Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.05.2004, Az.: 8 ME 30/04

Ausnahmefall; Ausweisung; Generalprävention; Regelfall; schwerwiegende Gründe; Spezialprävention

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.05.2004
Aktenzeichen
8 ME 30/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50588
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 26.01.2004 - AZ: 5 B 256/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Ausnahmefall i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG liegt nur dann vor, wenn sowohl hinsichtlich der die Ausweisung tragenden spezial- als auch hinsichtlich der generalpräventiven Gründe atypische Umstände gegeben sind.

2. Die persönlichen Verhältnisse des Ausländers sind bei der Prüfung des Vorliegens eines Ausnahmefalles i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG nur zu berücksichtigen, soweit sie für die Gefahrenprognose von Bedeutung sind. Andernfalls sind sie erst bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob ein Ausnahmefall i.S.d. § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG vorliegt.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet. Denn der Antragsteller hat innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO keine Umstände vorgetragen, die Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses rechtfertigen.

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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, soweit er sich gegen die Versagung der beantragten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis richtet, mit der Begründung abgelehnt, dass dieser Erteilung bereits die Sperrwirkung des § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG entgegenstehe, da der Antragsteller zugleich sofort vollziehbar ausgewiesen worden ist. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes sei die Rechtmäßigkeit dieser Ausweisung inzident zu überprüfen. Die Ausweisung erweise sich als rechtmäßig. Der 1972 geborene Antragsteller, serbisch - montenegrinischer Staatsangehöriger mit albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo, sei innerhalb von fünf Jahren zu Freiheitsstrafen von insgesamt drei Jahren verurteilt worden und habe deshalb die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 AuslG erfüllt. Dieser "Ist"- Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 1 AuslG wandele sich zwar in eine sogenannte Regelausweisung gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG um, da der Antragsteller wegen des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG erhöhten Ausweisungsschutz genieße. Zudem könne er gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. In Fällen des § 47 Abs. 1 AuslG lägen solche schwerwiegenden Gründe jedoch gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG in der Regel vor. Es sei kein Ausnahmefall gegeben, der eine Abweichung von der Regelausweisung rechtfertige. Dies ergebe sich weder aus dem - nach seiner Haftentlassung auf Bewährung im Jahr 2003 - bislang straffreien Verhalten des Antragstellers noch aus einer besonderen Schutzbedürftigkeit seiner Ehefrau.

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Soweit der Antragsteller sich demgegenüber in seiner Beschwerdebegründung darauf beruft, dass  aufgrund der von seiner Ehefrau erlittenen Totgeburt bei ihm eine Verhaltensänderung eingetreten sei und er daher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine weiteren Straftaten mehr begehen werde, seine Ehefrau aufgrund "emotionaler völliger Labilisierung" auf ihn in besonderer Weise angewiesen sei und sich daraus eine Ausnahme vom Regelfall ergäbe, sind keine Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses gerechtfertigt.

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Das Verwaltungsgericht ist (inzident) zu Recht von der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ausgegangen. Für die sowohl spezial- als auch generalpräventiv begründete Ausweisung des Antragstellers sind - auf Grund des dem Antragsteller nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG zustehenden Ausweisungsschutzes erforderliche – schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben. Solche liegen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG in der Regel in den Fällen des § 47 Abs. 1 AuslG vor. Welche Anforderungen an das Vorliegen eines der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegenden Ausnahmefalles i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG zu stellen sind, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 AuslG i.V.m. § 47 Abs. 1 AuslG. § 47 Abs. 1 AuslG betrifft Fälle schwerer und besonders schwerer Kriminalität, für die grundsätzlich ein generalpräventives Bedürfnis bejaht wird, über die strafrechtliche Sanktion hinaus andere Ausländer von der Begehung gleichartiger Straftaten abzuhalten (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.6.1996 – 1 C 24.94 –, InfAuslR 1997, 8, 11). Darüber hinaus weist die Begehung der in § 47 Abs. 1 AuslG aufgezählten Straftaten im Allgemeinen auf eine erhebliche kriminelle Energie hin, aufgrund derer die erneute Begehung vergleichbarer Straftaten in Betracht zu ziehen ist. Weil zudem die Anforderungen an das Maß der Wiederholungswahrscheinlichkeit mit zunehmender Schwere der zu erwartenden Straftaten geringer werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.6.1983 – 1 B 80.83 –, InfAuslR 1983, 307, 308), besteht nach schweren strafrechtlichen Verfehlungen im Regelfall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für erneute erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Da § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG mithin sowohl spezial- als auch generalpräventive Überlegungen zugrunde liegen, liegt abweichend von der Regelrechtsfolge ein Ausnahmefall nur dann vor, wenn in Bezug auf beide Ausweisungszwecke ein atypischer Fall gegeben ist. Bezüglich der Spezialprävention sind somit besondere Umstände erforderlich, aufgrund derer entweder die der Ausweisung zugrunde liegende Straftat als weniger gewichtig anzusehen ist oder keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Gefahr erneuter Verfehlungen des Antragstellers gegeben sind. Bezüglich der Generalprävention sind besondere Umstände erforderlich, die ausnahmsweise dazu führen, den Gedanken der Generalprävention als nicht zutreffend anzusehen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 6.2.2001 – 11 MA 415/01 –; OVG Münster, Beschl. v. 5.3.1998 – 18 B 1718/96 –, InfAuslR 1998, 393, 394, VGH Mannheim, Beschl. v. 9.11.2001 – 10 S 1900/01 –,  InfAuslR 2002, 175, 176; OVG Hamburg, Beschl. v. 15.8.2002 – 3 Bs 127/02 –, NordÖR 2003, 131 (Leitsatz), hier zitiert nach juris). Inwieweit die persönlichen Verhältnisse des Ausländers in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sind, richtet sich nach dem Ausweisungszweck. So können etwa familiäre, wirtschaftliche und sonstige Bindungen zu erwägen sein, soweit sie für die Gefahrenprognose von Bedeutung sind. Fehlt es an einer solchen Bedeutung, so können derartige Bindungen erst bei der Prüfung berücksichtigt werden, ob eine Ausnahme von der Regel des § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG vorliegt (BVerwG, Urt. v. 26.2.2002 – 1 C 21/00 –, BVerwGE 116, 55, 63 f).

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Hieran gemessen sind die Voraussetzungen für die Annahme des Ausnahmefalles im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG schon aus generalpräventiven Gründen nicht gegeben. Der Antragsteller ist im Zeitraum vom 9. Januar 1997 bis zum 13. November 2001, also innerhalb von fünf Jahren, wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mehreren Freiheitsstrafen von zusammen drei Jahren verurteilt worden. Dabei kann mit dem Verwaltungsgericht dahinstehen, ob zusätzlich der Beschluss des Amtsgerichts C. vom 30. März 1999 berücksichtigungsfähig ist, durch den nachträglich aus den Urteilen des Amtsgerichts D. vom 23. März 1995 und des Amtsgerichts C. vom 20. November 1995 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten gebildet worden ist. Der Antragsteller hat durch die begangenen Straftaten den Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erfüllt. Der Gesetzgeber hat durch die Einbeziehung von mehreren vorsätzlichen Straftaten, die innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren geführt haben, deutlich gemacht, dass sich unabhängig von der zugrundeliegenden Deliktsart grundsätzlich ein Anlass zur Abschreckung anderer Ausländer von der Begehung gleichartiger Straftaten auch aus der Häufigkeit der Begehung von vorsätzlichen Straftaten ergeben kann. Besondere Umstände, die vorliegend dazu führen könnten, diesen Gedanken der Generalprävention als nicht zutreffend anzusehen, sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller ist in dem Zeitraum von 1997 bis 2001 unter anderem auch wegen Bedrohung (mit einer Waffe), gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall sowie zuletzt im November 2001 wegen unerlaubten Führens und Erwerbs einer Schusswaffe verurteilt worden. Jedenfalls im Hinblick auf das Eigentumsdelikt und den Verstoß gegen das Waffengesetz besteht ein sicherheitspolitisches Bedürfnis dafür, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung andere Ausländer von derartigen Straftaten abzuhalten.

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Im Übrigen ist vom Verwaltungsgericht zu Recht auch unter spezialpräventiven Gesichtspunkten ein Ausnahmefall im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG verneint worden. Der Antragsteller ist seit Dezember 1994 insgesamt zehnmal verurteilt worden. Die von dem Antragsteller dabei begangenen Straftaten sind in ihrer Gesamtheit und Häufigkeit auch nicht als weniger gewichtig einzustufen, da er seit der erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 1993 in dem Zeitraum von 1994 bis 2001 trotz zwischenzeitlicher Haftverbüßung nicht nur wegen wiederholten Verstoßes gegen seine Aufenthaltsbeschränkungen (zu Geldstrafen) verurteilt worden ist, sondern auch wegen Unterschlagung, mehrfach wegen Diebstahlsdelikten, Bedrohung und zuletzt wegen unerlaubten Führens und Erwerbs einer Schusswaffe. Bei der Beurteilung, ob abweichend von der Regelvermutung vorliegend keine Gefahr besteht, dass der Antragsteller erneut Straftaten begehen wird, ist weiterhin zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass die ihm in den Urteilen des Amtsgerichts D. vom 23. März 1995, des Amtsgericht C. vom 20. November 1995 und des Amtsgerichts D. vom 9. Januar 1997 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung vom Landgericht Münster im Juli 1998 widerrufen worden ist. Der Widerruf der Bewährungsaussetzung war danach angesichts des umfangreichen strafrechtlichen Vorversagens, der hohen Rückfallgeschwindigkeit und der Schwere des Bewährungsversagens unumgänglich. Durch Beschluss des Landgerichts E. vom 2. September 1999 ist der Antragsteller zwar nachfolgend zunächst bedingt aus der Strafhaft entlassen worden. Auch diese bedingte Entlassung musste jedoch durch Beschluss des Landgerichts E. vom 19. Oktober 2000 widerrufen werden, weil der Antragsteller im Februar 2000 einen gemeinschaftlichen Diebstahl in einem besonders schweren Fall begangen hat. Der damalige Widerruf ist damit begründet worden, dass es angesichts erheblicher und einschlägiger Vorstrafen sowie des Bewährungsversagens besonderer Feststellungen bedürfe, um dennoch zu einer positiven Prognose kommen zu können. Diese besondere Feststellung konnte das Landgericht E. nicht treffen. Danach ist er noch zweimal verurteilt worden, nämlich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis im Mai 2001 und unerlaubten Erwerbs und unerlaubten Führens einer Schusswaffe im November 2001. Bei dieser Sachlage bedürfte es zur Annahme einer fehlenden Wiederholungsgefahr i.S.d. § 48 Abs. 1 AuslG schon einer ganz erheblichen Verhaltensänderung und einer daraus folgenden ungewöhnlich günstigen Sozialprognose für den Antragsteller. Dies ist jedoch nicht glaubhaft gemacht worden.

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Der Umstand, dass der Antragsteller zwei Drittel seiner Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts F. vom Juli 2000 und des Amtsgerichts D. vom November 2001 verbüßt hat und die Vollstreckung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt worden ist, genügt hierfür allein nicht (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 9.11.2001 – 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 175, 179). Zwar sind die Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 Abs. 1 StGB von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der Prognose ein wesentliches Indiz dar. Eine Vermutung für das Fehlen einer Rückfallgefahr im Sinne einer Beweiserleichterung begründen sie indes nicht. Die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte haben vielmehr eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr zu treffen und sind dabei nicht an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte gebunden. Sie haben dabei auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalles heranzuziehen und können deshalb sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen. Dies kann gerade bei einer Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB deshalb in Betracht kommen, weil bei dieser Entscheidung naturgemäß eher Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen, während die ausländerrechtliche Beurteilung eine längerfristige Gefahrenprognose erfordert (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2000 - 9 C 6/00 - BVerwGE 112, 185, 192 ).

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Gemessen an diesen Grundsätzen reicht die Aussetzung der Strafe zur Bewährung durch den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts G. vom 11. Dezember 2002 nicht zur Widerlegung der gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG i.V.m. § 47 Abs. 1 AuslG bestehenden Regelvermutung für eine Wiederholungsgefahr. Denn schon in dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer ist darauf hingewiesen worden, dass wegen der erheblichen Vorstrafen des Antragstellers ein Risiko verbleibt, das allerdings im Rahmen des vom Gesetzgeber gemäß § 57 StGB abgesteckten Rahmens liege. Bei der Prüfung des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG ergibt sich insoweit jedoch eine andere Bewertung, da der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, dass er ein entsprechendes Risiko wegen der erheblichen Vorstrafen ausländerrechtlich in der Regel nicht hinnehmen will. Dieses Risiko hat sich auch seit der Haftentlassung des Antragstellers im Jahr 2003 nicht in ausreichendem Maße vermindert. Zwar ist er seitdem nicht mehr straffällig geworden, seine Bewährungszeit von drei Jahren dauert jedoch noch an. Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht die  Stellungnahme seines Bewährungshelfers, wonach die im Dezember 2002 erlittene Fehlgeburt seiner Ehefrau bei dem Antragsteller zu einem Umdenken geführt habe, er jetzt an einer verantwortungsbewussten Lebensperspektive arbeite und seit August 2003 als Vollzeitkraft versicherungspflichtig beschäftigt sei. Denn der Antragsteller hat aus seiner Beziehung mit Frau H., mit der er entgegen seinen ursprünglichen Angaben nicht verheiratet gewesen ist, drei zwischen 1993 und 1996 geborene Kinder, für die er seit langem Verantwortung trägt, ohne dass ihn dies in der Vergangenheit von der Begehung zahlreicher Straftaten abgehalten hat. Die Beziehung zu seiner jetzigen deutschen Ehefrau ist ebenfalls nicht frei von Spannungen und rechtfertigt daher nicht die Annahme, dass der Antragsteller sich deshalb zukünftig straffrei führen werde. So hatten sich die Eheleute ab Oktober 2000 vorübergehend getrennt. Der Antragsteller hat auch in der Ehezeit weitere Straftaten begangen. Seine Ehefrau hat sich gegenüber einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin im Herbst letzten Jahres sogar darauf berufen, Angst vor dem Antragsteller zu haben und sich scheiden lassen zu wollen, diese Angaben jedoch zwei Tage später nach einem Gespräch mit dem Antragsteller zurückgenommen. Der Antragsteller erklärt dies mit mehreren Ehekrisen, die sie jedoch bewältigt hätten, und wiederholten Auseinandersetzungen wegen der drohenden Abschiebung. In dieser Situation habe seine Ehefrau die von der Antragsgegnerin vorgebrachten unzutreffenden Behauptungen gemacht und diese im Nachhinein bedauert. Bei diesem jedenfalls in der Vergangenheit von Spannungen und Auseinandersetzungen mitgeprägten Verhältnis zwischen den Eheleuten ist daher auch nicht hinreichend verlässlich anzunehmen, dass der Antragsteller nunmehr aus Sorge um das Wohlergehen seiner Ehefrau und den Bestand ihrer Ehe von weiteren Straftaten Abstand nehmen wird.

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§ 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG steht der Ausweisung des Antragstellers ebenfalls nicht entgegen. Danach wird ein Ausländer, der – wie der Antragsteller – nach § 48 Abs. 1 AuslG erhöhten Ausweisungsschutz genießt, in den Fällen des Abs. 1 in der Regel ausgewiesen. Regelfälle im Sinne dieser Vorschrift sind solche, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch atypische Umstände gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen. Ein Ausnahmefall liegt ferner vor, wenn der Ausweisung unter Berücksichtigung des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 AuslG höherrangiges Recht entgegen steht, die Ausweisung insbesondere mit Verfassungsrecht (z. B. mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder dem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG) nicht vereinbar ist. Ob ein Ausnahmefall gegeben ist, unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung, bei der alle Umstände der strafgerichtlichen Verurteilung und die sonstigen Verhältnisse des Betroffenen, namentlich auch die in § 45 Abs. 2 AuslG an sich für die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde umschriebenen, zu berücksichtigen sind (vgl. Urt. d. BVerwG v. 26.2.2002 – 1 C 21/00 –, BVerwGE 116, 55, 64 f.).

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Dass ein solcher Ausnahmefall im Hinblick auf die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes des Antragstellers und seine schutzwürdigen eigenen Bindungen im Bundesgebiet vorliegt, hat der Antragsteller nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Die Bindung des Antragstellers an seine deutsche Ehefrau begründet ebenfalls keinen Ausnahmefall im Sinne des § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG. Für die Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles zu stellen sind, ist zu berücksichtigen, dass das Ausländergesetz es grundsätzlich für zumutbar hält, dass ein Ausländer, der so schwerwiegende bzw. häufige Straftaten begangen hat, wie sie in § 47 Abs. 1 AuslG umschrieben sind, von seinem deutschen Ehegatten bzw. Familienangehörigen getrennt wird. Die damit regelmäßig verbundenen Belastungen des Ausländers und seiner Angehörigen entsprechen dem Willen des Gesetzes und begründen somit keinen Ausnahmefall (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.1.1997 – 1 B 256/96 – Buchholz 402.240 § 47 AuslG Nr. 12). Bei schwerwiegender Straffälligkeit steht auch der Schutz der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG der Ausweisung grundsätzlich nicht entgegen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Folgen der Beendigung des Aufenthaltes im Hinblick auf eheliche und familiäre Belange im Verhältnis zu dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Ausweisung des Ausländers unverhältnismäßig hart wären (BVerwG, Urt. v. 29.9.1998 – 1 C 8/96 –, NVwZ 1999, 303, 304).

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Dies kann hier nicht festgestellt werden. Vorliegend besteht nämlich wegen der zahlreichen Straftaten des Antragstellers ein gewichtiges öffentliches Interesse an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Dem steht das Interesse der deutschen Ehefrau des Antragstellers an seinem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber. Dass sie auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen wäre, ist nicht dargelegt worden. Allerdings beruft der Antragsteller sich unter Bezugnahme auf eine Bescheinigung  der seine Ehefrau behandelnden Diplompsychologin I. sinngemäß darauf, dass er seine Ehefrau psychologisch unterstützten müsse. Sie befinde sich nämlich seit Bekanntwerden der ihm drohenden Abschiebung in einem "emotionalen Ausnahmezustand". Dass die deutsche Ehefrau eines Ausländers, der ausgewiesen wird, unter dem Ausweisungsdruck psychisch leidet, erscheint jedoch als ein allgemeines, mit der Ausweisung eines ausländischen Ehemannes regelmäßig einhergehendes Erscheinungsbild (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 30.4.1998 – 13 S 2514/97 –, InfAuslR 1998, 335, 338). Dass die deutsche Ehefrau des Antragstellers bedingt durch seine Abschiebung dagegen in eine existenzielle psychische Notlage geriete und die Ausweisung deshalb unverhältnismäßig hart wäre, ist hingegen nicht glaubhaft gemacht worden. Dies ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Bescheinigungen von Frau I.. Hiergegen spricht im Übrigen die Gestaltung des Ehelebens in der Vergangenheit. Auch während der Trennung der Eheleute ab Oktober 2000 sowie während der Strafhaft des Antragstellers im Jahre 2002 hat die Ehefrau des Antragstellers ohne dessen fortlaufende persönliche Unterstützung gelebt, ohne dass sie dadurch in existenzielle Schwierigkeiten gekommen ist. Dies gilt auch hinsichtlich der Folgen ihrer im Dezember 2002 erlittenen Fehlgeburt. Sie hat erst im November 2003 um psychologische Hilfe nachgesucht. Hinzu kommt, dass die Ehefrau des Antragstellers sich gegenüber der Antragsgegnerin im Herbst letzten Jahres – nach den Angaben des Antragstellers aus Ärger nach einer Auseinandersetzung – darauf berufen hat, vor ihrem Ehemann sogar Angst zu haben. Schließlich ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Folgen, die mit der ausweisungsbedingten Trennung der Eheleute verbunden sind, durch eine angemessene Befristung der Ausweisung gemildert werden können, weil es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, bei dieser Befristung auch die Interessen der deutschen Ehefrau des Antragstellers an der Fortführung der Ehe im Inland ausreichend zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.1979 – 1 BvR 650/77 –, BVerfGE 51, 386, 398, 399). Die Ehefrau des Antragstellers muss also nicht mit dem drohenden „Verlust eines weiteren geliebten Menschen rechnen“, wie in der Bescheinigung von Frau I. vom Februar 2004 ausgeführt, sondern es wird ihr zugemutet, eine vorübergehende zeitliche und räumliche Trennung von ihrem Ehemann hinzunehmen. Das erscheint auch deshalb im Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung des Ehemannes nicht als unverhältnismäßig hart, weil von Deutschland nach Serbien und Montenegro bzw. dem Kosovo, der Heimatprovinz der Antragstellers, ein regelmäßiger telefonischer und brieflicher Austausch möglich ist.

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Die Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzantrages, soweit er sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis richtet, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis steht bereits die nach den vorhergehenden Ausführungen rechtmäßige Ausweisung des Antragstellers entgegen. Ausländern, die ausgewiesen worden sind, darf nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden.