Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.03.2003, Az.: 15 K 183/02
Jährliche Aufwendungszuschüsse für steuerlich nicht beratene Steuerpflichtige von der Niedersächsischen Landestreuhandstelle für das Wohnungswesen; Einnahme bei Vermietung und Verpachtung; Verlängerung der Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.03.2003
- Aktenzeichen
- 15 K 183/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 17957
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0325.15K183.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 11 EStG
- § 88b WoBauG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Erhalten steuerlich nicht beratene Stpfl. von der Niedersächsischen Landestreuhandstelle für das Wohnungswesen jährliche Aufwendungszuschüsse nach § 88b WoBauG, so sind sie verpflichtet, diese Zuschüsse in ihrer Steuererklärung zu deklarieren.
- 2.
Insoweit ist es unerheblich, ob die Stpfl. die Rechtskenntnis besitzen, dass es sich bei den ihnen gewährten Zuschüssen um solche handelt, die im Kalenderjahr der Vereinnahmung gem. § 11 EStG als Einnahme bei Vermietung und Verpachtung zu erfassen sind.
- 3.
Die fehlenden Angaben stellen eine Steuerhinterziehung dar, die zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist auf 10 Jahre führt.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung um Zuschüsse erhöhen durfte, die die Niedersächsische Landestreuhandstelle für das Wohnungswesen (NLH) den Klägern gewährte.
Die Kläger sind seit 1987 Eigentümer des Grundstücks S in S. In diesem Grundstück betrieb die Klägerin zunächst einen Laden, der im Jahr 1990 zu einer Wohnung umgebaut wurde. Hierfür entstanden den Klägern Herstellungskosten ausweislich der Einkommensteuerakte 1990 in Höhe von 87.597,35 DM. Die Kläger nahmen für die Finanzierung der Umbaumaßnahmen Bankkredite in Anspruch. Im Anschluss an die Umbaumaßnahmen vermieteten die Kläger diese Wohnung. Das Haus enthält noch eine weitere Wohnung, die ebenfalls vermietet ist.
Das FA erteilte für das Jahr 1990 am 15. Juli 1991 einen Einkommensteuerbescheid, dem es im Wesentlichen die von den Klägern abgegebene Einkommensteuererklärung zu Grunde legte.
Mit Schreiben vom 9. März 2001 teilte die NLH dem FA mit, dass sie an die Kläger im Zeitraum vom 5. Juni 1999 bis 31. Dezember 1999 Zahlungen als Zuschuss aufgrund Bewilligungsbescheides vom 17. April 1990 geleistet habe. Das FA nahm diese Mitteilung zum Anlass, die Kläger u.a. um Mitteilung zu bitten, in welcher Höhe sie für die vorangegangenen Jahre Zuschüsse erhalten hätten und wie diese Zuschüsse verbündet worden seien. Die Kläger überreichten in Beantwortung dieser Anfrage den Bewilligungsbescheid vom 17. April 1990. Danach handelt es sich um eine Mittelbewilligung nach § 88 b Zweites Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG), und zwar um einen Aufwendungszuschuss, zweckbestimmt zur Ermäßigung der laufenden Aufwendungen aus dem Bauvorhaben S. Wegen des Bewilligungsbescheides im Einzelnen wird auf Blatt 3 ff. der Einkommensteuerakte "Rechtsbehelf" Bezug genommen.
Ausweislich der Mitteilung der Kläger erhielten diese im Jahr 1990 - abzüglich einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 61,69 DM - den Überweisungsbetrag von 2.508,71 DM als Zuschuss für die laufenden Aufwendungen.
Das FA stellte fest, dass die Kläger den Zuschuss nicht in ihrer Einkommensteuererklärung 1990 in der "Anlage V" als Einnahme erfasst hatten und erteilte am 8. Juni 2001 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem es die erklärten Verluste der Kläger von 19.998,00 DM auf den Betrag von 17.490,00 DM reduzierte. Ferner erteilte das FA einen Zinsbescheid, in dem es Zinsen in Höhe von 120,00 DM festsetzte.
Der hiergegen erhobene Einspruch der Kläger blieb erfolglos. Das FA wies den Einspruch der Kläger vom 12. Juni 2001 durch Einspruchsbescheid vom 18. April 2002 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Kläger vortragen, die Einkommensteuer sei verjährt. Im Übrigen hätten die Kosten des Umbaus ca. 160.000,00 DM betragen. Der Zuschuss sei schon im Jahr 1990 für die damals angefallenen Baumaßnahmen aufgebraucht gewesen. Wenn das FA ihnen Steuerhinterziehung vorwerfe, so treffe dies nicht zu. Es sei nirgendwo aus den Unterlagen ersichtlich gewesen, dass der Zuschuss für die laufenden Kosten gedacht gewesen sei. Sie hätten nicht so gute Kenntnisse, dass sie dies hätten erkennen können.
Die Kläger beantragen unter Verzicht auf mündliche Verhandlung,
den Einkommensteueränderungsbescheid vom 8. Juni 2001 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 18. April 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt unter Verzicht auf mündliche Verhandlung,
die Klage abzuweisen.
Bei vermieteten Wohnungen seien als Einnahme neben den tatsächlich gezahlten Mieten auch Zuschüsse zu erfassen. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Formular der Anlage für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Kläger hätten seit 1990 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht erklärt, dass ihnen die NLH einen jährlichen Aufwendungszuschuss gewährt habe. Wenn die Kläger sich darauf beriefen, sie hätten keine steuerrechtlichen Kenntnisse, so sei dem entgegen zu halten, dass für die Beantwortung der Frage im Formular, ob ihnen Zuschüsse gezahlt worden seien, keine Kenntnisse erforderlich seien. Die Kläger hätten nur diese Frage beantworten müssen. Wie hoch die Herstellungskosten für das begünstigte Objekt gewesen seien, sei unbeachtlich, weil es sich dem Bewilligungsbescheid nach um einen Zuschuss gehandelt habe, der für die Minderung der laufenden Belastungen gedacht gewesen sei. Entsprechend sei auch die Auszahlung in jährlichen Teilbeträgen erfolgt, deren Zufluss gem. § 11 Einkommensteuergesetz (EStG) in dem entsprechenden Kalenderjahr hätte erklärt werden müssen.
Wegen Verletzung dieser Erklärungspflicht hätten die Kläger den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht, weil sie durch die Nichterklärung der Zuschüsse eine zu niedrige Steuerfestsetzung billigend in Kauf genommen hätten.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht die Einnahmen der Kläger im Veranlagungszeitraum 1990 um den von der NLH gewährten Zuschuss in Höhe von 2.508,71 DM und auch zu Recht Zinsen festgesetzt.
Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Umgekehrt ist eine Änderung einer Steuerfestsetzung aufgrund der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 AO zulässig, solange die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen ist. Eine Steuerhinterziehung ist gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO u.a. dann gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Die Kläger waren im vorliegenden Fall verpflichtet, ihre Einnahmen und Ausgaben aus Vermietung und Verpachtung zum Zweck der Einkunftsermittlung gemäß § 21 EStG zu erklären, damit ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde gelegt werden konnten. Dabei ist es unerheblich, ob sie die Rechtskenntnis besaßen, dass es sich bei den ihnen gewährten Zuschüssen aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 17. April 1990 um einen Aufwendungszuschuss handelt, der im Kalenderjahr der Vereinnahmung gemäß § 11 EStG als Einnahme bei Vermietung und Verpachtung zu erfassen ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass sie in der Anlage V 1990, die sie zur Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ausfüllten, die in diesem Vordruck ausdrücklich gestellte Frage nach erhaltenen öffentlichen Zuschüssen zu Erhaltungs- und Herstellungskosten sowie Aufwendungszuschüssen nicht beantworteten und in der entsprechenden Spalte keinen Betrag einsetzten, obwohl ihnen der Bescheid vom 17. April 1990 vorlag und sie tatsächlich den Betrag von 2.508,71 DM erhalten hatten. Damit haben sie das FA pflichtwidrig über erhebliche steuerliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen.
Der Vortrag der Kläger, der Zuschuss sei bereits im Jahr 1990 für die damals angefallenen Baumaßnahmen aufgebraucht gewesen, trifft weder den Lebenssachverhalt noch steht er im Einklang mit dem Wortlaut des Bewilligungsbescheides vom 7. April 1990. Er konnte schon deshalb nicht für die Herstellungskosten verbraucht gewesen sein, weil er in jährlichen Teilbeträgen 12 Jahre lang jährlich ausgezahlt wurde und nach dem Wortlaut des Bescheides "zweckbestimmt zur Ermäßigung der laufenden Aufwendungen aus dem Bauvorhaben" war. Auch hieraus folgt, dass den Klägern jenseits aller steuerrechtlichen Kenntnisse klar sein musste, dass sie entweder ihre laufenden Aufwendungen um den Zuschussbetrag kürzen mussten oder aber den Zuschuss - wie im Erklärungsvordruck gefordert - hätten erklären müssen.
Das FA hat auch die Zinsfestsetzung in zutreffender Weise vorgenommen. Führt die Festsetzung der Einkommensteuer zu einer Nachforderung, so ist die Nachforderung gemäß § 233 a AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Entsprechend ist der Beginn des Zinsfestsetzungszeitraumes im angefochtenen Zinsbescheid vom 8. Juni 2001 auf den 1. April 1992 festgesetzt.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung; die Kläger sind die unterlegenen Beteiligten.