertrag, dort insbesondere § 2 Abs. 1a i.V.m. der Vertragsbestandteil gewordenen Bieterinformation 3 , dort Ziff. 2.4, 7.2.1 bis 7.2.3 unter Verletzung der §§ 133, 157 BGB ausgelegt.

30

Ferner habe das Landgericht eine fehlerhafte systematische Auslegung der Ziff. 7.2.1 bis 7.2.3 der Bieterinformation vorgenommen mit dem Ergebnis, dass der Zusatz "plus/minus 5 %" auch hinter der Angabe "ca. 13 250 Mg/a" unter Ziff. 7.2.1 der Bieterinformation nicht die Abfallmenge betreffen solle, sondern die Anzahl der Gefäße.

31

Darin liege jeweils eine Verletzung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, auf welcher die Entscheidung beruhe. Im einzelnen:

32

Zunächst einmal habe das Landgericht wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen.

33

Im Zusammenhang mit der Frage, ob eine vorvertragliche Aufklärungspflicht des Beklagten im Hinblick auf die zu erwartende Restmüllmenge bestehe, habe es die Angabe "plus/minus 5 %) hinter der erwarteten Abfallmenge von ca. 13 250 Mg unter Ziff. 7.2.1 der Bieterinformation 3 vollkommen unberücksichtigt gelassen. Das Urteil verhalte sich im Zusammenhang mit diesen Überlegungen lediglich zum Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB.

34

Des weiteren habe das Landgericht bei der Auslegung des Vertrages, insbesondere bei der Prüfung, welche Aufklärungspflichten der Beklagte gehabt habe, den Umstand unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagte die zu erwartende Restabfallmenge über den Anteil der Eigenkompostierung des Biomülls eine Satzung sowie durch Öffentlichkeitsarbeit ganz entscheidend habe steuern können, nämlich Ausweitung der Öffnungszeiten der zahlreichen Gartenabfallsammelplätze im Kreisgebiet sowie durch deren geplanten Ausbau.

35

Ferner habe das Landgericht außer Acht gelassen, dass sie, die Klägerin, keine Möglichkeit gehabt habe, die Restabfallmenge zu beeinflussen, dass sie vielmehr aufgrund der geschilderten Steuerungsmöglichkeiten durch den Beklagten davon habe ausgehen müssen, dass seine Angaben zur künftigen Restabfallmenge geprüft und realistisch gewesen seien, nicht zuletzt wegen einer von diesem geplanten MVA, deren Kapazitäten schon wegen der mit dem Bau und dem Betrieb verbundenen erheblichen Kosten besonders sorgfältig zu ermitteln sei.

36

Bei richtiger, sich am Wortlaut der Vereinbarung, den Interessensphären unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Vergabeverfahrens und der gesamten Systematik orientierenden Auslegung des Entsorgungsvertrags hätte das Landgericht eine schuldhafte vorvertragliche Pflichtverletzung des Beklagten durch Nichtaufklärung darüber, dass die prognostizierte Menge möglicherweise nicht einzuhalten sei, feststellen müssen, des weiteren, dass infolge der Verletzung der Aufklärungspflicht ihr, der Klägerin, der schon im ersten Rechtszug dargestellte Schaden entstanden sei, wobei sie, die Klägerin, hier ausnahmsweise berechtigt sei, den Ersatz des ihr aufgrund der Aufklärungspflichtverletzung entgangenen Gewinns zu verlangen. Den vollen Beweis dafür, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Beklagten über die Unsicherheit der im Vertrag und in der Bieterinformation Nr. 3 als erwartet dargestellten Restabfallmenge einen für sie günstigeren Vertrag geschlossen hätte, der den hier geltend gemachten entgangenen Gewinn verschafft hätte, müsse sie nicht erbringen. Diesen Nachweis könne sie schon prinzipiell aufgrund der besonderen Struktur des Vergabeverfahrens ohnehin nicht leisten. Die Kausalität zwischen dem Verstoß gegen die Aufklärungspflicht und dem eingetretenen Schaden sei zu vermuten. Es sei davon auszugehen, dass sie sich bei ordnungsgemäßer Information durch den Beklagten aufklärungsrichtig, d.h. schlicht rational verhalten hätte und dann die grobe Schätzung der erwarteten Restabfallmenge gerügt hätte. Der Beklagte hätte dann die Ausschreibung entsprechend angepasst und entweder die zu erwartende Restabfallmenge pflichtgemäß recherchiert oder für einen erweiterten Korridor Staffelpreise abgefragt. Insofern spreche bereits die Lebenserfahrung dafür, dass der Vertrag zu den Konditionen zustande gekommen wäre, die sie, die Klägerin, nunmehr verlange. Dass sie auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung den Vertrag dennoch wie geschehen abgeschlossen hätte, habe der Beklagte weder dargestellt noch bewiesen.

37

Ihr Zahlungsbegehren in Höhe von 477 532,50 € rechtfertige sich im übrigen auch dann, wenn man § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrages richtig auslege. Im einzelnen:

38

Dass die zu erwartende Menge eines Restabfalls als abfallwirtschaftliches Verhältnis i.S.d. § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrages anzusehen sei, verstehe sich von selbst. Die Restabfallmenge sei nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts auch kalkulationsrelevant gewesen, da die Anzahl der Entleerungsphasen - der einzelnen Müllfahrzeuge - die durch die Menge des zu entsorgenden Restabfalls beeinflusst werde, unmittelbar die Kosten beeinflusse. Durch den Mengenanstieg im Jahre 2004 und 2005 um jeweils ca. 37 % seien gravierende Kostensteigerungen entstanden, die in dem als Anlage K 4 der Klageschrift beigefügten Gutachten der X...GmbH im einzelnen aufgeführt worden seien. Im Jahre 2006 sei mit 17 356,85 Mg eine ähnliche Restabfallmenge zu entsorgen wie im Jahre 2005. Die im Jahre 2007 bis Juni entsorgten Restabfallmengen ließen den Rückschluss zu, dass ca. 17 700 Mg Restabfall im Jahre 2007 anfielen.

39

Bei zutreffender Auslegung des § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrages wäre das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass kein angemessenes Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege und ihr, der Klägerin, ein Festhalten an dem ursprünglichen Vertrag eine unbillige Härte bereite.

40

Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe ihr, der Klägerin, darüber hinaus für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 zusätzlich zu der von dem Beklagten gewährten Anpassung ein Preisanpassungsanspruch in Höhe von 4,673 % zu. Insoweit lege das Landgericht § 7 Abs. 3 des Vertrages i.V.m. Ziff. 7.2.7 der Bieterinformation 3 falsch aus. Vergleiche man zunächst allein den Wortlaut der Ziff. 7.2.7 der Bieterinformation mit der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages, so scheinen diese sich in Bezug darauf zu widersprechen, ob für die Preisanpassung ohne Ausnahme stets auf die Preisindizes des Monats Mai des abgelaufenen Kalenderjahres abzustellen sei oder ob zumindest für die erste Anpassung zum 1. Januar 2006 auf die Preisindizes zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe abzustellen sei. Dieser Widerspruch lasse sich jedoch so klären, dass die Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags die Grundregel für alle künftigen Preisanpassungen enthalte, von der aber gem. Ziff. 7.2.7 der Bieterinformation Nr. 3 wegen des Hinweises "P 0 = Preis bei Angebotsabgabe" für die erste Preisanpassung auf die Preisindizes bei Angebotsabgabe im Juli 2003 abzustellen sei. Diese Sichtweise berücksichtige zunächst ihr, der Klägerin, nachvollziehbares Interesse daran, auch die Inflation seit Angebotsabgabe im Juli 2003 bis Mai 2005 in die Preisanpassung einzubeziehen. Folge man der rein formalen Argumentation des Beklagten (Vorrang des § 3 des Vertrags), bliebe völlig unberücksichtigt, dass immerhin der Beklagte allein den vermeintlichen Widerspruch verursacht habe, indem er in der Bieterinformation Nr. 3, nachdem der Vertragsentwurf ihr, der Klägerin, bereits seit längerer Zeit vorgelegen habe, nochmals unter Ziff. 7.2.7 auf eine Preisgleitklausel aufmerksam gemacht habe mit dem Hinweis "P 0 = Preis bei Angebotsabgabe". Damit habe er zu verstehen gegeben, sie könne für den Angebotspreis (= Grundpreis) die Inflation für den Zeitraum ab Angebotsabgabe bis Mai 2005 unberücksichtigt lassen. Denn die in diesem Zeitraum entstandene Inflation werde bei der ersten Preisanpassung zum 1. Januar 2006 durch die Preisgleitklausel mit erfasst. Daher wäre es nicht nur nicht interessengerecht, den Beklagten nun von dem von ihm allein verursachten scheinbaren Widerspruch zu ihren, der Klägerin, Lasten profitieren zu lassen. Auf der Grundlage der formalen Argumentation des Beklagten wäre sogar der Weg frei für Täuschungen der Bieter, indem im Leistungsverzeichnis eine bessere Kondition suggeriert werde als im Vertragstext.

41

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 11.05.2007 - 5 O 1824/06 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Osnabrück zurückzuverweisen,

    hilfsweise das angefochtene Urteil abzuändern und

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 477 532,50 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

    • aus 191 013,00 EUR seit dem 26.12.2004,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.01.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.02.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.03.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.04.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.05.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.06.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.07.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.08.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.09.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.10.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.11.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.12.2005,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.01.2006,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.02.2006,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.03.2006,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.04.2006,

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.05.2006 sowie

    • aus weiteren 15 917,75 EUR seit dem 26.06.2006,

    zu zahlen,

  3. 3.

    sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, aus dem Vertrag zwischen den Parteien vom 13.10.2003 der Klägerin ab dem 01.07.2006

    1. a)

      31,04 EUR pro Gefäß pro Jahr bei einer Größe bis 120 Litern,

    2. b)

      31,04 EUR pro Gefäß pro Jahr bei einer Größe von 240 Litern,

    3. c)

      505,60 EUR pro Gefäß pro Jahr bei einer Größe von 1 100 Litern bei wöchentlicher Leerung,

    4. d)

      252,80 EUR pro Gefäß pro Jahr bei einer Größe von 1 100 Litern bei zweiwöchentlicher Leerung sowie

    5. e)

      1,09 EUR pro Restmüllsack zu bezahlen.

42

Der Beklagte beantragt,

  1. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

43

Zutreffend habe das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gem. den §§ 311 Abs. 2, 280 BGB verneint.

44

Entgegen der Auffassung der Klägerin habe er nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A die Leistungsbeschreibung so klar und eindeutig abgefasst, dass alle Bewerber sie notwendig in einem gleichen Sinne hätten verstehen müssen. Er habe zudem deutlich gemacht, auf welcher Grundlage eine Prognose erstellt worden sei, nämlich auf der Basis der Abfallmengen des Jahres 2002 und der Einschätzung, dass bei einer gemeinsamen Erfassung von Restabfall und Bioabfall nur 50 % der anfallenden Bioabfallmenge entsorgt werden müsse, weil die restlichen 50 % der Bioabfallmengen in Eigenkompostierung entsorgt werden könnten.

45

Darüber hinaus habe er mit der Schätzung der Restabfallmengen für die Folgejahre auch den Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A genügt. Er, der Beklagte, habe die künftige Restabfallmenge geschätzt und den Bietern mitgeteilt. Damit habe er alles ihm Mögliche getan, eine exakt bezifferte Voraussage der Restabfallmengen im Entsorgungsgebiet sei schlechthin unmöglich gewesen. Die Forderung der Klägerin, er habe ein entsprechendes Gutachten einholen müssen, gehe an der Sache vorbei. Auch ein Gutachten hätte nichts anderes liefern können als eine Prognose. Es erstaune im übrigen, dass die Klägerin meine, es sei geradezu lebensfremd, ihr zu unterstellen, sie habe Kraft ihrer Erfahrung die Restabfallmenge vorhersehen können. Unstreitig sei, dass die Klägerin seit fast 30 Jahren für die Abfallentsorgung im Entsorgungsgebiet zuständig sei, weshalb sie die Entwicklung der Abfallmengen in dieser Zeit in seinem, des Beklagten, Gebiet aus ihrer Geschäftstätigkeit kenne.

46

Er, der Beklagte, habe unmissverständlich klargemacht, dass es sich bei der prognostizierten Restabfallmenge um eine Schätzung handele. Daraus folge, dass er auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, auf den die Klägerin vertraut habe. Die Auffassung der Klägerin, er habe ihr unter Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A zu verstehen gegeben, die Mengenangabe von ca. 13 250 Mg/a plus/minus 5 % bezeichne den maximalen Mengenrahmen, treffe nicht zu. Die geschätzte Mengenangabe sei von vornherein nicht als verbindliche Schwankungsbreite in Bezug auf die Preiskalkulation in Betracht gekommen. Gegenstand der Preiskalkulation seien ausschließlich Anzahl und Volumen der Behälter gewesen. Auf Abweichungen in der Restabfallmenge komme es daher nicht an.

47

Selbst bei einer Unterstellung, dass er, der Beklagte, die Restabfallmenge nicht zutreffend ermittelt habe und die Preisangabe in Ziff. 7.2.1 der Bieterinformation 3 so auszulegen sei, dass sie sich auf die Restabfallmenge beziehe, sei ein etwaiges Vertrauen der Klägerin, dass die vereinbarten Preise nur bis zu dieser maximalen Restabfallmenge gelten, jedenfalls nicht schutzwürdig; denn die Klägerin habe aus den Vergabeunterlagen ohne weiteres erkennen können, dass Änderungen bei der prognostizierten Restabfallmenge nach dem Entsorgungsvertrag ohne jeden Einfluss auf die Vergütung hätten sein sollen. Damit sei die Klägerin nicht schutzwürdig, weil ihr bei zumutbarer Prüfung des Sachverhalts die Regelung hätte klar sein müssen.

48

Schließlich hätte die Klägerin die behälterbezogene Bemessung des Entgelts im Vergabeverfahren rügen müssen. Diese Obliegenheit folge aus § 107 Abs. 3 GWB. Da sie dies nicht getan habe, könne sie nicht im nachhinein verlangen, dass die Höhe der Vergütung auch in Abhängigkeit von der Abfallmenge bestimmt werde.

49

Die Ausführungen der Klägerin schließlich zu einem etwaigen erlittenen Schaden seien im Hinblick auf den Schadensgrund unsubstantiiert. Die behauptete Schadenshöhe werde bestritten.

50

Eine Verurteilung entsprechend den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen auf Schadensersatz würde zudem zu einem Verstoß gegen das Vergaberecht führen. Auch aus diesem Grunde müsse das erstinstanzliche Urteil Bestand haben. Mit dem Schadensersatzanspruch (und dem Vertragsanpassungsanspruch) wolle die Klägerin wesentliche Änderungen des Entsorgungsvertrages durchsetzen. Sie begründe ihre Ansprüche gerade damit, dass eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, so dass auch eine wesentliche Vertragsanpassung erforderlich sei. Solche wesentlichen Vertragsänderungen seien jedoch nur nach einem erneuten europaweiten Vergabeverfahren möglich. Ansonsten würde der Wettbewerb, der mit der europaweiten Ausschreibung gerade erreicht werden solle, zugunsten der Klägerin ausgeschaltet. Die Anerkennung eines Schadensersatz (oder Vertragsanpassungsanspruchs) würde daher zu einer unzulässigen Umgehung des Vergaberechts führen.

51

Das Landgericht habe auch zutreffend entschieden, dass die Klägerin gegen ihn keinen Anspruch auf Vertragsanpassung gem. § 313 Abs. 1 BGB bzw. aus § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrages wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage habe.

52

Die Anwendung des § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrages führe zu einem anderen Ergebnis nicht. Jedenfalls bedeute das Festhalten an dem Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung keine unbillige Härte für die Klägerin. Soweit die Klägerin ihre Auffassung, das Festhalten am Vertrag bedeute für sie eine unbillige Härte, mit angeblich entstandenen Mehrkosten von ca. 12,5 % begründe, werde dies bestritten.

53

Das Landgericht habe ferner den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Preisanpassung für die Zeit ab 2006 zu Recht verneint. Eine Genehmigung der Preisanpassungsklausel sei nicht erteilt worden. Damit sei § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags schwebend unwirksam.

54

Für den Fall, dass der Senat seiner, des Beklagten, Argumentation nicht folge und beabsichtige, das Urteil des Landgerichts Osnabrück ganz oder teilweise aufzuheben ohne die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Osnabrück zurückzuverweisen, wird beantragt, der Beklagte,

  1. den Rechtsstreit auszusetzen und dem Gerichtshof der europäischen Gemeinschaften gem. Art. 234 EG zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorzulegen:

    1. 1.

      Ist es mit Art. 2 der Richtlinie 2004/18/EG sowie mit Art. 43 und 49 EGV vereinbar, dass ein Auftragnehmer, der von einem öffentlichen Auftraggeber nach Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens mit der Sammlung und dem Transport von Restabfall einschließlich Bioabfall im gesamten Entsorgungsgebiet des öffentlichen Auftraggebers für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2013 beauftragt wurde und der nach dem Inhalt des abgeschlossenen Entsorgungsvertrages eine Vergütung erhält, deren Höhe sich nicht nach der entsorgten Abfallmenge bemisst, sondern ausschließlich nach der Zahl der Abfallbehälter im Entsorgungsgebiet, für die Monate Januar 2004 bis Juni 2006 unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen eines angeblichen, im Vergabeverfahren nicht gerügten Verstoßes des öffentlichen Auftraggebers gegen nationales Vergaberecht eine zusätzliche Zahlung in Höhe eines den Schwellenwert nach Art. 7 Buchstabe b) der Richtlinie 2004/18/EG übersteigenden Betrages mit dem Argument erhält, die tatsächlich entsorgte Restabfallmenge habe sich abweichend von der geschätzten Restabfallmenge, die der öffentliche Auftraggeber den Bietern mitgeteilt habe, nicht auf ca. 13 250Mg/a belaufen, sondern auf über 18 500 Mg/a?

    2. 2.

      Ist es mit Art. 2 der Richtlinie 2004/18/EG vereinbar, dass ein Auftragnehmer, der von einem öffentlichen Auftraggeber nach Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens mit der Sammlung und dem Transport von Restabfall einschließlich Bioabfall im gesamten Entsorgungsgebiet des öffentlichen Auftraggebers für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2013 beauftragt wurde und der nach dem Inhalt des abgeschlossenen Entsorgungsvertrages eine Vergütung erhält, deren Höhe sich nicht nach der entsorgten Abfallmenge bemisst, sondern ausschließlich nach der Zahl der Abfallbehälter im Entsorgungsgebiet, für die Sammlung und den Transport von Restabfall aufgrund einer Vertragsanpassung ab dem 1.7.2006 pro Abfallgefäß eine Vergütung erhält, die die im Entsorgungsvertrag vereinbarte Vergütung um mehr als 20 % übersteigt, so dass sich pro Jahr eine zusätzliche Vergütung von ca. 335 000 € und für die gesamte Vertragslaufzeit eine zusätzliche Vergütung von ca. 2,5 Mio. € ergeben würde?

    3. 3.

      Handelt es sich bei der Anpassung der in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag (Sammlung und Transport von Restabfällen) vereinbarten Vergütung um einen neuen ausschreibungspflichtigen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i.S. des Art. 1 Abs. 2 Buchstabe d) der Richtlinie 2004/18/EG, sofern

      1. a)

        die Preisanpassung aufgrund einer vertraglichen Regelung erfolgen soll, wonach für den Fall, dass sich die technischen, wirtschaftlichen, abfallwirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die für Abschluss und Vollzug des Vertrages maßgebend waren, während der Vertragsdauer gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses nachhaltig so wesentlich ändern, dass die Rechte und Pflichten der Vertragspartner nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und ein Festhalten an diesem Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung eine unbillige Härte bedeuten würde, jeder der Vertragspartner nach Treu und Glauben eine Anpassung des Vertrages an die geänderten Verhältnisse nach Vernunft und Billigkeit verlangen kann und

      2. b)

        der Wert der nach dieser vertraglichen Regelung geforderten Entgeltanpassung bezogen auf die Vertragslaufzeit den Schwellenwert des Art. 7 Buchstabe b) der Richtlinie 2004/18/EG überschreitet?

    4. 4.

      Stehen Art. 2 der Richtlinie 2004/18/EG sowie Art. 43 und 49 EG einer nationalen Regelung entgegen, die für öffentliche Aufträge bestimmt, dass dann, wenn durch Änderung in der Beschaffenheit der Leistung die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren ist, sofern

      1. a)

        der Wert von der Änderungsvereinbarung betroffenen Preisanpassung den Schwellenwert des Art. 7 Buchstabe b) der Richtlinie 2004/18/EG überschreitet und

      2. b)

        die betreffende nationale Regelung für die Zulässigkeit der Änderungsvereinbarung kein erneutes europäisches Vergabeverfahren nach Maßgabe der Richtlinie 2004/18/EG fordert?

55

Die Klägerin beantragt insoweit,

  1. die Hilfsanträge des Beklagten zurückzuweisen.

56

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

57

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

58

In der Sache hat das Rechtsmittel dahin Erfolg, dass Zahlungs- und (beziffertes) Feststellungsbegehren der Klägerin dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung bei Vertragsverhandlungen (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 und 311 Abs. 2 BGB) sowie wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags vom 13. Oktober 2003), das bezifferte Feststellungsbegehren darüber hinaus gemäß § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags vom 13. Oktober 2003 in Verbindung mit Ziff. 7.2.7 der Bieterinformation Nr. 3 für gerechtfertigt zu erachten sind und wegen der Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderungen auf den Antrag der Klägerin gem. § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Osnabrück zurückzuverweisen ist.

59

Im einzelnen:

60

I. Zahlungsbegehren der Klägerin in Höhe von 477 532,50 €:

61

Das vorbeschriebene Zahlungsbegehren der Klägerin ist dem Grunde nach sowohl wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten gemäß den §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB als auch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 des zwischen den Parteien unter dem 13. Oktober 2003 geschlossenen Entsorgungsvertrags gerechtfertigt.

62

1. Schadensersatzanspruch gem. den §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB:

63

Durch eine Ausschreibung, wie sie hier stattgefunden hat, wird ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zwischen den Teilnehmern an der Ausschreibung begründet, welches zur gegenseitigen Rücksichtnahme sowie zur Beachtung der für das Ausschreibungsverfahren geltenden gesetzlichen Vorschriften verpflichtet (vgl. Emmerich in MünchKomm., 5. Aufl. BGB, § 311 BGB Rdnr. 85).

64

Die Klägerin hält dem angefochtenen Urteil zutreffend entgegen, dass die Pflichten des Beklagten, welcher er in dem Vergabeverfahren, insbesondere im Hinblick au § 8 Nr. 1 VOL/A zu beachten hatte, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.

65

Gemäß § 8 Nr. 1 VOL/A ist die Leistung so eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können.

66

Darüber hinaus sind gemäß Absatz 2 der vorgenannten Bestimmung zur Ermöglichung einer einwandfreien Preisermittlung alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben.

67

Schließlich soll gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus abschätzen kann.

68

Der Beklagte befindet sich im Irrtum, wenn er meint, vorliegend eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung vorgenommen zu haben (§ 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/Teil A). Zwar hat er durch den Hinweis auf Ziffer 2.4 der Bieterinformation deutlich gemacht, dass es sich bzgl. der zu entsorgenden Restabfallmenge von ca. 13 250 Mg/a um eine Schätzung handelte. Entgegen seiner Auffassung hat der Beklagte aber damit nicht hinreichend deutlich gemacht, dass es sich dabei lediglich um eine grobe und nicht hinreichend vorbereitete Schätzung handelte.

69

Aus der vorgenannten "ca.-Angabe" ergab sich dies nicht.

70

Der Beklagte kann in diesem Zusammenhang der Klägerin auch nicht etwaiges Erfahrungswissen aus vorangegangenen Jahren vorhalten. Dies kann, abgesehen davon, dass die Klägerin dieses in Abrede gestellt hat, schon deshalb nicht relevant sein, weil sich die Ausschreibung an alle - dem Beklagten nicht schon aufgrund vorangegangener Vertragsverhältnisse - bekannte Bieter richtete.

71

Hinzu kommt, dass frühere Abfallwirtschaftskonzepte nach der unwidersprochen gebliebenen Darlegung der Klägerin inzwischen durch einen Konzeptwechsel - Bau der MVA, Ausweitung der Eigenkompostierung von Biomüll, Steuerungsmöglichkeiten des Beklagten insbesondere durch Intensivierung der Nutzung der Gartenabfallsammelplätze - vollkommen überholt waren und damit für die Klägerin keine brauchbaren Grundlagen für die Berechnung künftiger Abfallmengen boten.

72

Zu Recht hält die Klägerin dem Beklagten insoweit auch vor, dass dieser durch die Freigabe der Eigenkompostierung und die Steuerungsmöglichkeit der der Eigenkompostierung unterfallenden Mengen es in der Hand hatte, die Restabfallmenge auch zu steuern.

73

Die Klägerin durfte sich daher in der Tat darauf verlassen, dass der Beklagte seine ihn nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A obliegenden Verpflichtungen, nämlich alle die Preisermittlung beeinflussenden Umstände festzustellen, genügt hatte.

74

Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Angabe der Abfallmenge auch nicht irrelevant.

75

Zunächst einmal steht fest, dass es der Beklagte für richtig gehalten hat, die Abfallmenge, wenn auch verbunden mit einer "ca. Angabe" anzuführen. Dazu hätte keinerlei Veranlassung bestanden, wenn diese Angabe keine kalkulationserhebliche Größe sein sollte.

76

Auch die Einzelrichterin hat die oben genannte zu erwartende Abfallmenge zutreffend als kalkulationserhebliche Größe behandelt. Das kann zur Überzeugung des Senats auch gar nicht anders sein, weil natürlich die Anzahl der Entleerungsfahrten sowie die Anzahl der Transporte zur Deponie durch Mengenschwankungen beeinflusst wird. Insoweit besteht in der Tat der von der Klägerin ausgesprochene Verdacht, dass der Beklagte Gefäßentleerungspreise mit deren Kalkulationsgrundlagen vermischt.

77

Dass für die Bieter und damit auch für die Klägerin zweifelsfrei feststand, dass sich das zu zahlende Entgelt ausschließlich nach der Anzahl der Abfallgefäße bemessen sollte und insoweit die Restabfallmenge für die Höhe des Entgelts nicht beachtlich war, ist zwar richtig. Gleichwohl war aber die gesamte Restabfallmenge nicht ohne Bedeutung. Denn letztlich ist doch für jeden Bieter und damit auch für die Klägerin entscheidend gewesen, um welche Mengen zu entsorgenden Restabfalls es überhaupt geht, schon wegen der damit verbundenen Leerungsfahrten.

78

Entgegen der Auffassung der Einzelrichterin durfte die Klägerin auch davon ausgehen, dass die Angabe von ca. 13 250 Mg/a plus/minus 5 % in Ziffer 7.2.1 der Bieterinformation eine für die Parteien verbindliche Schwankungsbreite darstellte. Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass sich nach dem Wortlaut die Angabe plus/minus 5 % in Ziffer 7.2.1 auf die unmittelbar vorangestellte Mengenangabe von ca. 13 250 Mg/a Restmüll und nicht auf eine Gefäßzahl bezieht, wohingegen die Prozentangaben in den Ziffern 7.2.2 und 7.2.3 in unmittelbarem Anschluss an die Darstellung der Anzahl der Gefäße stehen.

79

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist ein Vertrauen der Klägerin, dass die fraglichen Angaben in der Ausschreibung so, wie von ihr verstanden, gelten, auch entsprechend schutzwürdig. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. NZBau 2007, 727,728) ein Vertrauen nicht schutzwürdig ist, wenn der Bieter einen Verstoß gegen Vorschriften der VOL/A bei der ihm jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung hätte erkennen können. So liegen die Dinge hier aber nicht. Denn die Klägerin hätte nicht erkennen können, dass Änderungen bei der prognostizierenden Restabfallmenge nach dem Entsorgungsvertrag ohne jeden Einfluss auf die Vergütung sein sollten. Erst recht war ihr nicht bekannt, dass die Ausschreibung fehlerhaft war.

80

Es trifft auch nicht zu, dass die Klägerin die behälterbezogene Bemessung des Entgelts im Vergabeverfahren nach Maßgabe des § 107 Abs. 3 GWB hätte rügen müssen. Denn, wenn die Mengenabgabe des Beklagten von ca. 13 250 mg/a plus/minus 5 % die maximale Schwankungsbreite der in die Kalkulation einzustellenden Abfallmengen tatsächlich beschrieben hätte, bestand keinerlei Anlass, die Bemessung der Preise nach der Gefäßanzahl zu rügen.

81

Danach ist mit der Klägerin von einer pflichtwidrig nicht sorgfältig vorgenommenen Leistungsbeschreibung des Beklagten auszugehen, woraus sich zugunsten der Klägerin ein Schadensersatzanspruch dahin ergibt, dass sie Ersatz des ihr durch die vorgenannte Pflichtverletzung entstandenen Vertrauensschadens verlangen kann. In welcher Höhe ihr dieser zusteht, steht noch nicht fest.

82

Nach einer Pflichtverletzung bei Vertragsverhandlungen kann die geschädigte Vertragspartei - hier die Klägerin - grundsätzlich nur Ersatz des Vertrauensschadens verlangen (vgl. BGH NJW 2001, 2875, 2876; 2006, 3139, 3141) . Der Geschädigte ist danach so zu stellen, wie er bei Offenbarung der für seinen Vertragsentschluss maßgeblichen Umstände stünde. Wäre der Vertrag infolge der Pflichtverletzung nicht oder zu anderen Bedingungen zustande gekommen, steht dem Geschädigten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich der Senat anschließt, kein Anspruch auf Anpassung des Vertrags zu. Er hat dann lediglich das Recht, an dem für ihn ungünstigen Vertrag festzuhalten. Geschieht dies, reduziert sich der zu ersetzende Vertrauensschaden auf die berechtigten Erwartungen des Geschädigten, die durch den zustandegekommenen Vertrag nicht befriedigt werden ( BGH NJW 2006, 3139, 3141 [BGH 19.05.2006 - V ZR 264/05] m.w.N.)

83

Unter Umständen kann der als Folge einer Pflichtverletzung bei Vertragsschluss zu ersetzende Schaden zwar auch ein Erfüllungsinteresse umfassen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass bei erfolgter Aufklärung ein für den Geschädigten günstigerer Vertrag zustandegekommen wäre; dann kann der Geschädigte verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn er diesen günstigeren Vertrag geschlossen hätte, was er aber darzulegen und zu beweisen hätte (BGH, a.a.O., S 3141).

84

Im Rahmen der von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzklage muss für ein Grundurteil die hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass irgendein Schaden entstanden ist (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 304 ZPO Rdnr. 6 m.w.N.).

85

Dies ist hier der Fall.

86

Auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten privatgutachterlichen Stellungnahme der Unternehmensberatung X...GmbH vom 6. Juli und 8. Dezember 2006 steht zur Überzeugung des Senats schon jetzt hinreichend fest, dass die Klägerin einen gewissen Schaden durch die oben beschriebene Pflichtverletzung erlitten hat. Soweit der Beklagte den Ausführungen der vorgenannten Unternehmensberatung die Stellungnahme des Prof. Dr. Y.... vom 29. Oktober 2006 entgegenhält, leidet letztere schon daran, dass diese unberücksichtigt lässt, dass dem von der Klägerin im Zuge der Ausschreibung angebotenen Entgelt ein konkret auftragsbezogenes Logistikkonzept und eine sich hieraus ergebende Kalkulation zugrundeliegen. Die Klägerin hat auf der Grundlage der ausgeschriebenen Behälterzahlen und Abfallmengen ein entsprechendes Konzept aufgebaut und die hierfür notwendigen Fahrzeuge und Gerätschaften beschafft. Ein einfacher Austausch bzw. Wechsel der Fahrzeugtechnik ist nicht kostenneutral möglich. Schon vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht der Einschätzung des Beklagten zu folgen, dass die Klägerin einen Schaden gar nicht erlitten bzw. dargestellt habe.

87

Soweit die Klägerin anstrebt, so gestellt zu werden, als wäre es ihr gelungen, mit dem Beklagten einen Vertrag abzuschließen, der ihn verpflichtet, vollen Ersatz nach Maßgabe des Gutachtens X...(unter Einschluss des Gewinns) zu erstatten, macht sie ein Erfüllungsinteresse geltend, welchem vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten Rechtsprechung nur ausnahmsweise als Vertrauensschaden entsprochen werden kann. Ob dies vorliegend der Fall ist, muss ebenso wie die Frage, welcher Schaden der Klägerin im einzelnen entstanden ist, dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben.

88

2. Ausgleichsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags vom 13. Oktober 2003

89

Die Berufung hält dem angefochtenen Urteil weiter zu Recht entgegen, dass die einzelnen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags vom 13. Dezember 2003 als gegenüber § 313 SGB als spezielle Anspruchsgrundlage nicht hinreichend gewürdigt worden sind.

90

Mit der Klägerin ist zunächst davon auszugehen, dass die zu erwartende Menge an Restabfall al abfallwirtschaftliches Verhältnis im Sinne des § 15 Abs. 2 des vorgenannten Entsorgungsvertrags anzusehen sind. Insoweit hat auch die Einzelrichterin zutreffend ausgeführt, dass die Restabfallmenge für die Bieter und damit auch für die Klägerin kalkulationsrelevant war. Denn die Anzahl der Entleerungsphasen beeinflusst unmittelbar auch die zu berechnenden Kosten. Die Klägerin hat ferner unwidersprochen dargelegt, dass im ersten Vertragsjahr 2004 18 175,53 Mg Restabfall, im Jahre 2005 18 174,587 Mg Restabfall und im Jahre 2006 17 356,85 Mg Restabfall zu entsorgen waren, womit die zu entsorgende Restabfallmenge seit dem 1. Januar 2004 um rund 37 % höher lag als die zu erwartende Restabfallenge von ca. 13 250 Mg/a.

91

Mit der Klägerin sieht der Senat darin eine nachhaltige und so wesentliche Änderung, dass die Rechte und Pflichten der Parteien nicht mehr in angemessenem Vertragsverhältnis zueinander stehen und ein Festhalten an diesem Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung eine unbillige Härte bedeuten würde, so dass die Klägerin nach Treu und Glauben eine Anpassung des Entsorgungsvertrags nach Vernunft und Billigkeit beanspruchen kann.

92

Entgegen der Auffassung der Einzelrichterin kann eine relevante wesentliche Änderung nicht deshalb verneint werden, weil die offenkundige Unwägbarkeit der künftigen Restabfallmenge sämtlichen Bietern bekannt gewesen und deshalb von ihnen in der jeweiligen Preiskalkulation habe berücksichtigt werden müssen. Wie schon oben bei Abhandlung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin ausgeführt worden ist, war die tatsächlich zu entsorgende Restabfallmenge ganz entscheidend für die Bieter und damit auch für die Klägerin. Die schon oben erwähnte Angabe ca. 13 250 mg plus/minus 5 % durfte sehr wohl von den Bietern und damit auch von der Klägerin dahin verstanden werden, dass eine höhere zu entsorgende Restabfallmenge nicht preislich einzukalkulieren war.

93

Die Klägerin muss sich danach nicht an dem Ursprungsvertrag festhalten lassen.

94

Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Anpassung des Vertrags.

95

Da sich die Klägerin erfolglos um eine vertragliche Anpassung bemüht hat, ist sie berechtigt, sogleich auf die nach dem veränderten Vertragsinhalt geschuldete Leistung zu klagen und nicht auf Zustimmung zur Anpassung (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 313 BGB Rdnr. 41 m.w.N.).

96

In welchem Umfang eine Anpassung gerechtfertigt ist, richtet sich wiederum danach, welche Aufwendungen die Klägerin aufgrund der veränderten Situation gehabt hat bzw. haben durfte. Insoweit besteht zwischen den Parteien Streit. Eine Klärung ist im Betragsverfahren vorzunehmen.

97

3. Keine Verpflichtung des Beklagten zur Neuausschreibung

98

Entgegen der Auffassung des Beklagten scheitert die Durchführung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht daran, dass eine Verpflichtung zur Neuausschreibung besteht.

99

Es mag durchaus eine Pflicht zu Neuausschreibung dann bestehen, wenn ein durch Ausschreibung zustandegekommener Vertrag erweitert wird und die Anpassung oder Abänderung der vertraglichen Regelungen in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen bei wertender Betrachtung einer Neuvergabe gleichkommen. Darum geht es hier aber nicht.

100

Eine Vertragserweiterung steht nicht in Rede. Es soll nicht der Vertragsgegenstand geändert werden; vielmehr geht es um eine Anpassung der Vergütung. Hinzu kommt, dass der Beklagte sogar in Abrede nimmt, dass durch die unstreitig feststehende Erhöhung der zu entsorgenden Restabfallmenge überhaupt eine nennenswerte Veränderung im Vertragsgefüge entstanden ist.

101

Der Senat hat auch keine Veranlassung, gemäß dem Hilfsantrag des Beklagten den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

102

Eine Verpflichtung zur Vorlage besteht nicht (Art. 234 Abs. 3 EG).

103

Sie ist auch nicht geboten. Es geht vorliegend nicht um eine nachträgliche einvernehmliche Änderung des Entsorgungsvertrags. Soweit eine Anpassung des Vertrags nach § 15 Abs. 2 des Vertrags verlangt wird, liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage ohnehin nicht vor.

104

II. Feststellungsbegehren der Klägerin:

105

Entgegen der Auffassung der Einzelrichterin kann die Klägerin gemäß § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags i.V.m. Ziffer 7.2.7 der Bieterinformation 3 auf Preisanpassung wegen geänderter Personal-/Kraftstoff-/oder Technikkosten um weitere 4,673 % verlangen.

106

Entscheidend ist insofern die Frage, welcher Bezugszeitpunkt für die Berechnung des Anpassungsanspruchs entscheidend ist. Die Klägerin hat nachvollziehbar Gründe dafür dargelegt, insoweit nicht auf den Zeitpunkt Mai 2004 bzw. Mai 2005 abzustellen, da daraus folgen würde, dass die Zeit vom Abschluss des Entsorgungsvertrags bis zu dem Beginn einer eventuellen Änderung "inflationsmäßig" völlig außen vor bliebe. Diese Schlussfolgerung orientiert sich, wie von der Klägerin im einzelnen dargelegt, am Wortlaut der Ziffer 7.2.7 der Bieterinformation und stellt zur Überzeugung des Senats zutreffend darauf ab, dass insoweit der Auslegung eines Vertrags der Vorzug zu geben ist, die zu einem widerspruchsfreien und interessengerechten Ergebnis führt und nicht einem sich formal aus § 3 Abs. 1a) ergebenden Vorrang der vertraglichen Regelung des § 7 Abs. 3 des Vertrags.

107

Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass die fragliche vertraglich geregelte Preisanpassung nicht genehmigt und damit schwebend unwirksam sei, ist dieses nicht erheblich. Der Beklagte hat dem Erhöhungsbegehren im Übrigen ohnehin nach Maßgabe seines Schreibens vom 6. Februar 2006 entsprochen.

108

Dem Grunde nach ist damit das Erhöhungsverlagen der Klägerin gerechtfertigt. In welchem Umfang die Klägerin tatsächlich eine weitere Vergütung verlangen kann, ist im Rahmen des Betragsverfahrens festzustellen.

109

Gemäß § 543 ZPO hat der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der angesprochenen Rechtsfragen die Revision zugelassen.