Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 18.03.2003, Az.: 1 A 72/02

Bestandsschutz; Gemeingebrauch; Sondernutzung; Sondernutzungsgebühr; Zufahrtsstraße

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
18.03.2003
Aktenzeichen
1 A 72/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 47979
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur "Änderung" der Zufahrt durch Ausbau eines Wohnhauses.

Tatbestand:

1

Die Mutter des Klägers ist Eigentümerin des Flurstücks L.. Durch notariellen Vertrag vom 09.08.2001 bestellte sie diesem ein Dauerwohnrecht an sämtlichen Wohn- und Nebenzimmern im Dachgeschoss sowie an Nebenräumen im Erdgeschoss sowie der Garage. Diesem Vertrag ging der 1999 durchgeführte Ausbau des Gebäudes, die Errichtung einer neuen Doppelgarage sowie die Veränderung der Grundstückszufahrten voraus. Das Grundstück liegt außerhalb einer geschlossen Ortschaft an der Landesstraße M. zwischen N. und F.. Die Baugenehmigung für den Umbau und die Erweiterung des Wohnhauses einschließlich der Umnutzung des Dachgeschosses zu einer zweiten Wohnung hatte der Kläger im eigenen Namen beantragt und die Baugenehmigung war ihm unter dem 07.09.1995 vom Landkreis Emsland nach Beteiligung des Beklagten erteilt worden. Entsprechend der im Beteiligungsverfahren ergangenen Verfügung des Beklagten vom 31.07.1995 enthält die Baugenehmigung die Auflage, dass der Kläger die vorhandene befestigte Zufahrt zur Landesstraße ständig verkehrs- und vorflutsicher zu unterhalten habe, sowie den Hinweis, dass die Zufahrt zur Landesstraße sondernutzungsgebührenpflichtig sei und für die zweite Wohnung eine jährliche Sondernutzungsgebühr von 45,- DM erhoben werde. – Durch Verfügung des Beklagten vom 24.09.1999 wurde die Ausgestaltung der Grundstückszufahrt - u.a. mit der Anordnung der Beseitigung einer vorhanden gewesenen weiteren Zufahrt - im Einzelnen geregelt. Mit der Durchführung der Baumaßnahme begann der Kläger im Oktober 1999.

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Durch Bescheid vom 30.05.2000 setzte der Beklagte gegen den Kläger für die Zeit ab 01.10.1999 die Sondernutzungsgebühr für die Zufahrt zur Landesstraße M. fest. Dabei legte er zwei Wohneinheiten und als Gebührensatz bis zum 31.12.1999 45,- DM und ab 01.01.2000 60,- DM je Wohnung und Jahr zugrunde. Daraus resultierte für das Kalenderjahr 1999 ein Beitrag von 22,50 DM und für das laufende Kalenderjahr 2000 (sowie jedes weitere Jahr) ein solcher von 120,- DM.

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Dagegen erhob der Kläger unter dem 27.06.2000 Widerspruch, zu dessen Begründung er im Wesentlichen Folgendes geltend machte: Die Gebührenerhebung verletze den Gleichheitssatz; in F. zahle kein anderer eine derartige Sondernutzungsgebühr. Im Verhältnis zu den Nutzungsvorteilen sei die Gebühr auch unverhältnismäßig hoch. Ihrer Erhebung stehe insbesondere auch entgegen, dass für das Grundstück von Alters her ein Zufahrtsrecht bestehe. Dieses Zufahrtsrecht habe bislang für zwei Zufahrten zum Wohnhaus bestanden und mit der Baumaßnahme sei sogar eine der beiden Zufahrten entfallen. Durch die Baumaßnahme ergebe sich auch keine höhere Nutzung der Zufahrt; das Haus werde lediglich von drei Erwachsenen bewohnt. Auch sei er, der Kläger, nicht Eigentümer des Hauses.

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Durch Bescheid vom 19.11.2001 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Sondernutzungsgebühren würden für die Tatsache der Sondernutzung erhoben und die Zufahrt zu einer Landesstraße außerhalb geschlossener Ortschaft sei eine solche Sondernutzung. Die die Gebührenpflicht auslösende Änderung liege hier vor, weil die Zufahrt gegenüber dem bisherigen Zustand einem erheblich größeren oder andersartigen Verkehr dienen soll. Die Änderung ergebe sich hier aus dem Umbau und der Erweiterung des Wohnhauses. Die den Sondernutzungsvorteil abgeltende Gebühr sei mit 45,- DM bzw. 60,- DM je Wohnung/Jahr tarifmäßig vorgegeben. Zu Recht sei die Gebühr auch für zwei Wohnungen erhoben worden, da der Bestandsschutz für die vorhandene Zufahrt verlorengegangen sei. Soweit für die Zufahrten zu anderen Grundstücken keine Sondernutzungsgebühren erhoben würden, beruhe dies mutmaßlich auf dem Bestandsschutz. Der Kläger sei auch Gebührenschuldner, da er die tatsächliche Nutzung in Anspruch nehme.

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Der Kläger hat am 05.12.2001 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein vorprozessuales Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt er vor: Die bloß verlegte Zufahrt sei keine Änderung der Zufahrt und sie diene insbesondere auch keinem erheblich größeren oder andersartigen Verkehr. Vielmehr sei die Inanspruchnahme der Grundstückszufahrten durch die Aufgabe der Erwerbslandwirtschaft rückläufig. Es sei auch keine typische Wohneinheit neu geschaffen worden, denn es fehle den Räumen im Dachgeschoss dazu an der erforderlichen Abgeschlossenheit. Auch sei er nicht richtiger Adressat, da seine Mutter als Eigentümerin die Erlaubnisnehmerin sei. Schließlich sei die Erhebung der Gebühr allenfalls für eine Wohneinheit gerechtfertigt.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 30.05.2000 i.d.F. dessen Widerspruchsbescheides vom 19.11.2001 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er vertieft die Ausführungen des Widerspruchsbescheides.

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Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

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Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG ist die über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung der Straße - in der Regel erlaubnispflichtige (Satz 2 ff.) - Sondernutzung. Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 NStrG gelten Zufahrten und Zugänge zu Landes- und Kreisstraßen außerhalb der Ortsdurchfahrten als Sondernutzung im Sinne des § 18 NStrG, wenn sie neu angelegt oder geändert werden. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 NStrG liegt eine Änderung auch vor, wenn eine Zufahrt gegenüber dem bisherigen Zustand einem erheblich größeren oder einem andersartigen Verkehr als bisher dienen soll. Gemäß § 21 Satz 1 NStrG können für Sondernutzungen Sondernutzungsgebühren erhoben werden, die in Ortsdurchfahrten den Gemeinden, im Übrigen dem Träger der Straßenbaulast zustehen (Satz 2). Durch § 21 Satz 3 NStrG wird der für den Straßenbau zuständige Minister ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen durch Gebührenordnung die Erhebung von Sondernutzungsgebühren zu regeln, soweit sie dem Land als Träger der Straßenbaulast zustehen. Von dieser Ermächtigung ist durch die Verordnung über die Erhebung von Gebühren für Sondernutzungen an Bundesfernstraßen und an Landstraßen vom 15.06.1983 (Nds. GVBl. S. 137), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13.11.2001 (Nds. GVBl. S. 721), - GebFstrVO - Gebrauch gemacht worden. Nach § 1 GebFstrVO werden für Sondernutzungen an Bundesfernstraßen und an Landesstraßen außerhalb der Ortsdurchfahrten Sondernutzungsgebühren nach dem der Verordnung als Anlage angefügten Gebührentarif erhoben. Der Gebührentarif weist in der Fassung der am 01.01.2000 in Kraft getretenen 3. Änderungsverordnung vom 24.11.1999 (GVBl. S. 403) unter Nr. 1.1 für Zufahrten außerhalb der Ortsdurchfahrten von bebauten oder in der Bebauung befindlichen, für Wohnzwecke bestimmten Grundstücken je Wohneinheit eine Jahresgebühr (vgl. § 2 Abs. 1 GebFstrVO) von 60,- DM aus. Bis zum 31.12.1999 betrug die Gebühr gemäß dem Gebührentarif in der Fassung der 2. Änderungsverordnung vom 18.11.1993 (GVBl. S. 584) 45,- DM je Wohneinheit. Gebührenschuldner ist gemäß § 4 GebFstrVO der Erlaubnisnehmer oder sein Rechtsnachfolger.

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Nach Maßgabe dieser Regelungen hat der Beklagte den Kläger zutreffend mit den festgesetzten Sondernutzungsgebühren für die Zufahrt zur Landesstraße M. veranlagt.

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Entgegen der Auffassung des Klägers wird das Grundstück O. infolge des Wohnhausausbaus im Sinne der §§ 18, 20 NStrG über den Gemeingebrauch hinaus genutzt. Wie bereits das Nds. Oberverwaltungsgericht in seinem zum Verfahren 12 L 6580/96 ergangenen Beschluss vom 04.02.1997 zutreffend dargelegt hat, ist für die Beurteilung, ob eine seit Alters her bestehende, außerhalb einer festgesetzten Ortsdurchfahrt liegende Zufahrt infolge einer Baumaßnahme auf dem Grundstück gegenüber dem bisherigen Zustand einem erheblich größeren Verkehr dient, der objektive Zustand der Grundstückssituation maßgebend. Dazu hat das Nds. Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass mit dem Begriff „dienen“ ein Zustand von Dauer beschrieben wird, der nicht von ständig wechselnden Verhältnissen und nicht von den subjektiven Vorstellungen der Betroffenen abhängig ist, und dass es deshalb gerechtfertigt ist, auf die objektiven Verhältnisse abzustellen. Weist ein Grundstück bislang nur eine Wohneinheit auf, verursacht das Hinzutreten einer weiteren Wohneinheit einen erheblich größeren Verkehr, da nach dem maßgebenden objektiven Maßstab der zu erwartende Verkehr verdoppelt wird, da erfahrungsgemäß die Bewohner jeder Wohneinheit mindestens ein Kraftfahrzeug halten und benutzen wollen und fernerhin einen auf die jeweilige Wohneinheit bezogenen weiteren Kraftfahrzeugverkehr auslösen. Auf die subjektiven Vorstellungen und Gewohnheiten der Inhaber der Wohnungen kommt es nicht an, da diese jederzeit wechseln können. Wie das Nds. Oberverwaltungsgericht des Weiteren in seinem Beschluss unter Hinweis auf § 47 Abs. 2 NBauO i.V.m. dem Runderlass des Sozialministers vom 25. Februar 1988 (Nds. MBl. S. 282) ausgeführt hat, hebt auch das Baurecht - etwa hinsichtlich der Notwendigkeit von Stellplätzen - auf die objektiven Verhältnisse und nicht auf die subjektiven Vorstellungen der jeweiligen Bewohner ab. Die erkennende Kammer folgt dem Nds. Oberverwaltungsgericht darüber hinaus auch darin, dass das Abstellen auf die objektiven Verhältnisse außerdem auch aus Gründen der Praktikabilität zulässig und erforderlich ist.

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Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes liegt mithin infolge des Ausbaus des Wohnhauses eine Änderung der Zufahrt vor, weil das Wohnhaus bei objektivierter Betrachtung durch den zusätzlich geschaffenen Wohnraum einem erheblich größeren Verkehr dient bzw. dienen soll. Hat eine objektive Beurteilung zu erfolgen, ist es unerheblich, dass das Grundstück gegenwärtig lediglich von drei Erwachsenen bewohnt wird und ob infolge der Baumaßnahme die Anzahl der erwachsenen Bewohner oder die Anzahl der von den Bewohnern gehaltenen Kraftfahrzeuge zugenommen hat oder nicht. Dabei steht der Annahme, dass durch die 1999 erfolgte bzw. begonnene Baumaßnahme eine zusätzliche Wohneinheit auf dem Grundstück geschaffen worden ist, auch nicht entgegen, dass für die neu geschaffene Wohnung keine Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt worden ist. Dass hier eine zusätzliche, zur Begründung eines selbständigen Haushaltes geeignete Wohneinheit geschaffen worden ist, kann nicht zweifelhaft sein und wird so auch vom Kläger nicht infrage gestellt. Allein dies ist für die hier maßgebende sondernutzungsrechtliche Beurteilung entscheidend. Ob die Wohneinheit als abgeschlossen im Sinne von §§ 3 Abs. 2, 7 WEG anzusehen ist und ob an ihr Sondereigentum begründet werden kann, ist für die sondernutzungs- und straßenrechtliche Beurteilung ohne Belang.

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Soweit der Kläger die Annahme eines erheblich größeren Verkehrs mit der Erwägung infrage stellen will, die Inanspruchnahme der Zufahrt(en) habe infolge der Aufgabe der Erwerbslandwirtschaft nicht zu-, sondern abgenommen, greift sein Einwand ebenfalls nicht durch. Die sich nach den objektiven Maßständen infolge der Erhöhung der Wohneinheiten ergebende Verkehrszunahme kann schon deshalb nicht durch den Wegfall des landwirtschaftlich bedingten Verkehrs kompensiert werden, weil dies ein andersartiger war. Bestandsschutz hat nach § 20 NStrG nur der gleichartige Verkehr.

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Soweit der Kläger geltend macht, die Durchführung des Bauvorhabens könne - wenn überhaupt - die Sondernutzungsgebühr allenfalls für zusätzlich geschaffene Wohneinheit auslösen, da die Zufahrt für die bisherige Wohnung unter den Bestandsschutz falle, ist sein Einwand gleichfalls unbegründet. Durch die Änderung der Zufahrt ist der Bestandsschutz der sondernutzungsgebührenfreien Zufahrt insgesamt entfallen. Sondernutzungspflichtig ist die durch die Änderung modifizierte Zufahrt entsprechend dem Gebührentarif. Die modifizierte Zufahrt betrifft zwei Wohneinheiten des für Wohnzwecke bestimmten Grundstücks. Demgemäß fällt für das Grundstück ab Baubeginn auch eine Sondernutzungsgebühr in der festgesetzten Höhe an.

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Nicht durchgreifend ist auch der Einwand des Klägers, mangels Eigentums könne er nicht Gebührenschuldner sein. Der Kläger hat die Bauerlaubnis beantragt und mit der Bauerlaubnis ist ihm die Sondernutzung erteilt worden. § 4 GebFstrVO knüpft die Gebührenschuld an die Erlaubnisnahme an und demgemäß ist die Heranziehung des Klägers nicht zu beanstanden.

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Soweit der Kläger schließlich eine Ungleichbehandlung rügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass er schon keinen Fall aufgezeigt hat, in dem der Beklagte bei gleicher Sachlage eine Gebühr nicht erhoben hätte.

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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.