Landgericht Stade
Urt. v. 19.12.2008, Az.: 5 S 75/08
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 19.12.2008
- Aktenzeichen
- 5 S 75/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 44312
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2008:1219.5S75.08.0A
Tatbestand:
Der Kläger verlangt vom Beklagten, das Verbrennen von Holz zu unterlassen.
Die Parteien des Rechtsstreits sind Nachbarn. Der Beklagte unterhält auf seinem Grundstück eine im Jahr 2005 eingebaute und vom Bezirksschornsteinfeger abgenommene Heizung, mit der sowohl Öl als auch Holz verfeuert werden kann. Die vorherrschende Windrichtung weist vom Beklagten- zum Klägergrundstück.
Der Kläger behauptet, dass der Betrieb der Heizung beim Verfeuern von Holz mit erheblichen Geruchsbelästigungen verbunden sei. Darüber hinaus würden beim Verbrennen des Holzes grauschwarze Rauchwolken über das Grundstück des Klägers ziehen.
Das Amtsgericht Stade hat ein Sachverständigengutachten über den Umfang etwaiger Beeinträchtigungen eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Geruchsimmissionen erheblich belästigend seien. Vermutlich sei die Frischluftzufuhr falsch eingestellt. Diese habe eine zu geringe Brennertemperatur zur Folge. Hierdurch entstünden in größeren Mengen unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Teeröle und Staub. Das Problem könne reduziert werden, wenn der Brenner im Volllastbereich gefahren werde. Darüber hinaus sollte die Abgasfahne höher als bislang abgeführt werden. Hierdurch würden die Emissionen unkritischer verteilt.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Beklagtengrundstück ausgehende Geruchsbelästigung sei unwesentlich. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Landgericht hat das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und dem Beklagten untersagt, auf seinem Grundstück Rauch zu produzieren, der zu unzumutbaren Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks führt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
Dem Kläger steht gegen den Beklagten gemäß § 1004 I BGB ein Anspruch auf Unterlassung solcher Rauchverursachung, die über eine unwesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks hinausgeht, zu.
Gründe
Der Klageantrag zu 1. ist zunächst hinreichend bestimmt.
Ein Unterlassungsantrag muss entsprechend der Vorgabe des § 253 III Nr. 2, 1. Var. ZPO möglichst konkret gefasst sein, damit für Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar ist, worauf sich das Verbot erstreckt (s. bspw. BGH, NJW 2000, 1972, 1974). Dabei sind auslegungsbedürftige Begriffe nicht schlechthin unzulässig (dazu Greger, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 253 Rn. 13b). Speziell für den Bereich der immissionsschutzrechtlichen Unterlassungsklage sind Klageanträge zulässig, die sich auf ein allgemein am Gesetzeswortlaut orientiertes Unterlassungsgebot beschränken (so auch BGH, NJW 1999, 356, 357). Vor diesem Hintergrund erfüllt der vorliegende Antrag mit dem Gebot, allgemein Störungen des klägerischen Grundstücks durch dasselbe wesentlich beeinträchtigenden Rauch zu unterlassen, das Bestimmtheitsgebot.
Weiterhin liegt eine Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers i.S.v. § 1004 I BGB vor.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es jedenfalls in einer Abbrennphase sowie beim Nachheizen der öl- und holzbefeuerten Heizungsanlage des Beklagten zu einer sichtbaren Rauchentwicklung kommt. Dabei gelangen diese unwägbaren Stoffe auch auf das vom Kläger bewohnte Nachbargrundstück (vgl. dazu auch Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl., § 1004 Rn. 10).
Überdies ergibt sich eine Wiederholungsgefahr i.S.d. § 1004 I 2 BGB aus dem Umstand, dass es bereits in der Vergangenheit zu den zuvor genannten Eigentumsbeeinträchtigungen gekommen ist.
Schließlich ergibt sich für den Kläger eine Duldungspflicht i.S.v. § 1004 II BGB nicht aus der Vorschrift des § 906 I BGB. Denn infolge der Immissionen seitens des Beklagten ist die Benutzung des vom Kläger bewohnten Grundstücks in diesem Sinne wesentlich beeinträchtigt.
Eine Wesentlichkeit im vorgenannten Sinne ist anhand des Empfindens eines verständigen Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit festzustellen; unmaßgebend ist insofern das subjektive Empfinden des Gestörten (s. BGH, NJW 1999, 356; Palandt, aaO, § 906 Rn. 16). Für ein Wohngrundstück ist maßgebend, ob das Wohnen an Annehmlichkeiten verliert und sich der Grundstückswert sich dadurch vermindert. Eine Geruchseinwirkung beeinträchtigt dabei grundsätzlich erst dann unwesentlich, wenn ein durchschnittlicher Mensch sie kaum noch empfindet ( BGH, NJW 1982, 440).
Entsprechend des sich aus § 529 ZPO ergebenden Prüfungsumfangs war vom Berufungsgericht auf die erstinstanzliche Vernehmungsniederschrift der Zeugen- und Sachverständigenaussagen (Bl. 118, 130f.d.A.) einerseits und das während des Vorprozesses eingeholte Gutachten vom 03.03.2008 (Bl. 77 ff.d.A.) andererseits zu rekurrieren. Vorliegend führt der Sachverständige aus, dass die Immissionen qualitativ als erheblich belästigend zu betrachten seien. Zudem träten diese im Bereich des Wohnhauses des Klägers bei west-südwestlichen Winden auf.
Bestätigung finden diese Erklärungen in den Aussagen der Zeugen R. und H. Wenngleich diese von einem Rückgang der Belästigungen infolge des Rauches sprachen, umhüllten die von der Heizungsanlage ausgehenden Rauchschwaden dennoch das jeweilige Haus der beiden Zeugen. Erstgenannter teilte zudem mit, dass er eigentlich ständig die Immissionen wahrnehme, solange es nicht gerade stürme.
Hinzu tritt der Umstand, dass der Sachverständige eine Überschreitung der durch die niedersächsische Geruchs-Immissions-Richtlinie (GIRL) für imitierende Industrie- und Gewerbeanlagen vorgegebenen Werte zwar eher nicht für gegeben erachtet; jedoch ist der insoweit für eine privat genutzte Heizungsanlage anzusetzende Immissionstoleranzbereich niedriger anzusetzen, weswegen der Beklagte die fehlende GIRL-Überschreitung für sich nicht ins Felde zu führen vermag. Überdies befindet sich die emmitierende Anlage in einem Wohngebiet.
In einer Gesamtzusammenschau mit den vorstehenden Beweisergebnissen ist das Gericht davon überzeugt, dass ein durchschnittlicher Mensch die Raucheinwirkung deutlich wahrnimmt. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob die Störungen gemäß § 906 II 1 BGB ortsüblich sind oder nicht. Denn jedenfalls ist es dem Beklagten - ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen (Bl. 89 d.A.) - möglich, selbige auf wirtschaftlich zumutbare Weise zu verhindern.