Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 05.04.2017, Az.: L 2 R 385/16

Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit eines Facharztes als Honorarkraft in dem Betrieb einer Klinik

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
05.04.2017
Aktenzeichen
L 2 R 385/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 16459
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 11.05.2016 - AZ: S 33 R 540/15

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 11. Mai 2016 aufgehoben.

Die Klage gegen die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. im Zeitraum November 2008 bis Dezember 2010 im Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 und die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung für diese Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. werden abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.

Die Klägerin ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb der J ... Zur Klinik gehört auch eine Abteilung für Anästhesie, die von einem Chefarzt geleitet wird.

In dieser Abteilung für Anästhesie wurde der zu 1. beigeladene Facharzt für Anästhesie in folgenden Zeiträumen an einzelnen Tagen eingesetzt:

ZeitraumGesamtentgeltNacherhobene Versicherungsbeiträge
November bis Dezember 20085.547,50183,08
Januar bis März 20094.450,00278,42
Januar bis August 201016.063,25642,95
Oktober bis Dezember 20107.100,00239,97
Summe:42.288,251.480,16

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. hatten zuvor überwiegend jeweils schriftliche Rahmenverträge abgeschlossen, in denen sich letzterer "als Honorarkraft" zur Ableistung von Tagdiensten und Bereitschaftsdiensten "nach Dienstplan" verpflichtet hatte. Als Gegenleistung war ein nach Arbeits- bzw. Bereitschaftsstunden bemessenes Entgelt in Höhe von überwiegend 85 bis 95 EUR vereinbart worden.

Dabei waren zuvor jeweils (fern-)mündliche Einzelabsprachen über die konkreten vom Beigeladenen zu 1. im Rahmen der Abteilung für Anästhesie wahrzunehmenden Tagdienste bzw. Bereitschaftsdienste getroffen worden. Der Beigeladene zu 1. hat diesbezüglich in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Klägerin ihren Personalbedarf angemeldet habe und er dann - je nach Verfügbarkeit - eine Zusage erteilt oder auch nicht erteilt habe. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Abteilung Anästhesie der Klägerin hat der Beigeladene zu 1. auch Notarzteinsätze wahrgenommen; er hat in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Anästhesie tagsüber das Notfallfahrzeug besetzt habe.

Bei Notarzteinsätzen trug der Beigeladene zu 1. eine von ihm persönlich zu beschaffende "Schutzausrüstung" in Form der geeigneten Schutzbekleidung, Stiefel und eines Schutzhelms.

Über seine Einsätze hat der Beigeladene zu 1. der Klägerin Rechnungen nach Maßgabe der jeweils vereinbarten Stundensätze gestellt. Diese Rechnungen hat die Klägerin während des laufenden Rechtsstreits vernichtet.

In vergleichbarer Weise war und ist der Beigeladene zu 1. als Honorararzt auch für weitere Auftraggeber tätig geworden.

Im Rahmen einer nach § 28p SGB IV durchgeführten Betriebsprüfung gelangte die Beklagte zu der Einschätzung, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. - ebenso wie die Tätigkeit weiterer von der Klägerin herangezogener sog. Honorarärzte - im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse verrichtet worden sei. Sie zog daraufhin die Klägerin mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen in einer Gesamthöhe von 50.404,92 EUR heran. Aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. in den vorstehend genannten Zeiträumen wurden die bereits aufgeführten Sozialversicherungsbeiträge festgesetzt. Da die Beklagte von einer Versicherungsfreiheit im Rahmen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung ausging, hat sie aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. lediglich Beiträge nach dem Recht der Arbeitsförderung (sowie für Teilzeiträume die sog. Umlage U2 nach dem LFZG bzw. AAG für Mutterschaftsaufwendungen und die Umlage nach § 358 SGB III) festgesetzt; wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Bescheide Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der Klägerin am 9. Dezember 2013 (S 33 R 728/13) erhobene (und nachfolgend mit Schriftsatz vom 3. Juni 2014 in Teilen zurückgenommene) Klage. Zur Begründung hat die Klägerin bezogen auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. insbesondere geltend gemacht, dass dieser seiner honorarärztlichen Tätigkeit im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen sei. Dafür spreche bereits der Umstand, dass er auch in anderen Kliniken als Honorararzt tätig geworden sei. Auch die Höhe der vereinbarten Stundensätze spreche gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Für Urlaubs- oder Krankheitszeiten sei keine Entgeltfortzahlung erfolgt.

Im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit sei der Beigeladene zu 1. den anderen Klinikmitarbeitern gegenüber weisungsbefugt gewesen. Er habe allerdings kein "disziplinarisches Weisungsrecht" innegehabt. Er verfüge über eine eigene Haftpflichtversicherung.

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 hat das Sozialgericht das Verfahren betreffend die Tätigkeit des im vorliegenden Verfahren zu 1. beigeladenen Honorararztes abgetrennt. In diesem abgetrennten Verfahren hat es mit Urteil vom 11. Mai 2016, der Beklagten zugestellt am 30. Juni 2016, den Bescheid vom 10. Dezember 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 aufgehoben, soweit darin eine Sozialversicherungspflicht für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Arzt im Haus der Klägerin festgestellt worden ist. Zugleich hat das Sozialgericht festgestellt, dass eine aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV begründete Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. im Zeitraum von November 2008 bis Dezember 2010 nicht bestanden habe.

Zur Begründung hat das Sozialgericht dargelegt, dass die Tätigkeit eines Honorararztes sowohl in selbständiger als auch in unselbständiger Form ausgeübt werden könne. Dies habe seinen Niederschlag in § 121 Abs. 5 SGB V und § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 KHEntgG gefunden. Das Auftreten des Beigeladenen am Markt habe dem eines selbständigen Unternehmers entsprochen. Er habe keinerlei Weisungen bezüglich der Arbeitszeit unterlegen; die Arbeitsorte suche er sich grundsätzlich selbst aus.

Mit ihrer am 21. Juli 2016 eingelegten Berufung macht die Beklagte demgegenüber geltend, dass der Beigeladene zu 1. in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Als Anästhesist sei er in arbeitsteilig zusammenarbeitende Operationsteams eingebunden gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 11. Mai 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin räumt ein, dass der Beigeladene zu 1. im Rahmen seiner honorarärztlichen Tätigkeit keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt habe; dies sei bereits aus hygienischen Gründen nicht in Betracht gekommen. Er habe ein Unternehmerrisiko in der Form einer persönlichen Haftung für eventuelle Behandlungsfehler getragen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid, soweit über diesen aufgrund der erstinstanzlichen vorgenommenen Abtrennung zu entscheiden ist, verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, so dass die insoweit erhobene Klage abzuweisen ist. Insbesondere hat die Beklagte zutreffend ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Klägerin angenommen.

Im streitigen Zeitraum vom November 2008 bis Dezember 2010 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, insbesondere der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl. § 25 Abs. 1 SGB III).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21 m. w. N.). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, a. a. O., Rn. 15).

Die vorstehend angesprochenen allgemeinen Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für die Beurteilung ärztlicher Tätigkeit. Entgegen der im Ergebnis vom Sozialgericht zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung gibt es beim Einsatz von Ärzten keine weitergehenden Möglichkeiten, auf die bindenden gesetzlichen Vorgaben über die Sozialversicherungspflicht bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zu verzichten.

Insbesondere hat auch das BVerfG in seiner vom Sozialgericht herangezogenen Entscheidung vom 03. März 2015 - 1 BvR 3226/14 - NZS 2015, 502 dafür nichts dargetan. Das BVerfG hat im Rahmen dieser Entscheidung lediglich dargetan, dass der damalige Beschwerdeführer schon die Möglichkeit einer Verletzung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht nachvollziehbar aufgezeigt habe. Nur im Rahmen der Ausführungen zur mangelnden Substantiierung einer solchen Grundrechtsbeeinträchtigung ist das BVerfG auch auf die von dem damaligen Beschwerdeführer herangezogene Rechtsauffassung eingegangen, wonach dieser als Honorararzt tätig geworden sei. Das BVerfG hat den Vortrag des damaligen Beschwerdeführers dahingehend verstanden, dass dieser als Honorararzt aufgrund eines Dienstvertrages insbesondere im stationären Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger erbracht habe, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein. Hieran anknüpfend hat das BVerfG die Ausführungen zu einer Beeinträchtigung in verfassungsrechtlich geschützten Rechten für nur unzureichend substantiiert bewertet.

Inhaltliche Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen eine dienstvertraglich vereinbarte honorarärztliche Tätigkeit außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses in Betracht kommen mag, waren mit diesen Darlegungen des BVerfG zur fehlenden Substantiierung des damaligen Beschwerdevorbringens nicht verbunden. Erst recht hat das BVerfG in dieser Entscheidung nichts in dem Sinne zum Ausdruck gebracht, dass es eine Abweichung von den hergebrachten höchstrichterlichen Kriterien für die Abgrenzung abhängiger Beschäftigungen von selbständigen Tätigkeiten für angezeigt erachten könnte.

Erst recht führt der Hinweis des Sozialgerichts auf § 121 Abs. 5 SGB V nicht weiter. Soweit dort den Krankenhäusern die Möglichkeit eröffnet wird, mit Belegärzten Honorarverträge abzuschließen, führt dies bezogen auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht weiter, weil der Beigeladene zu 1. kein Belegarzt im Sinne des § 121 Abs. 2 SGB V war. Dies kam schon deshalb nicht in Betracht, weil er gerade von Seiten der Klägerin, d.h. von Seiten des Krankenhauses, vergütet worden ist.

Im dem hier zu beurteilenden Verfahren spricht die danach gebotene Gesamtschau der maßgeblichen Umstände zur Überzeugung des Senats für das Vorliegen eines abhängigen und, da mehr als nur geringfügig ausgeübten, versicherungspflichtigen (bezogen auf die Arbeitslosenversicherung) Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG Urteile vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R, Rdnr. 16 und 28.05.2008 - B 12 KR 13/07, [...] Rdnr. 17 jeweils mwN).

Der Beigeladene zu 1. hatte insbesondere kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko zu tragen. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - RdNr 25) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt hingegen kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG, Urt. v. 28.09.2011, aaO, Rdnr. 26 mwN).

Ein im zuvor beschriebenen Sinne hinreichendes Unternehmerrisiko vermag der Senat bereits nicht festzustellen. Bezogen auf seine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. gerade kein unternehmerisches Risiko zu tragen; als Gegenleistung für die von ihm erbrachten Tätigkeiten standen ihm nach Maßgabe der Honorararztverträge eine Stundenvergütung - auch insoweit typisch für Beschäftigte - (in Höhe von überwiegend 85 bis 95 EUR je Stunde) zu. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Beigeladene zu 1. - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen. Eine Gewinn- und Verlustbeteiligung, die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen könnte, sahen die vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich nicht vor.

Ein relevanter Einsatz eigenen Kapitals ist ohnehin nicht erkennbar. Eigene Betriebsmittel - bis auf die persönliche Schutzarbeitskleidung (einschließlich Stiefel und Schutzhelm) bei Notarzteinsätzen - wurden nicht eingesetzt. Über eine eigene Betriebsstätte hat der Beigeladene zu 1. ohnehin - aus sich aus der Natur der Sache ergebenden Gründen - nicht verfügt. Er war - außerhalb der Teilnahme an einzelnen Notarzteinsätzen - im Klinikum der Klägerin im Rahmen der dortigen Abteilung für Anästhesie und dort insbesondere in den Operationssälen und auf den Intensivstationen eingesetzt. Die erforderlichen Arbeitsmittel waren dort vorhanden. Bei Notarzteinsätzen ist er mit den vom Landkreis zur Verfügung gestellten Rettungsfahrzeugen zum jeweiligen Einsatzort gebracht worden, um dort die ärztliche Notfallhilfe mit den auf den Rettungsfahrzeugen zur Verfügung stehenden Ausrüstungen durchzuführen und nachfolgend für einen gesicherten Transport der Patienten Sorge zu tragen.

Soweit für Notarzteinsätze eine persönliche Schutzarbeitskleidung mitzuführen war, erreichten die damit verbundenen Kosten nicht ansatzweise ein Volumen, aufgrund dessen die ärztlichen Tätigkeit als durch ein relevantes Unternehmerrisiko geprägt zu werten sein könnte. Selbst wenn mit den - wenig substantiierten ("so geschätzt würde ich sagen") - Angaben des Beigeladenen zu 1. von einem jährlichen Kostenvolumen von 2.000 EUR auszugehen sein sollte, so macht dies ausgehend von üblichen Arbeitszeiten kaum mehr als einen Euro je Arbeitsstunde aus. Auch viele abhängig Beschäftigte (meistens mit weitaus geringeren Gehaltserwartungen als die des Beigeladenen zu 1. haben Bekleidungsaufwendungen in vergleichbarer Höhe, insbesondere wenn der Arbeitgeber einen gehobenen Bekleidungsstil von seinen Mitarbeitern erwartet.

Das Risiko, bei Behandlungsfehlern auch persönlich in Anspruch genommen zu werden, trifft im Ausgangspunkt auch abhängig beschäftigte Ärzte; es beinhaltet kein unternehmerisches Risiko im vorstehend angesprochenen Sinn.

In tatsächlicher Hinsicht war der Beigeladene zu 1. in die Betriebsabläufe der Klägerin eingebunden. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20). Die Klägerin hat auf Nachfrage des Senates insbesondere eingeräumt, dass es dem Chefarzt für Anästhesie obliege, die Durchführung der für den ärztlichen Bereich erlassenen Vorschriften und Anordnungen sicherzustellen. Dies beinhaltet zugleich, dass er insoweit auch dem Beigeladenen zu 1. bei Bedarf die erforderlichen Weisungen erteilten konnte und musste.

Die Klägerin selbst weist auf ein uneingeschränktes Weisungsrecht des Chefarztes gegenüber allen im Bereich seiner Abteilung eingesetzten Ärzten hin. Nur so konnte dieser auch seiner Verantwortung für den medizinischen Betrieb innerhalb seiner Abteilung gerecht werden. Namentlich musste der Chefarzt der Abteilung für Anästhesie dafür Sorge tragen, dass mit Hilfe der am jeweiligen Einsatz zur Verfügung stehenden Anästhesisten der Behandlungsbedarf bei allen Patienten, insbesondere auch bei allen operativen Eingriffen, fachgerecht abgedeckt wurde. In dieses arbeitsteilige Vorgehen war naturgemäß an den Tagen, für die er seine Mitarbeit jeweils zugesagt hatte, auch der Beigeladene zu 1. eingebunden.

Der Beigeladene zu 1. war in diesem Sinne einer funktionsgerechten Einordnung, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet wird, wie ein Beschäftigter in den Betrieb der Klägerin eingeordnet. Er war schon nach dem Wortlaut der Honorararztverträge bezogen auf die "Ausübung der ärztlichen Tätigkeiten" an Weisungen des Auftraggebers, d.h. der Klägerin (und damit in der Sache des von ihr eingesetzten Chefarztes), gebunden.

Etwaige Handlungsspielräume für den Beigeladenen zu 1., die gegen eine auch nur funktionsgerecht dienende Eingliederung in den Betrieb der Klägerin sprechen könnten, sind für den Senat weder erkennbar noch werden solche von den Beteiligten substantiiert vorgetragen. Die Tätigkeit eines Anästhesisten in einem Krankenhaus ist vielmehr durch die Einbindung in die arbeitsteiligen Abläufe geprägt.

Der Beigeladene zu 1. ist selbstverständlich als Facharzt eingesetzt worden. Von ihm wurde - wie auch von allen vergleichbar qualifizierten angestellten Ärzten - naturgemäß eine fachgerechte Ausübung der ärztlichen Kompetenz einschließlich der damit einhergehenden therapeutischen Entscheidungen erwartet. Das arbeitsteilige Zusammenwirken der Ärzte in einem Krankenhaus hat - wie auch andere vergleichbare Entscheidungs- und Handlungsprozesse im Wirtschaftsleben - natürlich gerade zur Voraussetzung, dass der jeweilige Chefarzt nicht alle im Zuge der Behandlung der vielen zu betreuenden Patienten anfallenden medizinischen Detailentscheidungen persönlich treffen kann. Dies berührt aber nicht die maßgebliche Eingliederung in die betrieblichen Abläufe. Nur ergänzend sei angemerkt, dass in Kliniken auch leitende Chefärzte regelmäßig abhängig beschäftigt werden und im Sinne der Rechtsprechung eine dienende Teilhabe am Arbeitsprozess ihres Arbeitgebers aufweisen.

Nach der erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung gehört es keineswegs zu den Voraussetzungen einer abhängigen Beschäftigung, dass der Arbeitgeber nach freiem Belieben den Arbeitnehmer zu Arbeitsleistungen heranziehen darf. Vielmehr ist es auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungen vielfach üblich, dass Beschränkungen der in Betracht kommenden Arbeitszeiten ausdrücklich oder konkludent vereinbart werden und dass von Seiten des Arbeitgebers auch eine Rücksichtnahme auf zeitliche Präferenzen des Arbeitnehmers zugesagt wird.

In Betracht kommen insbesondere auch abhängige Beschäftigungsverhältnisse, bei denen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Durchführung eines jeden einzelnen Arbeitsauftrages gesondert verständigen; in solchen Fällen muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden haben (BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R -, ).

Ebenso wenig hat eine abhängige Beschäftigung zur Voraussetzungen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu jedweden Tätigkeiten heranziehen darf. Es ist letztlich eine Frage der vertraglichen Vereinbarungen, wie weit oder ggfs. auch wie eng das Direktionsrecht des Arbeitgebers jeweils ausgestaltet wird. Solange keine Freiheiten im Sinne einer unternehmerischen Betätigung begründet werden, stehen auch relativ genaue Vorgaben hinsichtlich des Inhalts der geschuldeten Arbeitsleistungen (etwa bei einem Arzt eine Beschränkung auf kurative Leistungen am Patienten) der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen.

Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses gehört namentlich auch nicht, dass daneben keine weitere berufliche Betätigung wahrgenommen wird. Viele Arbeitnehmer gehen neben der hauptberuflich wahrgenommenen abhängigen Beschäftigung noch einer weiteren abhängigen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit nach.

Es ist auch nichts dafür substantiiert vorgetragen worden oder anderweitig ersichtlich, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme einer Dienstschicht in einer für Arbeitnehmer eher untypischen Weise den einzelnen Dienst abbrechen konnte. Vielmehr ist es gerade im Klinikalltag letztlich unerlässlich, dass die Diensthabenden ihren Dienst bis zur letzten Minute gewissenhaft verrichten. Wenn die Klägerin die Dienstplanung vornahm, war es zwar zunächst die freie Entscheidung des Beigeladenen zu 1., ob er einen ihm angebotenen Dienst wahrnehmen oder absagen wollte. Nach Zusage der Übernahme eines ihm angebotenen Dienstes haben die Beteiligten es aber für selbstverständlich erachtet, dass der Beigeladene zu 1. den übernommenen Dienst auch gewissenhaft wahrgenommen hat.

Die Überbürdung des Risikos, bei krankheitsbedingten Ausfällen kein Honorar zu erhalten, spricht nach der Rechtsprechung des BSG nur dann für Selbständigkeit, wenn dem - anders als im vorliegenden Fall, in dem der Beigeladene zu 1. zu einem festen Stundensatz engagiert worden ist - auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchancen gegenüberstehen. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt hingegen nicht die Annahme von Selbständigkeit (vgl. - bezogen auf eine verwaltungsberatende Tätigkeit - BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - B 12 KR 17/00 R -, Soz-Vers 2001, 329).

Die vom Sozialgericht herangezogene Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 KHEntgG bezieht sich auf "nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte". Dies hilft im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht weiter, da der Tatbestand des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III lediglich an das Vorliegen einer "Beschäftigung", nicht aber an den Tatbestand einer "Festanstellung" anknüpft. Lediglich unständige Beschäftigungen unterliegen nicht einer Versicherungspflicht nach § 25 SGB III (vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III); mangels einer objektivierbaren Beschränkung der Einsatztätigkeiten des Beigeladenen zu 1. auf weniger als eine Woche im Sinne des § 27 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 SGB III ist im vorliegenden Zusammenhang aber im Ergebnis kein Raum für die Annahme einer unständigen Beschäftigung (auch nicht in Form mehrerer unständiger Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber, vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 12 R 13/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 19).

Es lässt sich im Nachhinein nicht mehr verlässlich rekonstruieren, an welchen Einsatztagen der Beigeladene zu 1. jeweils für die Klägerin tätig geworden ist. Die entsprechenden Abrechnungen des Beigeladenen zu 1. hat die Klägerin vernichtet, obwohl ihr der vorliegende Rechtsstreit bekannt war und sie dementsprechend für eine verlässliche Aufbewahrung dieser Unterlagen hätte Sorge tragen müssen (vgl. auch den Rechtsgedanken des § 147 Abs. 3 Satz 3 AO). Die Klägerin hat sich auf Nachfrage des Senates auch nicht in der Lage gesehen, näher darzulegen, wann genau welche Vereinbarungen bezüglich welcher konkreten Einsatztagen mit dem Beigeladenen zu 1. getroffen worden sind.

Die gelegentliche Heranziehung des Beigeladenen zu 1. zu Notarzteinsätzen im Rahmen seiner für die Klägerin wahrgenommenen honorarärztlichen Tätigkeit (etwaige andere Notarzteinsätze des Beigeladenen zu 1. werden vom Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ohnehin nicht erfasst) prägte ohnehin nicht seine anästhesistische Tätigkeit für die Klägerin. Überdies sind Ärzte auch im Rahmen entsprechender notärztlicher Tätigkeiten regelmäßig fremdbestimmt tätig, zumal wenn diese zu festen Stundensätzen honoriert werden. Der Senat verweist insoweit auf seine Darlegungen im Urteil vom 18. Dezember 2013 (- L 2 R 64/10 -, ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.