Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.12.2009, Az.: 13 W 94/09
Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.12.2009
- Aktenzeichen
- 13 W 94/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 35001
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:1222.13W94.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 04.11.2009 - AZ: 1 O 153/09
Rechtsgrundlagen
- § 116 ZPO
- § 207 InsO
Fundstellen
- NZI 2010, 6
- NZI 2010, 688-689
Amtlicher Leitsatz
Die Forderung, für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe beantragt wird und durch die die Massekostenarmut beseitigt werden könnte, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs.1 InsO im Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeantrags zu berücksichtigen, wenn für ihre erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung eine gemäß § 114 ZPO hinreichende Aussicht besteht.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 4. November 2009 aufgehoben und die Sache zur Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO i. V. m. den §§ 567 ff. ZPO zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Antragsteller nicht in der Lage, nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
1. Der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits geschäftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (§ 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung ist nicht bereits dann mutwillig i. S. von§ 114 Abs. 1 ZPO, wenn der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, da dies nur Auswirkungen auf die Verteilung der vorhandenen Masse, nicht jedoch auf seinen Aufgabenkreis hat. Der Insolvenzverwalter bleibt vielmehr verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und zu verwerten (§ 208 Abs. 3 InsO).
2. Stellt sich hingegen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Insolvenzmasse nicht einmal ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, hat das Insolvenzgericht das Verfahren einzustellen, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4 a InsO gestundet werden (§ 207 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall nur noch die vorhandene liquide Masse zu verteilen. Bis zur Einstellung des Insolvenzverfahrens bleibt er zwar zur Verwaltung der Insolvenzmasse berechtigt und verpflichtet (§ 80 Abs. 1 InsO). er mag auch noch befugt sein, nahe liegende Verwertungsmöglichkeiten zu nutzen, wenn die Masse dadurch nicht mit zusätzlichen Kosten belastet und die Verfahrenseinstellung nicht verzögert wird.
3. Vor diesem Hintergrund kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines Anspruchs regelmäßig nicht in Betracht, wenn dieser nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben (BGH, vom 16. Juli 2009 - IX ZB 221/08, NJWRR 2009, 1346 f.). So liegt der Fall vorliegend indes nicht. Ausweislich der Erklärung des Antragstellers beträgt die freie Insolvenzmasse ohne den dem Prozesskostenhilfeverfahren zugrunde liegenden Anspruch zwar lediglich 42,26 €, während sich die noch nicht gezahlten Massekosten gemäß § 54 InsO derzeit auf 1.954,05 € (175 € Gerichtskosten. 1.779,05 € Verwaltervergütung) belaufen. Unter Berücksichtigung der Ansprüche, für die vorliegend Prozesskostenhilfe begehrt wird, erhöht sich die Insolvenzmasse aber auf 9.162,70 €, der dann erhöhte Verfahrenskosten von 5.262,22 € gegenüberstünden.
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Forderung, für deren Durchsetzung Prozesskostenhilfe beantragt wird und durch die die Massekostenarmut beseitigt werden könnte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs.1 InsO zu berücksichtigen. Denn zur voraussichtlichen Aktivmasse im Rahmen der Kostendeckungsprüfung nach§ 207 Abs.1 InsO sind auch bestrittene Ansprüche zu zählen, wenn für ihre erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung eine gemäß § 114 ZPO hinreichende Aussicht besteht und die erforderlichen Prozesskosten entweder aus eigenen Mitteln oder durch Gewährung von Prozesskostenhilfe aufgebracht werden können (MünchKommInso/Hefermehl 2. Aufl. § 207 Rdn. 22). Das entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschlüsse vom 18. September 2003 - IX ZB 460/02, NZI 2004, 26 f., vom 28. Februar 2008 - IX ZB 147/07, NZI 2008, 431 und vom 16. Juli 2009 - IX ZB 221/08, NJWRR 2009, 1346 f.). Dieser hat in seinem Beschluss vom 16. Juli 2009 (IX ZB 221/08, aaO.) lediglich ausgeführt, dass der Insolvenzverwalter regelmäßig keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs habe, der nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben (BGH, aaO. Tz.4). Diese Feststellung setzt aber gerade voraus, dass der aus der beabsichtigten Rechtsverfolgung - ihre hinreichende Erfolgaussicht unterstellt - zu erzielende Erlös bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 207 Abs.1 InsO mit einzubeziehen ist. Folglich hat der Bundesgerichtshof auch dargelegt, dass die Durchsetzung der dem dortigen Rechtsbeschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Ansprüche an der Kostenarmut nichts geändert hätte (BGH, aaO. Tz.10).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Landgericht in Bezug genommenen Ausführungen in dem Beschluss vom 16. Juli 2009 (IX ZB 221/08, NJWRR 1346 f. Tz. 7 f.), wonach der Insolvenzverwalter einen Rechtsstreit trotz seiner andauernden Verwaltungs und Verfügungsbefugnis bis zum Einstellungsbeschluss (§ 80 Abs. 1 InsO) weder beginnen noch in die nächste Instanz treiben darf, weil dieser keine nahe liegende und risikolose Verwertungsmaßnahme darstelle und daher nicht mehr zu seinen gesetzlichen Aufhaben gehöre. Angesichts der einleitenden Feststellung, dass der Insolvenzverwalter keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat, weil die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs, die nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben, nicht mehr zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört, gelten die nachfolgenden Ausführungen ersichtlich für genau diese - hier nicht maßgebliche - Fallkonstellation. Ihnen ist hingegen ebenso wenig wie den vorangegangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschlüsse vom 18. September 2003 - IX ZB 460/02, NZI 2004, 26 f. und vom 28. Februar 2008 - IX ZB 147/07, NZI 2008, 431) zu entnehmen, dass die Forderung, die dem Prozesskostenhilfeverfahren zu Grunde liegt, bei der Feststellung der Massekostenarmut und mithin der Voraussetzungen des § 207 Abs.1 InsO von vorneherein außer Betracht zu bleiben hat.
II. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, damit es nach Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage (§ 116 Satz 2 i. V. m. § 114 ZPO) abschließend unter Beachtung der obigen Ausführungen des Senats zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl. zur Bindungswirkung: Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl. § 572 Rn. 30) über das Prozesskostenhilfegesuch entscheiden kann.
III. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Rechtssache hat angesichts der vorbezeichneten Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 ZPO).
IV. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da außergerichtliche Auslagen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu erstatten sind (§ 127 Abs. 4 ZPO).