Landgericht Braunschweig
Urt. v. 02.04.2014, Az.: 9 O 1237/13
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 02.04.2014
- Aktenzeichen
- 9 O 1237/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42386
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den in das Netz der Beklagten eingespeisten, vom Blockheizkraftwerk der Klägerin in xxx Ortsteil xxx (Anlagennummer 52175) erzeugten Strom mit 15 Cent je Kilowattstunde zusätzlich Mehrwertsteuer zu vergüten, soweit die Klägerin der Beklagten einen Dritten nachweist, der bereit ist, diesen von ihr eingespeisten KWK-Strom zu diesem Preis abzunehmen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf eine Wertstufe bis 7.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer Einspeisevergütung für Strom in Anspruch.
Die Klägerin betreibt ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 15,2 kW. Die Beklagte ist der Netzbetreiber.
Die Parteien haben einen Einspeisevertrag vom 03.02.2012 geschlossen (Anlage K1). Danach wird die Einspeisevergütung nach dem Preis der Strombörse bemessen (§ 4 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz = KWKG). Diese Vergütung betrug für das Jahr 2012 ca. 4,5 Cent je kWh.
Auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 Satz 4 KWKG will die Klägerin einen höheren Preis durchsetzen.
Die Klägerin behauptet,
sie habe der Beklagten schon Ende 2012 zwei Unternehmen benannt, die bereit seien, den Strom für 15 Cent je Kilowattstunde abzunehmen. Dabei handele es sich einmal um die Grundstücksverwaltungsgesellschaft xxx sowie um die xxx.
Die Klägerin habe alle erforderlichen Angaben gemacht, so dass die Beklagte verpflichtet sei, die entsprechenden Verträge abzuschließen und den von ihr eingespeisten Strom entsprechend zu vergüten.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung,
die für eine Vermarktung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 4 KWKG erforderlichen Angaben der Klägerin würden ebenso fehlen wie die dafür erforderlichen Messgeräte. Auch für diese von der Klägerin beabsichtigte Vermarktung würden die von der Bundesnetzagentur aufgestellten Regeln für die Bilanzierungen von Strommengen geltend. Hintergrund sei der Umstand, dass im liberalisierten Strommarkt Stromlieferanten und auch Stromkunden in sogenannten Bilanzkreisen zusammengefasst würden. Bei den Bilanzkreisen handele es sich um virtuelle Energiemengenkonten, die von den Übertragungsnetzbetreibern geführt würden, um Händlern oder bilanzverantwortlichen Endkunden die Möglichkeit zu geben, alle tatsächlichen Einspeisungen und Entnahmen innerhalb des Regelgebietes zu saldieren. Die Einzelheiten seien in den Marktregelungen für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom (MaBiS) festgelegt und nur nach diesen Regeln sei eine Umsetzung möglich. Es sei weiter erforderlich, dass die abnehmenden Dritten über Messeinrichtungen verfügten, die eine sogenannte Leistungsmessung ermöglichen. Dies müsse auch bei der einspeisenden Klägerin so erfolgen, da es erforderlich sei, eine viertelstündige Erfassung der Leistungswerte vorzunehmen. Es sei nur der Strom entsprechend § 4 Abs. 3 Satz 4 KWKG zu vergüten, der in der jeweiligen Viertelstunde zeitgleich von der Klägerin eingespeist und von den Dritten abgenommen werde.
Es sei außerdem der Beklagten nicht zumutbar, das Insolvenzrisiko des Dritten zu tragen. Dies sei durch Aufnahme entsprechender Vorbehalte in den Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten sicherzustellen. Ein solches Vertragsangebot der Klägerin fehle aber.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Es wird weiter Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2014 sowie auf den Hinweis vom 02.12.2013.
Durch Beschluss vom 02.01.2014 ist die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 348 Abs. 3 Satz 2 ZPO von der Kammer übernommen worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die Klägerin hat ein Feststellungsinteresse.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 2010 1877 (1878) [BGH 13.01.2010 - VIII ZR 351/08].
Vorliegend ist es ungewiss, ob und zu welchen Bedingungen die Beklagte zur Zahlung einer höheren Vergütung verpflichtet ist.
Eine konkrete Schadensberechnung ist schon deshalb nicht möglich, weil die Mengen die von den Dritten abgenommen worden wären nicht bekannt sind. Weiter sind nach Rechtskraft des Feststellungsurteils Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beklagten einerseits und der Beklagten und den Dritten andererseits zu treffen.
2. Der Klägerin steht ein Feststellungsanspruch aus § 4 Abs. 3 S. 4 KWKG zu.
a) Das Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) will aus Gründen der Energieeinsparung und des Umweltschutzes die Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung fördern (§ 1 KWKG). Dazu sieht § 4 KWKG eine Anschluss-, Abnahme- und Vergütungspflicht vor. Der Netzbetreiber ist u.a. verpflichtet den KWK-Strom vorrangig abzunehmen (§ 4 Abs. 1 KWKG). Den aufgenommenen Strom kann der Netzbetreiber dann verkaufen oder für den eigenen Bedarf verwenden (§ 2 KWKG). Der aufgenommene Strom ist zu vergüten. Dafür trifft § 4 Abs. 3 KWKG eine differenzierte Regelung. Vorrang hat nach § 4 Abs. 3 S. 1 KWKG eine Vereinbarung zwischen dem Betreiber der KWK-Anlage und dem Netzbetreiber. Kommt diese Vereinbarung nicht zustande, gilt nach § 4 Abs. 3 S. 2 KWKG der übliche Preis als vereinbart. Dieser Preis wird nach den Preisen der Strombörse bestimmt (§ 4 Abs. 3, S. 3 KWKG). Auf dieser Basis rechnen die Parteien zur Zeit ab.
Zusätzlich treffen § 4 Abs. 3 S. 4 und S. 5 KWKG folgende Regelung:
4Weist der Betreiber der KWK-Anlage dem Netzbetreiber einen Dritten nach, der bereit ist, den eingespeisten KWK-Strom zu kaufen, ist der Netzbetreiber verpflichtet, den KWK-Strom vom Betreiber der KWK-Anlage zu dem vom Dritten angebotenen Strompreis abzunehmen. 5Der Dritte ist verpflichtet, den KWK-Strom zum Preis seines Angebotes an den Betreiber der KWK-Anlage vom Netzbetreiber abzunehmen.
Nach der Gesetzesbegründung (BTDS 14/7024) sollt dies der „mittelbaren Vermarktung“ des KWK-Stromes durch den Betreiber der KWK-Anlage dienen (vgl. Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Bd. 2, § 4 KWKG, Rn. 80). Es handelt sich um eine Möglichkeit der Preisbestimmung und nicht der Direktvermarktung. Dies entspricht auch dem eindeutigen Verständnis des Gesetzgebers (BTDS 14/7024 S. 11, S. 18; BTDS 14/7086). Der KWK-Betreiber (die Klägerin) verkauft an den Netzbetreiber (die Beklagte). Der Netzbetreiber verkauft dann an den Dritten (vgl. Elspas, Die Förderung der Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung, 2005, S. 268). § 4 Abs. 3 S. 4 KWKG enthält so eine reine Preisregelung (Hempel/Franke, a.a.O. Rn. 79). Dabei darf der Netzbetreiber wohl die notwendig mit der Stromlieferung verbundenen Kosten (Steuern, Netznutzungsentschädigungen u.s.w.) aufschlagen (vgl. Hempel/Franke, a.a.O. Rn. 82).
b) Davon zu unterscheiden ist Möglichkeit der Direktvermarktung nach § 4 Abs. 2a und Abs. 2b KWKG. Diese Vorschriften sind erst später in das Gesetz eingefügt worden um die Möglichkeit der Direktvermarktung durch den Anlagenbetreiber zu schaffen (BTDS 17/8801 S. 16; Hempel/Franke, a.a.O., Rn 60). In diesen Fällen entfällt die Ankaufs- und Vergütungspflicht des Netzbetreibers (Hempel/Franke, a.a.O., Rn. 89).
c) Die „Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom“ (MaBiS; vgl. http://www.bundesnetzagentur.de/DE/Service-Funktionen/Beschlusskammern/Beschlusskammer6/BK6_31_GPKE_und_GeLiGas/Mitteilung_Nr_31/Anlagen/Konsolidierte_Lesefassung_MaBiS.pdf?__blob=publicationFile&v=2) sind auf den Fall der Preisbestimmung gem. § 4 Abs. 3 S. 4 KWKG nicht anwendbar.
Bei den MaBiS handelt es sich um einen Beschluss der Bundesnetzagentur. Mit diesem Beschluss reguliert die Behörde alle mit der Bilanzkreisabrechnung in Zusammenhang stehenden Geschäftsprozesse und die Marktkommunikation. Durch die Regulierung sind die Vorgaben verbindlich durch die Marktteilnehmer umzusetzen.
Dabei geht es um den Fall, dass Strom an Dritte verkauft wird und dafür durch ein fremdes Netz geleitet wird. Bei einer Vermarktung nach § 4 Abs. 3 S. 4 KWKG verkauft die Klägerin aber ihren Strom weiter an die Beklagte. Es wird nur der Preis in der Weise festgelegt, dass die Beklagte den Preis zahlen muss, den sie für diese Strommenge von dem Dritten erhält.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Dritte nicht verpflichtet den gesamten KWK-Strom abzunehmen. Der Gesetzeswortlaut schreibt dies nicht vor. Nach dem Zweck des Gesetzes soll die Regelung in § 4 Abs.3 S. 4 KWKG verhindern, dass der Netzbetreiber sein Monopol ausnutzt. Er soll für den abgenommenen Strom den Preis zahlen, den er selbst bekommt. Dies ist auch technisch ohne weiteres umsetzbar. Die Menge des eingespeisten Stromes durch die Klägerin wird erfasst. Ebenso wird der vom dem Dritten verbrauchte Strom erfasst. Unstreitig verfügt die Klägerin über die in § 8 KWKG vorgesehene Nachweiseinrichtung für den eingespeisten Strom. Bei den Dritten ist die abgenommene Menge über den normalen Stromzähler nachweisbar.
Weder die Klägerin noch der Dritte sind für die mittelbare Vermarktung bilanzkreispflichtig. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung würde faktisch dazu führen, dass eine mittelbare Vermarktung nicht möglich oder zumindest nicht lukrativ ist. Nach Vorstellung der Beklagten soll sowohl bei der Klägerin wie auch bei dem Dritten eine Leistungsmessung erfolgen, die die genau die Viertelstundenwerte erfasst. Vergütungspflichtig zu den höheren Preisen wäre dann nur der Strom, der genau in der Viertelstunde verbraucht wird, in der er auch eingespeist wird. Wenn beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus eine KWK-Anlage arbeitet, erzeugt diese dann, wenn viel Wärme benötigt wird auch viel Strom. Dies wären typischerweise die frühen Morgenstunden, der Abend und das Wochenende. Zu diesen Zeiten benötigt ein abnehmender Betrieb aber wenig oder keinen Strom. Im Ergebnis würde der Netzbetreiber dann doch den Strom zu dem deutlich günstigeren Strombörsenpreis kaufen können.
Die von der Beklagten befürwortete Verfahrensweise findet daher nur Anwendung auf die Direktvermarktung nach § 4 Abs. 2a und 2b KWKG (vgl. Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, 4. A. § 21, Rn. 169; Hempel/Franke, a.a.O., § 4 KWKG Rn. 4, Rn. 60), aber nicht auf die mittelbare Vermarktung gem. § 4 Abs. 3 S. 4 KWKG.
Auch aus dem Papier der Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch (ASUE; Anlage zum SS v. 27.02.14) folgt nichts anderes. Zunächst handelt es sich dabei um einen Interessenverband von Energieunternehmen und nicht um eine zur Gesetzesauslegung berufene Institution. Aber selbst nach der Darstellung auf S. 8 des Papiers tritt eine Bilanzkreispflicht nur ein, wenn der Dritte der seinerseits den Strom weiter verkaufen will. Im vorliegen Fall will der Dritte aber nicht verkaufen, sondern selbst verbrauchen. Das Papier des ASUE bestätigt auch die Auffassung der Kammer, dass das Gesetzesverständnis der Beklagten die Regelung des § 4 Abs. 3 S. 4 KWKG leerlaufen lassen würde:
„… der hierfür notwendige Aufwand kann normalerweise nur durch eine Energieversorgungsunternehmen, einen Stromhändler oder einen größeren Industriebetrieb geleistet werden“.
d) Es gibt auch keinen Anspruch der Beklagten, dass die Klägerin das Insolvenzrisiko des Dritten übernehmen muss. Das Gesetz verlangt nur den Nachweis eines Dritten, der bereit ist einen höheren Preis zu zahlen. Nach dem Zweck der Regelung wird es auch erforderlich sein, dass der Dritte in der Lage ist seiner Pflicht zur Abnahme nachzukommen. Mit der Insolvenz fehlt es dann am Nachweis. Für zwischenzeitlich aufgelaufene Forderungen muss die Klägerin nicht einstehen. Die Beklagte kann durch die üblichen Abschlagszahlungen sicherstellen, dass keine zu hohen Forderungen auflaufen.
Diese Fragen bedürfen hier aber keiner Vertiefung, da sie dem grundsätzlichen Feststellungsanspruch der Klägerin nicht entgegenstehen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
4. Der Streitwert war gemäß § 48 GKG festzusetzen.