Landgericht Braunschweig
Urt. v. 11.04.2014, Az.: 6 O 2844/13

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
11.04.2014
Aktenzeichen
6 O 2844/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42475
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Wert: 227.352,29 €.

Tatbestand:

Der Kläger ist zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der XXX bestellt worden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestellung des Klägers ist am 01.02.2010 beschlossen worden (Anlage K 1, Bl. 5 f).

Die Beklagte hatte der Gemeinschuldnerin auf ein bei ihr geführtes Konto Nr. XXX eine Kontokorrentlinie in Höhe von 350.000,00 € eingeräumt. Dem Konto lag ein Rahmenkreditvertrag vom 06./16.05.2008 (Anlage zum Schriftsatz vom 20.03.2014) zu Grunde, in den die Allgemeinen Kreditbedingungen, die Bedingungen für das Avalgeschäft sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der XXX einbezogen waren (Anlagen zum Schriftsatz vom 20.03.2014). Die Kontokorrentlinie war über eine Globalabtretung vom 06.05.2008 (Anlage K 3, Bl. 8 ff) besichert.

Der Sollsaldo des vorgenannten Kontokorrentkontos hatte sich während des letzten Monats vor der Insolvenzantragstellung um den Betrag der Klagforderung auf 100.717,78 € per 08.12.2009 reduziert, und zwar infolge von Zahlungseingängen auf Forderungen, die im Rahmen der Globalzession abgetreten worden waren.

Die Kündigung der Kreditlinie durch die Beklagte erfolgte im Januar 2010.

Der Kläger hält die Rückführung der Kontokorrentlinie für unzulässig. Nach §§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Verbindung mit 129 ff, 143 InsO sei die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe. Bei der Rückführung der Kreditlinie durch die Beklagte habe es sich um eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff InsO gehandelt. Zwar seien die Zahlungseingänge auf dem debitorisch geführten Kontokorrentkonto von der Globalzession erfasst worden, mithin die den Zahlungseingängen zu Grunde liegenden Forderungen im Valutaverhältnis erloschen und an dem sodann entstehenden auftragsrechtlichen Herausgabeanspruch des Kunden gegen seine Bank auf Erteilung einer Gutschrift ein AGB-Pfandrecht gemäß Nr. 21 der AGB-Sparkassen grundsätzlich entstanden. Dies gelte allerdings für den vorliegenden Fall nicht, da die Wirkung der Kontokorrentbindung die Entstehung eines AGB-Pfandrechts zu Gunsten der Bank an dem auftragsrechtlichen Herausgabeanspruch des Bankkunden hindere. Dies sei aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.03.2010 zu IX ZR 111/08 zu folgern. Im Ergebnis sei in denjenigen Fällen, in denen durch Zahlungseingänge die Sollinanspruchnahme auf einem Kontokorrentkonto zurückgeführt werde, eine zuvor vereinbarte Globalzession zu Gunsten eines Kreditinstitutes nicht mehr geeignet, eine (inkongruente) Kreditrückführung mit dem Argument einer fehlenden Gläubigerbenachteiligung insolvenzanfechtungsrechtlich auszuschließen. Vielmehr sei die Befriedigung der Beklagten gemäß § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 227.352,29 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, es handle sich mangels fehlender Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO nicht um einen insolvenzanfechtbaren Vorgang, wenn die Kreditlinie zurückgeführt werde. Die Beklagte stützt sich insoweit auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu XI ZR 30/07 sowie vom 26.06.2008 zu XI ZR 47/05. Danach seien Eingänge auf Forderungen, die im Rahmen einer Globalzession abgetreten worden seien, nur als kongruente Deckung anfechtbar. Mit der Zahlung lösche die der Bank als Sicherheit abgetretene Forderung, die Bank erwerbe an deren Stelle ein Pfandrecht an dem neu entstandenen Anspruch des Schuldners aus § 667 BGB. Dieser unmittelbare Sicherheitentausch benachteilige Gläubiger nicht, da die Bank ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht erworben habe. Eine allein in Betracht kommende Anfechtung nach §§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO scheitere daran, dass keine inkongruente Deckung vorliege. Die im Rahmen des verlängerten aber auch des erweiterten Eigentumsvorbehaltes vorgenommenen Abtretungen stellten eine kongruente Sicherheit dar. Die vom Kläger zitierte weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu XI ZR 111/08 sei nicht einschlägig.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Ein Auszahlungsanspruch des Klägers (auf den die Klage allerdings nicht ausdrücklich gestützt wird) wäre infolge Aufrechnung erloschen.

Ein Anspruch aus Insolvenzanfechtung nach §§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Verbindung mit 129 ff, 143 InsO ist nicht begründet, weil es an der insofern erforderlichen Gläubigerbenachteiligung fehlt. Auf Grund der Globalabtretung ist die Beklagte Inhaberin der Forderungen gewesen, die durch die Zahlungen auf das Konto dann beglichen worden sind, so dass ihr auch ein Absonderungsrecht im Sinne von § 51 Nr. 1 InsO zustand.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29.11.2007 zu XI ZR 30/07 ausgeführt, die Einzahlungen von Drittschuldnern auf das bei der Bank geführte Konto der Schuldnerin seien unmittelbar in das Vermögen des Kreditinstituts gelangt. Dieses habe auf Grund der Sicherungsabtretung den Erlös als wahre Berechtigte erhalten, obwohl die Abtretung noch nicht offengelegt worden sei. Zwar sei mit der Zahlung die der Beklagten als Sicherheit abgetretene Forderung erloschen, §§ 362, 407 Abs. 1 BGB. Die Bank habe jedoch an deren Stelle ein Pfandrecht an dem neu entstandenen Anspruch der Schuldnerin aus § 667 BGB gemäß Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken erworben. Dieser unmittelbare Sicherheitentausch benachteilige die Gläubiger nicht, sofern die beklagte Bank auf Grund der Globalabtretung an den während des Dreimonatszeitraums vor dem Eingang des Eröffnungsantrags entstandenen oder werthaltig gewordenen Forderungen ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO erworben habe (Rn. 13).

Der vorliegende Fall ist nicht anders zu beurteilen. Insbesondere war auch für das Kontokorrentkonto Nr. XXX ein Pfandrecht nach den AGB der Beklagten, die in den Vertrag einbezogen waren, vorgesehen (Nr. 21). Das Gericht geht auch in Ansehung der weiteren BGH-Rechtsprechung davon aus, dass die Bank anstelle der Forderung ein Pfandrecht an dem neu entstandenen Anspruch der Schuldnerin nach § 667 BGB erwerben konnte. Dem steht auch insbesondere nicht die Entscheidung vom 18.03.2010 zu XI ZR 111/08 entgegen. Die Klägerseite, die sich auf diese Entscheidung stützt, weist zutreffend darauf hin, dass der Entscheidung ein nicht unwesentlich anderer Sachverhalt zu Grunde lag. Dieser Sachverhalt ist z.B. abgedruckt in der Wiedergabe der Entscheidung in NZI 2010, 443 [BGH 18.03.2010 - IX ZR 111/08]. Zum einen beschäftigt sich die betreffende Entscheidung vornehmlich mit dem maßgeblichen Zeitpunkt bei Vorausabtretung von Schlusssalden und kontokorrentgebundenen Forderungen. Zum anderen ist im hier zu entscheidenden Fall der Sollsaldo des Kontokorrentkontos bereits per 08.12.2009 um den mit der Klage geltend gemachten Betrag reduziert worden, also vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In dem Rechtsstreit, der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.03.2010 zu Grunde lag, ging es um die Auszahlung eines kausalen Schlusssaldos bei Insolvenzeröffnung, an dem nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs Pfandrechte nicht mehr wirksam erworben werden konnten.

Der Auffassung der Klägerseite, der Bundesgerichtshof sehe möglicherweise seine eigene Rechtsprechung nun in einem anderen Licht, steht im Übrigen auch die Entscheidung vom 17.03.2011 zu XI ZR 63/10 entgegen, mit der ausdrücklich die Rechtsprechung zu XI ZR 30/07 fortgeführt werden sollte. Auch dort ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO daran scheitere, dass keine inkongruente Deckung vorliege. Vielmehr seien die im Rahmen des verlängerten, aber auch des erweiterten Eigentumsvorbehalts vorgenommenen Abtretungen als kongruente Sicherheiten anzusehen.

Im vorliegenden Fall ist ferner zu beachten, dass auf Grund der Abtretungsvereinbarungen der Rechtsübergang zumindest überwiegend erfolgt sein dürfte, bevor sich die Frage einer unselbstständigen Behandlung im Kontokorrent stellen konnte, weil wesentliche Teilbeträge der später im Kontokorrent aufgegangenen Positionen durch Einzelzessionen erfasst waren, so dass der Rechtsübergang auf die Beklagte und die Entstehung des Pfandrechtes vor der Einstellung in das Kontokorrent begründet worden war (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 20.03.2014, Seite 2). Entscheidend kommt es aus Sicht des Gerichts darauf aber nicht mehr an.

Ein Schriftsatznachlass zu Gunsten der Klägerseite auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20.03.2014 ist nicht zu gewähren, weil der Schriftsatz innerhalb der Wochenfrist des § 132 ZPO dem Klägervertreter zugegangen ist und keine Gründe genannt worden sind, die im vorliegenden Fall eine weitere Replik innerhalb der Wochenfrist unmöglich erscheinen lassen. Zudem ist bereits in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht worden, dass Rechtsvortrag durch den Schluss der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen ist.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.