Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.04.2017, Az.: L 3 U 89/14
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.04.2017
- Aktenzeichen
- L 3 U 89/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 16438
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 24.04.2014 - AZ: S 3 U 29/11
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 24. April 2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung von Erkrankungen im Bereich der linken Schulter des Klägers als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) nach § 9 Abs 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der 1948 geborene Kläger war nach dem Abschluss seines Studiums der Veterinärmedizin ab Dezember 1973 als angestellter Tierarzt beschäftigt. Vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Januar 2008 war er als selbstständiger Tierarzt tätig und freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten.
Im November 2000 diagnostizierte PD Dr. F. bei dem Kläger eine Arthrose im Acromioclaviculargelenk (AC-Gelenk) und eine beginnende Schultergelenksarthrose (Omarthrose) links (Bericht vom 17. November 2000). Dr. G. beschrieb im Dezember 2004 eine deutlich progrediente Arthrose im Schultergelenk und diagnostizierte darüber hinaus ein Impingement-Syndrom links (Bericht vom 20. Dezember 2004). Im April 2007 meldete der Kläger den Krankheitsfall der Beklagten und wies auf einen als Arbeitsunfall gemeldeten Unfall vom April 1976 hin, bei dem es zu einer Distorsion des rechten Schultergelenks mit Knochenriss im Bereich des Tuberculum majus gekommen war (Berichte des Durchgangsarztes Dr. H. vom 12. und 23. April 1976). Eine nach diesem Unfall erfolgte Umstellung des Gebrauchsarms auf den linken Arm habe bei mehrfach täglichen rektalen Untersuchungen von Großtieren zu einer Überbelastung und zur jetzigen Erkrankung geführt.
Die Beklagte lehnte es ab, die bei dem Kläger festgestellte Schultergelenksarthrose, das Impingement-Syndrom sowie die Omarthrose des linken Schultergelenks als BK oder Wie-BK anzuerkennen. Die Erkrankungen seien nicht in der BKen-Liste aufgeführt und es lägen auch keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor, wonach die Tätigkeit als Tierarzt grundsätzlich geeignet ist, diese Erkrankungen zu verursachen (Bescheid vom 17. Dezember 2008).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger eine Anerkennung der Arthrose im linken Schultergelenk sowie von Erkrankungen beider Ellenbogengelenke als Wie-BK. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes ein, der feststellte, dass bei der tierärztlichen Tätigkeit in einer Großtierpraxis - insbesondere bei rektalen und vaginalen Untersuchungen und Tätigkeiten im Rahmen der Geburtshilfe, bei denen der ausgestreckte Arm in den Enddarm oder die Vagina des Tieres eingeführt wird - Belastungen für die obere Extremität vorkommen. Der Kläger sei von 1976 bis 2008 den in einer Großtierpraxis üblichen Belastungen ausgesetzt gewesen (Stellungnahme Dr. I. vom 12. März 2009).
Im Anschluss veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers, bei dem inzwischen (im Januar 2009) eine Schultergelenksendoprothese links implantiert worden war, durch Prof. Dr. J ... Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass es für die Anerkennung der Omarthrose als Wie-BK an ausreichenden epidemiologischen Fakten und validen Studien fehle. Zusammengefasst ergebe sich bei dem Kläger das Bild einer schicksalhaften Degeneration und ausgeprägten Omarthrose; die beruflichen Belastungen seien nicht als wesentliche Teilursache für die Schädigung der linken Schulter anzusehen (Gutachten vom 18. Juni 2010).
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 11. März 2011 hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben und dort vorgetragen, er habe über mehrere Jahrzehnte Tätigkeiten ausgeübt, welche die Schultergelenke erheblich belasten. Dabei seien die mit der Tätigkeit eines Großtierarztes üblicherweise verbundenen Belastungen bei dem Kläger aufgrund seiner Körpergröße von 1,61 m deutlich erhöht gewesen. Insbesondere habe er durch ruckartige Ausweichbewegungen der Tiere bei den für sie unangenehmen Untersuchungen häufig Mikrotraumen im Bereich des Schultergelenks erlitten.
Das SG hat von Amts wegen den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. gutachtlich gehört, nach dessen Einschätzung ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit des Klägers sehr unwahrscheinlich sei. Es lägen keine gefestigten Erkenntnisse für einen Zusammenhang zwischen den Belastungen, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers angenommen werden können, und sukzessiven Schädigungen des Schultergelenks mit Ausbildung einer Omarthrose vor (Gutachten vom 7. September 2012 mit ergänzender Stellungnahme vom 30. November 2012).
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ferner ein Gutachten des Arbeitsmediziners Prof. Dr. L. eingeholt. Nach Auffassung dieses Sachverständigen müsse davon ausgegangen werden, dass es bei der Tätigkeit des Klägers durch plötzliche Ausweichbewegungen der Kühe und Pferde zu einer Mikrotraumatisierung des Gelenkknorpels im Schultergelenk gekommen ist. Aus biologischer Sicht sei ein vermehrtes Auftreten von Schultergelenksarthrosen und Arthrosen im AC-Gelenk bei Tierärzten in Großtierpraxen plausibel; die Angehörigen dieser Berufsgruppe seien in wesentlich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Einwirkungen auf die Schultergelenke in Form von Mikrotraumen und einer chronischen Druckbelastung auf den Gelenkknorpel ausgesetzt. Es lägen jedoch keine neuen Erkenntnisse darüber vor, dass Ärzte in Großtierpraxen ein erhöhtes Risiko in Bezug auf die Entwicklung einer Schultergelenksarthrose aufweisen (Gutachten vom 19. Juli 2013).
Mit Gerichtsbescheid vom 24. April 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L. bestehe nach derzeitigem Stand der medizinischen Wissenschaft allenfalls die Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen der tierärztlichen Tätigkeit und der Entstehung der Schultergelenksarthrose gegeben sein könnte. Das reiche für die Anerkennung eines Versicherungsfalls wie eine BK aber nicht aus. Für den Bereich der Ellenbogengelenke sei von keinem der gehörten Gutachter ein altersuntypisches Schadensbild beschrieben worden.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 2. Mai 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2. Juni 2014 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Das SG habe verkannt, dass Prof. Dr. L. die generelle Eignung der beruflichen Einwirkungen für die Entstehung des Krankheitsbildes bestätigt habe. Zudem habe der Sachverständige festgestellt, dass massive Belastungen auf die Schulter gewirkt und im Ergebnis zu dem vorliegenden Krankheitsbild geführt haben. Bei dieser Sachlage könne auf einen statistisch-epidemiologischen Nachweis einer Gruppentypik verzichtet werden. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte gegen ihre aus § 9 Abs 8 SGB VII folgende Pflicht zur Mitwirkung an der Gewinnung neuer Erkenntnisse verstoßen habe, obwohl seit Jahrzehnten absehbar sei, dass bei Tierärzten in Großtierpraxen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Schultergelenkserkrankungen vorliege.
Der Kläger beantragt,
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 24. April 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2011 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, seine Gesundheitsstörungen im Bereich der linken Schulter als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs 2 SGB VII anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. L. eingeholt, der dargelegt hat, dass auch eine aktuelle Literaturrecherche keine weiteren Veröffentlichungen zu Schultererkrankungen bei Tierärzten als die im Gutachten vom Juli 2013 bereits berücksichtigten Studien ergeben habe (Stellungnahme vom 28. September 2016).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG Lüneburg hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist gemäß § 54 Abs 1 S 1 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache kann sie aber keinen Erfolg haben, weil die Beklagte es zutreffend abgelehnt hat, die bei dem Kläger festgestellte Schultereckgelenksarthrose, das Impingement-Syndrom und die Omarthrose des linken Schultergelenks als Wie-BK anzuerkennen.
1. Gemäß § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 S 2 SGB VII erfüllt sind. Die Feststellung einer Wie-BK nach dieser Vorschrift ist ua vom Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig. Diese allgemeinen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen (BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 3/12 R, Rn 14 - UV-Recht Aktuell 2013, 1039 ff mwN).
Dass eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Erst dann lässt sich anhand von gesicherten "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" iSd § 9 Abs 2 SGB VII nachvollziehen, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Solche Erkenntnisse setzen regelmäßig voraus, dass die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es ist nicht erforderlich, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner widerspiegeln. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG aaO, Rn 16 nach ).
2. Nach diesen Maßgaben liegen keine gesicherten neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor, nach denen davon auszugehen wäre, dass die Einwirkungen, denen Tierärzte insbesondere bei Durchführung rektaler und vaginaler Untersuchungen und Behandlungen von Großtieren ausgesetzt sind, generell geeignet wären, Erkrankungen der in Rede stehenden Art zu verursachen. Bei dieser Bewertung stützt sich der Senat auf die insoweit übereinstimmende Auffassung der im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen.
Prof. Dr. L. hat dazu in seinem Gutachten vom 19. Juli 2013 dargelegt, dass keine neuen Erkenntnisse im Sinne des § 9 Abs 2 SGB VII über eine Häufung von Schultergelenksarthrosen bei Tierärzten vorliegen. Das gilt gleichermaßen für die bei dem Kläger in der Vergangenheit diagnostizierte AC-Gelenkserkrankung sowie das Impingement-Syndrom links und entspricht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats weiterhin dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, denn nach der hierzu im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen liegen keine weiteren Veröffentlichungen zu dieser Thematik vor. Prof. Dr. L. hat die vorhandene Literatur ausführlich und nachvollziehbar ausgewertet und hervorgehoben, dass in keiner der von ihm dargestellten Studien bildgebende Verfahren eingesetzt worden sind, um die Art der Schultergelenkserkrankungen bei Großtierärzten näher zu untersuchen. Es reicht aber nicht aus, dass mit den Studien allgemein ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Schultergelenksbeschwerden bei Tierärzten in Großtierpraxen begründet werden könnte; so zeigen etwa die Studien von Ailsby (1996) und Smith et al (2009), dass Schulterbeschwerden ua auf Nervenwurzelschädigungen und Muskelerkrankungen zurückgeführt werden konnten, um die es im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht geht. Soweit Prof. Dr. L. ein vermehrtes Auftreten von Schultergelenks- und AC-Gelenksarthrosen bei Tierärzten in Großtierpraxen für biologisch plausibel hält, kann das nicht den wissenschaftlichen Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen in der Berufsgruppe des Klägers und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder ersetzen; der Sachverständige hat damit im Ergebnis auch gar keine Aussage zu einer tatsächlichen Erhöhung des Erkrankungsrisikos von Großtierärzten getroffen. Dass der Sachverständige nicht von einem nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gesicherten generell erhöhten Risiko für die Entstehung bestimmter Erkrankungen in der Berufsgruppe des Klägers ausgeht, zeigt sich schon daran, dass er wegen des Fehlens neuer Erkenntnisse ausdrücklich von einer Beurteilung der individuellen Voraussetzungen (Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung im Einzelfall) abgesehen hat. Da somit nach den bislang vorhandenen Studien keine generell erhöhte Gefährdung für die Entstehung einer AC-Gelenksarthrose, einer Omarthrose oder eines Impingement-Syndroms durch die berufliche Tätigkeit des Klägers begründet werden kann, kommt es auch nicht darauf an, ob es sich bei den im Einzelnen von dem Sachverständigen genannten Studien überhaupt um "neue" Erkenntnisse iSd § 9 Abs 2 SGB VII handelt (zum Begriff der "neuen" Erkenntnisse und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG vgl Ricke in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 92. EL Dezember 2016, Rn 23 f zu § 9 SGB VII mwN). Ebenso kann dahinstehen, dass der Kläger gerade keine für die Berufsgruppe typischen Verhältnisse, sondern besondere individuelle Verhältnisse geltend macht, soweit er erhöhte Belastungen bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit auf seine Körpergröße zurückführt.
Es liegt auch kein Sachverhalt vor, der es rechtfertigen könnte, die Annahme eines generellen Ursachenzusammenhangs zwischen besonderen beruflichen Einwirkungen und Erkrankung ausnahmsweise auf andere als epidemiologische Erkenntnisse (zB aus Einzelfallstudien) zu stützen. In der Rechtsprechung des BSG ist eine solche Vorgehensweise für den Fall seltener Erkrankungen als möglich angesehen worden (vgl dazu die Nachweise im Urteil des BSG vom 18. Juni 2013 aaO, Rn 19). Bei den Erkrankungen des Klägers handelt es sich jedoch ersichtlich nicht um derart seltene Erkrankungen, bei denen statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden könnten, sondern geradezu um weit verbreitete "Volkskrankheiten". Der vorliegende Fall unterscheidet sich in dieser Hinsicht auch wesentlich von dem Sachverhalt, der der vom Kläger angeführten Entscheidung des LSG Niedersachsen vom 17. September 1998 (L 6 U 222/98) zugrunde gelegen hatte. In seiner neueren Rechtsprechung hat das BSG im Übrigen dahinstehen lassen, ob die Zugrundelegung eines geringeren wissenschaftlichen Standards überhaupt mit den gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK vereinbar wäre. Ebenso hat es offengelassen, ob die Rechtsprechung zu Seltenheitsfällen übertragbar ist, wenn zwar keine seltene Erkrankung vorliegt, aber eine Berufsgruppe betroffen ist, bei der wegen ihrer geringen Größe epidemiologische Studien nicht zu erwarten sind (BSG aaO). Das bedarf indes auch im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, weil schon die vom Sachverständigen Prof. Dr. L. angeführten Studien belegen, dass der Gruppe der (Groß-)Tierärzte eine ausreichende Anzahl berufstätiger Personen angehören. So lag etwa der aktuellsten Arbeit von Kozak et al (2012) eine Befragung von 3.174 Tierärzten in Deutschland zugrunde; Cattell (2000) hatte zuvor über eine Befragung von 4.000 amerikanischen Tierärzten berichtet, die überwiegend Kühe betreuten. Selbst wenn man von alledem absieht, sind aber jedenfalls keinerlei andere Erkenntnisse ersichtlich, die unabhängig von epidemiologischen Methoden und statistischen Belegen (zB Einzelfallstudien, Erkenntnisse aus anderen Staaten, frühere Anerkennungen entsprechender Erkrankungen) einen Nachweis für einen generellen Ursachenzusammenhang zwischen den besonderen Einwirkungen bei der versicherten Tätigkeit des Klägers und den bei ihm festgestellten Erkrankungen bieten könnten. Derartige Erkenntnisse hat weder der Kläger dargelegt noch ergeben sich dafür irgendwelche Anhaltspunkte.
Soweit der Kläger mögliche Defizite bei der Mitwirkung der Beklagten an der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse nach § 9 Abs 8 SGB VII anführt, rechtfertigt das keine andere Entscheidung. Danach bleibt die Beklagte zwar aufgefordert, durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben zur Fortentwicklung des BK-Rechts beizutragen (vgl dazu auch Brandenburg in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl, § 9 Rn 159). Mit dieser Soll-Vorschrift ist den Versicherungsträgern aber nicht vorgegeben, bestimmte Aktivitäten zur Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse zu entfalten; vielmehr liegt es in ihrer Gestaltungsfreiheit zu entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreifen (Ricke aaO, Rn 36-37). Demzufolge kann der Versicherte daraus keinen Anspruch herleiten; die offenbare bisherige Untätigkeit der Beklagten im Hinblick auf die hier relevanten Zusammenhänge kann deshalb auch nicht zu einer Beweiserleichterung oder gar einer Beweislastumkehr im Einzelfall führen.
Der Senat verkennt bei alledem nicht, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Tierarzt in einer Großtierpraxis erheblichen körperlichen Belastungen ausgesetzt gewesen ist. Es ist aber nicht Zweck des § 9 Abs 2 SGB VII, jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-BK anzuerkennen; bei der Regelung handelt es sich nicht um eine allgemeine Härtefallregelung (BSG aaO, Rn 21 mwN).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.