Landgericht Verden
Urt. v. 15.07.2003, Az.: 5 O 22/03
Anspruch auf Zahlung gegen einen Insolvenzverwalter auf Grund einer Versteigerung; Voraussetzung der Ersatzpflicht eines Insolvenzverwalters
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 15.07.2003
- Aktenzeichen
- 5 O 22/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 32412
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2003:0715.5O22.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 20.01.2004 - AZ: 16 U 109/03
Rechtsgrundlagen
- § 168 Abs. 2 InsO
- § 60 InsO
In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2003
durch
die Richterin Dr. ... Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 8.202,04 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht als Gläubigerin des Gemeinschuldners ... gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter Ersatzansprüche aufgrund einer durchgeführten Versteigerung geltend.
Die Klägerin ist Gläubigerin des Insolvenzschuldners ..., der Inhaber einer Bäckerei war und die hierfür erforderlichen Räumlichkeiten von einem weiteren Gläubiger angemietet hatte/ Der Klägerin wurden von dem Insolvenzschuldner, eine Schockfrostanlage, ein Spiralkneter SP 125 L sowie ein Backofen Werner & Pfleiderer zur Sicherheit übereignet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des ... bestellt. Der Beklagte betrieb daraufhin die Verwertung verschiedener Gegenstände des Insolvenzschuldners und beauftragte ein Versteigerungshaus mit der Verwertung des Inventars der Bäckerei.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2001 teilte der Beklagte der Klägerin den Versteigerungstermin, der für den 7. Februar 2001 angesetzt war, mit. Die Klägerin gab daraufhin mit Schreiben vom 22. Januar 2001 Kaufpreisangebote bezüglich der drei zur Sicherheit übereigneten Gegenstände gegenüber dem Beklagten ab. Diese Angebote beliefen sich für den Spiralkneter auf 7.000,00 DM, für den Backofen auf 27.000,00 DM sowie für die Schockfrostanlage auf>*30.000,00 DM. Für weitere Einzelheiten der Schreiben wird auf diese Bezug genommen (Bl. 7 u. 39 d.A.).
Am 7. Februar 2001 führte der Beklagte die Versteigerung des Inventars der Bäckerei durch und erzielte für den Backofen und den Spiralkneter zusammen einen Erlös in Höhe von 30.500,00 DM. Die Schockfrostanlage, für die sich das Mindestgebot auf 23.000,00 DM belief, konnte nicht versteigert werden und wurde mit Schreiben vom 8. März 2001 vom Beklagten mit Hinweis auf das bestehende Vermieterpfandrecht zugunsten der Klägerin freigegeben.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei verpflichtet, sie so zu stellen, als hätte er an sie veräußert. Die Differenz zwischen dem erreichten Versteigerungserlös und ihrem Angebot vom 22. Januar 2001 belaufe sich unter Berücksichtigung des Kostenbeitrages gemäß § 171 InsO auf insgesamt 8.202,04 EUR.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 8.202,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Januar 2002 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass es dem Beklagten nicht möglich gewesen sei, zu überprüfen, ob das Angebot der Klägerin eine günstigere Verwertungsmöglichkeit gegenüber der Versteigerung dargestellt habe. Im Übrigen sei äußerst zweifelhaft, ob angesichts der erheblichen Forderungen aus dem Mietverhältnis gegen den Schuldner überhaupt ein Anteil am Erlös übrig geblieben wäre zur Befriedigung der Insolvenzforderung der Klägerin.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagten vom 24. Juni 2003 und der Klägerin vom 10. Juli 2003 gaben dem Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 8.202,04 EUR aus § 168 Abs. 2 InsO zu.
2.
Ein Anspruch auf Ersatz der Differenz hinsichtlich des ursprünglichen Angebots der Klägerin vom 22. Januar 2001 und der anschließenden Verwertung der Schockfrostanlage durch die Klägerin scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, inwieweit ihr die begehrte Selbstverwertung erschwert worden und ihr damit ein Nachteil entstanden ist. Die Schockfrostanlage wurde durch den Beklagten als Insolvenzverwalter gerade nicht veräußert, sondern an die Klägerin freigegeben, so dass § 168 Abs. 2 InsO schon von seinem Normzweck her nicht einschlägig ist. Denn eine Ersatzpflicht gemäß § 168 Abs. .2 InsO setzt gerade voraus, dass eine für den Absonderungsberechtigten nachteilige Veräußerung durch den Insolvenzverwalter stattgefunden hat.
3.
Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 60 InsO hinsichtlich der Schockfrostanlage vor, da von der Klägerin nicht dargelegt worden ist, worin eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten liegen soll, da er mangels einer Möglichkeit der günstigen Versteigerung diesen Gegenstand zugunsten der Klägerin freigegeben hat.
4.
Die Klägerin hat auch keinen Ersatzanspruch gem. § 168 Abs. 2 InsO hinsichtlich der Verwertung des Spiralkneters und des Backofens seitens des Beklagten in Höhe von 9.313,80 DM (4.762,07 EUR).
a)
Es ist schon zweifelhaft, ob § 168 Abs. 2 InsO im Falle einer Versteigerung durch den Insolvenzverwalter Anwendung findet. Aus § 168 Abs. 1 S. 1 InsO, der auf die Regelung des § 166 InsO Bezug nimmt, ist zu entnehmen, dass von § 168 InsO primär freihändige Verkäufe von Sicherungsgegenständen durch den Verwalter erfasst werden (vgl. Uhlenbruck, InsO, 12. Auflage 2003, § 168 Rn. 3). Durch die Vorschrift soll nämlich gewährleistet werden, dass Streitigkeiten über die Bewertung von Sicherungsgut im Falle der Veräußerung durch den Verwalter an einen Dritten vermieden werden. Damit ist nicht die Veräußerung an einen Dritten im Wege der Zwangsversteigerung gemeint, da für den Insolvenzverwalter in diesem Fall eine Prüfung dahingehend nicht möglich ist, ob ein Angebot eines Gläubigers eine günstigere Verwertungsmöglichkeit darstellt gegenüber der öffentlichen Versteigerung. Vielmehr bezieht sich § 168 InsO seinem Sinn und Zweck nach auf Veräußerungen an Dritte zu einem bestimmten, im Zeitpunkt der Mitteilung schon bekannten Preis.
b)
Unabhängig hiervon scheidet der Anspruch der Klägerin auch aus einem anderen Grund aus.
Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr aus der Verwertung durch Versteigerung seitens des Beklagten tatsächlich ein Nachteil entstanden ist. Da der Ersatzanspruch gemäß § 168 Abs. 2 InsO in Höhe des Differenzbetrages den Rang einer Masseverbindlichkeit im Sinne von §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat, entsteht der Zahlungsanspruch nur unter der Voraussetzung, dass aus dem tatsächlich erzielten Erlös nicht schon die Insolvenzforderung des Gläubigers voll befriedigt werden kann (Uhlenbruck, a.a.O., § 168 Rdnr. 14). Die zur Absonderung überhaupt erst berechtigende Sicherung dient nämlich nur der Deckung der Forderung. Sie birgt keine zusätzliche Einnahmequelle für den Gläubiger, d. h., es besteht eine Begrenzung des Ersatzanspruchs auf die Höhe der Forderung des absonderungsberechtigten Gläubigers (Kübler/Prütting/Kemper, InsO, § 168 Rn.15). Ein Nachteil wäre der Klägerin dementsprechend nur dann entstanden, wenn der gesamte Mehrerlös, der mit der Klage geltend gemacht wird, nicht anderen Gläubigern des Insolvenzschuldners, wie z.B. dem Vermieter der Räume, sondern der Klägerin als. vorrangiger Gläubigerin vollständig zugeflossen wäre. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, dass und in welcher Höhe tatsächlich, im Hinblick auf andere noch bestehende Insolvenzforderungen, auf ihre Insolvenzforderung gezahlt worden wäre. Dies gilt insbesondere wegen der unstreitigen Belastung der Gegenstände mit einem Vermieterpfandrecht. Desgleichen fehlt es an Vortrag zur Höhe der Insolvenzforderung der Klägerin.
5.
Auch bezüglich des Spiralkneters und des Backofens kommt ein Anspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 60 InsO nicht in Betracht, da es für ein schuldhaftes Handeln des Beklagten an Anhaltspunkten fehlt. Zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots der Klägerin war für den Beklagten nicht abzusehen, ob das Angebot eine günstigere Verwertungsmöglichkeit gegenüber der Versteigerung darstellte, an der die Klägerin im übrigen hätte teilnehmen können. Unabhängig davon hat die Klägerin nicht dargelegt, worin und in welcher Höhe ihr ein tatsächlicher Nachteil entstanden ist.
II.
Die Nebenentscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 8.202,04 EUR festgesetzt.