Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.05.2004, Az.: 12 LA 102/04
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.05.2004
- Aktenzeichen
- 12 LA 102/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 51001
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 18.12.2003 - AZ: 5 A 209/03
Tenor:
Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig – 5. Kammer – vom 18. Dezember 2003 zuzulassen, wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die 1971 als russische Staatsangehörige geborene Klägerin reiste 1994 mit ihrem als Vertriebener anerkannten Ehemann nach Deutschland ein und wurde 2001 als Deutsche eingebürgert. Sie streitet mit der Beklagten darüber, ob der von ihr im Juni 1993 in Russland erworbene Abschluss als Stomatologin sich als berufsqualifizierender Abschluss im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG darstellt. Die Bejahung dieser Frage hätte für die Klägerin zur Folge, dass sie eine Förderung nicht in Form eines sog. Teildarlehens gemäß § 17 Abs. 2 BAföG, sondern nur als Bankdarlehen gemäß § 18c BAföG beanspruchen kann. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG ist ein Ausbildungsabschluss auch dann berufsqualifizierend, wenn er im Ausland erworben wurde und dort zur Berufsausübung befähigt. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil den Standpunkt vertreten, § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG erfasse nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur Auszubildende, die sich bei offener Möglichkeit einer Ausbildung im Inland für eine Ausbildung im Ausland entschieden hätten.
Mit ihrem auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützten Zulassungsantrag macht die Beklagte geltend, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden und die Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG auch grundsätzlich klärungsbedürftig sei. Sie wendet gegen die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung vor allem ein, dass sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf Vertriebene beziehe und sich nicht allgemein auf Ausländer übertragen lasse. Es sei beim Vorliegen berufsqualifizierender Abschlüsse, die zur Berufsausübung im Ausland befähigten, nicht in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Möglichkeit bestanden habe, ein vergleichbares Studium in Deutschland aufzunehmen. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, dass das Bestehen einer solchen Möglichkeit im Falle der Klägerin nicht ersichtlich gewesen sei.
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch weist die vorliegende Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung auf.
Das Vorbringen im Zulassungsantrag rechtfertigt nicht die Annahme, das Verwaltungsgericht habe die in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts falsch verstanden und deshalb § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG fehlerhaft ausgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 31. Oktober 1996 (- 5 C 21.95 – FamRZ 1997, 847) und vom 17. April 1997 (- 5 C 5.96 – FamRZ 1997, 1439) die Ansicht vertreten, § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG betreffe nur Auszubildende, die sich bei offener Möglichkeit einer Ausbildung im Inland für eine Ausbildung im Ausland entschieden haben. Die Regelung wolle nämlich – so führt das Gericht aus – lediglich ausschließen, dass dieser Personenkreis bezüglich des Erhalts von Ausbildungsförderung günstiger gestellt werde als Personen mit einer Ausbildung im Inland. Es sei hingegen nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, Auszubildende von der Ausbildungsförderung auszuschließen, wenn eine freiwillige Entscheidung für eine Ausbildung im Ausland nicht vorgelegen habe.
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt somit darauf ab, dass Auszubildende nur bei einer freiwilligen Entscheidung für eine Ausbildung im Ausland vom Grundanspruch auf eine Ausbildungsförderung ausgeschlossen sind. Maßgeblich ist insoweit also das Kriterium der Freiwilligkeit, nicht aber die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe, etwa der Vertriebenen (vgl. Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Aufl. Stand 2003, § 7 Rn. 13). Dass sich das Bundesverwaltungsgericht in den Gründen der beiden genannten Entscheidungen auf Vertriebene bezieht, ist auf die konkreten Verhältnisse des zu beurteilenden Einzelfalls zurückzuführen.
Der beschließende Senat sieht keine Veranlassung, die im Streit befindliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einem Berufungsverfahren näher auf die Einwände der Beklagten hin zu überprüfen. Denn bereits im Zulassungsverfahren lässt sich beurteilen, dass es bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 Satz 2
BAföG und insbesondere der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sachgerecht ist, den Grundanspruch auf Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG allgemein nur bei einer freiwilligen Entscheidung zu Gunsten einer Ausbildung im Ausland als ausgeschöpft anzusehen (vgl. auch Rothe/Blanke, a.a.O.). Der Senat schließt sich daher der im Sinne des Verwaltungsgerichts ausgelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im vollen Umfang an.
Der Senat folgt auch nicht den Einwänden, die von der Beklagten in Bezug auf das Merkmal der Freiwilligkeit erhoben werden. Ob eine Freiwilligkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht, ist im Blick auf die Besonderheiten der jeweils zu beurteilenden Personengruppe zu prüfen. Dass dem Verwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob der Klägerin eine Ausbildung in Deutschland möglich gewesen war, Fehler unterlaufen sind, lässt sich dem Vorbringen der Beklagten im Zulassungsverfahren nicht entnehmen. Deren Kritik daran, dass für das Verwaltungsgericht die Möglichkeit eines Studiums der Klägerin in Deutschland „nicht ersichtlich“ gewesen ist, erscheint unberechtigt. Eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast kann in dieser Aussage des Gerichts – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht gesehen werden. Wie die auch in diesem Punkt sehr ausführliche Begründung des Verwaltungsgerichts verdeutlicht, hat das Gericht eingehend – und mit einem für den Senat überzeugenden Ergebnis – von Amts wegen überprüft, ob die Klägerin in Deutschland ein Studium zwischen 1988 und 1993 hätte durchführen können. Die Verwendung des Begriffs „nicht ersichtlich“ soll lediglich belegen, dass die vorgenommene Prüfung nicht zu einem für die Beklagte günstigen Ergebnis geführt hat.
Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kommt nicht in Betracht, weil sich die aufgeworfenen Rechtsfragen aus den dargelegten Gründen bereits auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres beantworten lassen und insoweit weder ein erneuter noch ein zusätzlicher Klärungsbedarf besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).