Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 15.08.2008, Az.: 6 B 3735/08
Entwicklungsstörung; Förderbedarf; Förderschulzuweisung; geistige Entwicklung; Intelligenzminderung; Lernen; Retardierung; Sonderpädagogischer Förderbedarf; Veränderung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 15.08.2008
- Aktenzeichen
- 6 B 3735/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 55107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 68 Abs 1 SchulG ND
- § 14 Abs 1 S 2 SchulG ND
- § 2 Abs 1 SonderPädV ND
- § 1 SonderPädV ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der sonderpädagogische Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 NSchG unterscheidet sich grundlegend von einem sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Lernen.
2. Eine andere sonderpädagogische Bewertung desselben Schulleistungsbefundes reicht nicht aus, um im Verfahren nach der VO-SF einen sonderpädagogischen Förderbedarf anderer Art festzustellen.
Gründe
I.
Die am 17. August 1997 in D. geborene Antragstellerin besuchte nach Zurückstellung vom Schulbesuch im Schuljahr 2004/2005 den Schulkindergarten. Nach Einschulung der Antragstellerin führte die Grundschule E. in F. im Schuljahr 2005/2006 das Verfahren auf Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs durch. Auf der Grundlage des Berichts der Grundschule E. und des Beratungsgutachtens der Schule am G. vom 19. April 2006 schloss die Antragsgegnerin jenes Verfahren mit der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs mit dem Schwerpunkt Lernen und der Überweisung der Antragstellerin in die Schule am G. in F. als geeignete Förderschule ab. Die Antragstellerin wurde daraufhin mit Beginn des Schuljahres 2006/2007 in die Klasse 2 der Schule am G. aufgenommen und zum Ende des Schuljahres in die Klasse 3 versetzt.
Am 17. Januar 2008 beschloss die Klassenkonferenz der Klasse 3 der Schule am G. die Einleitung des Verfahrens zur Feststellung eines veränderten sonderpädagogischen Förderbedarfs. Zur Begründung heißt es in dem Bericht der Förderschule, nach Aufnahme der Schülerin in die 2. Klasse sei schnell aufgefallen, dass die Antragstellerin insbesondere im Fach Deutsch Schwierigkeiten habe, dem Unterricht zu folgen. Ihr geringer deutscher Wortschatz habe sich trotz Fördermaßnahmen kaum erweitert. Wegen eines kleinen Lernfortschritts sei die Schülerin dennoch aus pädagogischen Gründen in die 3. Klasse versetzt worden mit der Maßgabe einer Teilnahme am Deutschunterricht der Klasse 2. Trotz umfangreicher Fördermaßnahmen habe die Antragstellerin aber die Lernziele in den Lehrgängen Schreiben, Lesen und Mathematik nicht erreicht.
Das von der H. -Schule, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung, erstellte Beratungsgutachten vom 22. Mai 2008 kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass folgende Hauptursachen für die gegenwärtigen Schulschwierigkeiten der Antragstellerin vorlägen:
Die Fähigkeiten der Schülerin in den Bereichen des abstrakten, räumlichen und konstruktiven Denkens entsprächen nicht ihrem tatsächlich bereits erreichten Lebensalter. Ihr Arbeitsverhalten sei durch langsames Arbeitstempo, den Bedarf an zusätzlichen Erklärungen, eine flüchtige Arbeitsweise sowie eine negative Grundhaltung hinsichtlich der eigenen Ergebnisse gekennzeichnet. Eine gering ausgeprägte Merkfähigkeit von Gehörtem gehe einher mit Schwierigkeiten in der visuellen und akustischen Wahrnehmung, welche sie erheblich bei der sprachlichen Durchgliederung der Wörter beeinträchtigten. Der geringe aktive und passive Wortschatz der deutschen Sprache behindere die Antragstellerin bei der Durchdringung aller Lernangebote, weil sie insoweit Wörter und Sinnzusammenhänge nicht verstehe. Da die Leistungsstände in den kulturtechnischen Fächern nicht der 3. Klasse einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen entsprächen, werde die Umschulung in eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung empfohlen.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2008 stellte die Antragsgegnerin fest, dass bei der Antragstellerin ein sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung vorliege. Zugleich überwies die Antragsgegnerin die Antragstellerin in die H. -Schule als Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung.
Die Antragsgegnerin hat in dem Bescheid vom 9. Juni 2008 die sofortige Vollziehung der Überweisungsverfügung angeordnet und diese Anordnung mit Schreiben vom 17. Juli 2008 auf die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erweitert.
Die Antragstellerin hat am 8. Juli 2008 im Verfahren 6 A 3365/08 Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 9. Juni 2008 erhoben und am 5. August 2008 im vorliegenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug beantragt.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ihrer Überweisung an die Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung nicht bestehe. Daneben werde sich die Förderschulzuweisung im Hauptsacheverfahren als rechtwidrig erweisen, denn der erneut festgestellte Entwicklung-, Lern- und Bildungsrückstand sei bereits Gegenstand der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs auf der Grundlage des Beratungsgutachtens vom 19. April 2006 gewesen und habe die sonderpädagogische Förderung mit dem Schwerpunkt Lernen zur Folge gehabt. Demgegenüber könne die Antragsgegnerin eine Veränderung der Voraussetzungen für die Zuweisung zur Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen nicht beweisen. Denn hinsichtlich des durch ein langsames Arbeitstempo, eine geringe Intelligenz sowie durch Wissenslücken bedingten Förderbedarfs habe sich nichts geändert. Schließlich seien im Jahre 2006 keinerlei Auffälligkeiten festgestellt worden, als ihre Fähigkeiten in der türkischen Muttersprache überprüft worden seien. Dass jetzt eine solche Überprüfung in türkischer Sprache nicht stattgefunden habe, sei verfahrensfehlerhaft, zumal ihre Schwierigkeiten offensichtlich im Bereich des Erlernens der deutschen Sprache und in ihrer Zweisprachigkeit lägen. Wegen dieser Sprachdefizite nehme sie, die Antragstellerin, seit dem 15. Januar 2008 zweimal wöchentlich an dem Schreib- und Lesetraining des Studienkreises Nachhilfe teil, wodurch sich ihre Leistungen deutlich gebessert hätten. Hierzu verweist die Antragstellerin auf eine Bescheinigung des Studienkreises vom 11. März 2008, in der es heißt, dass das mit der Antragstellerin weitgehend erarbeitete ABC durch zusätzliche Übungen gefestigt werden solle, dass die Antragstellerin Fortschritte in der Wort-Bild-Zuordnung sowie im Lesen und freien Sprechen gemacht habe, sehr motiviert sei und den Kontakt zu Mitschülern suche. Ferner legt die Antragstellerin eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für innere Medizin Dr. med. I. vom 27. Juni 2008 vor. In dieser wird ausgeführt, dass bei der Antragstellerin im Gespräch keineswegs eine verminderte geistige Leistungsfähigkeit zu erkennen sei und dass dringend von einem Schulwechsel abgeraten wird. In einer ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für innere Medizin Dr. med. J. vom 1. Juli 2008 wird ausgeführt wird, dass sich bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen bisher keine Hinweise auf eine Entwicklungsstörung bzw. geistige Retardierung/Intelligenzminderung des Kindes ergeben hätten und dass lediglich durch Zweisprachigkeit bedingte Defizite in der Anwendung der deutschen Sprache bestünden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2008 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin trägt unter Bezugnahme auf ihre Klageerwiderung im Hauptsacheverfahren vor, dass die festgestellten Beeinträchtigungen der Antragstellerin in den Bereichen des abstrakten, räumlichen und konstruktiven Denkens nicht nur auf mangelnde deutsche Sprachkenntnisse, sondern auf erhebliche Entwicklungsrückstände der Schülerin zurückzuführen seien. Die Lern- und Entwicklungsrückstände, die auch nicht durch Nachhilfeunterricht ausgeglichen werden könnten, machten es erforderlich, die Antragstellerin auf eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung umzuschulen. Der Inhalt der erst nach Erlass des angefochtenen Bescheides und damit verspätet vorgelegten ärztlichen Atteste rechtfertigten eine andere als die getroffene Entscheidung nicht.
II.
Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist begründet.
Die Abwägung des Interesses der Antragstellerin, vor dem Vollzug der angefochtenen Feststellung eines veränderten sonderpädagogischen Förderbedarfs und Überweisung in eine andere Förderschule zunächst die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die im Hauptsacheverfahren erhobene Anfechtungsklage abzuwarten, mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung der schulbehördlichen Verfügungen im Bescheid vom 9. Juni 2008 geht zu Gunsten der Antragstellerin aus. Entscheidend für den Ausgang der Interessenabwägung ist, dass sich die Rechtmäßigkeit der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung vom 9. Juni 2008 im summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt und daher keine sichere Prognose über den Ausgang des Hauptsacheverfahren getroffen werden kann.
Der Auffassung der Antragsgegnerin, wonach die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung offensichtlich rechtmäßig ist und damit die Erfolglosigkeit des Hauptsacheverfahrens schon jetzt absehbar wäre, teilt das Verwaltungsgericht nicht. Ihr stehen die folgenden Erwägungen entgegen:
Der sonderpädagogische Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 NSchG unterscheidet sich grundlegend von einem sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Lernen. Während ein schwerpunktmäßiger Förderbedarf im Lernen bei Kindern und Jugendlichen gegeben ist, deren Lern- und Leistungsentwicklung so erheblich eingeschränkt ist, dass sie auch mit zusätzlichen Hilfen der allgemeinen Schulen nicht ihren Möglichkeiten, Fähigkeiten und Begabungen entsprechend gefördert werden können, stellt sich die pädagogische Ausgangslage bei Kindern und Jugendlichen, bei denen der Förderschwerpunkt auf ihre geistige Entwicklung gelegt werden muss, grundsätzlich anders dar.
Die sonderpädagogische Förderung mit diesem Schwerpunkt zielt nicht auf das Erreichen von Lern- und Leistungserfolgen mit Blick auf die Unterrichtsziele und Abschlüsse der allgemein bildenden Schulen ab. Vielmehr hat eine Förderung der geistigen Entwicklung die Aufgabe, Kindern und Jugendlichen Hilfen zur Entwicklung der individuell erreichbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten zu geben, was eine alle Entwicklungs- und Persönlichkeitsbereiche umfassende Förderung mit den Zielen des Zugangs zu einer aktiven Lebensbewältigung, der Selbstentfaltung in sozialer Integration und zu allen Bereichen von Bildung und Kultur einschließlich der Kulturtechniken umfasst (Abschn. II Nr. 2.1 des RdErl. des MK „Sonderpädagogische Förderung“ vom 1.2. 2005, SVBl. S. 49, 135).
Demzufolge gehen die mit Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 26. Juni 1998 herausgegebenen Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Abschnitt 1 Nr. 1.2 von einer pädagogischen Ausgangslage aus, welche durch eine geistige Behinderung, die sich durch unterschiedliche Erscheinungsbilder zeigen kann, gekennzeichnet ist. Kinder und Jugendliche mit einem besonderen Förderbedarf im Bereich ihrer geistigen Entwicklung benötigen daher besondere Hilfen nicht nur für ihre Lern- und Leistungsentwicklung, sondern auch bei der Entwicklung von Wahrnehmung, Sprache, Denken und Handeln sowie Unterstützung zur selbständigen Lebensführung und bei der Findung und Entfaltung der Persönlichkeit.
Daraus folgt für die rechtliche Überprüfung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2008, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung in pädagogischer Hinsicht etwas Anderes darstellt als nur eine besonders gesteigerte Form des Förderbedarfs mit dem Schwerpunkt Lernen; insoweit ist die Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung keine Auffangschule für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die ein Klassenziel der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen nicht erreichen.
Mangels abweichender Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass das Beratungsgutachten der Schule am G. vom 19. April 2006 und die auf dieser Grundlage von der Schulbehörde im Jahre 2006 getroffene Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs mit dem Schwerpunkt Lernen rechtmäßig waren und die damals bestehenden Beeinträchtigungen der Antragstellerin in ihren Entwicklungs-, Lern- und Bildungsmöglichkeiten zutreffend beurteilt haben. Der individuelle Förderbedarf der Antragstellerin müsste sich daher seit ihrer Überweisung in die Schule am G. so grundlegend verändert haben, dass jetzt nicht mehr schwerpunktmäßig das Erreichen von Lern- und Leistungserfolgen, sondern die geistige Entwicklung der Antragstellerin im Vordergrund ihrer Beschulung stünde. Sowohl § 1 Nr. 2 VO-SF als auch die Verwaltungsvorschrift des in Nr. 2.1 der Ergänzenden Bestimmungen zu § 2 Abs. 1 VO-SF (RdErl. des MK vom 6.11.1997, SVBl. S. 385) davon aus, dass neue Erkenntnisse in Bezug auf die Art des Förderbedarfs vorliegen müssen, wobei die Verwaltungsvorschrift ausdrücklich die persönliche Entwicklung als neuen Verfahrensanlass hervorhebt. Eine andere sonderpädagogische Bewertung desselben Schulleistungsbefundes reicht somit nicht aus, um einen sonderpädagogischen Förderbedarf anderer Art festzustellen.
Zwar ist im Bericht der Schule am G., im Beratungsgutachten der H. -Schule und in der Bezugszeile des Bescheids der Antragsgegnerin stets von einem „veränderten“ sonderpädagogischen Förderbedarf die Rede. Greifbare Tatsachen dafür, dass in Bezug auf die pädagogische Ausgangslage (s.o.) während des Besuchs der Schule am G. in den vergangenen zwei Schuljahren eine Veränderung in der Persönlichkeit der Antragstellerin eingetreten wäre, so dass die Schülerin nunmehr auf der Grundlage einer geistigen Behinderung und damit in allen lebenspraktischen und persönlichkeitsrelevanten Bereichen gefördert werden müsste, lassen sich aber den beigezogenen Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen. Auch die Begründung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2008 enthält hierzu nichts; sie stellt nur auf das nicht ausreichende Lern-, Leistungs- und Sozialerhalten in der Schule am G. ab, ohne fachliche Erkenntnisse über Veränderungen in der geistigen Entwicklung des Mädchens wiederzugeben. Eine gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 NSchG zulässige fachärztliche Abklärung des Hintergrunds der festgestellten Entwicklungsverzögerung, die im Fall des Verdachts eine Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung regelmäßig angezeigt sein dürfte, ist bisher nicht erfolgt und wird gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren nachzuholen sein. Allein das Ergebnis des durchgeführten Intelligenztests wird sich voraussichtlich nicht als ausreichender Anhaltspunkt für eine geistige Behinderung heranziehen lassen, zumal nichts über die Genese der durch das Testergebnis indizierten Entwicklungsverzögerung bekannt ist. In diesem Zusammenhang gewinnen auch die von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigungen der Fachärzte Dr. med. I. vom 27. Juni 2008 und Dr. med. J. vom 1. Juli 2008 Bedeutung, weil beide Ärzte die Antragstellerin als Patientin kennen und im Gespräch mit dem Kind keinerlei Anhaltspunkte für eine offenkundige Beeinträchtigung ihrer geistigen Entwicklung gefunden haben. Die Tatsache, dass sich nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer die Rechtmäßigkeit der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung beurteilt, bedeutet naturgemäß nicht, dass die Antragstellerin mit der Vorlage von Attesten und Bescheinigungen, die sich auf Beobachtungen der Ärzte in der Zeit vor Erlass des angefochtenen Bescheides beziehen, ausgeschlossen wäre.
Schließlich ist auch über schwerwiegende Ereignisse im privaten Leben der Antragstellerin, welche in den vergangenen zwei Jahren eingetreten wären und das Persönlichkeitsbild der Schülerin in Bezug auf einen speziellen Förderbedarf der geistigen Entwicklung geprägt haben könnten, nichts bekannt.
Ist aber im Eilverfahren nicht offensichtlich, dass sich der Bescheid der Antragsgegnerin als rechtmäßig erweisen wird, besteht angesichts der Bedeutung der durch eine Förderschulzuweisung betroffenen Grundrechte (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. vom 8.10.1997, BVerfGE 96, 288 ff. = DVBl. 1998 S. 131, 134 [BVerfG 08.10.1997 - 1 BvR 9/97]) kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der schulbehördlichen Entscheidungen vom 9. Juni 2008, zumal die Antragstellerin gegenwärtig an der Schule am G. sonderpädagogisch gefördert wird. Auch für die gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen nach § 68 Abs. 2 NSchG gilt, dass die in § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene aufschiebende Wirkung der Klage den Regelfall im Rechtsschutzsystem der VwGO darstellt, während die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss.