Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 31.01.2024, Az.: 14 U 58/23

Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall; Wirkung eines Haftungsausschlusses für Beschädigungen von beförderten Sachen bei der Kfz Haftpflichtversicherung auch gegenüber Dritten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
31.01.2024
Aktenzeichen
14 U 58/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 10314
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0131.14U58.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 16.03.2023 - AZ: 4 O 294/17

Fundstellen

  • NJW-RR 2024, 523-527 "Haftpflichtversicherung"
  • VRR 2024, 18-20
  • Verkehrsjurist 2024, 20-28
  • r+s 2024, 547-548

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Auf einen Risikoausschluss im Sinne des § 4 Nr. 3 KfzPflVV - hier Ziffer 1.5.5. AKB (2013) - kann sich der Versicherer auch gegenüber dem geschädigten Dritten berufen, mit der Folge, dass auch gegenüber diesem der Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gegen den Versicherer im Außenverhältnis von vornherein nicht besteht.

  2. 2.

    Der Risikoausschluss gem. Ziffer A 1.5.5 AKB (2013) unterscheidet sich durch den Zusatz "üblicherweise" von den Regelungen des § 8 Nr. 3 StVG und des § 1 Abs. 3 Satz 2 HPflG. Für die Auslegung der Klausel kann daher nicht ohne weiteres auf deren Maßstäbe zurückgegriffen werden.

In dem Rechtsstreit
1. C. T.-M., ...,
Klägerin zu 1 und Berufungsklägerin,
2. C. M., ...,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte ...,
gegen
... Versicherung, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin zu 1 wird das am 16. März 2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 4 O 294/17 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1 ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 35.000 Euro vom 25. November 2017 bis zum 13. Juni 2022 und auf einen Betrag in Höhe von 30.000 Euro seit dem 14. Juni 2022 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2 ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro vom 25. November 2017 bis zum 13. Juni 2022 und auf einen Betrag in Höhe von 3.000,00 Euro seit dem 14. Juni 2022 zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin zu 1 weitere 2.238,39 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. November 2017 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1 einen weiteren Betrag in Höhe von 7.459,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 8.910,46 Euro vom 25. November 2017 bis zum 22. Juli 2020, aus einem Betrag in Höhe von 9.459,05 Euro vom 23. Juli 2020 bis zum 13. Juni 2022 und aus einem Betrag in Höhe von 7.459,05 Euro seit dem 14. Juni 2022 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen jeweils sämtlichen weiteren materiellen und zukünftigen, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 26. Dezember 2015 auf der A ... Fahrtrichtung M., Anschlussstelle E., zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerinnen als Gesamtschuldner von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.590,91 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die erstinstanzlichen Gerichtskosten und die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1 zu 13 %, die Klägerin zu 2 zu 9 % und die Beklagte zu 78 %. Die Beklagte trägt außerdem die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1 zu 84 % und die der Klägerin zu 2 zu 50 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Kosten des Berufungsverfahren tragen die Klägerin zu 1 zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.137,08 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin zu 1 und zu 2 machen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 26. Dezember 2015 auf der Bundesautobahn A... ereignete.

Am Unfalltag befuhr der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Klägerin zu 2, Herr M. M., mit dem PKW der Marke Audi die Bundesautobahn A ... in Fahrtrichtung M. Die damals 46-jährige Klägerin zu 1 war als Beifahrerin im Auto, die damals 10-jährige Tochter saß auf der Rückbank im Kindersitz. Halterin des Fahrzeugs war die Arbeitgeberin des Ehemannes. Die Beklagte war zum Unfallzeitpunkt Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherer des Fahrzeugs. Nahe der Anschlussstelle E. kam der Ehemann der Klägerin zu 1 aus ungeklärter Ursache nach rechts von der Fahrbahn ab und geriet mit dem Pkw unmittelbar vor Beginn der seitlichen Leitplanken vollständig in den Grünstreifen und geriet dann gegen das Fundament eines vorgelagerten Schaltkastens und prallte frontal auf den dahinter gelegenen Mast einer Matrixschilderbrücke. Der Ehemann der Klägerin zu 1 hatte noch versucht, durch Gegenlenken und Bremsen den Aufprall abzuwenden. Dies gelang ihm jedoch nicht mehr. Er verstarb noch an der Unfallstelle. Die Klägerin zu 1 schlief zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens und wachte lediglich während der Bergung zweimal auf. Sie ist Rechtshänderin und erlitt durch den Unfall eine Humerusschaftfraktur rechts mit Läsion des Nervus radialis und des Nervus ulnaris. Sie wurde mit dem Rettungshubschrauber in das Klinikum H. in M. eingeliefert, wo sie vom 26. Dezember 2015 bis zum 07. Januar 2016 auf der Station für Unfallchirurgie stationär behandelt wurde. In einer ersten Operation am 27. Dezember 2015 wurde der Oberarmbruch mittels offener Reposition, retrograder Marknagelosteosynthese und Cerclage des Humerus rechts versorgt. Durch das Einbringen des Marknagels wurde der Oberarm ein weiteres Mal gebrochen, es kam zu einer diakondylären Fraktur. Durch das Einbringen einer Schraube wurde in Höhe des Ellenbogens der Nervus radialis geschädigt und es kam zu einer Zertrümmerung des Ellenbogens. Postoperativ zeigte sich bei der Klägerin zu 1 eine sogenannte Fallhand durch den kompletten Ausfall des Endpunktes Nervus radialis und schwere Schädigung mit erhaltener Restfunktion des Nervus ulnaris rechts. Infolgedessen war am 28. Dezember 2015 eine weitere Operation erforderlich, bei der die Revision durch Neurolyse des Nervus radialis und Dekompression des Nervus ulnaris erfolgte. Anschließend erfolgte eine Versorgung mit fester Gipsschiene für insgesamt sechs Wochen. Im Zeitraum vom 12. Januar bis zum 05. Februar 2016 hielt sich die Klägerin zu 1 für eine unfallbedingt verordnete neurologische Reha in der M. Klinik in W. auf. Es folgten ambulante Krankengymnastik, Ergotherapie und Lymphdrainage. Vom 10. Februar bis zum 02. März 2016 befand sich die Klägerin zu 1 erneut in stationärer Behandlung, um durch eine weitere Operation eine Versteifung ihres Armes zu verhindern, nachdem ein kompletter Radialis-Funktionsverlust nach Nagelesteosynthese der Humerusschaftfraktur mit perimplantärer Fraktur des zystalen Humerusschaftes festgestellt worden war. Ohne erneute vollständige operative Revision war die komplette Versteifung des Ellenbogengelenks zu befürchten. Begleitend erfolgte die symptomatische und bedarfsgerechte Schmerztherapie mittels Setzen eines Schmerzkatheters sowie die Durchführung einer Thromboseprophylaxe. Vom 04. Januar 2018 bis zum 08. Januar 2018 befand sich die Klägerin zu 1 wieder stationär in einer Klinik, in der das Osteosynthesematerial entfernt wurde. Bis heute ist am Oberarm der Klägerin zu 1 eine große Operationsnarbe erkennbar. Im Zeitraum zwischen dem 08. März 2016 und dem 18. April 2018 musste sie etwa 85 Tage stationär in Krankenhäusern behandelt werden und fast 800 Behandlungstermine zur medizinischen Versorgung, zur Ergotherapie und Physiotherapie wahrnehmen. Die Klägerin zu 1 war im Zeitraum vom 26. Dezember 2015 bis April 2018 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Von April bis August 2018 erfolgte eine berufliche Wiedereingliederung. Seit August 2018 ist die Klägerin zu 1 wieder in Teilzeit in ihrem Beruf im Außendienst des Finanzamtes in gleichem Umfang tätig. Mit Bescheid vom 13. Juni 2017 stellte das H. Amt für Versorgung und Soziales W. zum damaligen Zeitpunkt einen Grad der Behinderung (GdB) von 50% fest. Die Tochter, die ebenfalls beim Unfall verletzt wurde, musste zunächst vom Bruder der Klägerin zu 1 versorgt werden und dort etwa drei Monate ohne ihre Mutter leben. Die Beklage zahlte vorprozessual ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro an die Klägerin zu 1. Mit dem Abrechnungsschreiben vom 13. Juni 2022 zahlte die Beklagte an die Klägerin zu 1 einen weiteren Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 5.000,00 Euro und auf den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden einen Betrag in Höhe von 2.000,00 €. An die Klägerin zu 2 zahlte die Beklagte außergerichtlich 3.000 € und im Verlauf des Rechtsstreits weitere 3.000 € an die Klägerin zu 2. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Klägerin zu 1 war der Auffassung, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 45.000,00 bis 60.000 € angemessen sei. Sie hat behauptet, die erlittenen Verletzungen beeinträchtigten sie dauerhaft und in ständig spürbarem Umfang in ihrer Lebensführung. Sie habe unfallbedingt neben der Humerusschaftfraktur eine Rippenserienfraktur links mit Lungenkontusion und Distorsion/Quetschung des linken Fußes erlitten. Die Klägerin zu 1 hat weiter behauptet, sie habe unfallbedingt eine Meniskopathie des Außenminiskus erlitten. Ferner seien unfallbedingt einmal im Monat im Zusammenhang mit ihrer Menstruation im Bereich der Hüfte starke Schmerzen aufgetreten. Ein kompletter Faustschluss an der rechten Hand sei dauerhaft nicht möglich. Sie habe zudem infolge der Unfallverletzungen aufgrund eingenommener Fehlhaltungen und Ausweichbewegungen immer wieder Verspannungen und Schmerzzustände im Schulter- und HWS-Bereich. Zudem hat sie behauptet, sie sei im Zeitraum vom 26. Dezember 2015 bis 31. Dezember 2017 aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht in der Lage gewesen, ihren Haushalt ohne Einschränkung zu führen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum behaupteten Verletzungsbild und dem Haushaltsführungsschaden wird auf den umfassenden Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen. Die Klägerin zu 1 hat ferner behauptet, ihr seien unfallbedingt Heilbehandlungskosten in Höhe von 1.064,94 Euro, Stornierungskosten sowie Fahrtkosten in Höhe von 1.250,20 Euro entstanden. Sie war schließlich der Ansicht, ihr stünde Schadensersatz für das beschädigte Gepäck, die mitgeführten Gegenstände und die Kleidungsstücke zu.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Schmerzensgeldvorstellungen der Klägerinnen seien weit überhöht. Hinsichtlich der geltend gemachten materiellen Schäden war sie der Auffassung, dass Schäden am Ladegut gemäß Ziffer A.1.5.5 AKB nicht erstattungsfähig seien.

Mit dem am 16. März 2023 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht nach informatorischer Anhörung der Parteien sowie Beweiserhebung durch Einholung mehrerer Sachverständigengutachten zu den Unfallfolgen der Klägerinnen, darunter auch das orthopädisch-traumatologische Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 04. September 2019 (Gutachtenband) und das psychiatrisch - psychotherapeutisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. Dr. h.c. V. vom 18. Juni 2019, der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeld in Höhe von 11.000 € bzw. 3.000 € und eines weiteren Betrags in Höhe von 7.459,05 Euro verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen jeweils sämtlichen weiteren materiellen und zukünftigen, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 26. Dezember 2015 zu ersetzen. Zur Begründung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, die Beklagte hafte auf Schadensersatz im Umfang von 100 % aus §§ 7,18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 S.1 VVG i.V.m. § 1 PflichtVersG. Zum Ausgleich der Verletzungen und der Beeinträchtigungen der Klägerin zu 1 sei ein Schmerzensgeld von insgesamt 26.000 € gemäß § 253 Abs. 2 BGB geboten, aber auch ausreichend. Hierbei sei nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1 unter einer Humerusschaftfraktur rechts als Rechtshänderin, einer Läsion Nervus radialis und Läsion Nervus ulnaris, einer Rippenserienfraktur links 2-4, Lungenkontusion und einer Distorsion/Quetschung oberes Sprunggelenk D5 linker Fuß litt. Diese Verletzungen hätten umfangreiche Medikationen, adäquate Schmerztherapien und Physiotherapien, Ergotherapie und Lymphdrainage bedurft. Zur Überzeugung des Landgerichts habe sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ergeben, dass die von der Klägerin zu 1 behaupteten Beeinträchtigungen und Behandlungskomplikationen, wie eine deutliche Schwellung und ein Funktionsdefizit der rechten Hand und Verlust der Fingerstreckung bestanden haben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe darüber hinaus fest, dass bei der Klägerin zu 1 auf dem orthopädischen Gebiet eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 30 %, auf dem neurologischen Gebiet von 10 % und auf dem psychischen Gebiet von 10 % verbleibe. Zusätzlich habe sie eine posttraumatische Geschmacksstörung erlitten, die zu einer Minderung der Erwerbstätigkeit auf dem Gebiet Hals-Nasen-Ohren Medizin von 10 % MdE als Dauerschaden geführt hätte. Ebenso sei nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Landgerichts festzustellen, dass es zu einer depressiven Symptomatik mit Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit und sozialem Rückzug im Sinne einer mittelgradigen, depressiven Episode gekommen sei. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei nach Ansicht des Landgerichts darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Hand der Klägerin zu 1 noch immer steif sei und sie zwei Jahre lang, während der Menstruation, als Operationsfolge an der Narbe unfallbedingt unter starken Schmerzen gelitten habe. Ebenso seien die Vielzahl der stationären Aufenthalte und die erhebliche Anzahl der Behandlungstermine bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Die Außenmeniskusverletzung der Klägerin zu 1 sei jedoch nicht schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Der Sachverständige Dr. F. habe in seinem Gutachten vom 4. September 2019 ausgeführt, diesbezüglich sei nicht von einer unfallbedingten Verletzung des Außenmeniskus auszugehen. Die Klägerin zu 1 habe danach einen Nachweis der Unfallursächlichkeit, der dem Maß des § 286 ZPO genüge, nicht geführt. Nach alledem stünde der Klägerin zu 1 wegen ihrer umfassenden unfallbedingten Einschränkungen in der Haushaltsführung in der Zeit vom 26. Dezember 2016 bis zum 31. Juli 2017 ein Anspruch auf Ersatz ihres weiteren Haushaltsführungsschadens in Höhe von 4.731,86 € zu, wobei von einem Stundensatz von 8,00 Euro auszugehen sei. Nach Anhörung der Klägerin zu 1 und dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Landgericht überzeugt, dass die Klägerin zu 1 in der Zeit nach dem Unfall ihren Haushalt nicht mehr so führen könne, wie zuvor. Wegen der Berechnungen des Haushaltsführungsschadens wird auf die Ausführungen im Urteil (Seite 16 des landgerichtlichen Urteils) Bezug genommen. Daneben könne die Klägerin zu 1 Stornierungskosten für die geplante Schiffsreise in Höhe von 988,50 € sowie Taxikosten, Fahrtkosten, Rücktransportkosten für die Rückreise ihrer Tochter und Übernachtungskosten der Freundin zur Versorgung der Familie erstattet verlangen. Soweit die Klägerin zu 1 darüber hinaus den Ersatz der Heilbehandlungskosten in Höhe von 1.064,90 € begehrt hat, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die inhaltliche Richtigkeit und Berechtigung der geltend gemachten Beträge sei trotz Hinweises des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2019 sowie im Beschluss vom 11. Juli 2022 nicht durch Vorlage der Beihilfebescheide belegt oder sonst Beweis angeboten worden. Darüber hinaus könne die Klägerin zu 1 keinen Schadensersatz für Schäden am Ladegut in Höhe von insgesamt 6.470,99 € verlangen. Denn gemäß der AKB der Beklagten (Ziffer A 1.5.5.) bestehe grundsätzlich kein Versicherungsschutz für beschädigte Sachen, die mit einem versicherten Fahrzeug befördert würden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin zu 1 mit ihrer Berufung, mit der sie ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 19.000 € (insgesamt mindestens 45.000 €) sowie die Erstattung der Heilbehandlungskosten in Höhe von 1.064,90 €, Schadensersatzzahlung für die Schäden am Ladegut in Höhe von 6.470,99 € und die Zahlung der Differenz aus der Berechnung des Haushaltsführungsschaden mit einem Nettostundensatz in Höhe von 9,00 € sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1 den Haushaltsführungsschaden ab dem 1. Januar 2018 zu 40 % zu ersetzen. Das zugesprochene Schmerzensgeld sei nicht ausreichend bemessen. Ferner habe das Landgericht verkannt, dass für die Beurteilung der Kausalität der Verletzung am Außenmeniskus der Klägerin zu 1 nicht das Beweismaß des § 286 ZPO zu beachten sei. Die Distorsion des oberen Sprunggelenkes stelle die Primärverletzung dar und die Verletzung am Meniskus falle in die haftungsausfüllende Kausalität und unterliege damit dem erleichterten Beweismaß des § 287 ZPO. Zudem sei der Haushaltsführungsschaden der Klägerin zu 1 nicht zutreffend berechnet worden. Das Landgericht gehe zwar von einem zutreffenden Umfang und einem ausreichenden Arbeitszeitaufwand bei der Beurteilung des Haushaltsführungsschadens aus. Dieser sei aber mit einem Nettostundensatz in Höhe von 9,00 € statt mit 8,00 € zu berechnen. Hierzu verweist sie auf die Höhe des Mindestlohnes von 12,00 € und der nach § 22 JVEG gewährten Entschädigung eines Zeugen. Ferner stehe ihr die Erstattung der Heilbehandlungskosten zu. Das Landgericht habe übersehen, dass die Rechnungen für die Ergotherapie mit Anlage K 48a bis 49a bereits vorgelegt worden seien. Soweit es eines Beweisangebots bedurft habe, hätte das Landgericht die Klägerin zu 1 nach den erfolgten Hinweisen erneut auf das Fehlen der Beihilfebescheide hinweisen müssen. Der unterbliebene Hinweis stelle einen Verfahrensfehler dar. Schließlich ginge das Landgericht rechtsfehlerhaft davon aus, dass Schäden am Ladegut gemäß Ziffer A 1.5.5. AKB nicht vom Versicherungsschutz erfasst seien. Da die Beklagte nicht bestritten habe, dass die Gegenstände mitgeführt und beschädigt worden seien, sei das Ladegut in voller Höhe ersatzfähig.

Die Klägerin zu 1 beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 1 ein weitergehendes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber 19.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 1 weitere 7.535,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie

  3. 3.

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1 den Haushaltsführungsschaden ab dem 01.01.2018 zu 40% zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zu 1 zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der weitere Feststellungsantrag sei bereits unzulässig. Das zugesprochene Schmerzensgeld sei angemessen. Aus der Berufungsbegründung ergebe sich nicht, welche rechnerischen Konsequenzen die Klägerin zu 1 daraus ziehe, dass das Landgericht bei Berechnung des Haushaltsführungsschadens einen zu geringen Stundensatz zugrunde gelegt habe. Wie sich der Berufungsantrag zu Ziffer 2 zusammensetze und welcher Anteil hiervon auf den Haushaltsführungsschaden entfalle, ergebe sich aus dem Berufungsvortrag nicht. Soweit das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt sei, dem von der Klägerin zu 1 geltend gemachten Anspruch stehe Ziffer A.1.5.5 AKB entgegen, sei dies weder tatsächlich noch rechtlich zu beanstanden.

Der Senat hat die Klägerin zu 1 persönlich angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 19. Dezember 2023 (Bl. 704 ff. d.A.).

II.

Die Berufung der Klägerin zu 1 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden. In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg. Über die Begründetheit der klägerischen Ansprüche in Bezug auf die Klägerin zu 2 hatte der Senat - mangels Rechtsmittels - nicht zu entscheiden.

1.

Die Klage auf Feststellung (§ 256 ZPO) der Zahlungsverpflichtung der Beklagten bezüglich des Haushaltsführungsschadens für das Jahr 2018 ist bereits unzulässig. Ihr steht die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts in dem ersten Rechtszug entgegen.

Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Maßgeblich ist der jeweilige Streitgegenstand, der durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt wird, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 221/10, NJW 2011, 2785 Rn. 9; BGH, Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 347 f.; jeweils mwN, juris). Das Landgericht hat mit der am 16. März 2023 verkündeten Entscheidung insoweit rechtskräftig über die Feststellung der Haftung der Beklagten für weitere zukünftige materielle und immaterielle Ansprüche der Klägerin zu 1 zu ihren Gunsten entschieden (vgl. Feststellungstenor zu Ziffer 3 der landgerichtlichen Entscheidung). Keine der Parteien hat diese Feststellung der Haftung für weitere Schäden mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffen. Sie ist in Rechtskraft erwachsen. Hierunter fällt insbesondere die Feststellung der Haftung der Beklagten auch für weitere Haushaltsführungsschäden der Klägerin. Die Klägerin zu 1 ist deshalb gehindert, diese Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz erneut zu erheben.

Anmerken möchte der Senat aber, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die geltend gemachten Schadensersatzansprüche durch die rechtskräftige Feststellung nicht verjährt sind. Die Verjährungsfrist ist durch die rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts gem. § 204 Abs. 1 BGB gehemmt.

2. Die Beklagte haftet unstreitig für die von der Klägerin zu 1 beim dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen im Umfang von 100 % gemäß §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, da sich der Unfall bei dem Betrieb des bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeuges ereignet hat.

3. Die Angriffe der Klägerin zu 1 gegen das vom Landgericht als angemessen erachtete und zugesprochene - restliche - Schmerzensgeld greifen durch. Der Klägerin zu 1 steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 45.000 € aus §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 249, § 253 Abs. 2 BGB zu, so dass abzüglich der vorgerichtlich sowie am 13. Juni 2022 erfolgten Zahlungen der Beklagten in Höhe von insgesamt 15.000 € ein restlicher Schmerzensgeldanspruch der Klägerin zu 1 in Höhe von 30.000 € besteht.

a) Für die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes müssen konkrete Krankheitssymptome feststellbar sein, die den Rückschluss auf pathologisch fassbare Auswirkungen zulassen (Senat, Urteil vom 24. August 2022 - 14 U 22/22, Rn. 32, juris). Der Maßstab für die billige Entschädigung i.S.v. § 11 Satz 2 StVG, § 253 Abs. 2 BGB muss unter Berücksichtigung ihrer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstande neu gewonnen werden; das auf diese Weise gewonnene Ergebnis ist anschließend im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen zu überprüfen, wobei aber die dort ausgewiesenen Beträge schon wegen der meist nur begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht schematisch übernommen werden dürfen. Von wesentlicher Bedeutung sind dabei die gesundheitlichen und seelischen Beeinträchtigungen (Senat, Urteil vom 8. Juni 2022 - 14 U 118/21, Rn. 67, juris). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt; besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (Senat, Urteil vom 04. November 2020, aaO; vgl. OLG München, Urteil vom 11. Mai 2022 - 10 U 2165/21, Rn. 32, juris). Zu beachten sind weiter die persönlichen Lebensumstände des Verletzten und die darin fortwirkenden Unfallfolgen wie die Auswirkungen für eine Berufstätigkeit.

b) Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß § 513 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie zwar für vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es demnach nicht dabei belassen, zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2006 - VI ZR 46/05, Rn. 30, juris).

aa) Der Schmerzensgeldbemessung zu Grunde zu legen sind zunächst die erlittenen Primärverletzungen. Diese hat auch das Landgericht zutreffend gesehen und berücksichtigt. Die Klägerin zu 1 wurde durch den Verkehrsunfall sehr schwer und schmerzhaft verletzt. Sie erlitt als Rechtshänderin eine Humerusschaftfraktur rechts mit Läsion des Nervus radialis und des Nervus ulnaris. Die Verletzungen wurden unmittelbar nach dem Unfall operativ zunächst mittels offener Reposition, retrograder Marknagelosteosynthese und Cerclage des Humerus rechts versorgt. Durch das Einbringen des Marknagels wurde der Oberarm der Klägerin zu 1 jedoch ein weiteres Mal gebrochen, es kam zu einer diakondylären Fraktur. Überdies wurde durch das Einbringen einer Schraube in Höhe des Ellenbogens der Nervus radialis geschädigt und es kam zu einer Zertrümmerung des Ellenbogens. Postoperativ zeigten sich weitere Schwierigkeiten und bei der Klägerin zu 1 entwickelte sich eine sogenannte Fallhand durch den kompletten Ausfall des Endpunktes Nervus radialis und der schweren Schädigung mit erhaltener Restfunktion des Nervus ulnaris rechts. Infolgedessen musste sich die Klägerin zu 1 einer erneuten Operation unterziehen, bei der die Revision durch Neurolyse des Nervus radialis und Dekompression des Nervus ulnaris erfolgte. Die Verletzungen der Klägerin zu 1 erforderten insgesamt vier Operationen. Zudem war die Klägerin zu 1 im Anschluss an den Verkehrsunfall über 50 Tage in voll- bzw. teilstationärer Behandlung, hat annähernd 800 Behandlungstermine bei Ärzten, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Schmerztherapeuten und Ergotherapeuten wahrnehmen müssen, um die drohenden langfristigen Beeinträchtigen soweit wie möglich abwenden zu können. Dennoch erlitt sie erhebliche Folgen- und Dauerschäden. Die Operationsnarbe am Oberarm der Klägerin zu 1 blieb sichtbar. Ein Faustschluss der rechten Hand ist nach wie vor nicht vollständig möglich. Ebenso kann die Klägerin zu 1 die vor dem Unfall ausgeführten Sportarten - Squash und Skifahren - nicht wieder ausführen. Es verbleibt eine Minderung der Erwerbstätigkeit für die orthopädischen Verletzungen von 30 % und für die neurologischen Verletzungen von 10 %. Zudem erlitt die Klägerin zu 1 unfallbedingt den Verlust ihres Geruchs- und Geschmackssinnes. Nach einer langfristigen Arbeitsunfähigkeit erfolgte eine Wiedereingliederung in ihren alten Beruf im Außendienst des Finanzamtes im Jahr 2018 mit einem Arbeitskraftanteil in Höhe von 67 %. Diese Umstände hat das Landgericht zutreffend berücksichtigt und insbesondere die psychischen Unfallfolgen bei der Bemessung des Schmerzensgeldbetrages berücksichtigt. Neben den körperlichen Verletzungen erlitt die Klägerin zu 1 eine mittelgradige depressive Episode, die bis heute besteht (vgl. Seite 13 des psychiatrischen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. med. Dr. h.c. V.).

Die Folgen des Unfalles wiegen schwer. Die Klägerin zu 1 erlitt schwere und schmerzhafte Verletzungen, musste zudem neben der Sorge um ihre eigene Genesung auch die Sorge um die Tochter und deren erlittene Unfallfolgen und den Verlust ihres Ehemannes verarbeiten. Es waren die erhebliche Dauer der Beeinträchtigungen und das deutliche Leiden sowie die lange Zeit der Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen. Die Lebensführung der Klägerin zu 1 ist dauerhaft eingeschränkt. Sie behält lebenslang körperliche Beeinträchtigungen u.a. in Form des Verlustes des Geruchs- und Geschmacksinnes zurück. Dazu kommen die lange Zeit der Behandlung und der schmerzhafte komplizierte Heilungsverlauf. Die Einschränkungen in der Lebensführung bestehen - wie vom Landgericht zutreffend gesehen - fort. Ebenso war zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1 in der Ausübung ihrer Hobbys und Wahl der Sportarten beschränkt ist. Darüber hinaus waren auch die noch andauernden psychischen Belastungen der Klägerin zu 1 in Form einer mittelgradig depressiven Episode und die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit zu bedenken.

bb) Soweit die Berufung anführt, die Klägerin zu 1 habe unfallbedingt eine Meniskusverletzung erlitten, war diese Verletzung nicht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Klägerin zu 1 sei der nach den Beweismaßstäben des § 286 ZPO - und nicht des § 287 ZPO - zu erbringende Beweis des Eintritts einer unfallbedingten Primärverletzung nicht gelungen. Die Beweisfrage hinsichtlich der Unfallkausalität wird durch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. nicht in einem für die richterliche Überzeugung nach § 286 Abs. 1 ZPO genügenden Maß beantwortet. Die Frage, ob sich die Klägerin zu 1 bei dem Unfall überhaupt eine Verletzung zugezogen hat, betrifft die haftungsbegründende Kausalität und unterliegt damit den Anforderungen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO (Senat, Urteil vom 20. Januar 2010 - 14 U 126/09, Rn. 29, juris m.w.N.). Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, reicht die bloße Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges für einen Nachweis, mit dem Maß des § 286 ZPO, nicht aus. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. tragen die Überzeugung, dass die Klägerin zu 1 unfallbedingt eine Meniskopathie des Außenmeniskus erlitten hat, nicht. Zwar hat der Sachverständige Dr. F. in seinem Gutachten vom 04. September 2019 bestätigt, dass bei der Klägerin zu 1 eine Meniskospathie des Außenmeniskus besteht. Der Sachverständige hat aber nicht festgestellt, dass diese Verletzung unfallbedingt oder als Folgeverletzung der nachweislich unfallbedingt erlittenen Distorsion des Sprunggelenks aufgetreten sei. Der Sachverständige hat nicht ausgeführt, dass die nachweislich unfallbedingt erlittene Sprunggelenksdistorsion der Klägerin zu 1 grundsätzlich geeignet sei, die festgestellte Meniskusverletzung hervorzurufen. Er hat vielmehr ausgeführt, dass das Unfallgesehen, bei dem beide unteren Extremitäten eingeklemmt worden seien, grundsätzlich auch geeignet sei, eine solche Meniskusverletzung hervorzurufen (vgl. Seite 29 des Sachverständigengutachtens vom 4. September 2019), nicht jedoch, dass die Sprunggelenksverletzung weitere Verletzungen im Knie bedingen könne. Der Sachverständige hat keinen tragfähigen Rückschluss formuliert, wonach der streitgegenständliche Verkehrsunfall auch die Meniskusverletzung hervorgerufen habe. Eben diese Feststellung lässt der Sachverständige im Ergebnis offen.

c) Dies zu Grunde gelegt ist nach eigener kritischer Würdigung durch den Senat jedoch ein Schmerzensgeld von 45.000 EUR erforderlich und unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion in Würdigung der zuvor aufgezeigten erlittenen Verletzungen und daraus folgenden Beeinträchtigungen angemessen, aber ausreichend. Insbesondere hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin zu 1 einen äußerst langwierigen, komplizierten und schmerzhaften Heilungsverlauf mit vier Operationen und langfristigen stationären Aufenthalten und anschließenden umfassenden Behandlungen erleben musste und auf Dauer unter weiteren psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen leidet.

Das Landgericht hat insofern keine Vergleichsentscheidungen herangezogen. Bei der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes unterliegt der Tatrichter zwar von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen. Hierbei muss er aber im Hinblick auf den Gleichheitssatz das gewonnene Ergebnis anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen überprüfen, wobei die dort ausgewiesenen Beträge schon wegen der meist nur begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht schematisch übernommen werden dürfen (OLG Hamm, Urteil vom 18. Januar 2022 - I-7 U 100/20, Rn. 44, juris). Es sind folgende Entscheidungen als Vergleichsmaßstab heranzuziehen:

- OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.6.2018 - 1 U 123/15 - 35.000,00 EUR (Inflationsbereinigt 42.379,14 EUR) - Betriebsinspektorin im Vorruhestand; erlitt Oberarmgelenkkopftrümmerfraktur links, der mit einer Deformierung des Oberarmkopfes, an dem sich knöcherne Randzacken bildeten und der nicht mehr zentriert in der Pfanne sitzt, verheilte. Knieverletzungen (hier: tiefreichende Weichteilverletzung im Bereich der beiden Kniegelenke mit Durchtrennungen von Nerven und Lymphgefäßen sowie Schädigung der Schleimbeutel, die deshalb operativ entfernt wurden). Mittelfußgelenkausrenkung (Ausrenkung des Gelenks zwischen erstem Mittelfußstrahl und Mittelfußknochen rechts) und einer Zehengrundgelenkausrenkung. Zudem erlitt die Klägerin diverse Prellungen (Brustkorbprellung, Schulterprellung, Schlüsselbeinprellung rechts) und Blutergüsse an beiden Beinen und Füßen. 15 Tage stationär. Dauerschaden: Erhebliche Bewegungseinschränkungen der linken Schulter, ohne Aussicht auf Besserung und erhebliche Bewegungsbeeinträchtigung im Bereich des rechten Fußes, woraus sich als Folge dieser Verletzung "ein mögliches Fortschreiten der Arthrose, das durch die mit der Adipositas der Klägerin verbundenen Gewichtsbelastung begünstigt wird", ergibt. Vorerkrankungen: Verschleißleiden der Wirbelsäule, ein Wirbelsäulen-Syndrom, Schulter-Arm-Beschwerden, ein Karpaltunnelsyndrom links, und ein operiertes Karpaltunnelsyndrom rechts fest.

- Landgericht Detmold, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 12 O 136/08 - 30.000 € (bereinigt: 40.154,80 €) Frau (Arbeiterin); Oberarmfraktur links mit Nervverletzung und Unterarmverletzung (Teilschädigung des Armnervengeflechts links sowie Handgelenkverletzung in Form einer Weichteilverletzung im Bereich des linken Handgelenks und der linken Hand). Kniescheibenfraktur; Rippenserienfraktur (1.-4.Rippe) sowie Schulterblattriss; Lippenverletzung und Gehirnerschütterung. 5 Monate stationär. Mehrere Monate ambulante, langwierige Heilbehandlung mit Physiotherapie. Dauerschaden: GdB von 30% wegen Armverletzung und deren Folgen: Belastungseinschränkungen beim Heben und Tragen. Zudem Bewegungseinschränkungen beim Treppensteigen und Kniebeugen. Berufsaufgabe. Haftung 75 %.

- Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. Juli 2013 - 6 U 95/12: 20.000 € (angepasst: 25.048,00 €) Frau; Distale dislozierte Unterarmfraktur rechts, distale dislozierte Humerusfraktur rechts sowie distale dislozierte Radiusfraktur links durch Sturzunfall eines Fußgängers auf verborgener Eisfläche des Gehwegs; vier stationäre Operationen sowie zwei weitere ambulante Operationen, stationäre Behandlung von 35 Tagen; erhebliche Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes sowie Taubheitsgefühle im Unterarm und in der Hand, im Körper verbleibende Metallteile und Narben am rechten Arm und den Handgelenken.

Auch wenn das Verletzungsbild der Klägerin zu 1 mit den zitierten Vergleichsentscheidungen teilweise nicht ganz vergleichbar ist, die Verletzungen und Dauerfolgen teilweise deutlich schwerer und teilweise leichter sind, ist das zugesprochene Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 45.000 € hier angemessen. Die Klägerin zu 1 war, wie ausgeführt, schwer verletzt, hat einen sehr langwierigen komplizierten Heilungsverlauf ertragen, der mit erheblichen Schmerzen verbunden war und bleibende Schäden (u.a. der Verlust des Geruchs- und Geschmacksinnes) bedingte. Die unfallbedingten körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen sind lebensverändernd und wiegen schwer.

4.

Die Klägerin zu 1 hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der Schäden ihres sog. Ladeguts in Höhe von 2.238,39 € gemäß §§ 7, 8, 17, 18 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 249 BGB. Weitergehenden Schadensersatz für Schäden am Ladegut kann die Klägerin zu 1 von der Beklagten nicht verlangen.

a) In Höhe von 2.566,77 € legt die Klägerin zu 1 bereits mit der Berufung nicht dar, wie sich der Anspruch begründet. Die mit der Berufung vorlegte Liste der unbestritten beschädigten Gegenstände nebst Anschaffungspreisen (vgl. Seite 25/26 der Berufungsbegründung) ergibt bereits rechnerisch nur einen Betrag in Höhe von 3.904,22 €.

b) Bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall wurden die Gegenstände der Familie der Klägerin zu 1, die sich im PKW befanden, unstreitig beschädigt (vgl. Ziffer I.2.).

c) Der Haftungsausschluss nach Ziffer A.1.5.5 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2013) greift im Verhältnis zu der Beklagten ein. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin zu 1 für beschädigtes Ladegut ist teilweise gemäß Ziffer A 1.5.5. AKB (2013) ausgeschlossen. Das Landgericht führt insoweit zunächst zutreffend aus, dass der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG besteht. Die Leistungspflichten der Beklagten werden damit durch die einbezogenen Versicherungsbedingungen (AKB) ausgestaltet und auch gegenüber der Klägerin zu 1 als sog. geschädigte Dritte bestimmt.

aa) Die Beklagte kann sich gegenüber der Klägerin zu 1 auf den Risikoausschluss nach Ziffer A. 1.5.5. AKB (2013) berufen. Hiernach stehen nicht alle Gegenstände, die ein Insasse bei der fraglichen Fahrt bei sich geführt hat und die beschädigt oder zerstört wurden, unter dem Versicherungsschutz der Kfz-Haftpflichtversicherung. Vielmehr ist dies nur bezüglich der Gegenstände der Fall, die beförderte Personen "üblicherweise" mit sich führen (vgl. AKB Ziffer A.1.5.5. Satz 2). Risikoausschlüsse dienen dazu, den bestehenden Deckungsumfang in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung einzuschränken. Im Gegensatz zu den Obliegenheiten, die bei einer Verletzung durch den Versicherungsnehmer den Anspruch des geschädigten Dritten grundsätzlich nicht berühren, führen Risikoausschlüsse dazu, dass von vornherein nicht von einem deckungspflichtigen Ereignis auszugehen ist. Diese Art der Risikoausschlüsse sind in § 4 KfzPflVV - hier § 4 Nr. 3 KfzPlVV - zugelassen und auch darüber hinaus nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, Rn. 14, juris). Die Aufzählung in § 4 KfzPflVV ist abschließend. Auf einen solchen Risikoausschluss kann sich der Versicherer auch gegenüber dem geschädigten Dritten berufen (vgl. BeckOGK/Walter, 1.1.2022, StVG § 7 Rn. 304; Stiefel/Maier/Jahnke, 19. Aufl. 2017, KfzPflVV § 4 Rn. 29; Breidenreichen, r + s 2013, 417). Dies hat zur Folge, dass auch gegenüber dem geschädigten Dritten der Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gegen den Versicherer im Außenverhältnis von vornherein nicht besteht (Senat, Urteil vom 30. März 2022 - 14 U 143/21, Rn. 23, juris).

bb) Die Formulierung "üblicherweise mit sich führen" bedarf der Auslegung. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auszulegen. In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, Rn. 11; BGH, Urteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, Rn. 21, beide zitiert nach juris). Der mit ihr verfolgte Zweck und der erkennbare Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung des Regel-/Ausnahmeverhältnisses in Ziffer A.1.5.5. AKB (2013) ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass nicht für jede Beschädigung einer Sache, die sich im Fahrzeug befand, eine Haftung bestehen soll, sondern vielmehr nur in Ausnahmefällen der Haftpflichtversicherer einstehen soll. Die in den AKB (2013) erwähnten Beispiele - "(z. B. Kleidung, Brille, Brieftasche)" - verdeutlichen diese enge Auslegung. Dies ergibt sich zudem vor allem aus dem Rückschluss aus Ziffer A 1.5.5 Satz 3 AKB (2013), denn durch diese Regelung wird die Leistungspflicht des Versicherers wieder erweitert für Schäden an Gegenständen, die üblicherweise dem persönlichen Gebrauch von beförderten Personen dienen. Die Geschädigten sind in diesen Fällen auch nicht schutzlos gestellt, da ihnen Ansprüche aus Delikt gegenüber dem Schädiger zustehen können. Die Abgrenzung des versicherten Risikos hat objektiv ("üblicherweise") und nicht subjektiv aus Sicht des Geschädigten zu erfolgen (vgl. Stiefel/Maier/Maier, 19. Aufl. 2017, AKB 2015 Rn. 254). Für die Auslegung des Risikoausschlusses gem. Ziffer A 1.5.5 AKB (2013) kann nicht ohne weiteres auf die Regelungen des § 8 Nr. 3 StVG und des § 1 Abs. 3 Satz 2 HPflG zurückgegriffen werden, da deren Wortlaut durch das Fehlen der Einschränkung "üblicherweise" weiter gefasst ist. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch werden "üblicherweise" mitgeführt Gegenstände, die der Geschädigte am Körper trägt. Zu den üblicherweise mitgeführten Gegenständen gehören damit regelmäßig persönliche Accessoires (Brieftasche oder Brille) und Kleidungsstücke, die witterungsbedingt- oder temperaturbedingt, mitgeführt werden (vgl. Wortlaut Ziffer A 1.5.5 AKB (2013)). Ebenso ist nach heutigen Verständnis auch das Mitsichführen eines Mobiltelefons bzw. Smartphones üblich. Dagegen werden als nicht üblicherweise mitgeführte Gegenstände Computer/Laptop, iPad sowie das Mitführen von Gegenständen, die aus beruflichen Gründen transportiert werden, angesehen (Stiefel/Maier/Jahnke, 19. Aufl. 2017, KfzPflVV § 4, Rn. 17; (Veith/Gräfe/Lange/Rogler, Der Versicherungsprozess, § 13 Kfz-Kasko- und Kfz-Haftpflichtversicherung Rn. 292, beck-online).

cc) Nach Maßgabe dieser Kriterien kann die Klägerin zu 1 für die beschädigte Kleidung, die Schmuckstücke, das Mobiltelefon und die Accessoires Schadensersatz verlangen; für das beschädigte Spielzeug, den E-Book-Reader, das I-Pad oder die Taschen dagegen nicht. Im Einzelnen:

Zu den üblicherweise in einem Fahrzeug mitgeführten Gegenständen gehören nach Auffassung des Senats unter Beachtung der obigen Ausführungen und der Aufstellung der Klägerin zu 1 in der Berufungsbegründung folgende unstreitig beim Unfall beschädigte Gegenstände:

Ring (Thomas Sabo) 298,00 €
Sonnenbrille (Karstadt)165,00 €
Büstenhalter (Galeria)38,95 €
Ring (Thomas Sabo) 239,00 €
Navigation (TomTom)91,41 €
iPhone320,99 €
Chronograph (Otto)29,00 €
Schuhe (Fink)58,95 €
Brillengläser(Konrad)78,00 €
Jacke (Breuninger)199,99 €
Schuhe (Schuh-German)110,00 €
T-Shirt (Desigual)39,00 €
Kleid Damen (Intersport)40,00 €
Hose (Fashion GmbH)85,95 €
Oakley Konrad (Sonnenbrille)250,00 €
Weste Taifun79,99 €
Kindermantel McTrek85,64 €
Hose McTrek28,52 €
Summe2.238,39 €

Dagegen gehören nach Auffassung des Senats die beschädigten Taschen, der Mp3 - Player, das Headset, die Nintendo Spielekonsole, die Kamera, das I-Pad und der Tolino E-Book-Reader zu den nicht üblicherweise mitgeführten Gegenständen, so dass die Klägerin zu 1 für deren Beschädigungen aufgrund des Risikoausschlusses gem. Ziffer A.1.5.5 AKB (2013) keinen Schadensersatz von der Beklagten verlangen kann.

5.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 ZPO.

6.

Die Klägerin zu 1 hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz eines weitergehenden Haushaltsführungsschadens. Die Berechnungen des Landgerichts zum Haushaltsführungsschaden sind entgegen der Rüge der Berufung nicht zu beanstanden. Der Senat hält in ständiger Rechtsprechung an einer Berechnung des fiktiven Schadensersatzes im Rahmen des Haushaltsführungsschadens mit einem Betrag in Höhe von 8,00 Euro pro Stunde - für den streitgegenständlichen Zeitraum - fest (vgl. Senat, Urteil vom 31. Januar 2023 - 14 U 133/22, Rn. 135; Urteil vom 23. Juni 2021 - 14 U 198/19, Rn. 54 mwN; Senat, Urteil v. 26. Juni 2019 - 14 U 154/18, Rn. 179, 127 mwN, zitiert jeweils nach juris). Diesen erachtet der Senat auch unter Berücksichtigung des - gestiegenen - Mindestlohns weiterhin gemäß § 287 ZPO für angebracht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich um einen (fiktiven) Nettostundensatz einer fiktiven Ersatzkraft handelt, beim Mindestlohn dagegen um einen Bruttolohn (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juni 2021, aaO., sowie OLG München, Urteil vom 10. März 2021 - 10 U 176/20, Rn. 81 ff., juris). Soweit die Klägerin zu 1 darüber hinaus vorbringt, dass der Mindestlohn seit dem 3. Juli 2022 bei 12,00 Euro liege, übersieht sie, dass sie jedoch einen Haushaltsführungsschaden für Zeiträume zwischen 2016 bis Dezember 2017 geltend macht und zu diesem Zeitpunkt der Mindestlohn etwa 8,50 € (brutto) betrug.

Eine Anknüpfung an die Regelungen und Entschädigungen der §§ 21 ff. JVEG a.F. ist nach Auffassung des Senats abzulehnen. Gemäß § 21 JVEG erhalten Zeugen, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen, eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung von 14 € [zuvor 12 €] je Stunde, wenn sie nicht erwerbstätig sind oder wenn sie teilzeitbeschäftigt sind und außerhalb ihrer vereinbarten regelmäßigen täglichen Arbeitszeit herangezogen werden. Der Anknüpfungspunkt der dort geregelten Entschädigungen ist ein anderer. Bei der Bemessung eines Haushaltsführungsschadens geht es nicht um eine Inanspruchnahme von wenigen Stunden als Zeuge, sondern um einen deliktischen Schadensersatzanspruch für einen längeren Zeitraum. Insoweit ist es statthaft, einen abstrakten Geldersatz geltend zu machen, bei dessen Höhe von dem abstrakten Nettolohn auszugehen ist (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 2018 - 22 U 97/16 -, Rn. 49, juris; vgl. Wenker, jurisPR-VerkR 3/2016 Anm. 3, mwN).

7.

Die Klägerin zu 1 kann überdies auch keinen weiteren Schadensersatz für den Eigenanteil der Heilbehandlungskosten in Höhe von 1.064,90 für Euro verlangen. Soweit das Landgericht der Klägerin zu 1 den geltend gemachten Eigenanteil nicht zuerkannt hat, da sie entsprechende Belege, insbesondere die Beihilfebescheide, nicht vorgelegt habe, ist dies aus Sicht des Senats im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin zu 1 hat erstinstanzlich trotz ausdrücklicher Hinweise des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung und im Beschluss vom 11. Juli 2022 (Bl. 482 d.A.) bis zuletzt - auch mit der Berufung - die Beihilfebescheide als Beleg der bestrittenen Eigenanteile nicht vorgelegt oder anderweitig Beweis dafür angeboten, dass sie einen Eigenanteil in Höhe von 1.064,94 Euro begleichen musste. Da es sich insoweit um Leistungen von Ärzten, Therapeuten und Krankenhäusern handelt, ist davon auszugehen, dass der Klägerin zu 1 entsprechende Rechnungen und Bescheide der Beihilfestelle vorlagen. Auf die zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bezug genommene Anlage K 27 kann die Klägerin zu 1 ihre Schadensersatzansprüche, ohne weiteren Beleg der bestrittenen abgelehnten Erstattung, nicht stützen, da diese lediglich eine beleglose Auflistung der nicht geltend gemachten Beträge enthält. Soweit die Klägerin zu 1 mit der Berufungsbegründung rügt, das Landgericht habe sie nach dem ausdrücklichen schriftlichen Hinweis im Beschluss vom 11. Juli 2022 erneut darauf hinweisen müssen, dass trotz nachgereichter Belege über die geltend gemachten Fahrtkosten weiterhin die Beihilfebescheide vorzulegen seien und einen Verfahrensfehler rügt, trägt dies nicht. Ein Verstoß gegen Art. 103 GG ist insoweit bereits nicht ausreichend dargelegt. Eine auf die Verletzung einer Hinweispflicht gem. § 139 Abs. 2 ZPO gestützte Verfahrensrüge ist nur dann ordnungsgemäß erhoben, wenn angegeben wird, was auf einen entsprechenden Hinweis in der Vorinstanz vorgebracht worden wäre; der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt werden und schlüssig sein (BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17 -, BGHZ 219, 26-35, Rn. 28). Die Klägerin zu 1 legt auch mit der Berufungsbegründung die Beihilfebescheide nicht vor. Ferner hat das Landgericht mehrfach ausdrücklich auf den Umstand hingewiesen, dass die Klägerin zu 1 ihren Anspruch nicht hinreichend durch Vorlage der Bescheide belegt hat. Ein erneuter Hinweis war nicht geboten.

Soweit die Klägerin zu 1 darüber hinaus vorbringt, eine Einführung der Bescheide in den Rechtstreit sei überdies entbehrlich, da der Beklagten aufgrund der Inanspruchnahme durch die Beihilfestelle der Inhalt der Beihilfebescheide bekannt sei, ändert dies an ihrer Darlegungs- und Beweislast nichts. Im hiesigen Rechtsstreit bleibt die Klägerin zu 1 für die von ihr aufgestellten Behauptungen darlegungs- und beweisbelastet. Solange die Klägerin zu 1 ihren Vortrag nicht mit den entsprechenden Beihilfebescheiden belegt, kann die Beklagte diese einfach aufgestellten Behauptungen der Klägerin zu 1 auch einfach bestreiten (§ 138 ZPO). Darüber hinaus erfordert ein Beweis durch Vorlage der Bescheide nicht nur, dass die Beklagte inhaltliche Kenntnis erlangen kann. Auch das zur Entscheidung angerufene Gericht muss den Inhalt zur Kenntnis nehmen und überprüfen können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit der sog. Baumbach'schen Formel. Das Rechtsmittelgericht hat die Kosten des Rechtsstreits unter den Parteien nach dem Verhältnis des endgültigen Obsiegens und Unterliegens zu verteilen und kann dabei die einen im Rechtsmittelverfahren nicht mehr beteiligten Streitgenossen betreffende Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern (BGH, Urteil vom 14. Juli 1981 - VI ZR 35/79, juris).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 ZPO).

V.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren auf insgesamt 30.137,08 € folgt aus §§ 3, 5 HS 1 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG: Dabei entfallen auf das Schmerzensgeld 19.000 €, auf den bezifferten Schadensersatzanspruch 7.535,93 € und den auf den Feststellungantrag 3.601,15 €, da für die Feststellungsklage ein Abschlag in Höhe von 20 % gegenüber einer entsprechenden Leistungsklage vorzunehmen war.