Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.01.2024, Az.: 13 Verg 6/23

Vergabenachprüfungsverfahrens eines gewerbliches Rettungsdienstleistungsunternehmen gegen die Beauftragung von Konkurrenten mit Rettungsdienstleistungen auf Basis einer behaupteten rechtswidrigen De-Facto-Vergabe; Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den Nachprüfungsinstanzen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.01.2024
Aktenzeichen
13 Verg 6/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 10050
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0103.13VERG6.23.00

Fundstelle

  • GewArch 2024, 71-74

Amtlicher Leitsatz

Zum Rechtsweg eines Rechtsbehelfs eines gewerblichen Rettungsdienstleistungsunternehmens gegen die Direktvergabe von Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Rettungsdienstleister.

  1. 1.

    Die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB lässt sich im 2. Halbsatz richtlinienkonform auslegen, sodass die Anforderungen gewahrt sind, die im Urteil des EuGH vom 21. März 2019 - C-465/17 (Falck) im Hinblick auf Art. 10 lit. h der Richtlinie 2014/24/EU (Vergaberichtlinie) gestellt werden.

  2. 2.

    Die Träger des Rettungsdienstes sind in Niedersachsen landesrechtlich nicht gehindert, von der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB Gebrauch zu machen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 NRettDG).

  3. 3.

    Die Direktvergabe von Rettungsdienstleistungen durch einen Träger des Rettungsdienstes an gemeinnützige Dienstleister fällt in den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB.

  4. 4.

    Zur hilfsweise beantragten Verweisung eines Verfahrens durch den Vergabesenat auf den Verwaltungsrechtsweg, wenn für den Vergabenachprüfungsantrag aufgrund der Bereichsausnahme des 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht eröffnet ist.

In dem Vergabenachprüfungsverfahren
F. GmbH, ...,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
gegen
Landkreis L., ...,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
1. A. e.V., ...,
2. D. e.V., ...,
Beigeladene
hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 3. Januar 2024 beschlossen:

Tenor:

Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist unzulässig.

Das Verfahren wird an das Verwaltungsgericht Lüneburg verwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Antragstellerin, ein gewerbliches Rettungsdienstleistungsunternehmen, wendet sich im Wege des Vergabenachprüfungsverfahrens nach §§ 155 ff. GWB gegen die Beauftragung der beiden Beigeladenen mit Rettungsdienstleistungen, weil es sich hierbei nach ihrer Ansicht um eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe handele.

Die Beigeladenen wurden von der Antragsgegnerin mit "öffentlich-rechtlicher" "Vereinbarung über die Übertragung der Durchführung des Rettungsdienstes und des qualifizierten Krankentransportes im Landkreis L." vom 21. Dezember 1993 mit Leistungen des Rettungsdienstes und qualifizierten Krankentransports beauftragt (Anlage BG 1, Anlagenhefter Antragsgegnerin). Mit Bescheid vom 1. Juli 2022 widerrief der Antragsgegner die einem anderen Dienstleister erteilte Genehmigung zur Durchführung von qualifiziertem Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes nach § 19 NRettDG, weil dieser die Einstellung des Krankentransportbetriebs mitgeteilt habe (Anlage BG 2, Anlagenhefter Antragsgegnerin).

Im Dezember 2022 beschloss der Antragsgegner gemäß Beschlussvorlage vom 6. Dezember 2022 die "5. Fortschreibung des Rettungsdienstebedarfsplans", die eine Erhöhung der - von den Beigeladenen geleisteten - Notfall- und Krankentransportvorhaltung vorsah (Anlage Ast 13 f., Bl. 94 f. der Vergabekammerakten).

Die Antragstellerin hat gemeint, insoweit lägen unzulässige De-Facto-Vergaben in Bezug auf die Beigeladenen vor. In dem Nachprüfungsverfahren hat sie in der Sache - primär - die Feststellung beantragt, dass sie durch das De-Facto-Vergabeverfahren von Rettungsdienstleistungen im Gebiet des Antragsgegners in ihren Rechten verletzt sei und geschlossene Verträge zwischen dem Antragsgegner und den Beigeladenen nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam seien.

Die Vergabekammer Niedersachsen hat mit Beschluss vom 13. Juli 2023 den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen (Anlage BF 1, Bl. 49 ff. d.A., und Berichtigungsbeschluss vom 19. Juli 2023, Anlage BF 5, Bl. 85 ff. d.A.). Es sei schon nicht der Rechtsweg zur Nachprüfung durch die Vergabekammer eröffnet, weil die von der Antragstellerin beanstandete Beauftragung der Beigeladenen unter die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB falle. Die Bereichsausnahme sei in Niedersachsen anwendbar, wie sich aus dem am 24. März 2021 in Kraft getretenen klarstellenden Zusatz in § 5 Abs. 2 Satz 2 NRettDG ergebe. Die Bereichsausnahme sei auch unionsrechtskonform. Sie verstoße nicht gegen Art. 10 lit. h) der Vergaberichtlinie, dessen Wortlaut nahezu unverändert übernommen worden sei. Lediglich der zweite Halbsatz von § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB stelle nach dem Urteil des EuGH vom 21. März 2019 (C-465/17) eine unzureichende Umsetzung des Unionsrechts dar; dieser Halbsatz sei jedoch im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Bei den von der Antragstellerin beanstandeten Beauftragungen der Beigeladenen handele es sich um direkte Beauftragungen außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens. Diese fielen unter die Bereichsausnahme, da die Aufträge ohne jegliche Öffnung des Wettbewerbs gegenüber gewerblichen Rettungsdienstleistern an gemeinnützige Organisationen im Sinne des Art. 10 lit. h der Vergaberichtlinie erteilt worden seien, wie sich aus der vorgelegten Beschlussvorlage (Anlage Ast 13) ergebe. Dies genüge für die Anwendung der Bereichsausnahme. Ergänzend hat die Vergabekammer ausgeführt, dass der Nachprüfungsantrag - wenn der Rechtsweg zur Vergabekammer eröffnet wäre - aufgrund des Ablaufs der Ausschlussfrist des § 135 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz GWB verfristet wäre.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie in der Sache die vor der Vergabekammer gestellten Anträge weiterverfolgt. Auf Nachfrage des Senats, auf welche konkreten Vertragsschlüsse sich ihre Nachprüfungsanträge beziehen, hat die Antragstellerin klargestellt, es gehe ihr "primär" um die Leistungsweiterungen ab dem 1. Januar 2023, insbesondere die in der Beschlussvorlage vom 6. Dezember 2022 (Anlage Ast 13) genannten (Bl. 128 f. d.A.). Das Vorbringen der Antragsgegnerin, es seien bereits zuvor am 18. Juli 2022 mündlich Auftragserweiterungen vereinbart worden, hat die Antragstellerin bestritten (Bl. 128 d.A.).

Die Antragstellerin beanstandet Feststellungen im Sachbericht der Vergabekammer (Bl. 6 ff. d.A.). Außerdem ist sie der Auffassung, dass die Bereichsausnahme bei De-Facto-Rettungsdienstbeauftragungen außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens nicht eingreife. Zudem seien die Erweiterungen des öffentlich-rechtlichen Vertrages wegen eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis gemäß §§ 57, 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG und wegen Verstößen gegen das Kommunalrecht unwirksam. Darüber hinaus wäre gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB wegen wesentlicher Änderungen des öffentlichen Auftrags ein neues Vergabeverfahren erforderlich gewesen. Aufgrund der Verstöße gegen das Schriftformerfordernis und das Kommunalrecht sei die Frist zur Geltendmachung der Vergaberechtsverstöße gewahrt. Außerdem fehle es an der erforderlichen, das Eingreifen der Bereichsausnahme rechtfertigenden Dokumentation. Darüber hinaus seien die streitgegenständlichen Verträge auch wegen eines Verstoßes gegen das Beihilferecht nichtig.

Insoweit beantragt die Antragstellerin zunächst,

vorab gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG ohne mündliche Verhandlung nach § 17a Abs. 4 S. 1 GVG über die Zulässigkeit des Rechtsweges durch begründeten schriftlichen Beschluss gemäß § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG zu entscheiden,

und hilfsweise für den Fall, dass der Senat der Auffassung der Vergabekammer über die Unzulässigkeit folgen sollte:

den Rechtsstreit unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht Lüneburg zu verweisen.

Für den Fall der Verweisung kündigt die Antragstellerin in der Sache - neben verschiedenen Verfahrens- und Kostenanträgen - an, vor dem Verwaltungsgericht zu beantragen (Bl. 129 f. d.A.):

  1. 1.

    Die Nichtigkeit der mündlichen Leistungserweiterungen des öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen dem Antragsgegner und den Beigeladenen vom 21. Dezember 1993 wird festgestellt.

    Hilfsweise:

  2. 2.

    Die Nichtigkeit mündlicher Erhöhungen in der Besprechung am 18. Juli 2022 der KTW- Vorhaltung und RTW-Vorhaltung wird festgestellt.

    Hilfsweise:

  3. 3.

    Dem Beklagten wird aufgegeben, den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Antragsgegner und den Beigeladenen vom 21. Dezember 1993, unverzüglich (außerordentlich) zu kündigen.

    Höchst Hilfsweise:

  4. 4.

    Es wird festgestellt, dass die Klägerin durch das von dem Beklagten durchgeführte Verfahren in ihren Rechten verletzt sind.

Die Antragsgegnerin, die in der Sache die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt, ist der von der Antragstellerin hilfsweise beantragten Verweisung nicht entgegengetreten. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss, insbesondere auch in Bezug auf die Anwendbarkeit der Bereichsausnahme gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB, und trägt ergänzend zur Gemeinnützigkeit der Beigeladenen vor (Bl. 151 ff. d.A.).

B.

I.

Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist nicht gegeben. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Die Regelungen des 4. Teils des GWB zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen - und somit auch die darin enthaltenen Bestimmungen zum Nachprüfungsverfahren (§§ 155 ff. GWB) - finden im Streitfall keine Anwendung.

Denn die von der Antragstellerin beanstandete "De-Facto-Vergabe" fällt unter die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Das Unionsrecht steht der Anwendung dieser Bereichsausnahme nicht entgegen (s. Ziffer 1), die Träger des Rettungsdienstes sind auch landesrechtlich nicht gehindert, von dieser Bereichsausnahme Gebrauch zu machen (s. Ziffer 2), schließlich unterfallen die streitgegenständlichen Direktvergaben dem Anwendungsbereich der Bereichsausnahme (s. Ziffer 3).

1. Die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist - bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung - mit den hierdurch umgesetzten EU-Richtlinien zu vereinbaren. Auch die Vereinbarkeit mit dem primären Unionsrecht ist nicht zweifelhaft.

a) Die Bereichsausnahme dient der Umsetzung von Art. 10 Abs. 8 lit. g der Richtlinie 2014/23/EU (Konzessionsvergabe-Richtlinie), Art. 10 lit. h der Richtlinie 2014/24/EU (Vergaberichtlinie) sowie Art. 21 lit. h der Richtlinie 2014/25/EU (Sektorenrichtlinie) (BeckOK VergabeR/Friton/Wolf, 29. Ed. 31.1.2023, GWB § 107 Rn. 26).

Durch diese Regelungen werden - insoweit wortgleich - von dem Anwendungsbereich der jeweiligen Richtlinie u.a. Dienstleistungen der Gefahrenabwehr ausgenommen, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die folgenden CPV-Nummern fallen: 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21. März 2019 - C-465/17 (Falck), das Art. 10 Buchst. h der Vergaberichtlinie betraf, entschieden, dass diese Regelung dahin auszulegen ist, dass "gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen" im Sinne dieser Bestimmung solche Organisationen oder Vereinigungen sind, deren Ziel in der Erfüllung sozialer Aufgaben besteht, die nicht erwerbswirtschaftlich tätig sind und etwaige Gewinne reinvestieren, um ihr Ziel zu erreichen (EuGH, Urteil vom 21. März 2019 - C-465/17 (Falck), NZBau 2019, 314 [KG Berlin 13.12.2018 - 2 AR 60/18], beck-online). Nach nationalem Recht anerkannte Hilfsorganisationen wie Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen dürfen danach nicht als "gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen" im Sinne dieser Bestimmung gelten, soweit die Anerkennung als Hilfsorganisation im nationalen Recht nicht davon abhängt, dass keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt (aaO).

b) Die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB kann in diesem Sinn richtlinienkonform ausgelegt werden.

Wie auch das Bundesverwaltungsgericht zwischenzeitlich entschieden hat, steht § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB bei sachgerechter Normauslegung auf der Grundlage der vorgenannten Entscheidung des EuGH mit Art. 10 Buchst. h der Richtlinie 2014/24/EU im Einklang (BVerwG, Beschluss vom 21. September 2023 - 3 B 44/22, Rn. 44 ff., m.w.N. zur Rechtsprechung der Vergabesenate).

Die Vereinbarkeit von § 107 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 GWB mit Art. 10 Buchst. h der Richtlinie 2014/24/EU ist nicht zweifelhaft. Die Vorschrift wiederholt hinsichtlich der ausgenommenen Dienstleistungen lediglich den Wortlaut der Richtlinienbestimmung (aaO Rn. 46). Der Halbsatz 2 der Bereichsausnahme kann - unter Wahrung der methodischen Grenzen der Normauslegung - dahin ausgelegt werden, dass die dort bezeichneten Hilfsorganisationen nur dann gemeinnützige Organisationen im Sinne von § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB sind, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Anerkennung als gemeinnützige Organisation oder Vereinigung im Sinne des Art. 10 Buchst. h der Richtlinie 2014/24/EU vorliegen müssen (aaO, Rn. 47 f.). Unter den Begriff der Hilfsorganisationen nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB fallen daher nur solche nach Bundes- oder Landesrecht anerkannte Zivil- oder Katastrophenschutzorganisationen, die keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen bzw. nicht erwerbswirtschaftlich tätig sind und ihren Mitgliedern keine - auch keine mittelbaren - Gewinne verschaffen können. Etwaige Gewinne einer Hilfsorganisation müssen zur Erfüllung der von ihr verfolgten gemeinnützigen Aufgaben verwendet werden (aaO).

c) Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die durch § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB umgesetzten Regelungen der drei vorgenannten Richtlinien mit primärem EU-Recht nicht zu vereinbaren sein könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2023 - 3 B 44/22 -, Rn. 54). Der Europäische Gerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung keine Zweifel daran erkennen lassen, dass die Bereichsausnahme des Art. 10 Buchst. h der Richtlinie 2014/24/EU mit primärem Unionsrecht vereinbar ist (aaO).

2. Die Anwendung der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist in Niedersachsen auch nicht landesgesetzlich abbedungen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Regelung generell landesgesetzlich abbedungen werden könnte, wie es das Oberverwaltungsgericht Lüneburg für § 5 Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz (NRettDG) in der bis zum 23. März 2021 geltenden Fassung angenommen hat (Beschluss vom 12. Juni 2019 - 13 ME 164/19, NVwZ-RR 2019, 931 Rn. 1), oder der Bundesgesetzgeber durch Wahrnehmung seiner Regelungskompetenz die generelle Abbedingung der Bereichsausnahme ausgeschlossen hat. Denn der Landesgesetzgeber hat in Reaktion auf diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts die Regelung durch Anfügung des § 5 Abs. 2 Satz 2 NRettDG ("§ 107 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleibt unberührt.") ergänzt, sodass jedenfalls aufgrund dieser Ergänzung nunmehr feststeht, dass die Bereichsausnahme durch das Niedersächsische Rettungsdienstgesetz nicht generell abbedungen werden soll. Der Gesetzentwurf bestätigt auch ausdrücklich, dass die vorgenommene Ergänzung in diesem Sinn die Zweifel an der Rechtslage, die aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgekommen waren, beseitigen sollte (Seite 3 des Gesetzentwurfs Drucksache 18/8095 des Niedersächsischen Landtags sowie Seite 2 ff. des Ausschussberichts Drucksache 18/8749).

3. Die streitgegenständliche Direktvergabe fällt auch in den sachlichen und personellen Anwendungsbereich der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB.

a) Die streitgegenständlichen Rettungsdienstleistungen und der qualifizierte Krankentransport fallen sachlich in den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme.

aa) Wie der EuGH zu der zugrundeliegenden Vergaberichtlinie entschieden hat, gilt die Bereichsausnahme sowohl für die Betreuung und Versorgung von Notfallpatienten in einem Rettungswagen durch einen Rettungsassistenten/Rettungssanitäter, die unter den CPV-Code 75252000-7 (Rettungsdienste) fällt, als auch für den qualifizierten Krankentransport, der unter den CPV-Code 85143000-3 (Einsatz von Krankenwagen) fällt, sofern er tatsächlich von ordnungsgemäß in erster Hilfe geschultem Personal durchgeführt wird und einen Patienten betrifft, bei dem das Risiko besteht, dass sich sein Gesundheitszustand während des Transports verschlechtert (Urteil vom 21. März 2019 - C-465/17, Rn. 51).

bb) Die streitgegenständlichen Auftragserweiterungen beziehen sich nach ihrem Gegenstand auf die Aufgaben, die der Antragsgegner den Beigeladenen bereits mit der "Vereinbarung über die Übertragung der Durchführung des Rettungsdienstes und des qualifizierten Krankentransportes" vom 21. Dezember 1993 übertragen hat. Gemäß § 1 Abs. 1 des Vertrages handelte es sich um die Leistungen des Rettungsdienstes - einschließlich des qualifizierten Krankentransports - gemäß § 2 Abs. 2 NRettDG in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung. Diese fallen in den vom EuGH näher definierten Anwendungsbereich der Bereichsausnahme, was die Antragstellerin auch nicht in Frage stellt.

b) Die Beigeladenen sind auch gemeinnützige Organisationen im Sinne des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB.

Die Beurteilung hat nach Maßgabe der vorgenannten Entscheidung des EuGH unter richtlinienkonformer Auslegung des 2. Halbsatzes der Regelung zu erfolgen (s.o. B. I. 1. a) ).

Die Beigeladenen sind nach dieser Maßgabe gemeinnützige Organisationen. Sowohl nach ihren Satzungen als auch nach dem von dem Antragsgegner vorgetragenen Inhalt der Freistellungsbescheide (Bl. 203 ff. d.A.) verfolgen sie ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht mehr in Frage gestellt.

c) Die gesetzliche Bereichsausnahme gilt auch für die vorliegende Direktvergabe.

aa) Nach dem Wortlaut der Bereichsausnahme gilt diese, wenn die maßgeblichen Rettungsdienstleistungen von gemeinnützigen Dienstleistern "erbracht werden".

Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Bereichsausnahme nicht gilt, wenn gewerbliche Dienstleister mit der Durchführung der Rettungsdienstleistungen beauftragt werden. Über diesen engen Wortlaut hinaus ist jedoch nicht nur die eigentliche Auftragsvergabe, sondern auch eine etwaige Ausschreibung in den Blick zu nehmen. Die Bereichsausnahme greift auch dann nicht ein, wenn der Auftraggeber den Wettbewerb für gewerblich tätige Unternehmen eröffnet hat, indem er eine öffentliche Ausschreibung durchführt, die nicht auf gemeinnützigen Organisationen beschränkt ist (OLG Celle, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 13 Verg 4/19 - Rn. 18 f., m.w.N.; BeckOK VergabeR/Friton/Wolf, 30. Ed. 31.1.2023, GWB § 107 Rn. 39b; Radu in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 107 GWB (Stand: 15.09.2022), Rn. 39).

Die Antragstellerin missversteht jedoch die vorgenannte Entscheidung des Senats, wenn sie meint, hieraus ergebe sich, dass die Bereichsausnahme nicht im Falle von Direktvergaben an gemeinnützige Dienstleister eingreife, sondern ausschließlich dann gelte, wenn der Träger des Rettungsdienstes einen Wettbewerb im Wege eines Ausschreibungsverfahrens eröffnet und diesen auf gemeinnützige Dienstleister beschränkt hat. Die Ausführungen des Senats, auf die die Antragstellerin Bezug nimmt (aaO Rn. 19), beruhten darauf, dass in dem dortigen Verfahren eine öffentliche Ausschreibung stattgefunden hatte und damit der Wettbewerb eröffnet worden war. In diesem Fall gilt die Bereichsausnahme - über ihren engen Wortlaut hinaus - auch dann nicht, wenn die Ausschreibung keine Beschränkung auf gemeinnützige Bieter enthält. Denn der Träger des Rettungsdienstes hat durch eine unbeschränkte Ausschreibung den Wettbewerb für alle Bieter eröffnet und kann sich somit nicht mehr auf die Bereichsausnahme berufen, sondern muss die gesetzlichen Vorgaben für ein Vergabeverfahren nach dem 4. Teil des GWB einhalten.

Dessen ungeachtet verbleibt es aber dabei, dass die Bereichsausnahme bereits dann gilt, wenn eine Direktvergabe an einen gemeinnützigen Dienstleister erfolgt. Nach ihrem klaren Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck steht die Geltung der Bereichsausnahme nicht unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass bei der beabsichtigten Vergabe an einen gemeinnützigen Dienstleister eine - auf gemeinnützige Anbieter beschränkte - Ausschreibung stattgefunden hat. Die Bereichsausnahme soll es gerade ermöglichen, bei der Beauftragung gemeinnütziger Dienstleister von der Anwendung des Vergaberechts - und somit auch einer Ausschreibung - vollständig abzusehen.

Es ist nicht zweifelhaft, dass dieses Verständnis auch der Vergaberichtlinie entspricht, die insoweit durch die Bereichsausnahme wortgetreu umgesetzt wurde.

Die streitgegenständliche Direktvergabe fällt somit auch als solche in den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme.

bb) Inwiefern die - explizite oder einer Beauftragung von gemeinnützigen Dienstleistern immanente - Entscheidung des Trägers des Rettungsdienstes, kein für gewerbliche Anbieter geöffnetes Vergabeverfahren durchzuführen, gerichtlich überprüfbar ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil diese vorgelagerte Entscheidung als solche aufgrund der Bereichsausnahme nicht den Regeln des GWB-Vergabeverfahrens unterfällt und folglich auch nicht im Vergabenachprüfungsverfahren zu überprüfen ist, sondern auf dem für das jeweilige Handeln des Auftraggebers maßgeblichen Rechtsweg - hier dem Verwaltungsrechtsweg - zu klären wäre.

Aus diesem Grund bleibt auch die Entscheidung, ob die Grundrechte gewerblicher Anbieter von Rettungsdienstleistungen bzw. primäres Unionsrecht es im Einzelfall gebieten können, dass der Träger des Rettungsdienstes den Wettbewerb für gewerbliche Dienstleister öffnet, den Verwaltungsgerichten vorbehalten.

II.

Obwohl die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag somit zu Recht als nicht statthaft angesehen und deshalb als unzulässig verworfen hat, ist die sofortige Beschwerde nicht zurückzuweisen, sondern das Verfahren - nach dem Hilfsantrag der Antragstellerin - entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Verwaltungsgericht Lüneburg zu verweisen. Der Senat entscheidet insoweit - wie von der Antragstellerin auch ausdrücklich beantragt - gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG ohne mündliche Verhandlung.

1. Ist der Rechtsweg vor den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht eröffnet, kann der Vergabesenat das als sofortige Beschwerde bei ihm anhängige Nachprüfungsverfahren grundsätzlich entsprechend § 17a Abs. 2 GVG an das örtlich und sachlich zuständige erstinstanzliche Gericht eines anderen Rechtswegs verweisen (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 - XIII ZB 119/19, Rn. 11).

Die Regelung des § 17a Abs. 5 GVG steht einer Verweisung durch den Vergabesenat nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 - XIII ZB 119/19, Rn. 15, mwN). Diese Bestimmung, die dem Beschwerdegericht die Überprüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs verwehrt, setzt voraus, dass das erstinstanzliche Gericht auf den richtigen Rechtsweg hätte verweisen können. Die Vergabekammer ist jedoch kein Gericht und kann daher auch nicht entsprechend § 17a GVG an das Gericht eines anderen Rechtswegs verweisen. Der Vergabesenat entscheidet im Vergabenachprüfungsverfahren nicht als Rechtsmittelgericht über die Entscheidung eines anderen Gerichts, sondern über die Entscheidung in einem behördlichen Verfahren. Daher kann nur der Vergabesenat eine Verweisung an das Gericht eines anderen Rechtswegs aussprechen (aaO).

2. Im Streitfall ist für die von der Antragstellerin begehrte Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Auftragsvergabe an gemeinnützige Rettungsdienstleister ohne Durchführung eines für gewerbliche Anbieter geöffneten Vergabeverfahrens gemäß § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO.

a) Entsprechend allgemeinen Grundsätzen hängt die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs bei Streitigkeiten aus der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen und öffentlichen Auftragen, für die der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht gegeben ist, davon ab, ob das jeweils streitige Rechtsverhältnis dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 - X ZB 5/11, Rn. 20). Für diese Zuordnung ist die Rechtsform staatlichen Handelns maßgeblich. Ist diese privatrechtlich, so ist es grundsätzlich auch die betreffende Streitigkeit. Umgekehrt ist prinzipiell der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn sich das staatliche Handeln in den Bahnen des öffentlichen Rechts vollzieht (BGH, aaO).

b) Im Streitfall ist schon der ursprüngliche Vertrag mit den Beigeladenen ausdrücklich als "öffentlich-rechtliche Vereinbarung" geschlossen worden. Auch die von der Antragstellerin zur Überprüfung gestellten Auftragserweiterungen bzw. die hierzu getroffenen Vorentscheidungen erfolgen auf der Grundlage dieser Vereinbarung und stellen somit öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln dar. Entsprechend ist auch die mit der Auftragsvergabe einhergehende Vorentscheidung, kein Vergabeverfahren unter Beteiligung gewerblicher Anbieter durchzuführen, dem öffentlichen Verwaltungshandeln zuzuordnen.

3. Im Streitfall ist die Verweisung an das Verwaltungsgericht Lüneburg auch geboten.

a) Die fehlende Statthaftigkeit eines Nachprüfungsantrags gebietet nicht zwingend die Verweisung des Verfahrens an das Gericht des stattdessen zulässigen Rechtswegs. Gründe der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes erfordern nur dann eine Verweisung entsprechend § 17a GVG, wenn der Rechtsuchende sein Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und weiterverfolgen kann. Nur in diesen Fällen hat der Vergabesenat bei Zweifeln über den zulässigen Rechtsweg durch eine bindende Verweisung des Verfahrens entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu verhindern, dass eine Rechtsschutzlücke entsteht (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 - XIII ZB 119/19, Rn. 18).

b) Danach ist hier eine Verweisung geboten.

aa) Die Antragstellerin hat durch ihren hilfsweise gestellten Verweisungsantrag zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass sie ihr Rechtsschutzziel bei fehlender Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags auch auf dem Verwaltungsrechtsweg weiter verfolgen will.

bb) Es besteht auch in der Sache eine hinreichende Möglichkeit, das Rechtsschutzziel der Antragstellerin auf dem Verwaltungsgerichtsweg weiterzuverfolgen.

Wenn der Antragsteller selbst die Verweisung begehrt, gebietet es der Rechtsschutzanspruch (Art. 19 Abs. 4 GG), insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen. Darin unterscheidet sich der Fall von dem Sachverhalt, der dem vorgenannten Beschluss des Bundesgerichtshofs zugrunde lag. Dort hatte der Antragsteller erkennbar kein Interesse daran, das Verfahren auf einem anderen Rechtsweg weiterzuverfolgen. Weil die Antragstellerin hingegen im Streitfall ausdrücklich hilfsweise die Verweisung beantragt hat, ist dem Senat - als insoweit unzuständigem Gericht - eine vertiefte Prüfung der Rechtslage nach öffentlichem Recht verwehrt. Allenfalls in Fällen offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs mag es in Betracht kommen, die beantragte Verweisung abzulehnen. Davon ist hier aber nicht auszugehen. Es kommt in Betracht, dass in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren - ggf. nachdem das Verwaltungsgericht auf sachdienliche Anträge hingewirkt hat - geklärt wird, inwiefern der Antragstellerin als gewerblicher Anbieterin von Rettungsdienstleistungen unter Berücksichtigung ihrer betroffenen Grundrechte zumindest ein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung der Antragsgegnerin darüber zusteht, ob sie lediglich gemeinnützige Dienstleister beauftragt oder - abweichend von der Bereichsausnahme - ein für gewerbliche Anbieter geöffnetes Vergabeverfahren durchführt (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16. April 2020 - 1 Verg 2/20, Rn. 70, 75, juris).

III.

Die Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer ist nicht veranlasst.

1. Wie vorstehend ausgeführt, hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Daher besteht für die Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer kein Anlass; auch bei der Kostenentscheidung der Vergabekammer hat es zu verbleiben (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 16. April 2020 - 1 Verg 2/20, Rn. 70, 75, juris; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 26. Juli 2021 - 19 Verg 3/21, Rn. 95, juris; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. März 2022 - 7 Verg 2/22, Rn. 56, juris). Etwas anderes folgt auch nicht aus der Kostenregelung in § 17b Abs. 2 GVG. Die Regelung betrifft schon nach ihrem Wortlaut nicht die in dem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer entstandenen Kosten, weil diese nicht in einem gerichtlichen Verfahren entstanden sind. Der Antragstellerin fallen diese Mehrkosten nach dem Rechtsgedanken in § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG zur Last (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 - X ZB 5/11, Rn. 26).

2. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat die Vergabekammer auch zu Recht ausgesprochen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten für den Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB war. Zwar kann von dem Auftraggeber eines Vergabeverfahrens grundsätzlich erwartet werden, dass er über hinreichende Kenntnisse der auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen verfügt (Burgi/Dreher/Opitz/ Krohn, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 182 Rn. 64). Die verschiedenen von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin - sehr umfangreich und kleinteilig - aufgeworfenen Fragestellungen gehen aber weit darüber hinaus und überschreiten deutlich die vergaberechtlichen Kenntnisse, die regelmäßig von einem Landkreis erwartet werden können.

IV.

Für das Beschwerdeverfahren hat der Senat dagegen keine Kostenentscheidung zu treffen.

Über die in dem Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht entstandenen Kosten ist entsprechend § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG nicht zu entscheiden, weil sie als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 - X ZB 5/11, Rn. 26).

V.

Zum gegenwärtigen Verfahrensstand war es nicht geboten, der Antragstellerin - über die ihr in dem Beschwerdeverfahren weiter überlassenen Unterlagen (insbesondere die Ausgangsvereinbarung, Anlage BG 1) hinaus - eine weitergehende Akteneinsicht zu gewähren. Die von der Antragstellerin (Bl. 250 d.A.) in diesem Zusammenhang konkret genannten Anlagen BG 2 (Widerruf der Genehmigung nach § 19 NRettDG gegenüber einem gewerblichen Rettungsdienstleister) und BG 3 (E-Mail-Kommunikation mit Krankenkassen) enthalten Geschäftsgeheimnisse und schutzwürdige Daten der dort Beteiligten. Die Details dieser Unterlagen sind für die vorliegende Entscheidung über den Rechtsweg ersichtlich ohne Belang, sodass die Geheimhaltungsinteressen der dort Beteiligten bei der Interessenabwägung gemäß § 165 Abs. 2 GWB vorrangig sind.

VI.

Es ist weder eine Divergenzvorlage gemäß § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB noch die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG geboten. Insoweit kann dahingestellt bleiben, in welchem Rangverhältnis die beiden Wege, eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs herbeizuführen, stehen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 - X ZB 5/11, Rn. 6).

1. Es besteht keine Divergenz im Sinne von § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB und § 17a Abs. 4 Satz 5 2. Alt. GVG.

Soweit das OLG München mit Beschluss vom 21. Oktober 2019 - Verg 13/19 - entschieden hat, dass die Bereichsausnahme in Bayern landesrechtlich abbedungen sei, liegt dem eine andere landesrechtliche Regelung zu Grunde (Art. 13 BayRDG). Soweit dort weitergehende Erwägungen über die unter Umständen im übrigen Bundesgebiet geltende Rechtslage angestellt werden (aaO, Rn. 42, juris), sind diese für die Entscheidung des OLG München jedenfalls nicht tragend.

Auch im Übrigen besteht keine Divergenz zu Entscheidungen anderer Vergabesenate oder höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

2. Es liegt auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 17a Abs. 4 Satz 5 1. Alt. GVG vor. Die Sache wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es ist nicht zweifelhaft, dass die Bereichsausnahme auch bei der Direktvergabe von Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Dienstleister im Sinne der zugrundeliegenden EU-Richtlinien Anwendung findet und dazu führt, dass der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht gegeben ist.