Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.03.2003, Az.: 9 K 455/99

Haushaltsfreibetraganspruch des Vaters bei Meldung des Kindes zu Beginn des Kalenderjahres allein bei der Mutter

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.03.2003
Aktenzeichen
9 K 455/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 17380
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0305.9K455.99.0A

Fundstellen

  • DStRE 2003, 926-927 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2003, 1095-1096
  • FamRB 2003, 236 (Kurzinformation)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Für Kinder, die bei beiden Elternteilen mit Wohnungen im Inland gemeldet sind, wird der Haushaltsfreibetrag dem Elternteil gewährt, in dessen Wohnung das Kind im Kalenderjahr zuerst gemeldet war. Es kommt insoweit allein auf die ordnungsrechtliche Meldung und nicht auf den tatsächlichen Aufenthalt an.

  2. 2.

    War das Kind nur bei einem Elternteil zu Beginn des Jahres gemeldet, kann eine Übertragung des Haushaltsfreibetrages auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils nicht erfolgen.

  3. 3.

    Gegen die Regelung des § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn zur Sicherung eines gleichmäßigen Gesetzesvollzuges darf der Gesetzgeber einen steuererheblichen Vorgang durch typisierende Regelungen erfassen und kann individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen. Unbedenklich ist daher die Entscheidung des Gesetzesgebers, die steuerrechtliche Doppelberücksichtigung von Kindern durch Anknüpfung an ein formales Zuordnungskriterium zu verhindern.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob dem Kläger ein Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) zusteht.

2

Der Kläger erzielt als Justizbeamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Er lebte im gesamten Streitjahr von seiner Ehefrau getrennt. Seine beiden minderjährigen Kinder lebten zunächst bei der Mutter und waren dort auch am 1. Januar 1996 gemeldet. Zum 1. August 1996 zog der Sohn Sebastian zum Kläger. Auf diesen Zeitpunkt erfolgte eine Ummeldung des Sohnes bei der zuständigen Gemeinde.

3

Mit der Einkommensteuererklärung 1996 machte der Kläger einen Haushaltsfreibetrag für den Sohn geltend und legte eine Zustimmungserklärung der Mutter zur Übertragung vor. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Gewährung des Haushaltsfreibetrages ab, weil das Kind zu Beginn des Kalenderjahres allein bei der Mutter gemeldet gewesen sei.

4

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

5

Der Kläger vertritt mit der Klage die Auffassung, dass ihm ein Haushaltsfreibetrag zu gewähren sei. Die Mutter habe der Übertragung des Haushaltsfreibetrages ausdrücklich zugestimmt. Dies habe das FA bei seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt. Darüber hinaus sei es verfassungsrechtlich geboten, ihm - dem Kläger - einen Haushaltsfreibetrag zu gewähren. Mit dem Umzug des Kindes im Laufe des Streitjahres sei er seinen erzieherischen Pflichten in vollem Umfang nachgekommen. Daher sei es verfassungsrechtlich geboten, ihm durch Gewährung des Haushaltsfreibetrages in steuerlicher Hinsicht eine Entlastung zu gewähren. Das gelte insbesondere auch deshalb, weil sich der Freibetrag bei der Kindesmutter steuerlich nicht auswirke. Sollte das Gesetz allerdings so auszulegen sein, dass ihm auf der Grundlage einfachgesetzlichen Rechts der Haushaltsfreibetrag nicht gewährt werden könne, sei die Regelung dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorzulegen.

6

Der Kläger beantragt,

7

...

8

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Der Haushaltsfreibetrag könne nicht gewährt werden, weil das Kind zu Beginn des Jahres allein bei der Mutter gemeldet gewesen sei. Daher sei der Haushaltsfreibetrag zwingend der Mutter zuzuordnen. Eine Übertragung des Haushaltsfreibetrages sei in solchen Fällen nicht möglich, so dass der Zustimmungserklärung der Mutter im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung zukomme. Darüber hinaus bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift.

Gründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Das FA hat dem Kläger zu Recht keinen Haushaltsfreibetrag gewährt, weil das Kind zu Beginn des Kalenderjahres allein bei der Mutter gemeldet war.

12

Nach § 32 Abs. 7 wird bei einem Steuerpflichtigen, für den das Splittingverfahren (§ 32 a Abs. 5 und 6 EStG) nicht anzuwenden und der auch nicht als Ehegatte (§ 26 Abs. 1 EStG) getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen ist, ein Haushaltsfreibetrag vom Einkommen abgezogen. Der Haushaltsfreibetrag wird für Kinder, die bei beiden Elternteilen mit Wohnungen im Inland gemeldet sind, demjenigen Elternteil gewährt, in dessen Wohnung sie im Kalenderjahr zuerst gemeldet waren (§ 32 Abs. 7 Satz 2 EStG). Es kommt allein auf die ordnungsrechtliche Meldung und nicht auf den tatsächlichen Aufenthalt an (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. August 1981 VI R 33/78, BStBl. II 1982 Seite 111). Eine Übertragung des Haushaltsfreibetrages mit Zustimmung der Mutter kommt nach § 32 Abs. 7 Satz 2 nur in Betracht, wenn das Kind gleichzeitig bei beiden Elternteilen zu Beginn des Jahres gemeldet war. War das Kind nur bei einem Elternteil zu Beginn des Jahres gemeldet, so kann eine Übertragung des Haushaltsfreibetrages auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils nicht erfolgen.

13

Für den Streitfall bedeutet dies, dass dem Kläger ein Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs. 7 EStG nicht zu gewähren ist. Sein Sohn war zu Beginn des Streitjahres allein bei der Mutter gemeldet. Eine Ummeldung erfolgte erst nach dem tatsächlichen Umzug zum 1. August 1996. Somit kann der Haushaltsfreibetrag zwingend nur von der Mutter in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung der Mutter zur Übertragung des Haushaltsfreibetrages geht daher ins Leere.

14

Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG (Urteil des BFH vom 17. September 1982 VI R 86/79, BStBl. II 1983 Seite 9; Urteil des BFH vom 16. November 1990 III R 104/88, BStBl. II 1991 Seite 230). Der Gesetzgeber darf zur Sicherung eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs einen steuererheblichen Vorgang durch typisierende Regelungen erfassen und kann individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BStBl. II 2000, 163, 166; Beschluß des BVerfG vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BStBl. II 1997, 518, 519). Zur Lösung des Konkurrenzproblems, wem ein Haushaltsfreibetrag bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Elternteile zusteht, hat sich der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung dafür entschieden, allein auf den formalen melderechtlichen Tatbestand abzustellen (Urteil des BFH vom 17. September 1982 VI R 86/79, BStBl. II 1983 Seite 9). Bei der Anknüpfung an die leicht und eindeutig überprüfbaren formalen Zuordnungsvorrausetzungen der melderechtlichen Umstände hat sich der Gesetzgeber innerhalb seines ihm von der Verfassung eingeräumten gesetzgeberischen Entscheidungsspielraumes gehalten (Beschluss des BVerfG vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BStBl. II 1997, 518, 519). Eine typisierende Betrachtungsweise, die einen einfachen und gleichmäßigen Gesetzesvollzugs ermöglichen soll, ist im Steuerrecht nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes grundsätzlich zulässig (Beschluss des BVerfG vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BStBl. II 2000, 163, 166). Bei der in § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG vorgenommenen Zuordnung des Haushaltsfreibetrages nach dem melderechtlichen Tatbestand hat der Gesetzgeber auch nicht nach rein willkürlichen Gesichtspunkten differenziert, da er für den Regelfall davon ausgehen durfte, dass der Elternteil, bei dem das Kind mit Hauptwohnung gemeldet ist, den Unterhalt des Kindes überwiegend trägt und deshalb auch durch die Gewährung des Haushaltsfreibetrages begünstigt werden soll (Urteil des BFH vom 14. August 1981 VI R 33/78, BStBl. II 1982 Seite 111). Somit liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) vor. Die gegebenenfalls auftretenden Härten im Einzelfall hat der Gesetzgeber bei der Abfassung der Regelung rechtmäßigerweise in Kauf genommen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat es verfassungsrechtlich nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, eine steuerrechtliche Doppelberücksichtigung von Kindern durch Anknüpfung an ein formales Zuordnungskriterium zu verhindern (Beschluss des BVerfG vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75, BStBl. II 1977 Seite 526). Darüber hinaus ist die Regelung mit dem Verfassungsrecht vereinbar, weil die Steuerpflichtigen durch eine gleichzeitige Meldung des Kindes sowohl bei der Mutter als auch bei dem Vater den Sachverhalt so gestalten können, dass eine Übertragung des Haushaltsfreibetrages mit Zustimmung des anderen Elternteiles möglich gewesen wäre, so dass die hier gerügte Rechtsfolge nicht zwangsläufig eintreten muss (Urteil des BFH vom 16. November 1990 III R 104/88, BStBl. II 1991 Seite 230). Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die gerügte Härte nur im Streitjahr eintritt; für die Folgejahre käme bei gleichbleibendem Sachverhalt eine Zurechnung bei der Mutter nicht mehr in Betracht.

15

Die Regelungen des § 32 Abs. 7 EStG sind für das Streitjahr auch noch anzuwenden, obwohl das Bundesverfassungsgericht den wortgleichen § 32 Abs. 3 und 4 EStG 1984 für verfassungswidrig erklärt hat, weil die Fortgeltung dieser Regelung bis zum 31. Dezember 2001 angeordnet wurde (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BStBl. II 1999 Seite 182).

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).