Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.03.2003, Az.: 9 K 4/99

Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bei nur kurzfristigem Aufenthalt im Inland

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.03.2003
Aktenzeichen
9 K 4/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 12817
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0305.9K4.99.0A

Fundstellen

  • EFG 2003, 1108-1109
  • IWB 2004, 300 (Kurzinformation)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Entscheidung, ob ein GbR-Gesellschafter die persönlichen Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG erfüllt, ist nicht im Feststellungsverfahren sondern im Einkommensteuerverfahren zu treffen.

  2. 2.

    Ein lediglich 3-monatiger Aufenthalt im Inland ist nicht geeignet, einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) zu begründen, selbst wenn der Stpfl. beabsichtigt hatte, nicht nur vorübergehend im Inland zu verweilen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger im Streitjahr beschränkt oder unbeschränkt -(einkommen-)steuerpflichtig war.

2

Der verheiratete Kläger ist Ingenieur. Er ist britischer Staatsbürger und hatte im Streitjahr 1994 seinen Wohnsitz in Großbritannien. Dort lebt auch seine Familie. In der Zeit vom 30. Mai 1994 bis 31. August 1994 hielt sich der Kläger aus beruflichen Gründen in A auf. Der Kläger ging in dieser Zeit seiner Ingenieurtätigkeit als Gesellschafter der X Design GbR nach. Der Kläger wohnte in dem gesamten Zeitraum im Hotel. Die GbR war unter anderem für die Y AG tätig. Die Aufträge der Y AG waren jeweils auf drei Monate befristet. Eine weitere Tätigkeit für die Y AG hing von einer neuen Beauftragung ab. Der Kläger beendete seine Tätigkeit in Deutschland am 30. August 1994, weil die Y AG der GbR keine weiteren Aufträge erteilte.

3

Mit Feststellungsbescheid vom 4. April 1996 stellte das für die GbR zuständige Finanzamt die steuerpflichtigen Einkünfte des Klägers mit 41.864,00 DM fest. Der Kläger beantragte, als unbeschränkt Steuerpflichtiger mit diesen Einkünften veranlagt zu werden. Diesem Antrag ist der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nicht gefolgt, sondern veranlagte den Kläger mit den einheitlich und gesondert festgestellten Einkünften als beschränkt Steuerpflichtigen. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

4

Mit der Klage vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, dass durch den dreimonatigen Aufenthalt in Deutschland die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht erfüllt seien. Unstreitig habe er - der Kläger - durch den Hotelaufenthalt keinen Wohnsitz im Inland unterhalten. Jedoch habe er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet. Zwar habe er sich nicht länger als sechs Monate im Inland aufgehalten. Allerdings reiche es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus, dass er bei Beginn seines Inlandaufenthalts davon ausgegangen sei, dass er sich länger im Inland aufhalten werde. Bei der Einreise sei er davon ausgegangen, dass er zumindest zwei Jahre im Rahmen der GbR im Inland tätig werden würde. Da die Y AG entgegen seinen Erwartungen jedoch keine weiteren Aufträge erteilt habe, sei er wieder ausgereist. Allein die Tatsache, dass eine Mietwohnung nicht angemietet worden sei, sei unschädlich. Die längerfristige Anmietung einer Wohnung sei wirtschaftlich aus seiner Sicht nicht sinnvoll gewesen, weil bei Abschluss eines Mietvertrages eine Mindestmietdauer hätte vereinbart werden müssen. Da er immer mit einer vorzeitigen Beendigung seines Auftrages gerechnet habe, hätte er sich bei vorzeitiger Beendigung nicht aus dem Mietvertrag lösen können und wäre mit der Miete bis zum Vertragsende belastet gewesen. Im Übrigen hätten auch eine ganze Reihe von Kollegen, die teilweise über zwei Jahre in A tätig gewesen seien, im Hotel gewohnt.

5

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Steuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 1998 und Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 23. September 1996 insoweit herabzusetzen als sie sich mindert, wenn eine Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger durchgeführt wird.

6

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger habe weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland durch den dreimonatigen Inlandsaufenthalt begründet. Mit der Unterbringung im Hotel sei deutlich geworden, dass der Kläger nicht die Absicht gehabt habe, länger im Inland zu verweilen. Hätte der Kläger tatsächlich die Absicht gehabt, sich zwei Jahre in A aufzuhalten, hätte er sich eine Wohnung oder ein möbliertes Zimmer angemietet. Weitere Anhaltspunkte, die den Schluss zulassen würden, dass sich der Kläger über einen längeren Zeitraum im Inland hätte aufhalten wollen, seien nicht ersichtlich.

8

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gründe

9

Die Klage ist unbegründet.

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Der Kläger ist gemäß § 1 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) beschränkt steuerpflichtig, weil er im Jahre 1994 - unstreitig - keinen Wohnsitz im Inland unterhielt und auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet hat, so dass das FA den Kläger zu Recht als beschränkt Steuerpflichtigen veranlagte.

11

1.

Im hier streitigen Einkommensteuerverfahren und nicht im einheitlich und gesonderten Feststellungsverfahren ist darüber zu entscheiden, ob der Kläger die persönlichen Voraussetzungen zur Begründung der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 EStG) erfüllt hat. Nach § 179 Abgabenordnung (AO) sind die Besteuerungsgrundlagen einheitlich und gesondert festzustellen, wenn Einkünfte im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt werden. Gegenstand der gesonderten Gewinnfeststellung sind gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO alle im Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen Erzielung von Einkünften stehenden Besteuerungsgrundlagen (Tipke/Kruse § 180 Tz. 54). Dazu gehört auch die Frage, ob ein Steuerpflichtiger im Rahmen einer Gesellschaft Einkünfte erzielt, die zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften im Sinne des § 49 EStG gehören (Urteil des Finanzgerichts München, EFG 1991 Seite 328; Klein/Brockmeyer § 180 Randziffer 19). Die Entscheidung, ob ein Gesellschafter die persönlichen Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 EStG erfüllt, ist aber dem individuellen Veranlagungsverfahren vorbehalten, da diese Entscheidung von Umständen abhängt, die der Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft verwirklicht (Urteil des BFH vom 11. Dezember 1997 III R 14/96, BStBl. II 1999, 401, 403). Nach Sinn und Zweck der Regelungen über das gesonderte Feststellungsverfahren ist diese Frage allein im Einkommensteuerverfahren zu entscheiden.

12

2.

Der Kläger war im Streitjahr beschränkt steuerpflichtig. Nach § 1 Abs. 4 EStG ist eine natürliche Person beschränkt einkommensteuerpflichtig, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach § 9 AO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist dabei stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil des BFH vom 3. August 1977 I R 210/75, BStBl. II 1978 Seite 118) kann der gewöhnliche Aufenthalt ausnahmsweise auch bei einer Aufenthaltsdauer von weniger als sechs Monaten begründet werden, wenn der Steuerpflichtige von vornherein beabsichtigt hatte, nicht nur vorübergehend im Inland zu verweilen. Das Finanzgericht entscheidet dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtordnung - FGO -), ob der Kläger die subjektive Absicht gehabt hat, sich nicht nur vorübergehend im Inland aufhalten zu wollen.

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Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger durch den dreimonatigen Aufenthalt in A seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) nicht im Inland begründet hat. Sowohl der eigene Vortrag des Klägers als auch sämtliche objektiven Umstände lassen nur den Schluss zu, dass der Kläger nicht von einem längerfristigen Aufenthalt in A ausging. Zwar mag der Kläger gehofft haben, dass er über einen Zeitraum von zwei Jahren im Rahmen der GbR in A tätig sein werde. Ihm war aber von Anfang an bewusst, dass sich sein Aufenthalt lediglich auf einen Zeitraum von drei Monaten beschränken konnte. Dafür spricht zunächst, das der Kläger sich dafür entschieden hat, während seines Aufenthaltes in einem Hotel zu wohnen. Zwar ist diese Tatsache allein nicht für die Entscheidung ausschlaggebend. Der Kläger hat aber selbst ausgeführt, dass es für ihn wirtschaftlich sinnvoll gewesen sei, keinen langfristigen Mietvertrag über eine Wohnung abzuschließen, weil er jederzeit mit einer vorzeitigen Beendigung seiner Tätigkeit im Inland rechnen musste. Er selbst ist also davon ausgegangen, dass er sich möglicherweise nur kurzfristig im Inland aufhalten werde. Insoweit ist sein Vortrag zur erwartenden Aufenthaltsdauer in sich widersprüchlich. Denn wäre er fest von einer zweijährigen Beschäftigung im Inland ausgegangen, hätte dem Abschluss eines auf zwei Jahre befristeten Wohnraummietvertrages nichts entgegen gestanden. Aber gerade weil er von einer so langen Aufenthaltsdauer selbst nicht ausging, hat er durch seine Einquartierung im Hotel Vorsorge für eine vorzeitige Beendigung seines Aufenthaltes getroffen. Für einen nur kurzfristigen Aufenthalt sprechen darüber hinaus die vertraglichen Modalitäten zwischen der GbR und der Y AG. Die Aufträge der Y AG, von deren Bedingungen der Aufenthalt des Klägers im Inland allein abhing, waren jeweils auf drei Monate befristet. Als Gesellschafter der GbR waren dem Kläger diese Umstände sehr wohl bekannt. Schon allein dieser Umstand macht deutlich, dass der Kläger nur von einem jeweils dreimonatigem Aufenthalt ausgehen konnte. Die Y AG hat dann auch tatsächlich nach Ablauf von drei Monaten keine weiteren Aufträge erteilt, so dass der Kläger anschließend ausgereist ist. Somit kommt der Senat zu der Überzeugung, dass der Kläger nicht fest mit einem längerfristigen Aufenthalt in Deutschland rechnete, so dass er keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 9 AO im Inland begründet hat.

14

3.

Zur Frage, ob es sich bei den einheitlich und gesondert festgestellten Einkünften des Klägers überhaupt um (beschränkt) steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des § 49 EStG handelt, für die der Bundesrepublik Deutschland auch nach Artikel XI des Doppelbesteuerungsabkommens mit Großbritannien das Besteuerungsrecht zusteht, braucht das Gericht nicht Stellung zu nehmen, weil diese Entscheidung allein Gegenstand des bestandskräftigen Feststellungsbescheides ist (Urteil des Finanzgerichts München, EFG 1991 Seite 328). Mit Feststellungsbescheid vom 4. April 1996 für die Gesellschafter der X Design GbR wurde festgestellt, dass der Kläger steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 41.864,00 DM erzielt hatte. Diese Entscheidung des Feststellungsbescheids ist gem. § 182 Abs. 1 AO bindend für das hier zu beurteilende Einkommensteuerverfahren (Urteil des BFH vom 9. Juli 1987 IV R 87/85, BStBl. II 1988, 342).

15

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.