Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.05.2024, Az.: 11 U 183/23

Darlegen eines sittenwidrigen Verhaltens gegenüber dem Geschäftspartner i.R.d. Wuchers

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
08.05.2024
Aktenzeichen
11 U 183/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 17520
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 08.11.2023 - AZ: 5 O 111/23

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 8. Mai 2024 beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gegen das am 8. November 2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

  2. II.

    Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einer eventuellen, weitere Kosten zum Teil vermeidenden Berufungsrücknahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Streitfall geboten wäre. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

1. Der von der Beklagten in den Mittelpunkt ihrer Berufungsbegründung gerückte Einwand der Sittenwidrigkeit ist weder im ersten noch im zweiten Rechtszug schlüssig vorgetragen worden.

Die Beklagte möchte ihn nach Maßgabe vor allem des erstinstanzlichen Vortrags aus dem Umstand herleiten, dass sich die Klägerin eine Vergütung von bis zu 45 € (netto) als Gegenleistung (nur) dafür zahlen lässt, dass sie an ihre Kunden die Anfrage eines Interessenten weiterleitet, obwohl sie - trotz Werbung mit einer "sehr hohen Anfrage-Qualität" - lediglich überprüft hat, ob die von dem jeweiligen Interessenten angegebene Telefonnummer aktiv ist, nicht aber die Ernsthaftigkeit des Interesses und die Wahrheit der vom Interessenten gemachten Angaben (etwa zur Verfügbarkeit eines bebaubaren Grundstücks). Außerdem hat die Beklagte jedenfalls im ersten Rechtszug gemeint, dass die Klägerin gehalten gewesen sei, die Anzahl der weitergeleiteten Anfragen zu begrenzen, um die zu Lasten ihrer Kunden anfallenden Vergütungsansprüche nicht unkontrollierbar ausufern zu lassen. Damit ist ein sittenwidriges Geschäft nicht dargelegt.

a) Die Beklagte hat in rechtlicher Hinsicht selbst nicht näher ausgeführt, welcher der von der Rechtsprechung geprägten Fallgruppen der möglichen Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts sie diesen Sachverhalt zuordnen möchte. In Betracht kommt von vornherein nur ein sittenwidriges Verhalten gegenüber dem Geschäftspartner; für ein sittenwidriges Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder am Geschäft nicht direkt beteiligten Dritten ist nichts ersichtlich. Im Bereich der Sittenwidrigkeit gegenüber dem Geschäftspartner gibt es den in § 138 Abs. 2 BGB ausdrücklich geregelten Fall des Wuchers. Außerdem wird - nach § 138 Abs. 1 BGB - der schwächere Geschäftspartner gegenüber wirtschaftlicher und intellektueller Übermacht geschützt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1981 - III ZR 92/79, juris Rn. 18, vor allem bei einem sog. wucherähnlichen Geschäft).

b) Der Tatbestand des Wuchers setzt gemäß § 138 Abs. 2 BGB voraus, dass jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Von diesen Tatbestandsmerkmalen hat die Beklagte keines dargelegt. An der Darlegung der subjektiven Voraussetzungen fehlt es vollständig. Aber auch der objektive Tatbestand, also das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, behauptet die Beklagte nur pauschal, legt es aber nicht konkret dar. Der Senat weiß nicht, welchen objektiven wirtschaftlichen Wert die Verschaffung der - weitgehend ungeprüften - Kontaktdaten von potentiellen Kunden hat. Die Klägerin legt diesen Wert auch nicht dar, sondern beschränkt sich letztlich auf die Behauptung, dass diese Leistung jedenfalls keinesfalls denjenigen Wert habe, den die Klägerin mit ihrer Vergütung beanspruche. Sie scheint zu unterstellen, dass das gleichsam allgemeinkundig sei. Das kann der Senat nicht feststellen. Den Senatsmitgliedern ist - dies allerdings auch nur aufgrund privater Kenntnisnahme einschlägiger Medienberichte und privater Erfahrungen mit dem weit verbreiteten Unwesen unerwünschter Werbe-E-Mails etc. - lediglich ganz allgemein bekannt, dass viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen offenbar erhebliche - sicherlich häufig legale, mitunter aber auch illegale - Anstrengungen unternehmen, um sich in den Besitz von Kontaktdaten potentieller Kunden zu bringen und diesen Daten dementsprechend einen nicht geringen Wert beimessen. Der von der Beklagten im ersten Rechtszug betonte Umstand, dass sie ein nur kleines Unternehmen mit nur begrenzten Kapazitäten sei, würde den objektiven Wert der ihr zur Verfügung gestellten Kontaktdaten in diesem rechtlichen Rahmen jedenfalls nicht beeinflussen, weil der Wert objektiv zu bestimmen ist, nicht hingegen nach der subjektiven Nützlichkeit.

c) Jenseits des ausdrücklich gesetzlich geregelten Tatbestands des Wuchers können gemäß § 138 Abs. 1 BGB Verträge auch wegen einer dem Wucher ähnlichen Gestaltung nichtig sein. Allerdings führt allein ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht zur Nichtigkeit. Es müssen dann vielmehr weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, etwa eine verwerfliche Gesinnung. Dafür trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf die Sittenwidrigkeit beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (BGH, Urteil vom 24. Januar 2014 - V ZR 249/12, juris Rn. 5 m.w.N.). Ein auffälliges Missverhältnis liegt vor, wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06, juris Rn. 31). Selbst die Vermutung der verwerflichen Gesinnung gilt allerdings in der Regel dann nicht, wenn der Benachteiligte Kaufmann ist; vielmehr gilt dann sogar eine gegenteilige Vermutung (BGH, Urteil vom 6. Mai 2003 - XI ZR 226/02, juris Rn. 19 m.w.N.).

Auch in diesem rechtlichen Rahmen fehlt es nahezu vollständig an der Darlegung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Die Beklagte ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung Formkaufmann (§ 13 Abs. 3 GmbHG, § 6 Abs. 1 HGB). Allein deshalb besteht nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung die tatsächliche Vermutung, dass die Klägerin den Vertrag nicht mit einer verwerflichen Gesinnung schloss. Weder hat die Beklagte Vortrag gehalten, mit dem sie diese Vermutung erschüttern könnte, noch hat sie eine verwerfliche Gesinnung der Klägerin überhaupt irgendwie dargelegt. Allein durch eigene subjektive Wertungen ("etwa: Konstrukt aufgebaut, was eine Gelddruckmaschine darstellt") lässt sich solch konkreter Vortrag nicht ersetzen. Überdies wirkt sich das bereits im Vorstehenden unter b) erläuterte Vortragsdefizit bezüglich der objektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit auch an dieser Stelle aus. Auch ein "nur" auffälliges Missverhältnis hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr Vortrag beschränkt sich letztlich auf die Mitteilung der subjektiven Auffassung, dass die von der Klägerin erbrachte Leistung keinen der dafür in Rechnung gestellten Vergütung entsprechenden Wert habe. Die Richtigkeit dieser Auffassung kann der Senat, wie bereits ausgeführt, nicht als gleichsam offensichtliche Gewissheit unterstellen. Es hätte nahegelegen, das Preis-Leistungs-Verhältnis etwaiger Mitbewerber der Klägerin darzulegen. Das ist nicht geschehen. Auch lassen sich - vielleicht - Schlüsse aus denjenigen Preisen ableiten, die ein werbewilliges Unternehmen für andere in der Reichweite vergleichbare Werbeträger zu zahlen hat (etwa: Kosten einer täglich geschalteten bebilderten Werbeanzeige mittlerer Größe in einer oder - soweit zur räumlichen Abdeckung erforderlich - mehreren Zeitungen, die das bei der Klägerin gebuchte Werbegebiet, nämlich die Bundesländer H., N. und R., abdecken). An alledem fehlt es vollständig.

2. Die Beklagte hat (in der Klageerwiderung) auch die Anfechtung des der Klägerin erteilten Auftrags wegen arglistiger Täuschung erklärt. Diese Anfechtung ist unwirksam. Die Beklagte legt eine zum Vertragsschluss führende Täuschungshandlung der Klägerin nicht schlüssig dar.

a) Es ist unstreitig und vom Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils im Übrigen mit Bindungswirkung gemäß § 529 Abs. 1, § 314 ZPO festgestellt worden, dass die Beklagte den Auftrag auf einem Formular erteilte, das einen Abdruck der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthielt. In § 3 jener AGB ist genau beschrieben, welche Leistungen die Beklagte von der Klägerin zu erwarten hatte. Insbesondere heißt es in § 3 Abs. 3 letzter Satz: "....net hat keinen Einfluss auf die Angaben der Interessenten und ist insbesondere nicht verpflichtet, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen." Für den durchschnittlich aufmerksamen Leser dieser Leistungsbeschreibung konnte angesichts dieser Angabe kein Zweifel verbleiben, dass ein Kunde gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf eine bestimmte Qualität der weitergeleiteten Anfragen hatte. Es ist deshalb nicht ersichtlich, worüber die Beklagte eigentlich getäuscht worden sein will. Die aufmerksame Lektüre des Bedingungswerks war von ihr als Formkaufmann selbstverständlich zu erwarten. Soweit der Geschäftsführer der Beklagten entweder nicht die Zeit zur Lektüre oder nicht die Fähigkeit zu deren Verständnis gehabt haben sollte, hätte er entweder vor Vertragsschluss Dritte - etwa einen Rechtsanwalt - um Rat bitten oder vom Vertragsschluss absehen müssen. Einen Kaufmann, der sich mit den Einzelheiten eines beabsichtigten Vertragsschlusses nicht befassen möchte, schützt die Rechtsordnung jedenfalls grundsätzlich nicht vor etwaigen nachteiligen Folgen dieses Versäumnisses.

b) Die Beklagte möchte den von ihr erhobenen Vorwurf einer Täuschung aus dem von der Klägerin gegebenen Werbeversprechen einer "sehr hohen Anfrage-Qualität" ableiten, das sich unter der Überschrift "Ihre Vorteile und Inklusivleistungen" auf der zweiten Seite des Auftragsformulars findet. Das greift nicht durch.

aa) Zum einen fehlt es schon an der schlüssigen Darlegung, dass dieses Versprechen überhaupt objektiv falsch war. Die Beklagte unterliegt insoweit dem Irrtum, aus dem aus ihrer Sicht enttäuschenden Ergebnis der an sie selbst weitergeleiteten Anfragen auf die allgemeine Qualität der von der Klägerin an ihre Kunden weitergegebenen Anfragen schließen zu können. Nur wenn sich die Feststellung treffen ließe, dass die von der Klägerin in der Vergangenheit weitergeleiteten Anfragen durchweg oder jedenfalls ganz überwiegend keine hohe "Anfrage-Qualität" gehabt hätten, läge - womöglich - eine objektiv falsche Erklärung der Klägerin vor. Das ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten indes nicht.

Schon insoweit wirkt es sich im Übrigen aus, dass die von der Beklagten beanstandete Aussage inhaltlich sehr unbestimmt war. Die Beklagte legt nicht dar, dass es ein im betroffenen Verkehrskreis mindestens herrschendes Verständnis davon gibt, unter welchen Voraussetzungen die Anfrage eines Interessenten als qualitativ hochwertig anzusehen ist. Auch legt sie nicht dar, welchen Anteil die "hochwertigen" Anfragen an der Gesamtzahl der insgesamt weitergeleiteten Anfragen haben müssen. Es liegt jedenfalls auf der Hand, dass eine an die Allgemeinheit gerichteten Werbemaßnahme eine Vielzahl von Anfragen hervorrufen kann, die sich in einem breiten Spektrum zwischen ernsthaftem konkreten Interesse auf der einen Seite und Klamauk und/oder Querulantentum auf der anderen Seite bewegen. Dem Senat ist aus eigener Kenntnis nicht bekannt, wie die Verteilung der auf eine Werbemaßnahme erfolgten Anfragen innerhalb dieses Spektrums sein muss, damit in der Werbebranche (als betroffenem Verkehrskreis) von einer hochwertigen Wirkung ausgegangen wird. Nur dann, wenn die von der Klägerin veranstaltete Werbemaßnahme diesen - unbekannten - Maßstab in der Vergangenheit verfehlte, wäre ihr eigenes Werbeversprechen objektiv falsch gewesen. Angesichts des unstreitig gebliebenen Umstandes, dass die Klägerin der größte Anbieter am Markt ist und schon seit 15 Jahren dort tätig ist (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 20. September 2023, nicht bestritten) spricht für eine dahingehende Mutmaßung jedenfalls nach dem äußeren Anschein nichts.

bb) Zum zweiten muss sich die behauptete Täuschung im Rechtsrahmen des § 123 Abs. 1 BGB auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen. Bloße subjektive Werturteile oder marktschreierische Anpreisungen begründen kein Anfechtungsrecht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. September 2006 - XI ZR 204/04, juris Rn. 24 ff.). Zu prüfen ist allerdings jeweils, ob die Äußerung in ihrem Kern nicht doch eine Behauptung tatsächlicher Art enthält. Tatsachenbehauptungen sind Erklärungen über wertbildende Merkmale des Vertragsgegenstands, wie etwa das Alter eines Teppichs oder der Kilometerstand eines Kraftfahrzeugs, aber auch die Bezeichnung eines Gegenstands als "generalüberholt", als "neu" oder "neuartig" (vgl. nur die Übersicht bei Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 123 Rn. 3 m.w.N.).

Die von der Beklagten beanstandete Äußerung der Klägerin reicht über das Versprechen, das die von ihr angebotene Leistung eine hohe Qualität habe, nicht hinaus. Damit fehlt es an einem überprüfbaren Tatsachenkern. Das Versprechen - nur - einer allgemein hohen Qualität ist typisch für eine bloße Werbeanpreisung. Dergleichen kommt im Geschäftsverkehr tagtäglich unzählige Male vor; niemand kann aus derartig unbestimmten Versprechen konkrete Rechtsfolgen ableiten.

cc) Zum dritten ist für den Senat nicht ersichtlich, in welcher Weise die Beklagte ein arglistiges Handeln der Klägerin begründen will, das eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB ist. Arglist liegt vor, wenn der Erklärende die Unrichtigkeit seiner Angaben kennt oder für möglich hält. Auch insoweit fehlt jeglicher Vortrag von Tatsachen.

Im Übrigen wäre in diesem Zusammenhang der Umstand maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommene Leistungsbeschreibung gegenüber der Beklagten zu erkennen gegeben hat, dass jedenfalls sie selbst von sehr überschaubaren qualitativen Anforderungen an die zu übermittelnden Anfragen ausging. Allein dieser einseitig offengelegte Erwartungshorizont erschwerte die Annahme, dass die Klägerin durch die beanstandete Aussage wenigstens bedingt vorsätzlich falsche Angaben über das Qualitätsniveau machte.

c) Die Ausführungen auf Seite 2 der Berufungsbegründung (dritter Absatz) lassen sich dahin verstehen, dass die Beklagte ihr Anfechtungsrecht auch aus dem von ihr angenommenen Umstand ableiten möchte, dass die Klägerin durch die Preisgestaltung - wenn auch unausgesprochen - die unberechtigte Erwartung erzeugt habe, dass sie die Anfragen vor der Weiterleitung an die Kunden inhaltlich überprüfe. Auch dieser Annahme fehlt die Grundlage.

aa) Es ist aus tatsächlichen Gründen schon fraglich, ob das Verlangen nach einer besonders hohen Vergütung beim Vertragsgegner im Allgemeinen die Erwartung einer besonders qualitätsvollen Leistung wecken darf. Die Angemessenheit des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung schützt die Rechtsordnung in dem - bereits im Vorstehenden erörterten - Rahmen des § 138 BGB, im Übrigen aber grundsätzlich nicht. Vielmehr wird dieses Verhältnis gemeinhin durch die Gegebenheiten des jeweiligen Marktes, mithin durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, bestimmt. Niemandem ist es verwehrt zu versuchen, eine objektiv geringwertige Leistung für einen hohen Preis zu verkaufen, soweit er sich dabei in den von § 138 BGB vorgegebenen Grenzen hält. Die Rechtsordnung geht davon aus, dass der Leistungsnehmer eine freie und eigenverantwortliche Entscheidung darüber trifft, ob er für die ihm angebotene Leistung den verlangten Preis zu zahlen bereit ist.

bb) Im Übrigen leidet die Argumentation der Beklagten (wiederum) darunter, dass sie ihre eigene Vorstellung, wonach die von der Klägerin verlangte Vergütung besonders hoch sei, einfach als objektiv richtig unterstellt. Der Senat kann nur nochmals betonen, dass er selbst diese Feststellung aus eigener Kenntnis nicht zu treffen vermag. Der Senat weiß nicht, welcher Preis in der Werbebranche für vergleichbare Werbemaßnahmen aufgerufen wird.

cc) So oder so bleibt es letztlich dabei, dass die Klägerin in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die einen Teil des Antragsformulars ausmachten, nicht nur offengelegt hatte, welche Leistungen die Beklagte von ihr zu erwarten hatte, sondern ausdrücklich auch, welche nicht. Die Lektüre dieses - nicht allzu umfangreichen - Regelwerks durfte sie von einem kaufmännischen Kunden mit Selbstverständlichkeit erwarten. Deshalb bleibt kein Raum für die Annahme geradezu gegenteiliger stillschweigender Erklärungen.

3. Der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag war und bleibt folglich wirksam. Aus ihm ergibt sich der vom Landgericht zugesprochene Klageanspruch.

Entgegen dem Berufungsvorbringen ist zur Herstellung der Entscheidungsreife nicht die als Zeugin benannte Mitarbeiterin T. über die im nachgelassen gewesenen Schriftsatz vom 23. Oktober 2023 vorgetragene Behauptung der Beklagten zu vernehmen gewesen, dass die in der dortigen Übersicht verzeichneten Angaben über die Rückmeldungen der von der Klägerin an die Beklagte weitergemeldeten Interessenten zutreffen.

a) Nach Maßgabe des durch die §§ 3 und 8 AGB bestimmten Vertragsinhalts schuldete die Klägerin die Wiedergabe "vollständiger Anfragen" (vgl. dazu näher § 8 Abs. 2 AGB). Vor der Weitergabe überprüfen musste sie lediglich die Erreichbarkeit der angegebenen Telefonnummern, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der von den Interessenten hinterlassenen übrigen Angaben (einschließlich der Zuordnung der aktiven Telefonnummer zum namentlich angegeben Interessenten). "Fehlerhafte" Anfragen durfte die Beklagte gemäß § 8 Abs. 5 AGB binnen 30 Tagen nach Erhalt der Anfrage in Textform reklamieren. Als fehlerhaft in diesem Sinne anzusehen waren gemäß § 8 Abs. 3 AGB auch Anfragen, die den von der Beklagten im Auftrag vorgegebenen Eingrenzungen (etwa hinsichtlich der Region, in der gebaut werden sollte, oder der Art oder Bauweise des in Aussicht genommenen Gebäudes) nicht entsprachen, von der Klägerin also letztlich fälschlich der Beklagten zugeordnet worden waren.

b) Die Beklagte hat in der tabellarischen Übersicht, die sie in ihrem Schriftsatz vom 23. Oktober 2023 vorgetragen hat, keine ihr von der Klägerin zusammen mit einer Anfrage übermittelte Telefonnummer bezeichnet, die im Zeitpunkt des Erhalts der weitergeleiteten Anfrage nicht aktiv war. Damit fehlt es an der Darlegung einer fehlerhaften Anfrage. Sie hat auch nicht dargelegt, dass die jeweilige Anfrage - nach Maßgabe ihres ursprünglichen Inhalts, nicht nach Maßgabe späterer Angaben der jeweiligen Interessenten gegenüber der Beklagten - nicht den von der Beklagten vorgegebenen Suchkriterien entsprochen hätten. Alle weiteren Angaben in der Tabelle beziehen sich auf die inhaltliche Richtigkeit der von der Klägerin erfassten und weitergemeldeten Angaben der jeweiligen Interessenten (Erreichbarkeit der E-Mail-Adresse, Ernsthaftigkeit des Interesses, Urheberschaft der Anfrage). Die Überprüfung und Verifizierung dieser Angaben gehörten nicht zu den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen. Insofern bestehende Defizite beeinflussten folglich den jeweiligen Vergütungsanspruch nicht. Deshalb kann die Richtigkeit der von der Beklagten diesbezüglich vorgetragenen Behauptungen dahinstehen.

c) Lediglich hilfsweise ist zu vermerken, dass die Beklagte jedenfalls die in § 8 Abs. 5 AGB vorgegebene Rügefrist hat verstreichen lassen. Der Senat hat bereits in einem anderen Berufungsverfahren entschieden, dass diese Klausel wirksam ist (Urteil vom 12. Oktober 2023 - 11 U 130/22, n.v.). Das hat der Senat wie folgt begründet (die einschlägige Regelung war in jenem Fall in dem § 7 der dort anwendbaren AGB enthalten):

a. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die in § 7 Abs. 5 S. 1 AGB enthaltene Regelung eine Ausschlussfrist darstellt. Dabei ist es für das Verständnis als Ausschlussfrist ohne Relevanz, dass es in der Regelung heißt "Der Auftraggeber kann fehlerhafte Angaben bis zu 30 Tagen nach Erhalt der Anfrage in Textform rügen." Bei verständiger Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ist der Regelung im Umkehrschluss zu entnehmen, dass nach Ablauf der 30-Tages-Frist die entsprechende Rüge einer fehlerhaften Angabe nicht mehr geltend gemacht werden kann. Der Verwendung des Wortes "Ausschlussfrist" bedarf es zum Verständnis der Regelung ebenso wenig, wie des Wortes "muss".

b. Wie auch das Landgericht festgestellt hat, ist der Kann-Regelung zugleich zu entnehmen, dass trotz einer etwaigen fehlerhaften Angabe der Vertragspartner der Klägerin sich nicht auf die Fehlerhaftigkeit - im Sinne einer vertraglichen Pflicht - berufen muss, wenn er die Angabe - z. B. trotz des Fehlers - nutzen möchte, mit der Folge, dass diese dann zu vergüten ist.

c. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus dem sich anschließenden Satz 2 in § 7 Abs. 5 AGB, der die Folgen einer berechtigten Reklamation regelt, dass es sich nicht um eine Ausschlussfrist handeln soll. Der Regelungsgehalt, wonach nach Fristablauf ein Rügeverlust eintritt, ergibt sich bereits aus Satz 1 des § 7 Abs. 5 AGB, so dass es keiner gesonderten Regelung für den Fall, dass eine Mängelrüge nach Fristablauf erhoben wird, bedurfte.

d. Anders als die Beklagte meint, sind insoweit auch keine zwei Auslegungsmöglichkeiten gegeben (vgl. insoweit HK-BGB/Hans Schulte-Nölke, 11. Aufl., § 305c Rn. 6), so dass der Anwendungsbereich von § 305c Abs. 2 BGB schon nicht eröffnet ist.

e. Auch liegt im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft der Beklagten kein Verstoß gegen § 309 Nr. 8 b) ee) BGB vor, weil § 309 BGB zwischen den Parteien nicht zur Anwendung gelangt, § 310 Abs. 1 S. 1 BGB.

f. Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen § 307 BGB vor, da die Rügeobliegenheit innerhalb einer - in der Regel kurzen - Frist zwischen Unternehmern grundsätzlich zulässig ist, wie sich z. B. anhand der gesetzlichen Wertung in § 377 HGB zeigt (vgl. dazu z. B. NK-BGB/Andreas Kollmann, 4. Aufl., § 309 Rn. 184).

Die Beklagte trägt im vorliegenden Fall keine (zusätzlichen) Argumente vor, die dem Senat Anlass geben, von dieser Beurteilung abzurücken.

II.

Die Beklagte mag nach alledem erwägen, aus Kostengründen ihr Rechtsmittel zurückzunehmen. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass sich im Fall einer Rücknahme der Berufung die anfallenden Gerichtskosten deutlich ermäßigen würden.