Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.03.2006, Az.: 15 UF 54/05
Berücksichtigungsfähigkeit des vom Unterhaltsberechtigten bezogenen Arbeitslosengeldes II sowie des als Zuschuss gewährten Einstiegsgeldes bei der Berechnung des Ehegattenunterhaltes; Vereinbarkeit einer Abtretung des Unterhaltsanspruches oder der Eingehung einer anderweitigen ähnlichen Verpflichtung gegenüber dem Leistungsträger mit § 31 und § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.03.2006
- Aktenzeichen
- 15 UF 54/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 19154
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:0315.15UF54.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Gifhorn - 02.02.2005 - AZ: 16 F 547/02
Rechtsgrundlagen
- § 31 SGB I
- § 32 SGB I
- § 1 Abs. 1 SGB II
- § 5 Abs. 1 SGB II
- § 19 SGB II
- § 1361 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB
Fundstellen
- FPR 2007, 377
- FStBay 2006, 840
- FamRZ 2006, 1203-1205 (Volltext mit amtl. LS)
- FamRZ 2006, 1171-1173 (Urteilsbesprechung von Ri. Dr. Frank Klinkhammer)
- FamRZ 2006, VII Heft 8 (amtl. Leitsatz)
- NJW 2006, X Heft 16 (Kurzinformation)
- NJW 2006, 1356-1358 (Volltext mit amtl. LS)
- info also 2006, 187 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
Vom Unterhaltsberechtigten bezogenes Arbeitslosengeld II ist bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt regelmäßig nicht zu berücksichtigen. Als Zuschuss zum Arbeitslosengeld II gezahltes Einstiegsgeld stellt dagegen unterhaltsrechtliches Einkommen dar.
Eine Abtretung des Unterhaltsanspruchs an den Leistungsträger, eine diesem gegenüber abgegebene Verpflichtung zur Auskehrung des eingeklagten Unterhalts oder eine ähnliche Vereinbarung, die auf eine bürgerlichrechtlich begründete Zahlungspflicht des Unterhaltsberechtigten im Umfang empfangener Leistungen nach SGB II gerichtet ist, sind im Hinblick auf §§ 31, 32 SGB I unwirksam.
In der Familiensache
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B.,
den Richter am Oberlandesgericht Dr. M. und
die Richterin am Amtsgericht S.
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels sowie unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten wird das am 2. Februar 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Gifhorn geändert und neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin monatlichen Trennungsunterhalt von 680 EUR für April 2004 bis Dezember 2004, davon insgesamt 760,40 EUR zahlbar an den Landkreis G. als Sozialhilfeträger, von monatlich 863 EUR für Januar 2005 bis Mai 2005, 849 EUR für Juni 2005, 840 EUR für Juli 2005 bis Dezember 2005 und 686 EUR für die Zeit ab Januar 2006 zu zahlen.
Die Jugendamtsurkunden vom 11. März 2002 (Urkunden-Nrn. 68/2002 und 69/2002 S. C.) werden dahin abgeändert, dass der Beklagte für den am 8. Juli 1991 geborenen M. F. und die am 16. August 1994 geborene L. S. F. für April 2004 bis Dezember 2004 monatlichen Kindesunterhalt von jeweils 150% des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gemäß § 1 RegelbetragVO und für die Zeit ab Januar 2005 monatlichen Kindesunterhalt von jeweils 160% des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gemäß § 1 RegelbetragVO zu zahlen hat, jeweils abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes bzw. zweites Kind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 3/8, der Beklagte 5/8.
Von den Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin 1/10, der Beklagte 9/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Trennungs- und Kindesunterhalt für die Zeit ab April 2004. Die gemeinsamen Kinder M. (geboren am 8. Juli 1991) und L. S. (geboren am 16. August 1994) leben bei der Klägerin. Der Beklagte hat sich in den Jugendamtsurkunden vom 11. März 2002 (Nrn. 68/2002 und 69/2002 S. C.) zur Zahlung monatlichen Kindesunterhalts in Höhe von je 135% des Regelbetrages verpflichtet. Das Amtsgericht hat einen Trennungsunterhalt von monatlich 564 EUR und unter Abänderung der vorgenannten Urkunden einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 150% des Regelbetrages jeweils für die Zeit ab April 2004 zuerkannt. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Die Klägerin ist als selbständige Handelvertreterin erwerbstätig und begehrt mit ihrer Berufung im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 160% des Regelbetrages für die Zeit ab Januar 2005 sowie Trennungsunterhalt von monatlich 680 EUR für April 2004 bis Dezember 2004, 863 EUR für Januar 2005 bis Juni 2005 und 854 EUR für die Zeit ab Juli 2005.
Der Beklagte macht nach teilweiser Rücknahme seines Rechtsmittels die Abweisung der Abänderungsklage wegen des Kindesunterhalts für April 2004 bis Dezember 2004 geltend.
II.
Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Im Einzelnen ergibt sich wegen des Trennungsunterhalts gemäß § 1361 BGB und wegen des Kindesunterhalts gemäß §§ 1601 ff. BGB nachfolgende Beurteilung und Berechnung.
1.
April 2004 bis Dezember 2004
a)
Einkünfte des Beklagten
Ausweislich der Entgeltabrechnungen hat der Beklagte von April 2004 bis Dezember 2004, d.h. nach Erhöhung des Fixgehalts von monatlich 1.534 EUR auf 2.500 EUR bei abgabenbereinigtem Abzug der vermögenswirksamen Arbeitgeberleistung (Nr. 10.6 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Celle) sowie der um die Arbeitgeber-Zuschüsse reduzierten Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung ein Nettoeinkommen von monatlich rund 4.240 EUR erzielt. In der dabei berücksichtigten Steuerlast ist ein Pkw-Sachbezug von monatlich 380 EUR enthalten, was netto etwa 195 EUR entspricht, § 287 Abs. 2 ZPO. Die Stellung eines Pkw durch den Arbeitgeber ist mit einem geldwerten Vorteil (Nr. 10.6 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Celle) von etwa 350 EUR einzustellen, sodass monatlich weitere (350 - 195) 155 EUR als Einkommen zu berücksichtigen sind und sich Einkünfte von 4.395 EUR ergeben.
Berufsbedingte Aufwendungen ("Betriebskosten") sind wie im angefochtenen Urteil aufgrund der vom Beklagten für 2003 vorgelegten Aufstellung mit monatlich (10.152/12) 846 EUR zu berücksichtigen. Höhere Kosten sind nicht dargetan. Die mit Schriftsatz vom 13. Juni 2005 vorgelegte "Aufteilung der Werbungskosten aus nicht selbständiger Arbeit" der Steuerberaterin S. erlaubt keine Beurteilung darüber, welche Kosten nach Art und Höhe unterhaltsrechtlich relevant sind. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass nach der erstinstanzlich protokollierten Aussage des Zeugen S. vom Arbeitgeber des Beklagten ein so genanntes Verkaufsführungskonto eingerichtet wird und es eine Regel gibt, nach der Gebietsverkaufsleitern im Gegensatz zu Bezirksleitern (eine solche Position bekleidete der Beklagte bis März 2004) teilweise Kosten für Hotelübernachtungen sowie Verpflegungsmehraufwendungen erstattet werden. Auch die mit der Berufungserwiderung des Beklagten vorgelegte Aufstellung der Steuerberaterin S. nebst Erläuterungen ist auf die steuerrechtliche Beurteilung ausgerichtet und zur Darlegung höherer unterhaltsrechtlich relevanter berufsbedingter Aufwendungen als monatlich etwa 846 EUR nicht geeignet. So ist etwa hinsichtlich der eingestellten Bewirtungskosten davon auszugehen, dass diese unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen des Beklagten weitgehend nicht als sein unterhaltspflichtiges Einkommen mindernd einzustellen sind; die für so genannte Verpflegungsmehraufwendungen geltend gemachten "steuerlichen Sätze" haben keinen Bezug zu tatsächlichen Aufwendungen und sind deshalb hier nicht zu berücksichtigen.
Die für 2002 vereinnahmte Steuererstattung von 11.426,98 EUR hat das Amtsgericht zutreffend nicht in die Unterhaltsberechnung eingestellt. Das Guthaben ist ausweislich des Steuerbescheides vom 15. Januar 2004 auf das Giro-Konto Nr. 190690156 bei der Sparkasse A. A. ausgezahlt worden. Dieses bereits während der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehende Konto wies nach den vorgelegten Kontoauszügen am 27. August 2001 ein Soll von 20.130,73 EUR aus. Deshalb ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Trennung am 15. September 2001 ein die ehelichen Lebensverhältnisse prägendes Soll in einer die Steuererstattung übersteigenden Höhe bestand und der Erstattungsbetrag noch zur Tilgung ehebedingter Schulden eingesetzt wurde.
Aufgrund Durchführung des begrenzten Realsplitting gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat der Beklagte die gegenüber der Klägerin mit Bescheid des Finanzamts G. vom 22. März 2003 festgesetzte Steuernachzahlung von monatlich rund (3.345,71/12) 279 EUR getragen.
Somit sind Einkünfte des Beklagten von monatlich [(4.395 - 846 - 279) 3.270 EUR zugrunde zu legen.
Auf die Verfügung vom 12. Mai 2005 hat der Beklagte die von ihm in der Zeit von April 2004 bis Mai 2005 geleisteten Zahlungen auf ehebedingte Verbindlichkeiten im Einzelnen dargetan und belegt. Die dabei im Gesamtbetrag von 9.256,56 EUR enthaltenen Beiträge von monatlich 15 EUR für eine Krankenversicherung der beiden gemeinsamen Kinder (V Versicherung) sind abzusetzen, weil nach der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung der BKK V. vom 23. Mai 2005 eine Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht und diese Aufwendungen deshalb nicht notwendig waren. Hingegen sind die für Ausflüge der Kinder aufgeführten Sonderzahlungen vorliegend nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt des Mehr bzw. Sonderbedarfs zu berücksichtigen. Somit verbleiben Aufwendungen von monatlich rund (9.256,56/14 - 15) 646 EUR. Die mit Schriftsatz vom 1. Februar 2006 vorgelegte Aufstellung des Beklagten für Januar 2004 bis Dezember 2004 ist zur unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung höherer Zahlungen nicht geeignet. Denn die dort mit 4.000 EUR eingestellte Rückzahlung eines Darlehens der Lebensgefährtin muss sich die Klägerin nicht entgegen halten lassen, weil nicht dargetan ist, dass mit Hilfe des Darlehens bestimmte, mit dem Betrag von 646 EUR noch nicht erfasste eheprägende Schulden bedient wurden.
Somit ergeben sich bereinigte Einkünfte von monatlich (3.270 - 646) 2.624 EUR.
b)
Kindesunterhalt
Danach ergibt sich ein Unterhalt von 150% des Regelbetrages, wie erstinstanzlich erkannt. Das entspricht Tabellenbeträgen von monatlich 426 EUR für M. und 362 EUR für L. S..
c)
Einkünfte der Klägerin
Die Klägerin hat nach der - im Hinblick auf die Betreuung der beiden gemeinsamen Kinder hier als gerechtfertigt anzusehenden - Reduzierung ihrer Tätigkeit als selbständige Handelsvertreterin ausweislich der Gewinnermittlung für 2004 einen steuerrechtlichen Verlust von 40,96 EUR erzielt. Unterhaltsrechtlich ist das Ergebnis zunächst um die auch sonst anfallenden Raumkosten (betr. Arbeitszimmer in der eigenen Wohnung) von 1.425 EUR und die hier nur steuerrechtlich relevante Fahrzeugabschreibung von 4.105 EUR zu korrigieren. Ferner sind die für Verpflegungsmehraufwendungen und Kaffee ("Repräsentationsmaterial") eingestellten insgesamt (882 + 329,93) 1.211,93 EUR unter dem Gesichtspunkt ersparter Eigenaufwendungen um die Hälfte auf rund 606 EUR zu reduzieren, § 287 Abs. 2 ZPO. Dann ergibt sich statt eines Verlustes von rund 41 EUR ein Gewinn von 6.095 EUR. Das entspricht monatlich etwa den vom Amtsgericht eingestellten 500 EUR.
d)
Trennungsunterhalt
Die von der Klägerin in ihrem Haushalt versorgten Kinder der Parteien waren zwölf bzw. dreizehn (M.) und neun bzw. zehn (L. S.) Jahre alt. Nach Nr. 17.1 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Celle kam bis zum Verlassen der Grundschule durch L. S., d.h. bis zum Sommer 2005 eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin nicht in Betracht.
Deshalb ist das Erwerbseinkommen der Klägerin nur soweit in die nach der Differenzmethode vorzunehmende Bedarfsermittlung einzubeziehen, als eine Berücksichtigung unter Billigkeitsgesichtspunkten entsprechend §§ 1577 Abs. 2, 242 BGB angemessen erscheint (vgl. BGH FamRZ 2005, 1154, 1157) [BGH 13.04.2005 - XII ZR 273/02]. Dies ist hier im Umfang der Hälfte, mithin von monatlich 250 EUR der Fall. Somit errechnet sich nach dem Halbteilungssatz unter Berücksichtigung des Erwerbstätigenbonus von einem Siebtel ein Bedarf (§ 1361 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB) von monatlich rund [(2.624 - 426 - 362 - 250) 1.586 x 3/7] 680 EUR.
Unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Beklagten war ohne Beeinträchtigung des ihm insgesamt zu belassenden Selbstbehalts von monatlich 840 EUR gegeben. Mithin bestand ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von monatlich 680 EUR. Wegen des insoweit erfolgten gesetzlichen Forderungsübergangs auf den Sozialhilfeträger ist nach Maßgabe des Schreibens vom 26. Oktober 2005 für April 2004 bis Juli 2004 ein Betrag von (190,10 x 4) 760,40 EUR wie beantragt gemäß § 265 Abs. 3 ZPO an den Landkreis G. zu zahlen.
2.
Januar 2005 bis Mai 2005
a)
Einkünfte des Beklagten
Ausweislich der Entgeltabrechnung für Dezember 2005 hat der Beklagte nach abgabenbereinigtem Abzug der vermögenswirksamen Arbeitgeberleistung sowie der um die Arbeitgeber-Zuschüsse reduzierten Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung ein Nettoeinkommen von monatlich rund 3.939 EUR erzielt. Nach Hinzurechnung des geldwerten Vorteils der Pkw-Nutzung von 155 EUR ergeben sich Einkünfte von 4.094 EUR. Dass die Differenz zum Vorjahreseinkommen auch auf der jetzt ausgewiesenen Prämie von monatlich 146 EUR für eine Direktversicherung beruht, ist bei den Einkommensverhältnissen des Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Altersvorsorge unterhaltsrechtlich nicht zu beanstanden.
Berufsbedingte Aufwendungen ("Betriebskosten") sind mit monatlich etwa 846 EUR fortzuschreiben, § 278 Abs. 2 ZPO.
Ehebedingte Verbindlichkeiten sind nach der mit Schriftsatz vom 1. Februar 2006 vorgelegten Aufstellung des Beklagten für Januar 2005 bis Dezember 2005 in Höhe der von der Klägerin im Schriftsatz vom 8. Februar 2006 eingeräumten monatlich rund 700 EUR einzustellen.
Dass die für 2003 nach dem Bescheid des Finanzamts G. vom 3. März 2005 vereinnahmte Steuererstattung von 6.214,45 EUR noch zur Rückführung ehebedingter Verbindlichkeiten einzusetzen war, ist vom Beklagten nicht dargetan. Vielmehr sind Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten nach den vorgelegten Aufstellungen bereits in dem Betrag von monatlich 646 EUR enthalten (insbesondere: Bausparkasse, Darlehen Sparkasse, Darlehen A.Bank). Dass das vom Beklagten laufend benutzte Giro-Konto Nr. 190690156 bei der Sparkasse A. A ohne Berücksichtigung dieser schon erfassten Schulden noch einen ehebedingten Negativsaldo aufwies, ist nicht ersichtlich. Ob sich die Erstattung wegen Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen von 2.982 EUR für 2003 ausweisenden Anlage U vom 12. Oktober 2004 auf den eingelegten Einspruch des Beklagten noch erhöhen wird, kann hier dahinstehen, weil darüber unstreitig bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz noch nicht entschieden war und somit nach dem In-Prinzip vorliegend nichts zu berücksichtigen ist. Mithin sind monatlich rund (6.214,45/12) 518 EUR einkommenserhöhend einzustellen. Abzusetzen ist der vom Beklagten aufgrund Durchführung des begrenzten Realsplitting gemäß Bescheid vom 6. Mai 2005 gegenüber der Klägerin zu erstattende Betrag von monatlich rund (35,60/12) 3 EUR, sodass 515 EUR verbleiben.
Das ergibt Einkünfte von monatlich [(4.094 - 846 - 700 + 515) 3.063 EUR.
b)
Kindesunterhalt
Aufgrund dieser Einkünfte beläuft sich der Tabellenunterhalt auf 160% des Regelbetrages. Das entspricht Beträgen von monatlich 455 EUR für M. und 386 EUR für L. S..
c)
Einkünfte der Klägerin
Nach der vorläufigen steuerrechtlichen Gewinnermittlung für 2005 lässt sich ein positives Erwerbseinkommen der Klägerin auch nach unterhaltsrechtlicher Korrektur der gewinnmindernd eingestellten Positionen nicht darstellen. Eine Erwerbsverpflichtung bestand wegen der Kindesbetreuung nach Nr. 17.1 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Celle noch nicht.
d)
Trennungsunterhalt
Nach dem vorstehenden Zahlenwerk ergibt sich ein in die Berechnung einzustellendes Einkommen des Beklagten von monatlich (3.063 - 455 - 386) 2.222 EUR, weshalb unter Berücksichtigung des Erwerbstätigenbonus von einem Siebtel der geltend gemachte Trennungsunterhalt von monatlich 863 EUR nach Maßgabe des Halbteilungsgrundsatzes gerechtfertigt ist. Unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Beklagten war weiterhin gegeben.
e)
Unterhaltsrechtliche Behandlung der Leistungen nach SGB II
Die der Klägerin seit Januar 2005 laufend gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 SGB II (Arbeitslosengeld II) sind nicht als unterhaltsrechtliches Einkommen zu berücksichtigen. Gemäß §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 SGB II handelt es sich um eine nachrangige Sozialleistung, die nur gewährt wird, solange und soweit der Arbeitssuchende seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise sichern kann, auch nicht durch auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, etwa durch Unterhaltsleistungen nach bürgerlichem Recht. Aber anders als bei der Sozialhilfe gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII (früher: § 91 BSHG) erfolgt kein gesetzlicher Forderungsübergang auf den Sozialleistungsträger. Vielmehr erfordert der Übergang von Unterhaltsansprüchen des Sozialleistungsempfängers auf den Leistungsträger eine durch schriftliche Anzeige an den Unterhaltspflichtigen zu bewirkende Überleitung gemäß § 33 SGB II. Damit entspricht die Rechtslage im Wesentlichen derjenigen, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl. I 944, 952) nach der damaligen Fassung der §§ 90, 91 BSHG galt.
Vorliegend ist eine Überleitung, bei der zur Erhaltung der Aktivlegitimation der Klägerin wegen des seit Eintritt der Rechtshängigkeit fällig gewordenen Unterhaltsanspruchs gemäß § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO eine Umstellung des Antrages auf Zahlung an den Rechtsnachfolger erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH NJW 1986, 1182), bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz unstreitig nicht erfolgt. Der Träger der Leistungen kann den Übergang aber nach § 33 Abs. 1 und 2 SGB II noch für die Vergangenheit bewirken, weil insoweit infolge Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorliegen. Dass vom Ausbleiben einer solchen Überleitung auszugehen ist, wofür der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig war, kann vorliegend nicht festgestellt werden. Mithin kommt auch unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Rechtsausübung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (vgl. BGH NJW 1999, 2365; NJWRR 2001, 1081, 1083 zum ausnahmsweise nach § 91 Abs. 2 S. 1 BSHG ausgeschlossenen Forderungsübergang) eine Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes II als unterhaltsrechtliches Einkommen der Klägerin nicht in Betracht. Denn die Arbeitsgemeinschaft im Landkreis G. als zuständiger Leistungsträger hat zwar in ihrem an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichteten Schreiben vom 1. Februar 2006 erklärt, sie sehe "bis auf weiteres" von einer Überleitung ab, um die Klageberechtigung der Klägerin nicht zu gefährden. Aber nach den von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Verhandlungstermin mitgeteilten telefonischen Äußerungen der zuständigen Mitarbeiterin des Leistungsträgers will dieser auf den hier eingeklagten Trennungsunterhalt zugreifen. Das folgt auch aus der auf Anforderung der Arbeitsgemeinschaft im Landkreis G. abgegebenen, den Unterhaltsanspruch in gesamter Höhe des empfangenen Arbeitslosengeldes II erfassenden Abtretungserklärung der Klägerin vom 1. Februar 2006.
Diese Abtretung ist allerdings unwirksam und beseitigt deshalb die Aktivlegitimation der Klägerin nicht. Zwar mag trotz §§ 400 BGB, 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO die Abtretung von Unterhaltsansprüchen hinsichtlich der Vergangenheit in dem Umfang in Betracht kommen, in dem der Zessionar den Unterhalt des Zedenten durch gleichwertige eigene Leistung sichergestellt hat (vgl. BGHZ 4, 153; OLG Bremen NJWRR 2002, 361; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 400 Rn 3). Aber der Gesetzgeber hat in § 33 Abs. 1 und 2 SGB II die Überleitung des Unterhaltsanspruchs zum einen in das Ermessen des Leistungsträgers gestellt und zum anderen für bestimmte Fälle ausgeschlossen. Dabei erfordert die Ermessensausübung eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Interesse an einer wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel sowie den Belangen des Leistungsempfängers und des Unterhaltsverpflichteten (vgl. Müller, FPR 2005, 428, 430). Damit unterscheidet sich die Rechtslage von derjenigen bei der früheren Arbeitslosenhilfe, wonach das Arbeitsamt gemäß § 203 Abs. 1 S. 2 und 5 SGB III a.F. zur Überleitung verpflichtet war. Mithin hat der Gesetzgeber die Überleitung auf den Träger der Leistungen nach SGB II ebenso wie in §§ 90, 91 BSHG a.F. von verschiedenen sozialrechtlichen Voraussetzungen, u.a. von der im Wege der Vergleichsberechnung festzustellenden sozialrechtlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten (vgl. Rudnik, FamRZ 2005, 1941, 1946; Müller a.a.O.) abhängig gemacht, deren Vorliegen im Einzelfall vom Leistungsträger nach Anhörung des Unterhaltsverpflichteten (§ 24 SGB X) zu prüfen ist. Sind sie nicht erfüllt, darf die einen zu begründenden anfechtbaren Verwaltungsakt darstellende (§ 39 Nr. 2 SGB II; vgl. BGH FamRZ 1983, 895, 896; BVerwG, NJW 1994, 64 [BVerwG 27.05.1993 - 5 C 7/92], zu § 90 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F.) Überleitung nicht bewirkt werden. Deshalb verstößt eine ohne Rücksicht auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen erfolgte Abtretung gegen das Gesetz und ist als bürgerlichrechtliches Umgehungsgeschäft nach § 134 BGB, §§ 31, 32 SGB I nichtig, weil es den Unterhaltsberechtigten in seiner Rechtsstellung als Sozialleistungsempfänger benachteiligt. Denn es ist Sache des Leistungsträgers, auf den gesetzlich vorgesehenen Wegen den Nachrang seiner Leistung durch Geltendmachung von Ansprüchen gegen Dritte zu realisieren; dabei kann er sich nicht beliebig bürgerlichrechtlicher Gestaltungsformen bedienen (vgl. BGH NJW 1994, 1733, 1734 [BGH 16.03.1994 - XII ZR 225/92] zu §§ 90, 91 BSHG a.F.).
Nach allem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin nach Erlangung eines vollstreckbaren Urteils ihre Gläubigerstellung durch noch erfolgende Überleitung (teilweise) verliert und dem Leistungsträger dann im Umfang bis dahin erbrachter Leistungen gemäß § 727 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt wird (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 125 [OLG Karlsruhe 01.08.2003 - 5 WF 88/03]; OLG Stuttgart FamRZ 2001, 838 [OLG Stuttgart 05.12.2000 - 8 WF 84/00]; OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 1092 [OLG Zweibrücken 08.01.1997 - 2 WF 80/96]; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 727 Rn 12; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl.; § 727 Rn 8, jeweils zur Sozialhilfe).
Bleibt hingegen eine Überleitung aus, ist dem Leistungsträger dann die Inanspruchnahme der Klägerin auf Erstattung der für den Unterhaltszeitraum ab Januar 2005 empfangenen Leistungen im Wege der rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung gemäß §§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 S. 1 SGB III, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 50 Abs. 1 SGB X wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse eröffnet. Dabei ist davon auszugehen, dass wegen der primären Verweisung auf die eine Pflicht zur Rücknahme des Verwaltungsaktes vorsehende Regelung des § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III ("ist") das in § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X eingeräumte, ohnehin reduzierte ("soll") Ermessen nicht besteht (ebenso Rudnik a.a.O., 1942). Allein auf diese Weise, d.h. durch anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 50 Abs. 3 SGB X) kann nach der derzeitigen Gesetzeslage eine Zahlungspflicht des Unterhaltsberechtigten, etwa in Form einer Verpflichtung zur Weiterleitung eingeklagten Unterhalts, gegenüber dem Leistungsträger begründet werden. Auch aus diesem Grund war das Arbeitslosengeld II nicht in die Unterhaltsberechnung einzustellen. Soweit bestimmte Wohnkosten nach § 40 Abs. 2 SGB II von der Erstattung ausgenommen sind, soll dies - wie die freiwillige Leistung eines Dritten (vgl. dazu BGH NJWRR 2005, 945) - nach dem Zweck dieser Vorschrift, die den Wegfall des Wohngeldes für Leistungsempfänger kompensieren soll (vgl. Lehr und Praxiskommentar SGB II/Conradis, § 40 Rn 16), den Unterhaltsverpflichteten nicht entlasten. Deshalb sind die danach der Klägerin eventuell verbleibenden Leistungen ebenfalls unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 1999, 2365 zur Sozialhilfe).
Dagegen hat das gemäß §§ 16 Abs. 2 S. 2 Nr. 5, 29 SGB II als Zuschuss zum Arbeitslosengeld II bezogene Einstiegsgeld nach seinem gesetzgeberischen Sinn und Zweck Lohnersatzfunktion und ist in die Unterhaltsberechnung einzustellen. Denn es dient nicht der Sicherung des Lebensunterhalts sondern der Eingliederung in den Arbeitsmarkt und soll einen Anreiz für die Fortführung einer aufgenommenen Erwerbstätigkeit darstellen. Insoweit ist auch der Abzug des Erwerbstätigenbonus von einem Siebtel regelmäßig gerechtfertigt.
3.
Juni 2005
Die Klägerin erhielt jetzt Einstiegsgeld von monatlich 241,50 EUR. Nach Maßgabe des oben unter 2. hergeleiteten Zahlenwerks ergibt sich ein Unterhaltsbedarf von rund [(3.063 - 455 - 386 - 241,50) 1.980,50 x 3/7] 849 EUR.
4.
Juli 2005 bis Dezember 2005
Nach Neufassung der Düsseldorfer Tabelle belief sich der Kindesunterhalt bei Einkünften des Beklagten von monatlich 3.063 EUR auf 466 EUR (M.) und 396 EUR (L. S.).
Für die Zeit ab Beginn des neuen Schuljahres, d.h. für die Zeit seit dem 25. August 2005 kam zwar jetzt nach Nr. 17.1 Unterhaltsrechtliche Leitlinien des OLG Celle eine auf eine Teilzeitbeschäftigung gerichtete Erwerbsobliegenheit der Klägerin in Betracht, weil L. S. nun die fünfte Klasse der Realschule M. besuchte. Im Hinblick auf die im Verhandlungstermin am 10. Februar 2006 zur Sprache gekommenen Schwierigkeiten bei der Betreuung des Mädchens, wie sie auch aus dem dort überreichten Halbjahres-Schulzeugnis ersichtlich sind und u.a. aus einem von L. S. am 10. Oktober 2005 erlittenen (Schul) Unfall resultieren, erscheint es vorliegend gerechtfertigt, zunächst weiterhin nur das von der Klägerin bezogene Einstiegsgeld unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen.
Danach ergibt sich ein Trennungsunterhalt von monatlich rund [(3.063 - 466 - 396 - 241,50) 1.959,50 x 3/7] 840 EUR. Unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Beklagten war ohne Beeinträchtigung des ihm jetzt insgesamt zu belassenden Selbstbehalts von monatlich 890 EUR unverändert gegeben.
5.
Zeit ab Januar 2006
Hinsichtlich der Einkünfte des Beklagten ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er nach seinen Angaben im Termin seit November 2005 im Gebiet H./O./M./P. für seinen Arbeitgeber zum Einsatz kommt, die Fortschreibung eines bereinigten Erwerbseinkommens von monatlich 3.063 EUR mangels anderweitiger Anhaltspunkte gerechtfertigt, § 287 Abs. 2 ZPO. Das gilt auch unter Berücksichtigung der nach den vorgelegten Steuererklärungen und Steuerberechnungen zu erwartenden Steuererstattung. Für den Fall, dass sich diese Prognose als unzutreffend herausstellt, sind die Parteien auf die Möglichkeit der Abänderungsklage nach § 323 ZPO zu verweisen.
Hinsichtlich der Einkünfte der Klägerin ist jetzt im Hinblick auf das noch erforderliche Maß der Kinderbetreuung statt des Einstiegsgeldes ein nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen erzielbares Erwerbseinkommen von monatlich etwa 600 EUR netto einzustellen. Die Klägerin war jedenfalls ab Beginn des Schuljahres 2005/2006 über die von ihr betriebene selbständige Erwerbstätigkeit hinaus unterhaltsrechtlich verpflichtet, sich für die Zeit ab Januar 2006 um Erlangung einer halbschichtigen Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu bemühen. Die im Verhandlungstermin dargelegten Bemühungen reichten insoweit nicht aus. Im Hinblick auf die vergleichsweise hohe Qualifikation der Klägerin, die vor ihrer Tätigkeit als Handelsvertreterin in ihrem erlernten Beruf als medizinischkaufmännische Assistentin gearbeitet hat, und nach dem von der Klägerin im Termin gewonnenen persönlichen Eindruck geht der Senat von einer realen Beschäftigungschance (vgl. BVerfG NJWRR 2005, 1448; BGH FamRZ 1996, 345, 346 [BGH 15.11.1995 - XII ZR 231/94]; 1998, 357; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. § 1 Rn 529) aus.
Danach ergibt sich ein Unterhaltsbedarf der Klägerin von monatlich rund [(3.063 - 466 - 396 - 600) 1.601 x 3/7] 686 EUR.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.