Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.01.2024, Az.: 5 U 172/21

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.01.2024
Aktenzeichen
5 U 172/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 17013
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 05.10.2021 - AZ: 3 O 252/20

In dem Rechtsstreit
1. des Herrn H. W., ...,
2. der Frau H. W., ...,
3. der Frau J. W., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte zu 1., 2. und 3.:
Anwaltsbüro ...,
gegen
1. Herrn T. W., ...,
2. ... Versicherung, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigter zu 1. und 2.:
Rechtsanwalt ...,
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 05. Oktober 2021 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger zu 1. und zu 2. 776,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.06.2020 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1. 902,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, auf 611,82 Euro seit dem 10.06.2020 und auf verbleibende 290,74 Euro seit dem 31.12.2020.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. jeweils ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 8.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.08.2020 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 3. ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 6.500 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.08.2020 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger zu 1. und 2. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.524,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.12.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben der Kläger zu 1. zu 27 %, die Klägerin zu 2. zu 26 % und die Klägerin zu 3. zu 6 % zu tragen. Die Beklagten haben die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1. zu 34 % zu tragen, die der Klägerin zu 2. zu 38 % und die der Klägerin zu 3. zu 65 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 47.469,12 Euro.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen als Hinterbliebene eines bei einem Verkehrsunfall Getöteten die Beklagten als Halter, Fahrer und Versicherer eines Traktors auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Am 19.04.2020 befuhr der Beklagte zu 1. mit dem von ihm geführten und bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Traktor Steyr, amtliches Kennzeichen: ..., die Bundesstraße ... ("E. Landstraße") in Fahrtrichtung B. Er beabsichtigte, in die aus seiner Fahrtrichtung linksseitig gelegene, in die Bundesstraße einmündende Straße "W." einzubiegen. Als er den Abbiegevorgang einleitete, hatte Herr D. W. (im Folgenden: der Verstorbene), mit dem von ihm geführten Motorrad Suzuki, amtliches Kennzeichen: ..., mit dem er die Bundesstraße in derselben Fahrtrichtung befuhr und sich dem Traktor der Beklagten von hinten annäherte, zu einem Überholvorgang angesetzt. Hierbei kollidierte er mit einem vorne an dem Traktor angebrachten Frontlader mit Greifschaufel, die im Unfallzeitpunkt abgesenkt und geschlossen war, infolge dessen er zu Fall geriet und verstarb. Die Kläger zu 1. und 2. sind die Eltern des Verstorbenen, die Klägerin zu 3. ist seine jüngere Schwester.

An dem von dem Verstorbenen geführten Motorrad entstand ein wirtschaftlicher Totalschaden. Der Wiederbeschaffungsaufwand beläuft sich entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen S., den der Kläger zu 1. mit der Schadensfeststellung beauftragte, auf 7.300 Euro (Gutachten vom 20.05.2020, Anlage K2, Anlagenband Kläger). Für das Gutachten leistete die Kläger zu 2. eine Vergütung in Höhe von 917,73 Euro brutto (Rechnung vom 20.05.2020, Anlage K3, Anlagenband Kläger), für die Bergung des Motorrades weitere 436,11 Euro brutto (Rechnung vom 30.05.2020, Anlage K9, Anlagenband Kläger). Den Klägern zu 1. und 2. entstanden darüber hinaus für die Bestattung des Verstorbenen Kosten in Höhe von zumindest 5.254,78 Euro brutto, 350 Euro brutto und 335 Euro brutto (Rechnungen vom 10.05.2020, 08.05.2020 und 15.05.2020, Anlagen K4, K6 und K7, Anlagenband Kläger).

Die Kläger zu 1. und 2. behaupten, Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen zu sein, der im Unfallzeitpunkt überdies Eigentümer des von ihm geführten Motorrades gewesen sei. Für seine Bestattung sei ein weiterer Betrag von 5.350 Euro für einen Friedwald aufzuwenden gewesen (Rechnung vom 08.05.2020, Anlage K5, Beiakte). Die unfallbedingte Beschädigung seiner Bekleidung sei mit einem Betrag von pauschal 1.000 Euro zu bemessen (Anlage K8, Beiakte, und Anlage K20, Bl. 73 ff. d. A.). Die Klägerin zu 3. macht geltend, zu dem Verstorbenen eine starke, intensive Beziehung gehabt und mit ihm regelmäßig viel Zeit verbracht zu haben, insbesondere bei Therapieanwendungen und bei Ausflügen, zu denen er sie begleitet habe. Die Kläger bemessen die entstandenen Vermögenseinbußen unter Berücksichtigung der allgemeinen Unfallkostenpauschale von 25 Euro mit insgesamt 20.969,12 Euro, auf die die Beklagte zu 2. - dieses unstreitig - außergerichtlich 10.000 Euro leistete. Die Kläger zu 1. bis 3. machen weiterhin ein Hinterbliebenengeld in Höhe von jeweils 12.000 Euro bzw. 10.000 Euro geltend. Sie sind der Auffassung, der Beklagte zu 1. habe den Unfall allein verursacht, weshalb die Beklagten zu einer vollumfänglichen Schadensregulierung verpflichtet seien.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1. habe mindestens 150 Meter vor der Einmündung den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und sich zugleich an der Mittellinie der Fahrbahn eingeordnet. Zudem habe er sich des rückwärtigen Verkehrs über den Rückspiegel und einen Schulterblick vergewissert; entgegenkommender Verkehr sei ebenso wenig vorhanden gewesen wie nachfolgender. Nach einem weiteren Spiegel- und Schulterblick sei er mit Schrittgeschwindigkeit abgebogen. Der Verstorbene sei, "wie eine Rakete kommend" und mindestens 135 km/h fahrend, zuerst gegen die linke vordere Traktorenseite bzw. den linken Vorderreifen gefahren und sodann unter dem Frontlader mit seiner Greifschaufel hindurchgeflogen, während nur sein Motorrad gegen die Schaufel geprallt sei, weshalb sich das Unfallereignis auch ohne die Greifschaufel in derselben Weise ereignet hätte. Die Kollision sei für den Beklagten zu 1. unvermeidbar gewesen. Die Greifschaufel sei aufgrund ihres Gewichtes von ca. 400 kg in abgesenkter Höhe zu führen gewesen, da ihre Anhebung auf über 2 Meter Höhe die Fahrstabilität beeinträchtige. Die Beklagten meinen, der Verstorbene habe entgegen § 5 Abs. 3 StVO bei unklarer Verkehrslage überholt, weshalb er das Unfallereignis alleinverschuldet habe und gegen ihn ein Beweis des ersten Anscheins spreche.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, den Verkehrsunfall habe überwiegend der Verstorbene verursacht, der deshalb zur alleinigen Haftung verpflichtet sei. Er habe bei unklarer Verkehrslage überholt und sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren, im Zeitpunkt der Kollision mit mindestens 137 km/h bis 146 km/h. Demgegenüber habe sich der Beklagte zu 1. rechtzeitig zur Mittellinie hin orientiert, doppelte Rückschau gehalten und den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt. Ein Anscheinsbeweis gegen den Beklagten zu 1. sei nicht einschlägig, weder als Linksabbieger noch wegen Abbiegens in ein Grundstück, da der Vorgang untypisch sei und es sich bei der Straße "W." um eine geteerte Straße handele, die dem fließenden Verkehr diene.

Mit ihrer Berufung begehren die Kläger die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und eine Verurteilung der Beklagten wie erstinstanzlich beantragt. Hierzu tragen sie vor, das Landgericht habe insbesondere verkannt, dass gegen den Beklagten zu 1. wegen des von ihm unternommenen Abbiegens sowohl gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO als auch nach § 9 Abs. 5 StVO ein Anscheinsbeweis streite, nicht zuletzt da die Straße "W.", in die der Beklagte zu 1. habe abbiegen wollen, ein geteerter Privatweg und als Teil eines Grundstücks anzusehen sei, zumal er nach amtlicher Bestätigung der Stadt B. auch nicht öffentlich gewidmet sei (vgl. Anlage BK2, Bl. 442 d. A.). Es sei weder festzustellen, dass der Beklagte zu 1. eine doppelte Rückschau gehalten habe, da er in dem Fall das Motorrad des Verstorbenen ohne Weiteres wahrnehmen haben würde, noch könne aufgrund der Beweisaufnahme angenommen werden, dass er rechtzeitig geblinkt habe. Ebenso wenig sei der Verstorbene mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens im Einzelnen wird auf die von Seiten der Beklagten in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Stade vom 05. Oktober 2021 abzuändern und

  1. 1.

    die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Kläger zu 1. und 2. einen Betrag in Höhe von 10.969,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 20.532,51 Euro seit dem 10.06.2020 sowie im Übrigen ab Rechtshängigkeit, dem 30.12.2020, zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger zu 1. ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 12.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2020 zu zahlen,

  3. 3.

    die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin zu 2. ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 12.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2020 zu zahlen,

  4. 4.

    die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin zu 3. ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 10.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2020 zu zahlen,

  5. 5.

    festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern zu 1. und 2. sämtlichen weiteren materiellen Schaden aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus dem Unfallereignis vom 19.04.2020 ihres getöteten Sohnes D. W. auf der E. Landstraße zu erstatten, sofern dieser nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen ist oder übergehen wird,

  6. 6.

    die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Kläger vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.194,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, dem 30.12.2020, zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung, ergänzen und vertiefen ihren Vortrag. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens im Einzelnen wird auf die von den Beklagten in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat die Kläger zu 1. und 2. sowie den Beklagten zu 1. persönlich angehört und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 31.08.2022 (Bl. 451 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen M., der sein Gutachten überdies mündlich erläutert hat. Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen M. vom 13.08.2023 (Aktendeckel) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2023 (Bl. 627 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Die Kläger zu 1. und 2. können von den Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satz 2, 18 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i. V. m. § 1922 Abs. 1 BGB die unfallbedingt entstandenen Schäden und Bestattungskosten ersetzt verlangen, der Kläger zu 1. in Höhe von 776,52 Euro, die Klägerin zu 2. in Höhe von 902,56 Euro.

a)

Die Kläger zu 1. und 2. sind aktivlegitimiert, insbesondere soweit sie Schäden am Eigentum des Verstorbenen ersetzt verlangen, nämlich gemäß § 1922 Abs. 1 BGB seine alleinigen Erben. Dieses ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem von den Klägern zu 1. und 2. vorgelegten gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts Stade - 51 VI 275/20 - vom 03.06.2020 (Anlage K21, Bl. 78 d. A.), der dem Senat angesichts der zwischen den Parteien unstreitigen Tatsache, dass die Kläger zu 1. und 2. die leiblichen Eltern des Verstorbenen sind, auch plausibel erscheint. Konkrete Einwendungen demgegenüber haben die Beklagten nicht erhoben. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Verstorbene eigene Abkömmlinge gehabt hätte, die gemäß §§ 1930, 1925 Abs. 1, 1924 Abs. 1 BGB als Erben erster Ordnung vorrangig zur Erbfolge berufen wären und den Klägern zu 1. und 2. vorgingen (vgl. Schriftsatz vom 12.03.2021, S. 5, Bl. 97 d. A.).

b)

Die Beklagten sind den Klägern dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, wenn bei dessen Betrieb ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Dies gilt gemäß § 18 Abs. 1 StVG ebenso für den Führer des Kraftfahrzeuges, es sei denn, er hat den Schaden nicht durch ein Verschulden verursacht. Gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG besteht der Anspruch nach § 7 Abs. 1 StVG auch direkt gegenüber dem Versicherer.

Diese Voraussetzungen sind angesichts der bei dem streitgegenständlichen Verkehrsvorgang erfolgten Kollision zwischen dem klägerischen Motorrad und dem bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten und von dem Beklagten zu 1. geführten Traktor erfüllt, infolge derer der Verstorbene tödlich verunglückte und sein Motorrad zerstört wurde.

Insbesondere ist festzustellen, dass der Verstorbene im Zeitpunkt der Kollision Eigentümer des von ihm geführten Motorrades war. Für ihn streitet insofern die Eigentumsvermutung des unmittelbaren Besitzers gemäß § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB, da er an dem Motorrad - wie von § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzt (vgl. Herrler in: Grüneberg, BGB, 83. Auflage 2024, § 1006 Rn. 4) - entsprechend des von den Klägern vorgelegten Kaufvertrags vom (Anlage K22, Bl. 79 d. A.) aufgrund eines schuldrechtlichen Erwerbsvorgangs unmittelbaren Eigenbesitz begründet hatte. Diesen Umstand haben die Beklagten nicht in Abrede gestellt; die sich aufgrund dessen ergebende gesetzliche Vermutung haben sie nicht widerlegt. Soweit in der Instanzrechtsprechung im Kontext des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB unterschiedliche Anforderungen an den Vortrag des Geschädigten gestellt werden, beispielsweise vertreten wird, dieser sei nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast gehalten, zu seiner Besitzerlangung konkreten und schlüssigen Vortrag zu halten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26.05.2021, 7 U 55/20, Rn. 11; KG, Urteil vom 30.08.2010, 12 U 175/09, Rn. 30, zit. nach juris; s. a. Laws/ Lohmeyer/ Vinke in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage 2022, Stand: 05.05.2023, § 7 StVG Rn. 354; Raff in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 1006 Rn. 49 f.), kann diese Streitfrage in dem vorliegenden Sachverhalt dahingestellt bleiben, da die Beklagten lediglich den Eigentumserwerb des Verstorbenen, nicht hingegen seinen Eigenbesitz am Motorrad bestritten haben (vgl. Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 5, Bl. 23 d. A.; Schriftsatz vom 12.03.2021, S. 5, Bl. 97 d. A.).

c)

Die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz ist nicht gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Das Verkehrsunfallereignis wurde mithin nicht, wie sie behaupten, durch ein für den Beklagten zu 1. unabwendbares Ereignis verursacht.

Als unanwendbar gilt nach § 17 Abs. 3 Satz 1, 2 StVG ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben und das Ereignis weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Vorauszusetzen ist insofern nicht eine absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges und äußerst mögliche Sorgfalt kennzeichnendes Handeln des Kraftfahrzeugführers, welches erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB hinaus geht, bei dessen Einhaltung das schadenstiftende Ereignis gleichwohl nicht abgewendet werden kann. Der Kraftfahrzeugführer, der mit Erfolg die Unanwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein Idealfahrer verhalten haben, wobei sich die Prüfung nicht lediglich auf die Frage zu beschränken hat, ob der betreffende Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein Idealfahrer reagiert hat, sondern ebenso darauf, ob ein Idealfahrer überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Dieses folgt aus dem der Haftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG zugrundeliegenden Haftungsgrund, der in dem Ausgleich von Schäden aus den Gefahren auch eines zulässigen Kraftfahrzeugbetriebs begründet liegt, im Gegensatz zu der an ein Verhaltensunrecht anknüpfenden Haftung gemäß § 823 BGB (BGH, Urteil vom 18.01.2005, VI ZR 115/04, Rn. 15; Urteil vom 13.12.2005, VI ZR 68/04, Rn. 21, zit. nach juris).

aa)

Der Beklagte zu 1. ist diesen hohen Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden, indem er mit dem von ihm geführten Traktor entgegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO nach links in die Straße "W." abbog, ohne dabei vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen hinreichend auf den nachfolgenden Verkehr geachtet zu haben. Insofern streitet gegen ihn ein Beweis des ersten Anscheins, die Kollision unter Missachtung der Pflicht zur doppelten Rückschau schuldhaft verursacht zu haben, den die Beklagten nicht haben entkräften können.

bb)

Ereignet sich - wie hier - zwischen einem überholenden Fahrzeug und einem linksabbiegenden Fahrzeug eine Kollision, ist ein typischer Geschehensablauf gegeben, der nach allgemeiner Lebenserfahrung im Sinne eines Anscheinsbeweises den sicheren Schluss zulässt, dass der Linksabbieger die Kollision schuldhaft verursacht hat, insbesondere indem er die nach § 9 Abs. 1 StVO gebotene doppelte Rückschau unterlassen hat (KG Berlin, Urteil vom 07.10.2002, 12 U 41/01, Rn. 3; OLG Rostock, Urteil vom 22.10.2010, 5 U 205/09, Rn. 16; OLG München, 25.04.2014, 10 U 1886/13, Rn. 4, zit. nach juris; Scholten in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage 2022, Stand: 06.12.2022, § 9 StVO, Rn. 56).

Der Linksabbieger, der den Anscheinsbeweis entkräften möchte, hat alternativ zu beweisen, dass

- die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass das überholende Fahrzeug bei Beginn des Abbiegemanövers nicht sichtbar oder scheinbar so weit entfernt war, dass er eine Gefährdung für ausgeschlossen erachten durfte,

- er sich im Sinne des § 9 Abs. 1 StVO verkehrsgerecht verhalten hat, insbesondere rechtzeitig geblinkt und doppelte Rückschau gehalten zu haben,

- er bereits zu dem Abbiegen angesetzt hatte, als der überholende Kraftfahrzeugführer mit dem Überholvorgang begann (Scholten, a. a. O., Rn. 55 f, m. w. N.).

cc)

Nach diesem Maßstab haben die Beklagten den aus dem unstreitigen Vorliegen des Anscheinsbeweistatbestands folgenden Anscheinsbeweis nicht erschüttert.

Zwar behauptet der Beklagte zu 1., sich des rückwärtigen Verkehrs wiederholt über den Rückspiegel und durch Schulterblick vergewissert zu haben, wobei insbesondere nachfolgender Verkehr nicht vorhanden bzw. nicht zu erkennen gewesen sei (Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 2, Bl. 20 d. A.; Protokoll vom 13.12.2023, S. 3 f., Bl. 629 f. d. A.). Diese Tatsache hat der Senat aufgrund der persönlichen Anhörung des Beklagten zu 1. sowie der Beweisaufnahme und der ihm insoweit nach § 286 Abs. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung nicht mit der für die Entscheidung erforderlichen Überzeugung festzustellen vermocht. Nach dieser Vorschrift und diesbezüglich ständiger Rechtsprechung ist eine Behauptung bewiesen, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln zu schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, überzeugt ist (BGHZ 53, 245, 256, Rn. 72, zit. nach juris). Dies ist hinsichtlich der vorgenannten Behauptung der Beklagten hingegen nicht der Fall.

So hat der Beklagte zu 1. im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bereits selbst nicht dezidiert vorgetragen, mithilfe des Schulterblicks wiederholt Rückschau gehalten zu haben. Vielmehr hat er lediglich vage vorgetragen, nach vorne, in die Spiegel und auch über die Schulter nach hinten geblickt und niemanden erkannt zu haben (Protokoll vom 13.12.2023, S. 3, Bl. 629 d. A.) bzw. vor dem Einlenken nach hinten geschaut zu haben, dies mehrfach, wobei er auch in seine Panoramaspiegel geschaut habe (Protokoll vom 13.12.2023, S. 4, Bl. 630 d. A.). Erstinstanzlich hat er gleichlautend vorgetragen (Protokoll vom 20.05.2021, S. 2, Bl. 137 d. A.). Doppelte Rückschau mittels Schulterblick gehalten zu haben, hat er insofern nicht behauptet. Soweit er schriftsätzlich über seinen Prozessbevollmächtigten Gegenteiliges hat vortragen lassen (Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 2, Bl. 20 d. A.), gehen die persönlichen Angaben der Partei dem schriftsätzlichen Vortrag des Prozessbevollmächtigten grundsätzlich vor (BGH, Urteil vom 16.05.2019, III ZR 176/18, Rn. 26, zit. nach juris). Dessen ungeachtet hat er auf Befragen durch den Senat eingeräumt, das klägerische Motorrad gar nicht fahrend gesehen zu haben, es vielmehr erst mit dem Knall wahrgenommen zu haben (Protokoll vom 13.12.2023, S. 5, Bl. 631 d. A.), was auf eine unterlassene zweite Rückschau, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO nochmals vor dem Abbiegen zu halten gewesen wäre, schließen lässt. Darüber hinaus hat der Sachverständige M. ausgeführt, das klägerische Motorrad sei, selbst wenn für dieses ein verhältnismäßig später Fahrstreifenwechsel zugrunde gelegt werde, bei Abbiegenbeginn des Traktors etwa 40 Meter von diesem entfernt und bei Rückschau zweifelsfrei erkennbar gewesen (Gutachten vom 13.08.2023, S. 13 f.).

Ebenso wenig ist festzustellen, dass der Beklagte zu 1. bereits zum Abbiegen angesetzt hatte, als der Verstorbene mit dem Überholvorgang begann. Dieses behaupten die Beklagten auch nicht. Soweit sie allein vage andeuten, der Verstorbene habe sich wie "eine Rakete" von hinten angenähert (Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 2, Bl. 20 d. A.), geht der hiervon abweichende persönliche Vortrag des Beklagten zu 1., das Motorrad gar nicht fahrend gesehen zu haben (s. o.), auch diesem schriftsätzlich gehaltenen Vortrag vor. Dessen ungeachtet hat der Sachverständige M. zu diesem Gesichtspunkt ausgeführt, dass der Beklagten zu 1., selbst wenn ein später Fahrstreifenwechsel des für ihn zweifelsfrei erkennbar gewesenen Motorrades zugrunde gelegt werde, den von ihm begonnenen Abbiegevorgang noch hätte abbrechen und die Kollision dadurch vermeiden können (Gutachten vom 13.08.2023, S. 16 f.). Dieser Umstand bekräftigt aber die dem Anscheinsbeweis zugrundeliegende Prämisse einer schuldhaften Verursachung des Unfalls durch den Beklagten zu 1.

dd)

Entsprechend den vorstehenden Erwägungen kann dahingestellt bleiben, ob - wie die Kläger meinen - gegen den Beklagten zu 1. (ebenso) ein Anscheinsbeweis gemäß § 9 Abs. 5 StVO wegen Abbiegens in ein Grundstück einschlägig ist, mithin die Straße "W." als Grundstück im Sinne dieser Vorschrift zu bewerten ist.

Soweit für jene Konstellation in der Instanzrechtsprechung vertreten wird, dass die Lebenserfahrung nicht rechtfertige, einen Anscheinsbeweis für ein Verschulden des in ein Grundstück Abbiegenden anzunehmen, sondern ein Anscheinsbeweis zulasten des nachfolgenden, auffahrenden Verkehrs anzunehmen sei (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2015, 1 U 107/14, Rn. 31, 39, zit. nach juris; s. a. Scholten, a. a. O., § 9 StVO Rn. 66), oder sich die im Grundsatz einschlägigen - beiden - Anscheinsbeweise gegenseitig aufheben würden (OLG Dresden, Urteil vom 24.04.2002, 11 U 2948/01, Rn. 5, zit. nach juris), sind diese Erwägungen nach Auffassung des Senats nicht auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen.

Insbesondere ist - entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 12.03.2021, S. 3, Bl. 95 d. A.) - kein Anscheinsbeweis gegen den Verstorbenen aufgrund seines Überholens einschlägig. Ein Beweis des ersten Anscheins setzt bei Verkehrsunfällen solche Geschehensabläufe voraus, bei denen sich aufgrund des gesamten feststehenden Unfallgeschehens nach der allgemeinen Lebenserfahrung - typischerweise - der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt und dadurch den Unfall verursacht hat (BGH, Urteil vom 13.12.2011, VI ZR 177/10, Rn. 7, zit. nach juris). Ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass bei Berührung zweier Fahrzeuge während eines Überholvorgangs der überholende Fahrer seine Sorgfaltspflicht verletzt hat, ist jedoch nicht gegeben, da eine hierbei eingetretene Kollision auch durch eine Seitwärtsbewegung des überholten Fahrers verursacht worden sein kann (BGH, Urteil vom 26.11.1974, VI ZR 10/74, Rn. 10 f., zit. nach juris; Helle in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage 2022, Stand: 09.06.2023, § 5 StVO, Rn. 120). Im Gegensatz dazu ist bei dem Linksabbiegen in eine Straße oder in ein Grundstück die unterlassene doppelte Rückschau ein häufig zu beobachtender Fehler, der typischerweise zur Folge hat, dass nachfolgende oder überholende Verkehrsteilnehmer übersehen werden und es maßgeblich aus dem Grund - vergleichbar Fahrstreifenwechseln - mit diesen zu Unfällen kommt.

e)

Die dem Verstorbenen und Erblasser infolge des streitgegenständlichen Unfallereignisses entstandenen Vermögenseinbußen haben die Beklagten überdies nach § 17 Abs. 2 StVG in einem Umfang von 2/3 zu ersetzen. Gemäß § 17 Abs. 2 StVG hängt im Verhältnis von mehreren an einem Unfall beteiligten Fahrzeughaltern - wie hier - die jeweilige Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

aa)

Hiervon ausgehend hat der Beklagte zu 1. die streitgegenständliche Kollision maßgeblich verursacht; zudem ging von dem von ihm geführten Traktors aufgrund der mitgeführten Greifschaufel eine erhöhte Betriebsgefahr aus, die sich auch in dem Unfallereignis realisierte.

(1)

Bei Vornahme seines Abbiegevorgangs handelte er entgegen § 9 Abs. 1 StVO seiner Verpflichtung zur doppelten Rückschau zuwider (s. o., Ziffer 1. lit. c) cc)).

(2)

Die von dem Beklagtenfahrzeug im Unfallzeitpunkt ausgegangene Betriebsgefahr war ferner dadurch erhöht, dass der Beklagte zu 1. an seinem Traktor einen Frontlader mit abgesenkter Greifschaufel führte, welche den Traktor nach vorne hin merklich verlängerte, nach den Ausführungen des Sachverständigen M. namentlich um 1,8 Meter (Protokoll vom 13.12.2023, S. 12, Bl. 648 R d. A.). Die Länge eines Fahrzeugs stellt für die von ihm für andere Verkehrsteilnehmer ausgehenden Gefahren einen wesentlichen Faktor dar, insbesondere da sie mit zunehmendem Maße für andere Verkehrsteilnehmer schwerer einzuschätzen ist, sie die Dauer von Überholvorgängen beeinflusst und mit jedem zusätzlichen Fahrzeuggewicht eine Bremswegverlängerung einhergeht.

In dem streitgegenständlichen Unfall realisierte sich auch die von der Greifschaufel ausgegangene erhöhte Betriebsgefahr, indem der Verstorbene insbesondere - ungeachtet einer etwaig zusätzlichen streifenden Kollision mit dem linken Vorderrad des Traktors (vgl. Erläuterungen des Sachverständigen M., Protokoll vom 13.12.2023, S. 9, Bl. 647 d. A.) - mit ihr kollidierte. Soweit die Beklagten die Kollision des Verstorbenen mit der Greifschaufel in Abrede stellen und behaupten, sein Körper sei ausschließlich mit dem Vorderrad kollidiert, woraufhin er gestürzt und unter der Greifschaufel hindurchgeflogen sei (Schriftsatz vom 16.07.2021, S. 2, Bl. 183 R d. A.), ist aufgrund der Beweisaufnahme das Gegenteil festzustellen. So hat der Sachverständige M. unter Bezugnahme auf die Fotos 16 und 17 seines Gutachtens plausibel und anschaulich ausgeführt, dass die Greifschaufel neben Beschädigungen des Hydraulikzylinders insbesondere Gewebeanhaftungen habe erkennen lassen, die auf einen entsprechenden Anstoßpunkt schließen ließen (Gutachten vom 13.08.2023, S. 10; Protokoll vom 13.12.2023, S. 9, Bl. 647 d. A.). Die von dem Sachverständigen in Bezug genommenen Fotos (Gutachten vom 13.08.2023, S. 16) lassen die beschriebenen Gewebeanhaftungen auch erkennen. Angesichts dieser Anhaftungen, die zur Überzeugung des Senats auf eine Kollision des Verstorbenen mit der Greifschaufel schließen lassen, kann dahingestellt bleiben, soweit - worauf die Beklagten hinweisen (Schriftsatz vom 12.03.2021, S. 4, Bl. 96 d. A.) - sich die exakte Höhe des Frontladers mit der Greifschaufel im Moment des Erstkontaktes möglicherweise nicht mehr eindeutig bestimmen lässt.

(3)

Aufgrund der von dem Traktor der Beklagten wegen der abgesenkt mitgeführten Greifschaufel ohnehin ausgegangenen, erhöhten Betriebsgefahr kann der Senat dahingestellt bleiben lassen, ob im Unfallzeitpunkt die Greifschaufel entsprechend des sich aus § 30c Abs. 1 StVZO ergebenden Rechtsgedankens möglicherweise nur in angehobener Position hätte mitgeführt werden dürfen und dem Beklagten zu 1. insofern mithin eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist.

bb)

Allerdings hat der Verstorbene entgegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO seinerseits bei unklarer Verkehrslage überholt, da er den Überholvorgang einleitete, obwohl der Beklagte zu 1. sein beabsichtigtes Abbiegen bereits durch Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers angezeigt hatte. Demgegenüber sind weitere Sorgfaltspflichtverletzungen des Verstorbenen nicht festzustellen, insbesondere nicht, dass er sein Motorrad entgegen § 3 Abs. 3 Nr. 2 c) StVO mit einer über 100 km/h hinausgehenden Geschwindigkeit geführt hätte.

(1)

Eine zur Unzulässigkeit des Überholens führende unklare Verkehrslage ist gegeben, wenn der Fahrzeugführer nach allen objektiven Umständen des Einzelfalles mit einem gefahrlosen Überholen nicht rechnen kann. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Überholende nicht verlässlich zu beurteilen vermag, wie ein vorausfahrendes Fahrzeug oder kreuzender oder einmündender Verkehr - die von § 5 Abs. 3 StVO geschützt werden - sogleich fahren wird (OLG Celle, Urteil vom 08.06.2022, 14 U 118/21, Rn. 36; OLG Brandenburg, Urteil vom 09.03.2023, 12 U 120/22, Rn. 12, zit. nach juris). Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug links blinkt (OLG Rostock, Beschluss vom 06.08.2003, 8 U 72/03; OLG Hamm, Beschluss vom 04.05.2020, 7 U 29/19, Rn. 15; Helle, a. a. O., § 5 Rn. 44, 46).

In dem vorliegenden Sachverhalt war aufgrund der Anhörung des Beklagten zu 1. und der Beweisaufnahme feststellen, dass er etwa 150 Meter vor Einleiten des Linksabbiegens - für den Verstorbenen erkennbar - den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hatte. So hat der Beklagte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vorgetragen, sicherlich 150 Meter vor der Einmündung zur Straße "W." begonnen zu haben, den Blinker zu betätigen, seine Geschwindigkeit zu verlangsamen und sich langsam an die Mittellinie heranzubewegen (Protokoll vom 13.12.2023, S. 3 f.). Der Zeuge H. hat dieses bestätigt. Er hat ausgesagt, einen ihm aus entgegen gesetzter Richtung sich nähernden Traktor bemerkt zu haben, der früh geblinkt habe, ohne dass es hierzu aus seiner Sicht schon einen konkreten Anlass dafür gegeben habe; der Traktor habe sich zu dieser Zeit ungefähr 50 Meter von der Einmündung entfernt befunden (Protokoll vom 13.12.2023, S. 6).

Der Senat hält den Vortrag des Beklagten zu 1. zu dem Blinkvorgang für glaubhaft. Er hat den von ihm vorgenommenen Abbiegevorgang konsistent und - unter Berücksichtigung der seit dem Unfallereignis vergangenen Zeit von rund 3,5 Jahren - lebensnah wiedergegeben, ohne dass sich dem Senat der Eindruck ergeben hat, dass er seinen Vortrag an den rechtlichen Vorgaben des § 9 Abs. 1 StVO hätte ausrichten wollen. Im Gegenteil hat er indirekt eingeräumt, zwar 150 Meter vorher geblinkt, seine Geschwindigkeit reduziert und sich zur Mittellinie orientiert zu haben, dieses allerdings bevor er im Wechsel nach vorne und nach hinten geblickt habe (Protokoll vom 13.12.2023, S. 4), obwohl sich bei Beachtung von § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO eine andere Reihenfolge ergeben und die Hervorhebung wiederholt vorgenommener Rückschau aufgedrängt hätte. Der Senat hält seinen Vortrag mithin für erlebensbasiert, zumal er von dem Zeugen H. bestätigt wird. Dessen Aussage erweist sich ebenfalls als glaubhaft, indem er anschaulich geschildert hat, als in entgegengesetzter Fahrtrichtung auf einem Radweg fahrender Radfahrer den Traktor vor dem späteren Unfallereignis bemerkt zu haben, der ihm wegen seines scheinbar noch anlasslosen Blinkens aufgefallen sei (Protokoll vom 13.12.2023, S. 6). Dabei waren ihm noch Erinnerungen hinsichtlich der im Unfallzeitpunkt gegebenen Wetter- und Sichtverhältnisse präsent, die er mit leichter Bewölkung und ungehinderter Sicht beschrieben hat, die sich mit den anhand der bei der polizeilichen Unfallaufnahme gefertigten Fotos decken (vgl. Fotoanlage zum Gutachten des Sachverständigen S. vom 28.01.2021, Bl. 122 d. A.). Seine Schilderung stellt sich auch plausibel dar, da aus seiner dem Traktor entgegengesetzten Perspektive auf diesen eine freie und ungehinderte Sicht hatte.

Soweit der Privatsachverständige D. mit seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 14.08.2023 (Bl. 544 d. A.) ausführt, der Zeuge H. habe aufgrund seiner Entfernung von dem Traktor, der durch einen Wechsel von Schattenwurf und Helligkeit beschränkten Sichtverhältnisse, der Steigung sowie der Verdeckung durch den Frontlader des Traktors von seiner Position nicht erkennen können, ob dieser geblinkt habe, ist der Senat nach Maßgabe des § 286 ZPO gleichwohl von der Richtigkeit der Schilderungen des Zeugen H. überzeugt. Die Ausführungen des Sachverständigen begründen insoweit keine durchgreifenden Zweifel, als die Angaben von Parteien und Zeugen zu wahrgenommenen Distanzen oder der Dauer bestimmter Ereignisse - so auch des Zeugen H. hinsichtlich seiner Entfernung von dem Traktor - naturgemäß gewissen Ungenauigkeiten sowohl bei der Wahrnehmung als auch der Erinnerung unterliegen und insofern nicht unreflektiert zur Grundlage eines technischen Gutachtens zur Plausibilität einer Zeugenaussage gemacht werden können. Entscheidend für den Senat sind daher seine persönlichen Eindrücke von dem vernommenen Zeugen, der - wie ausgeführt - lebensnah, anschaulich und frei von Widersprüchen ausgesagt hat. Anhaltspunkte für erhebliche Wahrnehmungsfehler, Erinnerungsfehler oder einseitige Tendenzen im Aussageverhalten sind dem Senat nicht ersichtlich, zumal die Aussagen des Zeugen vor dem Senat in wesentlicher Hinsicht mit seinen Angaben vor dem Landgericht übereinstimmen (Protokoll vom 20.05.2021, S. 4, Bl. 139 d. A.) und die Annahme des Sachverständigen S., der Fahrtrichtungsanzeiger des Traktors sei aus Sicht des Zeugen verdeckt gewesen, auch unrichtig sein dürfte: So hat der Sachverständige dieser Prämisse die Fotos der Anlage C12 seines Gutachtens (Bl. 561 f. d. A.) zugrunde gelegt, die einen schräg stehenden Traktor zeigen, obwohl sich der Traktor in Anbetracht des geraden Straßenverlaufes in Annäherung an die Einmündung zur Straße "W." dem Zeugen frontal angenähert haben muss und insofern eine Sichtbarkeit des Fahrtrichtungsanzeigers für entgegenkommende Verkehrsteilnehmer durchaus plausibel erscheint.

Soweit die Kläger hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H. vortragen, dieser habe vor dem Senat ausgesagt, mit seinem Fahrrad vor seiner hinter ihm befindlich gewesenen Frau gefahren zu sein, demgegenüber er im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 04.05.2020 ausgesagt habe, seine Frau sei 20 Meter vor ihm gefahren (Schriftsatz vom 19.12.2023, S. 2, Bl. 657 d. A.), sind derartige Fehler bei der Erinnerung eines Lebenssachverhaltes, die nicht dessen Kern betreffen, in Anbetracht des erheblichen Zeitablaufes seit dem beobachteten Ereignis typischerweise zu erwarten und begründen keine Zweifel hinsichtlich der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage.

(2)

Hingegen ist nicht festzustellen, dass der Verstorbene - wie die insoweit beweisbelasteten Beklagten behaupten - mit seinem Motorrad die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten hätte, indem er dieses tatsächlich mit einer Geschwindigkeit von mindestens 137 km/h bis 146 km/h geführt habe.

Dieses hat der Sachverständige M. ausdrücklich nicht bestätigt. Vielmehr hat er ausgeführt, die Kollisionsgeschwindigkeit des Motorrades sei aufgrund seiner Endstellung und der des Traktors mit 90 bis 100 km/h zu bemessen, die auch seiner Annäherungsgeschwindigkeit entspreche, da sich auf der Grundlage der Unfallspurendokumentation keine sichere Aussage dahingehend treffen lasse, ob das Motorrad vor der Kollision abgebremst wurde oder ob es ungebremst in die Kollision einfuhr (Gutachten vom 13.12.2023, S. 11 f.; Protokoll vom 13.12.2023, S. 10 f.).

Das von den Beklagten mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 28.12.2023 (Bl. 658 d. A.) nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Gutachten des Sachverständigen R. vom 27.12.2023 (Bl. 666 d. A.) gibt weder Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß §§ 156 Abs. 2, 580 ZPO wiederzueröffnen, noch stellt es die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen M. in Zweifel.

(a)

Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sind weder von den Beklagten vorgetragen noch ersichtlich. Soweit sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs ergeben kann, wenn ein mündlich erstattetes Gutachten gegenüber dem schriftlichen Gutachten neue und ausführlichere Beurteilungen enthält und daher den Parteien die Gelegenheit zu weiterem tatsächlichen Vortrag zu geben ist (BGH, Urteil vom 13.02.2001, VI ZR 272/99, Rn. 14, zit. nach juris), trifft dieses auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht zu. Der Sachverständige M. hat in der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2023 keine neuen Beurteilungen getroffen, sondern seine schriftlichen Ausführungen im Wesentlichen erläutert und vertieft; Gegenteiliges tragen die Beklagten auch nicht vor. Ihnen war insbesondere ausreichend Gelegenheit gegeben, bis zur mündlichen Verhandlung vom 13.12.2023 zu dem ihnen mit Beschluss vom 18.08.2023 (Bl. 530 d. A.) am 28.08.2023 zugestellten (vgl. EB vom 28.08.2023, Bl. 538 d. A.) Gutachten vom 13.08.2023 Stellung zu nehmen.

(b)

Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen M. werden durch die Ausführungen des Sachverständigen R. überdies nicht in Zweifel gestellt. Soweit der Sachverständige R. ausführt, der Sachverständige S. habe die Geschwindigkeitswerte zutreffend anhand einer Berechnung für einen eindimensionalen Stoß (Hervorhebung durch Unterstreichen durch den Senat) vorgenommen, was der Sachverständige M. verkannt habe (Gutachten vom 27.12.2023, S. 2, Bl. 667 d. A.), erschließt sich dem Senat dieser Einwand nicht, da der Sachverständige R. weiterhin - sich widersprechend - ausführt, in dem vorliegenden Fall handele es sich effektiv um einen dreidimensionalen Stoß (Hervorhebung durch Unterstreichen durch den Senat). Inwiefern der Sachverständige M. die Geschwindigkeit des Motorrades fehlerhaft und der Sachverständige S. zutreffend berechnet haben soll, ist für den Senat in Ermangelung weiterer Erläuterungen nicht verständlich. Den weiteren Ausführungen des Sachverständigen R. entnimmt der Senat, dass er die Begutachtung des Sachverständigen M. in verschiedener Hinsicht für nicht nachvollziehbar, nicht überprüfbar oder für falsch halte, und zwar - soweit entscheidungserheblich - betreffend die Deformationsgeschwindigkeit (Seite 5 ff., Bl. 670 ff. d. A.) und den nachkollisionären Bewegungsvorgang (Seite 14, Bl. 679 d. A.). Inwiefern sich aus seinen abweichenden Beurteilungen unterschiedliche Ergebnisse für die vorkollisionäre Geschwindigkeit des Motorrades des Verstorbenen bzw. für die entscheidungserhebliche Frage ergeben, ob dieser - wie die Beklagten behaupten - die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe, ist den Ausführungen des Sachverständigen R. hingegen nicht zu entnehmen, sodass die Beklagten hinsichtlich dieser Tatsachenbehauptung gleichwohl beweisfällig bleiben.

(3)

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Verstorbene nicht gehalten, rechts an dem im Linksabbiegen begriffenen Traktor vorbeizufahren.

Zwar bestimmt § 5 Abs. 7 Satz 1 StVO, dass derjenige rechts zu überholen ist, der seine Absicht, nach links abzubiegen, angekündigt und sich eingeordnet hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn die neben dem Linksabbieger zur Verfügung stehende Fahrbahn zu eng für ein gefahrloses Passieren ist oder die Fahrbahn verlassen werden muss oder gesperrte bzw. abgetrennte Verkehrsflächen überfahren werden müssen (OLG Dresden, Urteil vom 05.01.2023, 8 U 901/22, Rn. 41; Helle, a. a. O., § 5 Rn. 109.1). Ebendieses war in dem vorliegenden Sachverhalt jedoch der Fall. So hat der Sachverständige M. unter Bezugnahme auf das auf Seite 31 seines Gutachtens ersichtliche Foto Nr. 8 anschaulich und für den Senat überzeugend ausgeführt, dass nach Einordnung des Traktors zur Fahrbahnmitte hin zum rechten Fahrbahnrand noch ein Abstand von 0,5 Meter verbleibe, was zu schmal sei, als dass ein Motorrad rechtsseitig am Traktor vorbeifahren könne (Protokoll vom 13.12.2023, S. 14, Bl. 640 d. A.). Zu einem Überfahren der auf dem vorgenannten Foto rechtsseitig am Fahrbahnrand ersichtlichen, durchgezogenen Linie war der Verstorbene, anders als die Beklagten meinen, von vornherein nicht verpflichtet (s. o), nicht zuletzt da ihm dort, wo die Fahrbahn einen - wie anhand des Fotos Nr. 8 ersichtlich - abschüssigen Verlauf nimmt und unmittelbar ein schmaler Grünstreifen beginnt, insoweit ein gefahrloses Passieren nicht möglich gewesen wäre.

cc)

Ausgehend von den vorstehend bezeichneten Verursachungsbeiträgen und Betriebsgefahren der unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge ist gemäß § 17 Abs. 2 StVG eine überwiegende Haftung der Beklagten zu einer Quote 2/3 zu 1/3 sachgerecht, da sich die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs in Anbetracht der unterlassenen Rückschau durch den Beklagten zu 1. und das Mitführen einer abgesenkten, den Traktor verlängernden Greifschaufel als deutlich erhöht darstellte, demgegenüber ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr des klägerischen Motorrades angesichts des unzulässigen Überholens bei unklarer Verkehrslage durch den Verstorbenen nicht angezeigt erscheint (vgl. für ähnlich gelagerte Sachverhalt Grüneberg in: ders., Haftungsquoten, 17. Auflage 2022, Rn. 161, Bezug u. a. nehmend auf BGH, 11.04.1961, VI ZR 119/60, und BGH, 06.02.1954, VI ZR 132/52, m. w. N.).

f)

Die Beklagten sind daher verpflichtet, den Klägern zu 1. und 2. als Erben des Verstorbenen die ihm unfallbedingt entstandenen Vermögenseinbußen nach Maßgabe vorgenannter Quote wie folgt zu ersetzen:

aa)

Für das zerstörte Motorrad ist den Klägern zu 1. und 2. der sich unstreitig auf 4.866,67 Euro belaufende Wiederbeschaffungsaufwand zu ersetzen; die allgemeinen Unfallkosten sind in Höhe von 16,67 Euro zu erstatten.

bb)

Die Sachverständigenkosten (Rechnung vom 20.05.2020, Anlage K3, Anlagenband Kläger) sind in Höhe von 611,82 Euro zu ersetzen, allerdings lediglich dem Kläger zu 1., der allein insoweit aktivlegitimiert ist.

(1)

Ausweislich der vorgelegten Rechnung vom 20.05.2020 hat jedenfalls der Kläger zu 1. den Gutachtenauftrag erteilt. Eine gemeinsame Beauftragung des Sachverständigen auch durch die Klägerin zu 2., die die Beklagten in Abrede nehmen (Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 6, Bl. 24 d. A.), ist nicht ersichtlich, wobei die Kläger insoweit weiteren Vortrag nicht gehalten haben. Die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2. wird nicht dadurch begründet, dass sie entsprechend den von den Klägern vorgelegten Kontoübersichten des von der Klägerin unterhaltenen Kontos bei der Postbank H. (Anlage K23, Bl. 80 R ff. d. A.), deren dokumentierten Inhalt die Beklagten nicht bestreiten, die Forderung des Sachverständigen durch Überweisung erfüllte. Denn die Kosten der Rechtsverfolgung können nur ersetzt verlangt werden, soweit eine Rechtsverfolgung auch tatsächlich erfolgt, mithin ein entsprechender Gutachtenauftrag erteilt wird.

(2)

Die Beauftragung des Sachverständigen entsprach, anders als die Beklagten meinen, einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung, denn der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf für die Ermittlung der Sachschäden grundsätzlich einen qualifizierten Sachverständigen seiner Wahl hinzuziehen, wenn nicht - wie hier ersichtlich nicht der Fall - ein Bagatellschaden bis zu einem Wert von 700 Euro gegeben ist (Grüneberg, a. a. O., § 249 Rn. 58, m. w. N.).

(3)

Ferner sind die von dem Sachverständigen abgerechneten Kosten entgegen der anderslautenden Auffassung der Beklagten als erforderlich anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BGH genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die Übereinstimmung des von ihm erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden, getroffenen Preisvereinbarung bildet ferner ein Indiz für die Erforderlichkeit des Kostenaufwands, sofern dieser nicht - auch für den Geschädigten deutlich erkennbar - erheblich über den üblichen Preisen liegt. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/23, Rn. 8, zit. nach juris). Daran gemessen sind die mit Rechnung vom 20.05.2020 nachgewiesenen Sachverständigenkosten erforderlich. Gegenteiligen Vortrag dahingehend, inwiefern sich die Sachverständigenkosten als überhöht darstellen und dieses dem Kläger zu 1. erkennbar gewesen sei, haben die Beklagten ungeachtet des ihnen von dem Senat erteilten Hinweises (Protokoll vom 13.12.2023, S. 2) nicht gehalten. Soweit die Beklagten allein zu der Erforderlichkeit der Fahrtkosten von 9,50 Euro netto vorgetragen haben, ergibt sich diese ausweislich der Ausführungen des Sachverständigengutachtens (Seite 3) daraus, dass der Sachverständige das Motorrad bei dem Abschleppdienst besichtigte.

(4)

Der Kläger zu 1. kann überdies die Sachverständigenkosten ungeachtet ihrer Regulierung durch die Klägerin zu 2. durch Zahlung an sich ersetzt verlangen. Der ihm nach Beauftragung des Sachverständigengutachtens zunächst entstandene Anspruch auf Freistellung von den Sachverständigenkosten hat sich nach seiner Zurückweisung durch die Beklagten in einen Zahlungsanspruch gewandelt (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2004, XI ZR 355/02, Rn. 16, zit. nach juris).

cc)

Die Bergungskosten (Rechnung vom 30.05.2020, Anlage K9, Anlagenband Kläger) haben die Beklagten in Höhe von 290,74 Euro zu erstatten, jedoch entsprechend den vorstehenden Erwägungen lit. bb) (1) dem insoweit ausschließlich aktivlegitimierten Kläger zu 1., ungeachtet ihrer außergerichtlichen Begleichung durch die Klägerin zu 2. (vgl. Kontoübersicht Anlage K23, Bl. 80 R ff. d. A.).

Soweit die Beklagten in dieser Hinsicht die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Spezialbergefahrzeugs in Abrede stellen (Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 7, Bl. 25 d. A.), gelten die vorstehend unter lit. bb) dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze zur indiziellen Wirkung einer vorgelegten Rechnung entsprechend.

dd)

Die beschädigte Kleidung und Ausrüstung des Verstorbenen (vgl. Übersicht Anlage K8, Anlageband Kläger und Anlage K20, Bl. 73 ff. d. A.), welche dieser unstreitig im Unfallzeitpunkt trug, haben die Beklagten den Klägern zu 1. und 2. als Gesamtrechtsnachfolgern des Verstorbenen in Höhe von 333,33 Euro zu ersetzen.

Soweit die Beklagten insoweit insbesondere die Schadenshöhe bestritten haben, macht der Senat von seiner ihm nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingeräumten Schätzungsbefugnis Gebrauch und schätzt den dem Verstorbenen unfallbedingt entstandenen Schaden auf 500 Euro. Grundlage dieser Schätzung sind die von den Klägern als Anlage K20 vorgelegten Fotos, die blutverschmierte Kleidungs- und Ausrüstungsgegenstände erkennen und darauf schließen lassen, dass sie der Verstorbene im Unfallzeitpunkt trug, sowie die als Anlage K8 vorgelegte Darstellung der Schadenspositionen, die - soweit dem Senat ersichtlich und nicht anderslautend vorgetragen - Neupreise beinhaltet. Von den Beklagten zu ersetzen ist jedoch gemäß § 249 Abs. 1 BGB lediglich der Zeitwert der Sachen am Unfalltag.

g)

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 StVG, sind die Beklagten weiterhin verpflichtet, den Klägern zu 1. und 2., denen nach § 1968 BGB als Erben des Verstorbenen dessen Beerdigung obliegt, die von ihnen aufgewendeten Kosten der Bestattung nach vorgenannter Quote zu ersetzen.

aa)

Beiden Klägern ist von der zwischen den Parteien - unstreitigen - Forderung der Rechnung vom 10.05.2020 (Anlage K4, Anlagenband Kläger) über 5.254,78 Euro brutto ein Betrag in Höhe von 3.503,19 Euro zu ersetzen, und zwar ungeachtet des Umstands, dass der Kläger zu 1. diese Kosten entsprechend der von den Klägern in Bezug genommenen, inhaltlich zwischen den Parteien unstreitigen Quittung (Anlage K23, Bl. 85 d. A.) getragen hat. Die Klägerin zu 2. ist insoweit ebenfalls aktivlegitimiert, da sie als Erbin des Verstorbenen gemäß § 1968 BGB zusammen mit dem Kläger zu 1. verpflichtet ist, die Kosten der Beerdigung zu tragen, und sie ihm im Innenverhältnis zum anteiligen Ausgleich verpflichtet ist.

bb)

Den Klägern sind die von der Klägerin zu 2. nach Maßgabe der vorgelegten Kontoübersicht (Anlage K23, Bl. 80 R ff. d. A.) beglichenen - zwischen den Parteien unstreitigen - Forderungen der Rechnungen vom 08.05.2020 und 15.05.2020 (Anlagen K6 und K7, Anlagenband Kläger) zu ersetzen, die sich auf 350 Euro brutto und 335 Euro brutto belaufen, mithin insgesamt auf 685 Euro. Hiervon haben die Beklagten nach o. g. Quote 456,67 Euro zu zahlen.

cc)

Die von den Klägern unter Bezugnahme auf die Rechnung der Friedwald GmbH vom 08.05.2020 (Anlage K5, Anlagenband Kläger) geltend gemachten weiteren Bestattungskosten in Höhe von 5.350 Euro brutto haben die Beklagten nach vorgenannter Haftungsquote lediglich in Höhe von 1.600 Euro zu ersetzen.

Der Anspruch ist von vornherein auf diejenigen Kosten begrenzt, die aufgrund der Beerdigung des Verstorbenen entstanden sind. Soweit zwischen den Parteien insofern unstreitig ist, dass sich diese Bestattungskosten entsprechend des Hinweises in der vorgelegten Rechnung auf einen Familienbaum beziehen, der nicht allein der Beerdigung des Verstorbenen, sondern zu späterer Zeit auch weiterer Angehöriger zu dienen bestimmt ist (vgl. Protokoll vom 13.12.2023, S. 15 f.), hat der Senat die auf den Verstorbenen angefallenen Kosten gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu schätzen und bemisst sie für den Zeitpunkt seiner Beerdigung mit 2.400 Euro brutto. Die Rechnung hat die Klägerin zu 2. beglichen, der damit insoweit eine Vermögenseinbuße entstanden ist, die sie entsprechend vorstehender Ausführungen ausgeglichen verlangen kann.

h)

Nachdem die Beklagte zu 2. gemäß Schreiben vom 07.07.2020 (Anlage K13, Anlagenband Kläger) außergerichtlich auf die von den Klägern mit vorausgegangenen Schreiben vom 26.05.2020 und vom 06.07.2020 (Anlagen K11 und K12, Anlagenband Kläger) geltend gemachten Ansprüche pauschal 10.000 Euro im Wege eines Vorschusses mit Rückforderungsvorbehalt zahlte, sind die in dem Schreiben vom 26.05.2020 bezeichneten Ansprüche - in Ermangelung einer ersichtlichen oder vorgetragenen Tilgungsbestimmung der Beklagten zu 2. - gemäß § 366 Abs. 2 BGB nach Maßgabe ihres Alters und ihrer Verjährung als getilgt anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2008, XII ZR 123/07, Rn. 19, zit. nach juris; Grüneberg, a. a. O., § 366 Rn. 11) und bestehen nunmehr noch wie folgt:

Ursprüngliche Forderung TilgungssaldoForderung nach Tilgung
4.866,67 Euro (Motorrad)5.133,33 Euro0
16,67 Euro (Kostenpauschale)5.116,67 Euro0
333,33 Euro (Bekleidung)4.783,33 Euro0
456,67 Euro (Bestattung)4.326,67 Euro0
1.600 Euro (Bestattung)2.726,67 Euro0
3.503,19 Euro (Bestattung)0 Euro776,52 Euro
611,82 Euro (Sachverständiger)0 Euro611,82 Euro
290,74 Euro (Bergung)0 Euro290,74 Euro

Der Kläger zu 1. kann mithin noch die Zahlung von 902,56 Euro verlangen (611,82 Euro + 290,74 Euro); diese Forderung ist in Höhe von 611,82 Euro beginnend ab dem 10.06.2020 zu verzinsen und in Höhe verbleibender 290,74 Euro gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB seit Rechtshängigkeit, mithin seit dem 31.12.2020.

Die Kläger zu 1. und 2. können die Zahlung von 776,52 Euro verlangen; dieser Anspruch ist gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB seit dem 10.06.2020 zu verzinsen.

2.

Die Beklagten sind ferner gemäß § 10 Abs. 3 StVG verpflichtet, den Klägern ein Hinterbliebenengeld zu zahlen, den Klägern zu 1. und 2. in Höhe jeweils 8.000 Euro und der Klägerin zu 3. in Höhe von 6.500 Euro.

Nach dieser Vorschrift hat der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten; ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war. Hiervon ausgehend haben die Beklagten den Klägern zu 1. und 2., den Eltern des Verstorbenen, ein Hinterbliebenengeld zu zahlen.

a)

Die Kläger sind die Eltern bzw. die Schwester des Verstorbenen und gehören damit zu seinen nahen Angehörigen, sodass sie nach Maßgabe des vorgenannten Wortlautes und des Zwecks dieser Anspruchsgrundlage, nahen Angehörigen auch ungeachtet eines etwaigen Schmerzensgeldanspruchs wegen psychischer Beeinträchtigungen das erlittene seelische Leid zu kompensieren (BT-Drs. 18/11397, S. 1), dem Grunde nach anspruchsberechtigt sind. Insbesondere ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin zu 2. leibliche Mutter des Verstorbenen ist. Soweit die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.12.2023 angedeutet haben, die Klägerin zu 2. sei "eventuell" nicht die leibliche Mutter des Verstorbenen (Protokoll vom 13.12.2023, S. 2, Bl. 628 d. A.), haben sie - auf ausdrückliche Nachfrage des Senats - die gegenteilige Behauptung der Kläger gleichwohl nicht streitig stellen wollen.

b)

Die Kläger standen zu dem Verstorbenen in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis. Kennzeichnend hierfür ist eine besonders enge persönliche Bindung zwischen dem Getöteten und dem Hinterbliebenen. Insoweit erforderlich ist eine tatsächlich gelebte soziale Beziehung, auch außerhalb der Familie, die besonders eng ist und ungeachtet eines Zusammenlebens in ihrer Intensität deutlich über übliche Verbindungen in der Sozialsphäre hinausgeht und derjenigen entspricht, wie sie üblicherweise zwischen den in § 11 Abs. 3 Satz 2 StVG genannten Personen besteht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, indiziert dies, dass der Hinterbliebene infolge der Tötung seelisches Leid empfunden hat (BT-Drs. 18/11397, S. 13 - 15; Sprau in: Grüneberg, BGB, 83. Auflage 2024, § 844 Rn. 22).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird für die Kläger zu 1. und 2. vermutet, da sie die Eltern des Verstorbenen sind. Auch für die Klägerin zu 3. ist im Unfallzeitpunkt ein besonderes Näheverhältnis zwischen ihr und dem Verstorbenen festzustellen. Dieses ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der persönlichen Anhörung des Klägers zu 1., der vorgetragen hat, dass der Verstorbene ungeachtet seines Auszugs aus dem elterlichen Haus drei- bis viermal pro Woche mit der der dort wohnhaften Klägerin zu 3., seiner Schwester, Kontakt gehabt und sie zu verschiedenen, aufgrund ihrer Schwerbehinderung erforderlichen Therapien und sonstigen Terminen begleitet habe, so insbesondere zur Physiotherapie und zur Reittherapie. Außerdem habe er mit ihr regelmäßig gespielt und sie oft besucht (Protokoll vom 13.12.2023, S. 15). Diesen Vortrag hält der Senat angesichts seines lebensnahen und anschaulichen Inhalts für erlebnisbasiert und glaubhaft, zumal zwischen den Parteien unstreitig ist, dass es sich bei der Klägerin zu 3. um die Schwester des Verstorbenen handelt, die seit ihrer Geburt unter einer Schwerbehinderung leidet (vgl. Betreuer- und Schwerbehindertenausweis, Anlage K16, Anlagenband Kläger).

c)

Die Kläger können die Zahlung eines Hinterbliebenengeldes in der vorstehend bezeichneten Höhe verlangen.

Für die Höhe des Hinterbliebenengeldes sind die ebenso für das Schmerzensgeld relevanten Ausgleichs- und Genugtuungsfunktionen bestimmende Gesichtspunkte. Die Entschädigung soll dem Hinterbliebenen einen gewissen Ausgleich bieten für die seelischen Beeinträchtigungen, die durch den Tod einer geliebten Person eintreten, und ihm insofern wenigstens Linderung verschaffen. Zugleich soll die Hinterbliebenenentschädigung dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Hinterbliebenen für das, was er ihm durch die Herbeiführung des Todes einer geliebten Person angetan hat, Genugtuung schuldet. Insbesondere ist das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken nicht möglich, weil sich immaterielle Schäden nicht und Ausgleichsmöglichkeiten nur beschränkt in Geld ausdrücken lassen. Hiervon ausgehend richtet sich die Höhe des Hinterbliebenengeldes im Wesentlichen nach der Intensität und der Dauer des erlittenen seelischen Leids und dem Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei lassen sich aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung indizierte Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten (BGH, Urteil vom 06.12.2022, VI ZR 73/21, Rn. 14 f., zit. nach juris).

Der in der Gesetzesbegründung genannte Betrag von 10.000 Euro kann insoweit als Orientierungshilfe dienen, von der allerdings unter Berücksichtigung der den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände nach unten oder oben abgewichen werden kann, wobei der dem Hinterbliebenen im Einzelfall zuerkannte Betrag im Regelfall hinter demjenigen zurückzubleiben hat, der ihm zustünde, wenn das von ihm erlittene seelische Leid die Qualität einer Gesundheitsverletzung hätte (BGH, a. a. O., Rn. 18, 21; Urteil vom 23.05.2023, VI ZR 161/22, Rn. 12, zit. nach juris). Bei der Bemessung des Hinterbliebenengeldes sind ferner ein etwaiges Mitverschulden des Getöteten oder eine von seinem Kraftfahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr zu berücksichtigen (Sprau, a. a. O., § 844 Rn. 25).

Unerheblich ist demgegenüber der von den Beklagten behauptete Vorfall vom 18.09.2020, zu dem sie vortragen, der Kläger zu 1. und dessen Sohn M. W. seien an diesem Tag an der Unfallstelle dem einen Traktor führenden Beklagten zu 1. begegnet und hätten seinen Traktor bespuckt, Herr M. W. sei überdies mit erhobenen Fäusten auf den Beklagten zu 1. zugegangen und haben versucht, ihm verbal drohend nach dem Leben zu trachten (Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 8, Bl. 26 d. A.; Schriftsatz vom 12.03.2021, S. 6, Bl. 98 d. A.). Abgesehen davon, dass das dem Kläger zu 1. zustehende Hinterbliebenengeld nicht von Handlungen Dritter beeinflusst wird, etwa denen seines Sohnes M. W., welche er sich nicht zurechnen lassen muss, ist der von den Beklagten in Bezug auf den Kläger zu 1. behauptete Sachverhalt - eine nicht im Einzelnen vorgetragene Meinungsverschiedenheit mit dem Beklagten zu 1., bei dem der Kläger zu 1. jedenfalls den Traktor des Beklagten zu 1. bespuckt habe - nicht geeignet, dass anspruchsbegründende, dem Kläger zu 1. entstandene seelische Leid nachträglich zu relativieren.

Nach den vorgenannten Maßstäben bemisst der Senat das den Klägern zustehende Hinterbliebenengeld hinsichtlich der Kläger zu 1. und 2. mit jeweils 8.000 Euro, bezüglich der Klägerin zu 3. mit 6.500 Euro. Dabei berücksichtigt der Senat zunächst das den Klägern jeweils entstandene seelische Leid, das im Fall der Kläger zu 1. und 2., den Eltern des Verstorbenen, eine überdurchschnittlich erhebliche Intensität und Dauer angenommen hat. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat angesichts des persönlichen Vortrags der Kläger zu 1. und 2. und den von ihnen gewonnenen Eindrücken in der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2023, die eine intensive und langanhaltende Befassung mit dem Tod ihres Sohnes erkennen lassen, sowie - damit einhergehend - den bei ihnen vorhandenen, nachvollziehbaren Wunsch, die Umstände des streitgegenständlichen Unfallereignisses auch noch nach einem Zeitraum von rund 3,5 Jahren möglichst detailliert aufzuklären. Dieser Wunsch sowie die intensive Befassung mit dem Tod ihres Sohnes wird ferner dadurch dokumentiert, dass die Kläger zu 1. und 2. den Dezember 2020 anhängigen Rechtsstreit bis zuletzt intensiv begleitet und zum Zwecke der Aufklärung des Sachverhaltes insgesamt fünf Gutachten bzw. gutachterliche Stellungnahmen von zwei verschiedenen Sachverständigen eingeholt haben. Ferner berücksichtigt der Senat das verkehrswidrige Verhalten und die von dem Beklagtenfahrzeug im Unfallzeitpunkt ausgegangene erhöhte Betriebsgefahr. Anspruchsmindernd hat der Senat jedoch das für die Entstehung des Unfalls mitursächliche Verhalten des Verstorbenen zu berücksichtigen, der den Beklagten zu 1. entsprechend den vorstehenden Ausführungen bei unklarer Verkehrslage überholte. Bei Abwägung dieser Umstände bemisst der Senat das den Klägern zu 1. und 2. zustehende Hinterbliebenengeld in vorgenannter Höhe.

Das der Klägerin zu 3. zustehende Hinterbliebenengeld bemisst der Senat mit 6.500 Euro. Der Senat ist aufgrund der Anhörung der Kläger zu 1. und 2. davon überzeugt, dass die Klägerin zu 3. infolge des Todes des Verstorbenen nicht nur bis zur Gegenwart in erheblicher Weise seelisches Leid erfahren hat, sondern darüber hinaus auch in ihrem durch eine Schwerbehinderung mit einhergehenden epileptischen Anfällen geprägten Lebensalltag mit dem Verstorbenen eine wichtige Bezugsperson verlor, die ihr bei alltäglichen Verrichtungen wie der Physio- und Reittherapie ihre Unterstützung und Halt bot. Einschränkend ist auch insoweit das für die Entstehung des Unfalls mitursächliche Verhalten des Verstorbenen zu berücksichtigen, sodass sich bei Abwägung dieser Umstände das o. g. Hinterbliebenengeld ergibt.

d)

Die diesbezüglichen Zinsansprüche sind gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB begründet seit dem 12.08.2020 bzw. seit dem 29.08.2020.

3.

Der Feststellungsantrag der Kläger zu 1. und 2. ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werden.

Das insofern für die Zulässigkeit vorauszusetzende Feststellungsinteresse ist gegeben, soweit einem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder sich eines rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (Greger in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 256 Rn. 12, m. w. N.). Diese Voraussetzung kann in dem vorliegenden Sachverhalt als erfüllt betrachtet werden, soweit die Kläger unbestritten vorgetragen haben, dass über das Vermögen des Verstorbenen mit Beschluss des Amtsgerichts Stade - 73 IN 28/20 - vom 23.06.2020 gemäß §§ 21, 22 InsO die vorläufige Verwaltung angeordnet worden sei und sich hieraus die Möglichkeit ihnen entstehender Schäden ergibt, die auf den Unfalltod des Verstorbenen zurückzuführen seien. Das festzustellende Rechtsverhältnis ist hinsichtlich seiner Bezugnahme auf das streitgegenständliche Verkehrsunfallereignis Feststellungsantrag auch hinreichend bestimmt.

Allerdings hat die Begründetheit des Feststellungsantrags zu Voraussetzung, dass nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge der behauptete Schadenseintritt aufgrund des schädigenden Ereignisses hinreichend wahrscheinlich ist. Diese summarisch zu prüfende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts hat der Kläger wie bei einer Leistungsklage zu beweisen. Im Fall der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts - wie hier - genügt es, wenn die spätere Verwirklichung eines weiteren Schadens in absehbarer Zeit nach der Art der Verletzung möglich erscheint und nicht gerade fernliegt (BGH, Urteil vom 15.10.1992, IX ZR 43/92, Rn. 77, zit. nach juris; Greger, a. a. O., Rn. 32).

Nach diesem Maßstab ist ein Feststellungsinteresse der Kläger zu 1. und 2. nicht zu erkennen. Auf das Bestreiten der Beklagten, dass das angeführte Insolvenzverfahren auf den Tod des Verstorbenen zurückzuführen sei (Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 10, Bl. 28 d. A.), haben die Kläger weder ergänzenden Vortrag gehalten noch einen Beweisantrag zur Feststellung der Ursächlichkeit gestellt, die insofern nicht festgestellt werden kann. Soweit die Kläger ihr Feststellungsinteresse alternativ auf ein von dem Verstorbenen zu Lebzeiten abgeschlossenes Mietverhältnis bzw. eine Wohnungsauflösung und die ihnen hieraus drohenden Ansprüche stützen, lässt dieser Umstand in Anbetracht der seit dem Unfallereignis vergangenen Zeit von nunmehr rund vier Jahren jedoch nicht erkennen, inwiefern den Klägern in absehbarer Zeit die Verwirklichung eines unfallursächlichen Schadens droht, zumal etwaige Ansprüche aus einem Mietverhältnis gemäß § 548 Abs. 1 BGB binnen sechs Monaten beginnend ab Rückgabe der Mietsache verjährt wären.

4.

Die Kläger zu 1. und 2. können von den Beklagten ferner gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG die Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.524,82 Euro verlangen; der Klägerin zu 3. steht insofern allerdings kein Schadensersatz zu.

a)

Die nach diesen Vorschriften vorauszusetzende Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Kläger durch die Kläger zu 1. und 2. mit der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche ist zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Klageerwiderung vom 20.01.2021, S. 10, Bl. 28 d. A.) und im Übrigen anhand der vorgelegten vorprozessualen Korrespondenz ersichtlich (vgl. Anlagen K10, K11 und K12, Anlagenband Kläger). Hiernach haben zunächst ausschließlich die Kläger zu 1. und 2. ihren Prozessbevollmächtigten außergerichtlich beauftragt.

b)

Demgegenüber ist die Klage nicht schlüssig vorgetragen, soweit die Klägerin zu 3. denselben Betrag ersetzt verlangt, den ebenso die Kläger zu 1. und 2. begehren. Anhand der in der Klageschrift in Bezug genommenen vorprozessualen Korrespondenz ist zu erkennen, dass die Klägerin zu 3. ihren Prozessbevollmächtigten zu einem späteren Zeitpunkt als die Kläger zu 1. und 2. mit ihren Geschwistern gesondert beauftragte (Schreiben vom 14.08.2020, Anlage K15, Anlagenband Kläger). Dieser auf Zahlung eines Hinterbliebenengeldes gerichtete gesonderte Auftrag der Klägerin zu 3. ist gemäß § 15 Abs. 1 RVG separat zu vergüten. Ein dementsprechender Vergütungsanspruch wird von der Klägerin zu 3. mit der Klage hingegen nicht geltend gemacht, weshalb dem Senat gemäß § 308 Abs. 1 ZPO verwehrt ist, ihr insofern einen Zahlungsanspruch zuzusprechen.

c)

Der Höhe nach können die Kläger zu 1. und zu 2. die Zahlung von 1.524,82 Euro brutto verlangen, insoweit ausgehend von einem begründeten Gegenstandswert von 27.388,34 Euro (vgl. Forderungsaufstellungen gemäß Schreiben vom 26.05.2020, Anlage K11, und vom 28.07.2020, Anlage K14, Anlagenband Kläger).

d)

Der diesbezügliche Zinsanspruch ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet seit dem 31.12.2020.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert ist gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 43, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf 47.469,12 Euro festzusetzen. Dabei bewertet der Senat den Feststellungsantrag zu 5. mit einem Wert von bis zu 2.500 Euro.