Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.02.2002, Az.: L 4 KR 212/00
Übernahme der Kosten für stationäre Mutter-Kind-Kur
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 27.02.2002
- Aktenzeichen
- L 4 KR 212/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 41598
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2002:0227.L4KR212.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 29.08.2000 - AZ: S 1 KR 109/99
Fundstellen
- NZS 2002, 427-429
- SGb 2003, 36
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine gesetzliche Krankenkasse hat die Kosten einer stationären Mutter-Kind-Kur (Müttergenesungskur) in vollem Umfang (lediglich abzüglich der gesetzlich vorgesehenen Zuzahlung) zu übernehmen, § 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB V.
- 2.
§ 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist verfassungswidrig, soweit eine gesetzliche Krankenkasse ermächtigt wird, ihre Leistung bei einer stationären Mutter-Kind-Kur auf einen Zuschuß zu beschränken.
- 3.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist die Krankenkasse nur ermächtigt, in ihrer Satzung zu regeln, ob sie die stationäre Mutter-Kind-Kur als Sachleistung oder als Kostenerstattungsleistung erbringt (verfassungskonforme Auslegung).
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
ohne mündliche Verhandlung am 27. Februar 2002
durch
die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -,
den Richter Wolff,
den Richter Schreck
sowie den ehrenamtlichen Richter Heise
und die ehrenamtliche Richterin Bartels
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 29. August 2000 und der Bescheid der Beklagten vom 8. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1999 werden geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.143,70 DM zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge zu sechs Siebteln zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Höhe des Zuschusses für eine durchgeführte Mutter-Kind-Kur.
Die 1966 geborene und seinerzeit bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin führte vom 21. April bis 13. Mai 1999 mit ihrem 1997 geborenen Sohn Andre eine Kur in dem Mutter-Kind-Kurheim in C. durch.
Der Kostenübernahmeantrag für die Mutter-Kind-Kur wurde von der Klägerin über das Diakonische Werk, Beratungsstelle D., am 5. Januar 1999 gestellt. Beigefügt waren Atteste der behandelnden Ärztin E. vom 4. Januar 1999. Die Beklagte lehnte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 11. März 1999 ab, da für die beantragte Maßnahme der Rentenversicherungsträger zuständig sei. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 28. März 1999 Widerspruch ein, dem die Beklagte mit Bescheid vom 8. April 1999 abhalf. Die Beklagte sagte zu, die Kosten in Höhe von 50 % der anfallenden Kosten zu übernehmen. Die Kostenzusage erstrecke sich auf die ärztliche Behandlung, die Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln (zB Krankengymnastik, Bäder, Massagen) sowie Unterkunft und Verpflegung.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 13. April 1999 Widerspruch ein. Sie verfolge die volle Kostenübernahme, da sie die Satzungsregelung der Beklagten für rechtswidrig halte. Diese berücksichtige nicht, dass Mütterkuren neben den medizinischen Regelleistungen nach § 23 Abs. 2, Abs. 4 bzw § 27 ff Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V - eine gleichrangige Maßnahme eigener Art seien. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 10. Juni 1999 zurück. Die Zuschussregelung entspreche der am 7. Dezember 1998 genehmigten Satzung der Beklagten. Der § 20 der Satzung sei dahingehend geändert worden, dass die Beklagte ab dem 1. Januar 1999 für Mutter-Kind-Kuren einen Zuschuss in Höhe von 50 % der anfallenden Kosten gewähre. Diese Änderungen seien am 10. Dezember 1998 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 13. Juli 1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Begriff Zuschuss werde von der Beklagten dahingehend missverstanden, dass es ihr freistehe eine Zuschusshöhe von größer Null bis kleiner 100 % zu bestimmen. Diese Ansicht sei unrichtig. Die Leistungen nach §§ 24, 41 SGB V seien medizinische Regelleistungen, die von den Krankenkassen nicht wegrationalisiert werden könnten. Daraus folge, dass die notwendigen Kosten der medizinischen Anwendungen und die der Mehrverpflegungskosten von den Krankenkassen in gleicher Weise zu tragen seien wie bei ambulanten und stationären Maßnahmen nach § 23 Abs. 2, Abs. 4 bzw § 40 Abs. 2 SGB V. Ein Zuschuss von lediglich 50 % decke die Kosten der medizinischen Behandlungen und den Mehrverpflegungsaufwand nicht mehr ab. Die Satzungsregelung der Beklagten führe damit faktisch dazu, dass die Regelleistungen nach §§ 24, 41 SGB V von der Beklagten nicht mehr vollständig erbracht und die Maßnahmen gegenüber Leistungen nach §§ 23, 27, 40 SGB V benachteiligt würden. Aus der Entstehungsgeschichte der Rechtsnormen ergäbe sich, dass die neue Satzungsregelung der Krankenkasse jedenfalls die notwendigen medizinischen Leistungen abdecken müsse. Die von der Beklagten gewählte Zuschussregelung werde auch dem Zweck des eingeräumten Ermessens nicht mehr gerecht. Die Tagessätze der Einrichtungen des Muttergenesungswerkes bewegten sich im Bereich von DM 125,00 bis DM 145,00 und lägen somit zumeist sogar noch unter den Tagessätzen der stationären Kurkliniken. Die von der Beklagten vorgenommene Einschränkung sei daher durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigt. Die Zuschussregelung führe dazu, dass letztlich nur diejenigen Frauen eine Mütterkur in Anspruch nehmen könnten, bei denen der Sozialhilfeträger die übrigen Kosten der Kur nach § 36 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) übernehme.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid (GB) vom 29. August 2000 abgewiesen. Die Beklagte habe mit ihrer Satzungsregelung die generellen Vorgaben an die mit der Satzung zu treffende Ermessensentscheidung eingehalten. Sie habe im Schriftsatz vom 22. März 2000 mitgeteilt, die Kosten ambulanter Vorsorgeleistungen seien im Durchschnitt mit 600,00 bis 700,00 DM zu veranschlagen. Im Vergleich dazu liege der Zuschuss bei der hiesigen 50 %-Regelung höher, nämlich bei 1.260,00 DM. Dabei sei der durchschnittliche Pflegesatz von 120,00 DM täglich eingeflossen. Schließlich sei bei dem gesamten Regelungskomplex der Kuren zu berücksichtigen, dass diesen neben der medizinischen Aufgabe der Gesunderhaltung eine allgemeinere, außerhalb des Aufgabenbereichs der gesetzlichen Krankenversicherung liegende Erholungsfunktion zukomme.
Die Klägerin hat gegen diesen ihr am 6. September 2000 zugestellten GB am 6. Oktober 2000 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Es verstehe sich von selbst, dass bei einer Anteilsfinanzierung von nur 50 % der Kosten (hier: 2.534,70 DM) die Regelleistung der Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahme für Mütter faktisch für die Mehrzahl der Versicherten nicht mehr durchführbar sei. Die Maßnahme könne damit nur noch von bestimmten Frauen in Anspruch genommen werden. Das Maß dessen, was der Gesetzgeber den Versicherten als Eigenleistung zumute, finde sich in den Regelungen der §§ 23 Abs. 2, 39 Abs. 4 SGB V. Die Auslegung der Beklagten hingegen wirke faktisch als Ausschluss der Leistung für die Mehrzahl der Versicherten. Zweck der Zuschussregelung sei es nicht, die Gewährung der Leistung faktisch in das Belieben der Krankenversicherung zu stellen, in dem ein Zuschuss von Null bis 100 % möglich sei. Diese Auslegung laufe dem Bestimmtheitsgebot zuwider.
Die Klägerin überreicht ein Schreiben des Diakonischen Werkes des Kirchenkreises F. vom 6. November 2001. Sie weist darauf hin, dass auf Grund der zunehmenden Anteilsfinanzierung immer häufiger trotz dringender Kurbedürftigkeit der Frauen von einer Kur Abstand genommen werde.
Die Klägerin beantragt,
- den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 21. August 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1999 zu verurteilen, der Klägerin für die durchgeführte Mutter-Kind-Kur weitere 2.534,70 DM zu erstatten;
- hilfsweise, mindestens weitere 30 % der Gesamtkosten zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen GB für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Prozessakten des ersten und zweiten Rechtszuges verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist überwiegend auch begründet
Der Anspruch ergibt sich aus § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB V in der hier anzuwendenden bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung. Danach kann die Krankenkasse unter den in § 27 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen aus medizinischen Gründen erforderliche Maßnahmen in Form einer Rehabilitationskur in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung erbringen (Satz 1). Die Satzung der Krankenkasse kann vorsehen, dass die Kosten der Kur übernommen werden oder dazu ein Zuschuß gezahlt wird (Satz 2).
Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 SGB V lagen vor. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten Einverständnis. Insbesondere war die stationäre Mutter-Kind-Kur notwendig im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung einer stationären Mutter-Kind-Kur liegen daher vor.
Nach seinem Wortlaut räumt § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB V der Krankenkasse bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Ermessensspielraum nicht nur hinsichtlich des "Wie" der Leistung ein. Ein Ermessen besteht nach dem Wortlaut auch für die Frage, "ob" sie die stationäre Mutter-Kind-Kur gewähren will. Für Rehabilitationsleistungen vertreten Rechtsprechung und Literatur jedoch übereinstimmend die Auffassung, dass ein Ermessen über das "Ob" der Leistung zu Lasten des Versicherten grundsätzlich nicht ausgeübt werden kann. Vielmehr muss ein Rehabilitationsträger nach dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Gesundheit des Versicherten wieder herzustellen (vgl. Hölfer in Kasseler Kommentar, Stand August 2000, § 40 Rr. 19 f. mit weiteren Nachweisen auch aus der Rechtsprechung). Soweit finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, besteht also kein Ermessensspielraum für die Krankenkasse.
Demgemäß hat die Beklagte die stationäre Mutter-Kind-Kur im vorliegenden Fall auch gewährt, ohne ihr Ermessen zum Nachteil der Klägerin auszuüben. Die Beklagte hat ihre Kostenübernahme für die stationäre Mutter-Kind-Kur der Klägerin aber gleichwohl auf 50 % der anfallenden Kosten beschränkt. Sie hat sich hierbei auf § 20 Abs. 2 ihrer Satzung in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung (24. Nachtrag) gestützt. § 20 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ist jedoch rechtsunwirksam. Denn § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V ermächtigt eine Krankenkasse nicht, in ihrer Satzung die Leistung für eine stationäre Mutter-Kind-Kur auf einen beliebigen Zuschuss festzusetzen. § 20 Abs. 2 der Satzung ist daher nichtig. Es fehlt an einer Ermächtigungsgrundlage.
Die Leistungen nach § 41 Abs. 1 SGB V sind Leistungen zur Rehabilitation. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V gehören sie zu den Leistungen nach § 11 Abs. 1 SGB V. Sie sind damit gesetzliche Leistungen nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (früher als Regelleistungen bezeichnet) und keine satzungsgemäßen Leistungen (früher Mehrleistungen genannt), die nach § 56 SGB V in der im Jahre 1999 geltenden Fassung in der Satzung einer Krankenkasse vorgesehen werden konnten. Die Frage, ob überhaupt satzungsgemäße Leistungen (Mehrleistungen) gewährt werden, steht im Ermessen des Satzungsgebers, der demzufolge auch regeln kann, in welchem Umfang ein Anspruch auf diese Leistungen besteht. Die Höhe der gesetzlichen Leistungen (der Regelleistungen) hat demgegenüber der Gesetzgeber zu bestimmen. Das folgt bereits aus der Systematik der §§ 27 a ff SGB V. Denn bei allen Regelleistungen, für deren Kosten die Gesetzliche Krankenversicherung nur in begrenzter Höhe einstehen soll, hat der Gesetzgeber eine entsprechende ausdrückliche Regelung im SGB V getroffen, so z. B. bei kieferorthopädischer Behandlung (§ 29 SGB V) und bei Zahnersatz (§ 30 SGB V). Soweit bei Regelleistungen Zuzahlungen erfolgen sollen, hat der Gesetzgeber dies ebenfalls ausdrücklich im Gesetz geregelt, so z. B. bei Arznei- und Verbandmitteln (§ 31 SGB V), Heilmitteln (§ 32 SGB V), Hilfsmitteln (§ 33 SGB V), Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) und medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen (§ 40 SGB V). Demgemäß bestimmt auch § 55 Satz 2 SGB V in der im Jahre 1999 geltenden Fassung, dass die Einführung neuer Zuzahlungen nur bei satzungsgemäßen Mehrleistungen zulässig ist. Der Gesetzgeber ist also zu Recht selbst davon ausgegangen, dass die Bestimmung der Höhe bzw. des Umfangs einer gesetzlichen Leistung (einer Regelleistung) zu den wesentlichen Grundregelungen des Leistungsrechts der Gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Nach der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts sind wesentliche Entscheidungen jedoch dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten.
§ 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V entspricht diesem Gebot nicht. Denn hiernach kann die Satzung einer Krankenkasse vorsehen, dass die Kosten einer Müttergenesungskur entweder voll übernommen werden oder aber dazu nur ein Zuschuss gezahlt wird. Wenn aber eine Leistung ihrer Höhe nach vollständig im unbegrenzten Belieben einer Krankenkasse steht, so steht damit die Leistung selbst im Belieben der Krankenkasse. Durch die Begrenzung des Zuschusses auf eine beliebige Höhe hat es die Krankenkasse in der Hand, die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung für eine Vielzahl ihrer Versicherten zu vereiteln. Je geringer die Zuschusshöhe ist, desto weniger kann die Leistung - die stationäre Mutter-Kind-Kur - von Versicherten in Anspruch genommen werden, weil sie für den Restbetrag nicht aufkommen können. Das gilt in besonderem Maße für die stationäre Mutter-Kind-Kur. Sie soll allen Müttern und damit auch den Müttern mit geringem Einkommen eine Möglichkeit bieten, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus der Doppelbelastung von Berufstätigkeit und Kinderbetreuung zu beseitigen, zu bessern oder Verschlimmerungen vorzubeugen. Eine Regelung jedoch, die eine faktische Abschaffung einer Regelleistung durch eine Satzungsbestimmung für einen großen Teil der betroffenen Versicherten ermöglicht, widerspricht nicht nur dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, sondern auch der Wesentlichkeitstheorie.
Das wird durch einen Vergleich mit § 40 SGB V bestätigt. Der Gesetzgeber hat für die Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V keine Regelung wie die des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgesehen. Bei den Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V ist die Krankenkasse also nicht ermächtigt, die Leistung per Satzung auf einen Zuschuss zu beschränken. Während § 40 SGB V Leistungen für alle Versicherten eröffnet, dient § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB V mit der Gewährung spezieller Rehabilitationsmaßnahmen - den Müttergenesungskuren - den besonderen Bedürfnissen von Mutter und Kind. Die Familie, Mutter und Kind stehen jedoch unter dem besonderen und grundgesetzlich garantierten Schutz des Art. 6 GG. Auch von daher ist es verfassungswidrig, die Mutter-und-Kind-Kuren in das Satzungsermessen der Krankenkassen zu stellen, während den Krankenkassen bei den allgemeinen Rehabilitationsmaßnahmen des § 40 SGB V ein solches Satzungsermessen nicht eingeräumt ist.
Der Ansicht der Beklagten, sie habe in ihrer Satzung den Zuschuss für stationäre Mutter-Kind-Kuren auf 50 % festsetzen können, vermag der Senat daher nicht zu folgen. Die Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist in der Auslegung, die ihr die Beklagte gibt, verfassungswidrig.
Nach Auffassung des Senats kann § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V jedoch verfassungskonform ausgelegt werden, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG ausscheidet.
Die Ermächtigung des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB V geht nicht ins Leere. Zwar können die Krankenkassen in ihren Satzungen nicht entscheiden, ob sie die Müttergenesungskuren in voller Höhe (abzüglich des Zuzahlungsbetrages) übernehmen. Sie können jedoch regeln, ob sie die Kuren als Sachleistungen oder in Form von Kostenerstattungen gewähren wollen. Eine solche Entscheidungsbefugnis hat eine gesetzliche Krankenkasse in der Regel nicht. Denn das SGB V geht grundsätzlich vom Sachleistungsprinzip aus. Kostenerstattungsregelungen gibt es nur ausnahmsweise. Insbesondere unter Berücksichtigung von § 41 Abs. 3 SGB V bestehen keine Bedenken, dass die Krankenkassen bei Müttergenesungskuren in ihren Satzungen bestimmen können, ob sie Sachleistung oder Kostenerstattung wählen. Dafür, dass der Gesetzgeber den Krankenkassen insoweit eine Regelungskompetenz einräumen wollte, spricht § 41 Abs. 3 SGB V. Danach zahlen Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und eine stationäre Mutter-Kind-Kur in Anspruch nehmen, deren Kosten voll von der Krankenkasse übernommen werden, je Kalendertag den sich aus § 39 Abs. 4 SGB V ergebenden Betrag an die Rehabilitationseinrichtung (Satz 1). Die Zahlungen sind an die Krankenkasse weiterzuleiten (Satz 2). Die Satzung kann mithin vorsehen, dass die Krankenkasse die stationäre Mutter-Kind-Kur als Sachleistung gewährt mit der Folge, dass die Versicherte die Zuzahlungen nach § 41 Abs. 3 SGB V an die Rehabilitationseinrichtung zu zahlen hat; diese muss die Zuzahlungen dann an die Krankenkasse weiterleiten. Die Satzung kann aber auch Kostenerstattung vorsehen. In diesem Falle zahlt die Krankenkasse die Kosten in der entstandenen Höhe an die Versicherte und kürzt ihn vorab um den Betrag, auf den sich die Zuzahlungen belaufen.
Im vorliegenden Fall ist keine Sachleistung, sondern Kostenerstattung erfolgt. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der Kosten der stationären Mutter-Kind-Kur erstattet. Der Klägerin steht nach § 41 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB V jedoch ein Anspruch auf die vollen Kosten abzüglich des nach § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Betrages zu. Nach § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. § 39 Abs. 4 SGB V hat die Klägerin für 23 Tage stationärer Mutter-Kind-Kur je 17,00 DM selbst zu tragen, mithin 391,00 DM. Um diesen Betrag vermindert sich der von ihr geltend gemachte Anspruch.
Der Berufung war daher in Höhe von 2.143,70 DM stattzugeben (2.534,70 minus 391,00 DM).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). ...