Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.02.2002, Az.: L 10 LW 15/01
Hauptberufliche Tätigkeit im Unternehmen als Voraussetzung einer Einordnung als landwirtschaftlicher Unternehmer nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 07.02.2002
- Aktenzeichen
- L 10 LW 15/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 41597
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2002:0207.L10LW15.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 29.03.2001 - AZ: S 10 LW 11/00
Rechtsgrundlage
- § 1 Abs. 2 Satz 3 ALG
Prozessführer
B.,
Prozessgegner
Alterskasse für den Gartenbau,
vertreten durch den Geschäftsführer, Frankfurter Straße, Kassel
In dem Rechtsstreit
hat der 10. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2002
durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht D.,
den Richter am Landessozialgericht E.,
den Richter am Landessozialgericht F. sowie
die ehrenamtlichen Richter G. und H.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 29. März 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger versicherungspflichtig gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Gesetz über die Altersicherung der Landwirte (GAL) ist.
Der 1970 geborene Kläger ist Gesellschafter der Pilzfarm I. GmbH, die mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 26. Juli 1997 gegründet worden war und deren Gegenstand die Produktion, die Weiterverarbeitung und der Vertrieb von Speisepilzen und Pilzsubstraten ist. Der Gesellschaftsanteil des Klägers betrug zunächst 60 %, später 80 % und beläuft sich gegenwärtig auf 100 % des Stammkapitals. Geschäftsführer der GmbH war bis zu seinem Ausscheiden aus der GmbH Ende 1999/Anfang 2000 der Mitgesellschafter J.. Seither ist der Vater des Klägers, K., zum Geschäftsführer bestellt. Der Kläger studierte von 1995 bis August 2000 an der Technischen Universität L. Wirtschaftsingenieurswesen, absolvierte im unmittelbaren Anschluss hieran bis Mai 2001 ein Auslandsstudium in den USA und ist seither als Bauleiter bei der Firma M. Stahlbau versicherungspflichtig beschäftigt.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 9. Dezember 1999 fest, dass der Kläger seit August 1999 als Landwirt versicherungspflichtig sei und veranlagte ihn gleichzeitig zu entsprechenden Beitragszahlungen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, nicht im Unternehmen der Pilzfarm I. GmbH tätig zu sein, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2000 unter Hinweis darauf zurück, dass der Kläger als Mehrheitsgesellschafter der GmbH alle Entscheidungen maßgeblich beeinflussen könne.
Im nachfolgenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Stade die angefochtenen Bescheide der Beklagten mit Urteil vom 29. März 2001 aufgehoben und in den Entscheidungsgründen aufgeführt, dass der Kläger nicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 GAL als Landwirt gelte, weil er in dem Unternehmen nicht hauptberuflich tätig sei.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 27. April 2001 zugestellte Urteil am 23. Mai 2001 Berufung eingelegt. Sie meint weiterhin, dass der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer gelten müsse, weil er aufgrund der Höhe seiner Beteiligung am Stammkapital der GmbH maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen innerhalb des Unternehmens habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Stade vom 29. März 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Stade vom 29. März 2001 zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 7. Februar 2002 persönlich angehört. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG Stade zum Az. S 10 LW 19/00 ER vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist in den angefochtenen Bescheiden unzutreffend von einer Versicherungspflicht des Klägers ausgegangen. Dieser gilt nicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 ALG als landwirtschaftlicher Unternehmer.
Beschränkt haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder Mitglieder einer juristischen Person gelten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 ALG als Landwirt, wenn sie hauptberuflich im Unternehmen tätig und wegen dieser Tätigkeit nicht kraft Gesetzes in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind. Der Kläger ist als früherer Mehrheitsgesellschafter und jetziger Alleingesellschafter der Pilzfarm I. GmbH Mitglied einer juristischen Person. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass er in dem landwirtschaftlichen Unternehmen hauptberuflich tätig war oder ist. Allein die gesellschaftsrechtliche Stellung als Mitglied einer ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibenden juristischen Personen begründet nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 3 ALG nicht die Stellung als landwirtschaftlicher Unternehmer. Deswegen muss in diesem Zusammenhang die im Gesellschaftsvertrag begründete, mit der Stellung eines Mehrheitsgesellschafters bzw. Alleingesellschafters verbundene Einflussmöglichkeit auf bestimmte Rechtsgeschäfte als Kriterium der Unternehmereigenschaft außer Betracht bleiben. Allein entscheidend ist vielmehr die neben der Eigenschaft als Mitglied der juristischen Person kumulativ erforderliche hauptberufliche Tätigkeit im Unternehmen. Tatsächlich ist der Kläger nach seinem von der Beklagten unwidersprochen gebliebenen, in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage noch einmal bestätigen und auch nicht in Widerspruch zu dem Akteninhalt im Übrigen stehenden Vorbringen zu keinem Zeitpunkt in dem Unternehmen der Pilzfarm I. GmbH tätig geworden. Er hatte insbesondere auch zu keinem Zeitpunkt die Stellung des Geschäftsführers inne. Lässt sich somit bereits überhaupt kein Tätigwerden des Klägers im Unternehmen feststellen, so würde ein solches jedenfalls nicht als hauptberuflich angesehen werden können. Der Kläger war vielmehr bis August 2000 Student der Wirtschaftsingenieurwissenschaften in Braunschweig, studierte anschließend in den USA und ist seit Juni 2001 in versicherungspflichtiger Beschäftigung als Bauleiter in einem Stahlbauunternehmen tätig. Lässt ein Studium nach allgemeiner Auffassung keinen Platz für eine anderweitige hauptberufliche Beschäftigung (vgl. Alterssicherung der Landwirte, Kommentar, bearbeitet von Böttger u. a., § 1 ALG, S. 1.5 mit Nachweisen), so stellt seit Juni 2001 die Tätigkeit als Bauleiter den Hauptberuf des Klägers dar.
Soweit sich die Beklagte bezüglich ihrer Auffassung auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) und ein Urteil des erkennenden Senats beruft, kann sie hieraus nichts zur Stützung ihrer Ansicht herleiten. In beiden Fällen hatte ein mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt vorgelegen. Das Urteil des BSG vom 15. November 1979 (Az. 11 RK 6/78 abgedruckt in BSGE 49, 126 ff) betraf den Fall, dass die dortigen Kläger nicht nur Kommanditisten einer KG, sondern darüber hinaus Geschäftsführer der Komplementär-GmbH waren. Sie waren tatsächlich kraft ihrer Geschäftsführerstellung in dem landwirtschaftlichen Unternehmen tätig, so dass sich das BSG auf die Beantwortung der Frage nach der Hauptberuflichkeit beschränken konnte. Ebenso verhielt es sich in dem dem Urteil des erkennenden Senats vom 11. Juni 1992 (Az. L 10 Lw 12/91, abgedruckt in Nds. Rpfl. 1992, S. 299 f) zugrundeliegenden Sachverhalt. Auch hier war der Kläger Kommanditist und zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Im vorliegenden Fall ist der Kläger - wie ausgeführt - jedoch weder Geschäftsführer, noch in irgendeiner sonstigen Weise im Unternehmen tätig. Der erkennende Senat hat in einem weiteren Urteil vom 7. Februar 1991 (Az. L 10 Lw 31/89 - abgedruckt in Nds. Rpfl. 1992, S. 143 f) entschieden, dass ein Student, der Mitgesellschafter einer ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts war, im Hinblick auf seine hauptberufliche Tätigkeit als Student nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer angesehen werden könne. Das Tätigwerden im landwirtschaftlichen Unternehmen stelle sich neben dem Studium lediglich als nebenberuflich dar. Das würde im vorliegenden Fall entsprechend gelten. Liegt aber - wie im vorliegenden Fall - bereits überhaupt keine Tätigkeit des Klägers im landwirtschaftlichen Unternehmen vor, so stellt sich die Frage eines haupt- oder nebenberuflichen Tätigwerdens gar nicht erst.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor. Insbesondere betrifft das Urteil eine Einzelfallentscheidung und setzt sich auch nicht in Widerspruch zu höchstrichterlicher Rechtsprechung.