Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 01.02.2024, Az.: 19 WF 5/24

Sofortige Beschwerde eines Kindsmutter in einem Umgangsverfahren gegen die Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.02.2024
Aktenzeichen
19 WF 5/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 12192
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nienburg - 22.12.2023 - AZ: 8 F 642/21

In der Familiensache
betreffend den Umgang mit
M , geboren am 2. Januar 2010,
Verfahrensbeistand:
Rechtsanwältin XXX P XXX
Geschäftszeichen:XXX
weitere Beteiligte:
1. Kindesmutter: XXX G,
XXX
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro Karsten Rimkus und Karl Schürckmann, Ostring 2, 32825 Blomberg,
Geschäftszeichen: 562/23,
2. Kindesvater: XXX
Verfahrensbevollmächtiater:
Rechtsanwalt XXX
XXX
3. Landkreis Nienburg/Weser Fachbereich Jugend, Kreishaus am Schloßplatz,
31582 Nienburg (Weser),
Geschäftszeichen:XXX
hat der 19. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch den Richter am Oberlandesgericht Voß als Einzelrichter am 1. Februar 2024
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Die sofortige Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nienburg vom 22. Dezember 2023 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

  2. II.

    Der Antrag der Kindesmutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der am 31. März 2006 geborene V sowie der am 2. Januar 2010 geborene M sind aus der Ehe der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 hervorgegangen.

Aus dem beim Amtsgericht Nienburg bezüglich des Kindes M laufenden Sorgerechtsverfahren (Az.: 8 F 261/21 SO) hat das Amtsgericht am 18. November 2021 von Amts wegen das vorliegende Umgangsverfahren gemäß § 1684 BGB eingeleitet. Mit Beschluss vom 29. November (BI. 11 f d.A.) ist Rechtsanwältin P zur Verfahrensbeiständin für M bestellt worden.

Mit Beschluss vom 19. Januar 2022 (Bl. 17 ff d.A.) hat das Amtsgericht einen Beschluss über die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage erlassen, welche Umgangsregelung zwischen M und Kindesvater dem Kindeswohl am besten entspricht. Gleichzeitig ist der Sachverständige beauftragt worden, zunächst mit den Eltern und den Kindern eine einvernehmliche Regelung zu finden (§ 163 Abs. 2 FamFG). Zum Sachverständigen wurde der Dipl.-Sozialpädagoge XXX H XXXbestimmt. Nachdem dem Sachverständigen eine einvernehmliche Regelung nicht gelungen war, legte er mit Datum vom 14. März 2023 sein Gutachten hinsichtlich des vorliegenden Umgangsverfahrens sowie des weiteren Verfahrens bezüglich des Umgangs zwischen M und seinem Bruder V (Az.: 8 F 688/21 UG) vor. Unter Punkt 5 (Seite 31f des Gutachtens) empfahl der Sachverständige eine Umgangsvereinbarung zwischen Martin mit seinem Bruder V sowie seinem Vater mindestens zweimal im Jahr am ersten Samstag im August und am Samstag nach Weihnachten jeweils ab 15:00 Uhr für mindestens 2 Stunden. Die Empfehlung enthielt weiterhin Regelungen zu den Rahmenbedingungen bzw. dem weiteren Vorgehen.

Mit Verfügung vom 16. März 2023 (BI. 56 d.A.) hat das Amtsgericht den Beteiligten das Gutachten übersandt und um Mitteilung gebeten, ob Einverständnis damit besteht, den vom Sachverständigen empfohlenen Vergleich im schriftlichen Verfahren festzustellen. Weiterhin wurde, sofern kein Einverständnis bestehen sollte, um Mitteilung gebeten, ob der Sachverständige zum Termin geladen werden sollte. Die Verfahrensbeiständin Graf stimmte mit Schreiben vom 24. April 2023 (BI. 59 d.A.) einer Feststellung des empfohlenen Vergleichs im schriftlichen Verfahren zu, die Verfahrensbeiständin P erklärte mit Schriftsatz vom 24. April 2023 (BI. 64 d.A.) die Zustimmung. Der Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters bat mit Schriftsätzen vom 27. April 2023, 11. Mai 2023 und 25. Mai 2023 (BI. 66, 68, 73 d. A.) im Hinblick auf noch erforderliche Rücksprachen mit dem Mandanten jeweils um Fristverlängerung, zuletzt bis zum 8. Juni 2023. Mit Beschluss vom 12. Juli 2023 (BI. 74 f d.A.) stellte das Amtsgericht fest, dass die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen haben:

1. Martin erhält Umgang mit seinem Bruder Wund seinem Vater mindestens zweimal im Jahr am ersten Samstag im August und am Samstag nach Weihnachten jeweils ab 15:00 Uhr für mindestens 2 Stunden.

2. Die Übergaben für das Treffen im August finden in W bei der Großmutter der Kinder statt und die Übergaben für das Treffen nach Weihnachten findet bei der Kindesmutter zu Hause statt.

3. Die Kindeseltern beantragen im Falle, dass die Umsetzung der Vereinbarung zu Ziff. 1 und 2 scheitert, eine Erziehungsbeistandschaft zur Vorbereitung und Umsetzung des Umgangs und stimmen den Zeiten dann mit der zuständigen Fachkraft ab.

4. Beide Eltern verpflichten sich, in Gegenwart der Kinder und insbesondere bei den Übergaben strittige Auseinandersetzungen und abwertende Äußerungen über die nahen Bezugspersonen der Kinder zu unterlassen. Absprachen zu den Übergaben können telefonisch oder per Messenger erfolgen.

Der Text entspricht nahezu vollständig dem Vorschlag des Sachverständigen. Mit weiterem Beschluss vom 12. Juli 2023 (BI. 79 f d.A.) ordnete das Amtsgericht, da das Hauptsacheverfahren durch Vergleichsabschluss erledigt sei.

Auf die Beschwerde des Kindesvaters hob der Senat mit Beschluss vom 17. August 2023 (BI. 95ff d.A.) die beiden Beschlüsse des Amtsgerichts vom 12. Juli 2023 gemäß 8 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurück, da das Gericht in der Sache noch nicht entschieden habe.

Mit Schriftsatz vom 27. November 2023 (Bl. 132 d.A.) lehnte die Kindesmutter die Richterin am Amtsgericht XXX . L wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Mit Datum vom 28. November 2023 (BI. 139 d.A.) nahm die Richterin am Amtsgericht XXX L dienstlich Stellung.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2023 (Bl. 144ff d.A.) hat das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch der Kindesmutter als unbegründet zurückgewiesen. Die verfahrensfehlerhafte Feststellung eines Umgangsvergleichs mit Beschluss vom 12. Juli 2023 könne eine Voreingenommenheit der Richterin zu Lasten der Kindesmutter nicht begründen. Denn durch den festgestellten Vergleich sei nicht lediglich die Kindesmutter betroffen, vielmehr seien beide Elternteile gleichermaßen betroffen und in ihren Rechten verletzt. Aufgrund dessen sei keine einseitige Benachteiligung der Kindesmutter erfolgt, eine solche dränge sich auch nicht auf. Letztlich sei es auch der Kindesvater gewesen, der gegen den Vergleichsschluss erfolgreich Beschwerde eingelegt habe.

Hiergegen richtet sich das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel der Kindesmutter vom 2. Januar 2024 (BI. 155ff d.A.), mit der sie die Ablehnung der Richterin am Amtsgericht XXX L wegen Besorgnis der Befangenheit weiterverfolgt. Eine Ablehnung sei unter anderem dann gerechtfertigt, wenn das Handeln des Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehre, offensichtlich unhaltbar sei, sich von dem normalen geübten Verhalten so weit entfernt und grob fehlerhaft sei, dass sie als Willkür erscheine. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. Die Richterin habe eigenmächtig entgegen jeglicher Verfahrensordnung in rechtswidriger Weise einen Vergleich durch Beschluss festgestellt, der nicht nur annähernd dem erklärten Willen der Beteiligten entsprochen habe. Dieses Verhalten entspreche dem. Dieses dem Tatbestand des § 339 StGB entsprechende Verhalten habe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der rechtlichen Interessen der Kindesmutter geführt. Denn sie seidurch den Beschluss verpflichtet worden, Umgang an einem Ort zu gewähren, der 615 km vom Wohnsitz der Kindesmutter entfernt sei. Diese Regelung belaste allein die Kindesmutter und ergebe aus Sicht eines objektiven Betrachters den Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung.

II.

Der als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsbehelf der Kindesmutter vom 2. Januar 2024 ist nach 8 6 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 567 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Die Entscheidung des Amtsgerichts vom 22. Dezember 2023, das Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Amtsgericht XXX. L wegen der Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurückzuweisen, ist nicht zu beanstanden. Denn das Verhalten der Richterin ist nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 6 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 42 Abs. 1 2. Alt., 2 ZPO zu begründen.

Nach den genannten Vorschriften kann ein Richter von den Beteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht eines Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, dem betroffenen Beteiligten Anlass zu begründeten Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Objektivität des Richters zu geben. Dabei kommen aber nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters aufkommen lassen, während rein subjektive Vorstellungen oder Gedankengänge des Ablehnenden als Ablehnungsgründe ausscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 08.12.2021 - XII ARZ 39/21 -, FGPrax 2022, 94 Rn. 14). Eine Richterablehnung kann dabei grundsätzlich nicht auf eine fehlerhafte Verfahrensweise gestützt werden, denn sie stellt kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle dar. Im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Frage einer Parteilichkeit des Richters. Die Überprüfung der Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen ist ausschließlich dem Rechtsmittelgericht vorbehalten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann dann geboten sein, wenn sich die Gestaltung des Verfahrens so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass sie aus der Sicht eines Beteiligten nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erweckt, was bei einer nachhaltigen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Fall sein kann (vgl. Burschel/Perleberg-Kölbel in: BeckOK, FamFG, 48. Edition Stand: 01.11 .2023, § 6 Rn. 19).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Es wird insoweit zunächst auf die zutreffenden und auch gegenüber dem Beschwerdevorbringen durchgreifenden Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 22. Dezember 2023 Bezug genommen. Darüber hinaus ist auf folgendes hinzuweisen:

Zwar fehlte es für die förmliche Feststellung des Vergleichsschlusses mit Beschluss vom 12. Juli 2023 mangels der Zustimmung der Kindeseltern an einer Rechtsgrundlage, jedoch gibt dies nach den Gesamtumständen jedenfalls aus der Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der Richterin zu zweifeln. Abgesehen von der Tatsache, dass weder eine nachhaltige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gegeben ist noch wiederholte Verfahrensfehler im Raum stehen, erweckt die Verfahrensführung jedenfalls nicht den Eindruck einer voreingenommenen und nicht objektiven Einstellung der Richterin. In besonderem Maße ist dabei zunächst zu berücksichtigen, dass der Inhalt des festgestellten Vergleichs nicht von der Richterin stammt, sondern praktisch vollständig dem Vorschlag des eingesetzten Sachverständigen zum Umgang entspricht, was den Beteiligten auch bekannt war. Bereits aus diesem Grund ist der fehlerhaft festgestellte Vergleichsschluss auch aus Sicht der Kindesmutter bei vernünftiger Betrachtungsweise nicht geeignet, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der Richterin zu zweifeln. Hinzu kommt, dass die Richterin den Kindeseltern und den übrigen Beteiligten mit Verfügung vom 16. März 2023 Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich des Vorschlages des Sachverständigen gegeben hat und keiner der Beteiligten Kritik geäußert oder Änderungsvorschläge gemacht hat. Insbesondere hat sich die Kindesmutter in keiner Weise zu dem Vorschlag des Sachverständigen geäußert, obgleich sie durch den Inhalt des festgestellten Vergleichs nach den in der Beschwerdeschrift vom 2. Januar 2024 gemachten Angaben erheblich benachteiligt würde.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

IV.

Der Antrag der Kindesmutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe war zurückzuweisen, da die sofortige Beschwerde aus den aufgeführten Gründen keine Erfolgsaussichten gemäß §§ 76 FamFG, 114 ZPO aufwies.