Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.05.2024, Az.: 16 VA 3/24
Klage gegen das Amtsgericht wegen der Erteilung einer allgemeinen Dienstreisegenehmigung unter Benutzung eines eigenen Fahrzeugs bezüglich des ausgeübten Schiedsamtes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.05.2024
- Aktenzeichen
- 16 VA 3/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 19434
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - 30.01.2024 - AZ: 318 II / 3
Rechtsgrundlagen
- § 48 Abs. 1 Nr. 2 NSchÄG
- VV Nr. 11.6. zu § 12 NSchÄG
- VV Nr. 11.4 zu § 12 NSchäG
In dem Verfahren
A. P., ...,
Antragsteller,
gegen
Amtsgericht Lüneburg, vertreten durch den Direktor, ...,
Antragsgegner,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 22. Mai 2024 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 5. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1. Der Antragsteller ist Schiedsmann im Schiedsamtsbezirk A. Er hat mit Antrag vom 27. Juni 2022 in Verbindung mit dem weiteren Antrag vom 9. Mai 2023 beim Direktor des Amtsgericht Lüneburg die Erteilung einer allgemeinen Dienstreisegenehmigung unter Benutzung eines eigenen Fahrzeugs betreffend näher dargestellter Handlungen bezüglich des ausgeübten Schiedsamtes beantragt. Zur Begründung führt der Antragsteller aus, in der Rechtsprechung sei die Frage, ob ohne ausdrückliche Anerkennung der Notwendigkeit der Benutzung eines eigenen Fahrzeuges und ohne allgemeine Dienstreisegenehmigung die Schiedsperson gegen die Kommune einen Anspruch auf Ersatz ihrer Fahrtkosten, soweit diese nicht den Parteien per Kostenrechnung in Rechnung gestellt werden können, sowie einen Anspruch auf Ersatz eines Unfallschadens für das eigene Fahrzeug habe, nicht ausdrücklich entschieden.
2. Durch den Bescheid vom 30. Januar 2024 (GA 52 ff.) hat der Direktor des Amtsgerichts Lüneburg die Anträge vom 27. Juni 2022 und 9. Mai 2023 auf Erteilung von Dienstreisegenehmigungen unter Benutzung eines eigenen Fahrzeuges zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Direktor des Amtsgerichts ausgeführt, es sei keine Notwendigkeit für eine pauschale Vorabgenehmigung ersichtlich, da im Hinblick auf die Planbarkeit dienstlich veranlasster Fahrten Einzelfallgenehmigungen erfolgen könnten (GA 53). Die Kosten für Fahrten im Rahmen eines konkreten Schlichtungsverfahrens seien gemäß § 48 Abs. 1 Nummer 2 NSchÄG direkt beim Kostenschuldner zu erheben und für den Ausfall als Sachkosten seitens der Gemeinde zu tragen (VV Nr. 11.6. zu § 12 NSchÄG), ohne dass es auf eine Genehmigung ankomme. Für Fahrten außerhalb eines konkreten Schlichtungsverfahrens sei nach dem Wortlaut von VV Nr. 11.4 zu § 12 NSchäG keine Genehmigung vorgesehen oder sie würde jedenfalls der Zuständigkeit der Gemeinde unterfallen, weil dies nicht Bestandteil der rechtspflegenden Tätigkeit im konkreten Verfahren sei. Hinsichtlich von Dienstbesprechungen könnte eine Genehmigung im Zusammenhang mit der konkreten Einladung erteilt werden. Für die Durchführung des Schiedstermins im Amtsraum bestehe aus der Sicht des Direktors des Amtsgerichts zwar eine Zuständigkeit des Amtsgerichtes, insoweit würde es sich aber nicht um eine Dienstreise im Sinne des § 84 NBG, der aus der Sicht des Antragstellers analog heranzuziehen wäre, handeln. Aufwendungen für die Fahrt zur Durchführung des Schiedstermins im Amtsraum würden im Rahmen der individuellen Handhabung durch die Gemeinde über eine gewährte Aufwandspauschale oder den Gebührenanteil nach § 51 Abs. 1 NSchÄG abgegolten, sodass diesbezüglich ebenfalls kein Genehmigungserfordernis bestünde. Nach der Regelung des § 12 NSchÄG seien Sachschäden bei Ausübung des Amtes zu erstatten, wobei die Regelung nicht auf das Vorliegen einer Genehmigung abstelle und durch die Verwendung des Wortes "bei" eine weite Auslegung sichergestellt sei. Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung sei durch die kommunalen Träger des Schiedsamtes erklärt worden, dass der Ersatz von Sachschäden ohne besondere Genehmigung gewährleistet sei. Vor diesem Hintergrund erscheine es untunlich, formelle Anforderungen einer Genehmigung zu statuieren, obgleich dies ausdrücklich nicht vorgeschrieben sei. Gerade weil die Tätigkeit der Schiedsperson so angelegt sei, für die Fortbewegung eigene Mittel einzusetzen und dies daher der Regelfall sei, könne keine Genehmigung als Voraussetzung für eine Schadensersatzverpflichtung angenommen werden. Durch eine pauschale und umfassende Genehmigungserteilung ohne Prüfung wäre diese im Übrigen leerlaufend und überflüssig.
3. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 5. Februar 2024 mit dem er beantragt,
- 1)
den Bescheid des Amtsgerichts Lüneburg - Der Direktor - (318 II / 3 (A.)) vom 30.01.2024 aufzuheben und auf den Antrag des Antragstellers vom 27.06.2022 in Verbindung mit dem Antrag vom 09.05.2023 den Antragsgegner zu verpflichten, eine Allgemeine Dienstreisegenehmigung unter Benutzung eines eigenen Fahrzeugs zu erteilen betreffend
- a)
das Führen von Vorgesprächen mit (auch potentiellen) Antragstellern und Antragsgegnern,
- b)
die Aufnahme von Anträgen zur Durchsetzung eines Schlichtungsverfahrens außerhalb der eigenen Wohnung,
- c)
die Durchführung von Schlichtungsverhandlungen außerhalb der eigenen Wohnung im Amtsraum,
- d)
die Inaugenscheinnahme von Orten, Sachen o.ä., die als Ortstermin im Rahmen einer Schlichtungsverhandlung erfolgt,
- e)
die persönliche Zustellung von Anträgen, Ladungen und Bescheinigungen an Antragsteller und Antragsgegner,
- f)
das Abhalten von öffentlichen Sprechstunden,
- g)
Fahrten zu Dienstbesprechungen und
- h)
Fahren zur Vorlage der Bücher bei der Amtsgerichtsleitung zum Zwecke der Prüfung und
- 2)
Dem Antragsgegner die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Zur Begründung führt der Antragsteller aus, die gemäß § 12 NSchÄG durch die Gemeinde durchzuführende Kostenerstattung werde nicht durch die Gemeinde selbst, sondern durch den kommunalen Schadensausgleich abgewickelt. Nur durch eine erteilte Genehmigung könnten Zweifel über den Versicherungsschutz beseitigt werden und eine Rechtssicherheit für die Schiedsperson geschaffen werden. Ohne allgemeine Dienstreisegenehmigung unterliege die Schiedsperson dem Risiko, dass der kommunale Schadensausgleich die Rechtsauffassung einnehme, eine Erstattungspflicht scheide ohne allgemeine Dienstreisegenehmigung aus. Da die Schiedsperson keine Dienststätte habe, weil sie schriftliche Anträge in ihrer Wohnung entgegennehme und von dort aus erledige, stelle die Fahrt zur Dienstamtsverhandlung eine Dienstreise dar. Aus der Sicht des Beschwerdeführers seien die Fahrtkosten gemäß § 12 NSchÄG zu erstatten. Kurzfristige Einzelfallgenehmigungen vor Reiseantritt könnten aus Organisationsgründen wegen fehlender Kapazitäten bei der Bearbeitung eventuell unterbleiben und einer nachträglichen Genehmigung könne eine Wirksamkeit fehlen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 26 Abs. 1 EGGVG), aber nicht begründet. Der Direktor des Amtsgerichts Lüneburg hat die Anträge des Antragstellers mit zutreffenden Gründen zu Recht zurückgewiesen. Ergänzend ist lediglich auf Folgendes Hinzuweisen:
Zutreffend führt der Antragsteller aus (Seite 11 des Antrags vom 5.2.2024, GA 69), dass unstrittig die Benutzung des eigenen Fahrzeuges berechtigt und die daraus entstehenden Kosten sowie gegebenenfalls Unfallschäden zu erstatten sind und lediglich strittig ist, ob die Erteilung einer allgemeinen Dienstreisegenehmigung überflüssig oder aus Fürsorgegründen geboten ist.
1.
Dem Argument, es könnten Einzelfallgenehmigungen erteilt werden, steht das Ziel einer effizienten Ausgestaltung des Schlichtungsverfahrens entgegen. Zutreffend geht der Antragsteller zwar davon aus, Schiedsverfahren müssten schnell abgewickelt werden, sodass keine Zeit für die Einholung einer Einzelfall-Dienstreisegenehmigung besteht. Dafür ist jedoch auch kein Erfordernis gegeben, da die vom Antragsteller begehrte Kostenerstattung auch ohne eine solche Genehmigung vorzunehmen ist und es daher auch keiner Einzelfallgenehmigung bedarf. Es ist praktisch keine Konstellation vorstellbar, in der einem Antrag auf Benutzung des eigenen Fahrzeuges berechtigt widersprochen werden könnte. Ein Verweis auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eines Taxis erscheint unzumutbar, eine Gestellung eines Verkehrsmittels erfolgt weder durch die Gemeinde noch die Justizverwaltung. Allenfalls könnte fernliegend eine Konstellation in Erwägung gezogen werden, dass im Hinblick auf die Kürze des Weges die Benutzung eines Fahrzeuges abwegig erscheinen könnte. Einerseits ist durch eine Schiedsperson eine derartige Fahrzeugnutzung nicht naheliegend vorstellbar und andererseits könnte im Fall eines derartigen Erstattungsantrags der allgemeine Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens erhoben werden. Würde jedoch eine Notwendigkeit gesehen, einzelfallbezogen eine Genehmigung zu beantragen, verursacht dies sowohl für die Justizverwaltung als auch die Schiedsperson einen unnötigen Aufwand, da die Genehmigung sowieso zu erteilen ist (mit Ausnahme fernliegender rechtsmissbräuchlichen Konstellationen). Bei der exemplarischen Betrachtung der Zeitdauer der Bescheidungen im vorliegenden Verfahren ist evident, dass die Gefahr von Verzögerungen infolge einer verspäteten Antragsbearbeitung auftritt.
2.
Es besteht ein allgemeines Interesse daran, Personen, die sich zur ehrenamtlichen Ausübung des Schiedsamtes bereit erklären, in der Amtsführung zu unterstützen und vermeidbare Unannehmlichkeiten auszuschließen, um der Gefahr abnehmender Bereitschaft der Übernahme eines solchen Ehrenamtes entgegenzuwirken. Auch dieser Gesichtspunkt rechtfertigt jedoch die Erteilung der hier begehrten Genehmigung nicht. Auch ohne die Genehmigung ist dem Erstattungsantrag der Schiedsperson nachzukommen, sodass die Genehmigung überflüssig ist. Zwar besteht die abstrakte Gefahr, dass in einem Streitverfahren vom Kostenschuldner der Einwand einer fehlenden Genehmigung erhoben werden könnte. Fehlerhaften Rechtsansichten kann vorab und abstrakt generell aber ohnehin nicht entgegengetreten werden. Würde die hier begehrte Genehmigung erteilt, bestünde andererseits die Gefahr, dass in anderen vergleichbaren Fällen, in denen keine Genehmigung erteilt worden ist, von einem Kostenschuldner unter Verweis auf die hier überflüssiger Weise erteilte Genehmigung eine Zahlung verweigert würde, was ebenfalls eine Unannehmlichkeit bedeuten würde, die es zu vermeiden gilt.
Der Aspekt, dass der kommunale Schadensausgleich den Standpunkt einnehmen könnte, ohne allgemeine Dienstreisegenehmigung scheide eine Erstattungspflicht aus, rechtfertigt nicht die Erteilung der begehrten Genehmigung. Bei der Einschaltung unterschiedlicher
Entscheidungsträger in einen Erstattungsprozess besteht immer die Gefahr, dass diese fehlerhafte Rechtsauffassungen einnehmen und dadurch die Durchsetzung eines Zahlungsanspruches erschweren. Dies rechtfertigt es aber nicht, unnötige Genehmigungen zu erteilen, vielmehr muss im konkreten Ausgleichsverfahren über die dort bestehenden Rechtsmittel die Anspruchsdurchsetzung erfolgen. Eine Sicherheit dafür, dass eine berechtigte Zahlungsforderung durch den kommunalen Schadensausgleich als Anspruchsschuldner ausgeglichen wird, kann ohnehin nicht geschaffen werden, da nie ausschließbar ist, dass dort eine unvertretbare Rechtsposition eingenommen würde.
3.
Unerheblich ist, dass im Beamtenrecht der Grundsatz anerkannt ist, dass die Voraussetzungen einer Sachschadenshaftung des Staates dann nicht vorliegen, wenn die Fahrt, bei welcher der Unfall entstanden ist, mit einem privaten Pkw nicht vorher ausdrücklich als dienstlich veranlasst genehmigt worden ist. Eine analoge Anwendung des § 84 NBG kommt mangels Vergleichbarkeit nicht in Betracht.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 30 EGGVG. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 1, 3 GNotKG. Danach ist in Ermangelung genügender Anhaltspunkte für die Bestimmung eines Geschäftswertes ein solcher in Höhe von 5.000 € anzusetzen (vgl. auch OLG Celle, 2 VAs 10/13, Beschluss vom 28. August 2013, juris). Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 29 EGGVG liegen nicht vor.