Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.03.2006, Az.: 4 W 2/06
Beschwerdebefugnis eines zum Zeitpunkt der Einlegung einer sofortigen Beschwerde als Wohnungsverwalter ausgeschiedenen Beteiligten; Beschwerdeberechtigung aus der Stellung als Verfahrensbeteiligter oder zusätzliches Erfordernis einer möglichen rechtlichen Beeinträchtigung; Berücksichtigung des Interesse an der Durchführung der Beschwerde zur Vorbereitung der Abwehr von Regressansprüchen aus der Verwaltertätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 13.03.2006
- Aktenzeichen
- 4 W 2/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 13505
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:0313.4W2.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 05.04.2005 - 71 II 641/04
- LG Hannover - 09.12.2005 - 4 T 42/05
Rechtsgrundlagen
- § 43 WEG
- § 20 FGG
- § 29 Abs. 4 FGG
Fundstellen
- IWR 2006, 72
- OLGReport Gerichtsort 2006, 310-311
- ZWE 2006, 298-299
Verfahrensgegenstand
Wohnungseigentümergemeinschaft S.Straße in H
Amtlicher Leitsatz
Dem zum Zeitpunkt der Einlegung der (weiteren) sofortigen Beschwerde als Wohnungsverwalter bereits ausgeschiedenen Verfahrensbeteiligten fehlt im Beschlussverfahren nach § 43 WEG die Beschwerdebefugnis i. S. d. §§ 20, 29 Abs. 4 FGG, soweit das Interesse des früheren Verwalters an der Durchführung des Rechtsmittels nur darin bestehen kann, die Abwehr gegen ihn aus seiner früheren Verwaltertätigkeit gegen evtl. herrührender Regressansprüche vorzubereiten.
In der Wohnungseigentumssache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. H. sowie
die Richter am Oberlandesgericht R. und Sch.
auf die weitere sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 27. Dezember 2005
gegen den ihm am 13. Dezember 2005
zugestellten Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
vom 9. Dezember 2005
am 13. März 2006
beschlossen:
Tenor:
Die weitere sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner zu tragen; außergerichtliche Auslagen im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren sofortige Beschwerde und - insoweit in Abänderung der Beschlüsse des Landgerichts Hannover vom 9. Dezember 2005 und des Amtsgerichts Hannover vom 5. April 2005 - für das Beschlussanfechtungsverfahren vor dem Amtsgericht und die Erstbeschwerde zum Landgericht wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners vom 27. Dezember 2005 war als unzulässig zu verwerfen. Denn der Antragsgegner war seit dem 1. Juli 2005 als Wohnungseigentumsverwalter für die hier in Rede stehende Liegenschaft ausgeschieden. Als zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung nicht mehr amtierender Verwalter fehlte dem Antragsgegner jedoch die zur Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwerdebefugnis.
Das Wohnungseigentumsgesetz regelt die Frage der Beschwerdeberechtigung nicht gesondert. Maßgebend ist deshalb insoweit auf § 20 FGG abzustellen, der gemäß § 29 Abs. 4 FGG auch für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde gilt. Nach § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedoch nur demjenigen zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Eine solche Beeinträchtigung ist für den Antragsgegner, der zum Zeitpunkt der Einlegung der (weiteren) sofortigen Beschwerde nicht mehr als Verwalter amtierte und nur als solcher am Verfahren beteiligt ist, jedoch nicht anzunehmen.
Allerdings ist für den hier vorliegenden Fall des Beschlussanfechtungsverfahrens nach § 43 WEG in früherer Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten worden, dass sich unabhängig von den Voraussetzungen des § 20 FGG die Beschwerdeberechtigung allein aus der durch § 43 WEG begründeten Beteiligtenstellung ergebe (KG OLGZ 76, 56, 57; OLG Frankfurt OLGZ 1982, 420). Die genannte obergerichtliche Rechtsprechung begründete diese Auffassung vor allem damit, dass im Verfahren über die Gültigkeit von Beschlüssen der Wohnungsverwalter nach § 27 Abs. 1 WEG Beschlüsse durchzuführen und im Übrigen im Rahmen seiner Befugnis die Interessen der Gemeinschaft wahrzunehmen hat. Deshalb sei das Interesse des Verwalters auch auf die Beseitigung etwa rechtswidriger, weil ungültig gefasster Beschlüsse gerichtet und ihm ein eigenes Beschwerderecht schon aufgrund seiner formalen Beteiligtenstellung zuzubilligen. Die formelle Beteiligtenstellung komme im Übrigen auch dem nicht mehr amtierenden Verwalter im WEG-Verfahren zu.
Selbst auf dem Boden dieser Rechtsprechung, vor allem des Kammergerichts und des OLG Frankfurt, kann dem Antragsgegner im vorliegenden Fall keine Befugnis zur eigenen Einlegung der weiteren sofortigen Beschwerde zugestanden werden. Denn der zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung ausgeschiedene Verwalter hat nach Ausscheiden aus diesem Amt keine Beschlüsse der Gemeinschaft nach § 27 Abs. 1 WEG mehr auszuführen. Auch den genannten Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG Frankfurt lag - soweit den in den Veröffentlichungen mitgeteilten Sachverhalten zu entnehmen ist - kein Fall der Beschwerdeeinlegung durch einen ausgeschiedenen Verwalter zugrunde.
Hiervon abgesehen, ist die genannte obergerichtliche Rechtsprechung, wonach die Beschwerdebefugnis des Verwalters im Beschlussanfechtungsverfahren allein aus seiner Beteiligtenstellung abgeleitet wurde, zwischenzeitlich auch überholt. Denn der Bundesgerichtshof hat inzwischen in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 1992 (BGHZ 120, 396 bis 399) ausgesprochen, dass sich entgegen der genannten Entscheidung vor allem des Kammergerichts aus § 43 Abs. 4 WEG und der daraus folgenden Beteiligtenstellung zwar in der Regel auch eine rechtliche Beeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG ergeben könne, dies aber gleichwohl nicht zwingende Folge allein aus der Beteiligtenstellung sei. Vielmehr müsse als zusätzliche Voraussetzung für die Beschwerdebefugnis noch eine rechtliche Beeinträchtigung des Beteiligten im Sinne von § 20 Abs. 1 FGG für die Beschwerdebefugnis festgestellt werden (so inzwischen auch die wohl herrschende Auffassung im Schrifttum; vgl. Keidl/ Kuntze/Winkler/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 20 Rdn. 107; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rdn. 24; Palandt/ Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 45 WEG Rdn. 3; Weitnauer/Mansel, Wohnungseigentumsgesetz, 9. Aufl. 2005, § 45 Rdn. 1, S. 799; wohl a.A.: Bärmann/Pick, WEG, 16. Aufl. 2005 § 45 Rdn. 7).
Nach der vorgenannten Auffassung, der sich der Senat anschließt, ist der Antragsgegner im vorliegenden Fall aber erst Recht nicht zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde befugt, weil ihm als ausgeschiedenen Verwalter durch den Beschluss des Landgerichts, wenn er rechtskräftig wird, keine unmittelbare Beeinträchtigung in seinen Rechten widerfährt. Von dem Recht des Verwalters auf Durchführung rechtmäßiger Beschlüsse ist der Antragsgegner als nicht mehr amtierender Verwalter nicht mehr berührt. Der weitere Umstand, dass mit Versagung eines Beschwerderechts für den Antragsgegner eine Bindung aller Beteiligten an einen möglicherweise rechtswidrigen Eigentümerbeschluss eintritt (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn diese Rechtsfolge beruht nicht auf der Anwendung des § 20 Abs. 2 FGG im Wohnungseigentumsverfahren, sondern auf der versäumten Beschlussanfechtung durch andere Wohnungseigentümer (vgl. auch BGHZ 120, 396 ff.). Der bloße Umstand, dass bei rechtskräftiger Feststellung der Ungültigkeit des zu TOP 2 der Versammlung vom 16. November 2004 getroffenen Beschlusses dies zum Anlass genommen werden könnte, den Antragsgegner als früheren Verwalter auf Regress in Anspruch zu nehmen, begründet keine Beschwerdebefugnis. Denn ob Regressansprüche bestehen, steht damit für den Antragsgegner bindend nicht fest, sondern wäre gegebenenfalls in einem gesonderten Verfahren mit sämtlichen, auch sonst dem Antragsgegner eröffneten Verteidigungsmöglichkeiten zu klären.
Nach alledem war die weitere sofortige Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig zu verwerfen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren sofortigen Beschwerde sind dem Antragsgegner gemäß § 47 Satz 1 WEG auferlegt worden. Bei den außergerichtlichen Auslagen hat es der Senat bei dem Grundsatz belassen, dass jeder Verfahrensbeteiligter seine außergerichtlichen Auslagen selbst zu tragen hat, weil ungeachtet der Unzulässigkeit des Rechtsmittels die Frage der Beschwerdebefugnis des ausgeschiedenen Verwalters immerhin rechtlich diskussionswürdig war und dieser Gesichtspunkt auch erstmalig durch die Berichterstatterverfügung vom 17. Februar 2006 aktenkundig geworden ist.
Der Geschäftswert konnte entgegen den Vorinstanzen nicht mit dem Gesamtvolumen der Rechnung der Fa. H. & Sohn vom 6. Dezember 2004 über 10.780,81 EUR gleichgesetzt werden. Denn wird wie hier beanstandet, dass eine Instandhaltungsmaßnahme mit zu hohem Kostenaufwand durchgeführt wird, bestimmt sich das Interesse nach der Differenz der entsprechenden Mehr oder Minderkosten (Bärmann/Pick/Merle a. a. O., § 48 Rdn. 31). Dieses Interesse haben die Vertreter der Antragstellerinnen und des Antragsgegners übereinstimmend mit 5.000 EUR beziffert, so dass entsprechend der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde und auch die Vorinstanzen festzusetzen war.
Zu einer Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG bestand kein Anlass, weil nach den vorstehenden Ausführungen die Beschwerde sogar unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Kammergerichts unzulässig gewesen sein dürfte, die Entscheidung des Senats aber in jedem Fall der neueren Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs entspricht.